Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Vierundachtzigste (XXXII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 6. Februar. 1849.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom I. Februar 1849.
II. Zweite Lesung der Grundrechte. Vorsitzender: Präsident S m o l k a.
Die Ministerplätze leer.
Anfang: 10 1/2 Uhr.
P r ä s. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Secr. Wiser wird das Protokoll der letzten Sitzung verlesen. (Geschieht.) Ist bezüglich der Fassung dieses Protokolles etwas einzuwenden? (Pause.) Da gegen die Fassung des Protokolles nichts eingewendet wird, so erkläre ich dasselbe als richtig aufgenommen.
Der Herr Abg. Lhota, dem ich einen Urlaub von 8 Tagen ertheilt habe, hat von seinem Wohnorte aus, unter Einsendung eines Krankheitszeugnisses seine Erkrankung angezeigt als hier im Orte erkrankt haben sich angemeldet die Abgeordneten: Bernardelli, Borkowski, Stobnicki und Zbiszewski.
Ich habe Urlaube bewilligt, und zwar den Abgeordneten: Smreker, Hodurek, Suppanz und Palacki auf 8 Tage, dem Abg. Johann Leithner auf 4 Tage. Bei dem Umstande, daß der Abg. Palacki ein Mitglied des Constitutions Ausschusses ist, und jetzt täglich Sitzungen im Constitutionsausschusse gehalten werden, würde ich die Herren Abg. des Gouvernements Böhmens ersuchen, heute Nachmittag um 4 Uhr im Sektionszimmer Nr. 3 zusammenzukommen, und einen Stellvertreter für den Abg. Palacki zu wählen, nachdem bereits um 5 Uhr Sitzung im Constitutionsausschusse ist.
Es sind neu gewählte Abgeordnete eingetroffen, und zwar der Abg. Blasius Ovjiazh für Loitsch in Illyrern, statt des ausgetretenen Abg. Dollschein; derselbe wurde der 1. Abtheilung zugelost. Dann der Abg. Mandl Wladimir für Tarnopol, statt des Abg. Fedorowicz, welcher der 8. Abtheilung zugelost worden ist. Diese Herren Abgeordneten haben sich mit ihren Legitimationen ausgewiesen, und können, falls sie anwesend sind, an der heutigen Berathung Theil nehmen. Die Herren Schriftführer der 2. und 9. Abtheilung ersuche ich, im Vorstandsbureaus die Wahlacten dieser Abgeordneten in Empfang zu nehmen. Der Abg. Spangeher für die Stadt Görz hat sein Mandat niedergelegt, und zwar unbedingt. Es wird das Ministerium des Innern um Ausschreiburig einer neuen Wahl angegangen werden.
Der Vorstand der 1. Abtheilung ersucht die Mitglieder dieser Abtheilung, morgen um 9 Uhr Früh zuverlässig sich zu versammeln, nachdem einige Wählachte zur Prüfung vorliegen. Ferner ersucht der Vorstand des Recrutirungsansschusses die Mitglieder dieses Ausschusses, morgen um 9 Uhr im Sektionszimmer Nr. 3 sich zu versammeln.
Für die laufende Woche haben die Revision der stenographischen Berichte zu besorgen die Herren Abgeordneten: Rosypal, Till und Kauski. Ich ersuche diese Herren, sich in der laufenden Woche mit der Revision der stenographischen Berichte zu befassen. Für die Commission zur Revision der stenographischen Berichte wäre an die Stelle des ausgetretenen Abg. Winaricky ein Mitglied zu wählen, und zwar aus der 9. Abtheilung. Die Herren werden ersucht, sich morgen um 9 Uhr oder allenfalls vor der Sitzung Behufs der Vornahme dieser Wahl zu versammeln.
Der vom Abg. Kapusczak in der letzten Sitzung motivirte Antrag liegt heute gedruckt vor. Wenn in dieser Beziehung kein Widerspruch stattfinden sollte, so würde ich bei dem Umstande, als bis Freitag gerade drei Tage seit der Vertheilung verstrichen sein werden, und an diesem Tage andere Gegenstände außer den Grundrechten verhandelt werden können, den Antrag stellen, diesen Antrag am Freitag zur Vollberathung auf die Tagesordnung zu setzen. (Ruf: Ja, ja.) Ich habe die hohe Kammer in Kenntniß zu setzen, daß am 1. Februar 1849 sich eine Deputation mehrerer Gemeinden aus dem Porerauer und Hradischer Kreise im Vorstands — Bureau eingefunden, mir eine Adresse überreicht, und eine Ansprache an mich gerichtet hat. Ich habe den, sowohl in der Adresse, als auch in der an mich gerichteten Ansprache an den Tag gelegten Ausdruck der Loyalität für seine Majestät den Kaiser und den Reichstag zur wohlgefälligen Kenntniß genommen, und in diesem Sinne beantwortet. Diese Adresse liegt hier vor, falls die hohe Kammer es wünscht, könnte dieselbe vorgelesen werden. (Vielstimmiger Ruf: Ja.) Die Adresse ist in böhmischer Sprache abgefaßt. Ich habe davon eine authentische Übersetzung ins Deutsche anfertigen lassen. Wünscht die Kammer, daß das Original verlesen werde? (Widerspruch.)
Schriftf. Streit (liest).
Hoher Reichstag!
Gejubelt haben alle Nationen Österreichs, gejubelt hat auch das slavische Volk in Mähren, als im März die Sonne der Freiheit zum ersten Male uns anlächelte, und einen ganzen Frühling seliger Hoffnungen in unserer Brust weckte.
Gejauchzt hat das Volk abermals, als Ihr, die Vertreter der österreichischen Nationen, am 31. August in Wien mit einhelliger Stimme die Worte sprächet, die uns durch das Patent vom 7. September zugetragen wurden: "Die Unterthänigkeit ist aufgehoben. " Da richtete das Volk den unter dem Joche der Robot gebeugten Nacken auf, und erhob dankbar sein Haupt, indem es sich von diesem Augenblicke an erhoben fühlte zur Menschenwürde. Als aber durch das Wort des gütigen Kaisers Ferdinand der hohe Reichstag nach Mähren in unsere Mitte berufen wurde, bemächtigte sich unser ein stolzes Gefühl, daß hier auf dem Boden unseres teuren Vaterlandes, von welchem vor tausend Jahren das Licht der christlichen Wahrheit sich nach allen Seiten hin ausbreitete, auch nun aufgebaut werden soll die feste Burg der Volksrechte, um sodann unserem gnädigen Monarchen zur Bestätigung und Wahrung übergeben zu werden. Denn Ihr Männer, die Ihr unsere Vertreter seid, leget die Grundlagen des künftigen Wohles der Nationen Österreichs, Ihr leget den Grund des neuen Gebäudes, in welchem Fürst und Volk einträchtig und glücklich mit einander leben sollen, Ihr fetzet die Grundsteine der Constitutition Österreichs.
Darum begrüßen wir Euch denn freudig auf dem geliebten Boden unseres teuren Vaterlandes Mähren, und sagen Euch Dank für Euer bisheriges Bemühen, indem wir in Euch unser Vertrauen setzen, daß Ihr gemäß Eurem erhabenen Berufe als wahre Volksvertreter bei Euren Arbeiten die bürgerliche und Volksfreiheit, das Wohl und den Ruhm unserer constitutionellen Monarchie auch künftig stets im Auge haben werdet.
Wir erwarten vertrauungsvoll, daß aus Eurer Mühe und Arbeit aufgehen wird der Same der Gleichberechtigung aller Nationen, und keimen wird in dem verschieden gegliederten, doch unteilbaren Österreich.
Genehmiget denn, daß wir im Namen unserer Gemeinden, so wie wir die herzlichste Liebe und treueste Ergebenheit hegen gegen unseren gütigen constitutionellen Kaiser Franz Joseph, eben so Euch, unseren gewählten Vertretern, unsere tiefste Ehrfurcht und unser Vertrauen mit ungeschminkten, aber aufrichtigen Worten darlegen.
Gott segne Eure Arbeit, Eure Mühe! Hoch unsere constituirende Reichsversammlung! Im Namen der mährischen Gemeinden des Porerauer und Hradischer Kreises. (Folgen die Unterschriften. Großer Beifall.)
Präs. Ich habe der hohen Kammer anzuzeigen, daß der Herr Abg. Titus Dzieduszycki hier eingetroffen ist. Bezüglich des Herrn Abg. Luzian Kobylica wird der Herr Schriftf. Ullepitsch einen Vortrag halten.
Schriftf. Ullepitsch. Der R. T. Abg. Luzian Kobylica für den Wahlbezirk Wisznitz in der Bukowina, welcher sich während der Zeit der Prorogation des Reichstages in seine Heimat begeben hatte, hat mit seiner Einlage vom 28. Nov. v. J. R. T Z. 3290 dem Reichstagsvorstande die Anzeige gemacht, daß ihm von Seite des Czernowitzer Kreisamtes bedeutet worden sei, daß, wenn er sich nicht alsogleich zum Reichstage nach Kremsier begeben sollte, oder er sich über eine erlangte Urlaubsbewilligung nicht auszuweisen vermöchte, seine Eigenschaft als Reichstags Deputirter beanständet werden müßte, in Folge dessen er nöthigen Falls um schriftliche Einberufung nach Kremsier ersuchte.
In Erledigung dieser Eingabe wurde dem besagten Herrn Abgeordneten unterm 12. Dec. v. J. erwidert, daß, nachdem der Reichstag in Folge der von Sr. Majestät dem Kaiser ergangenen Aufforderung seit dem 22. Nov. d. J. in Kremsier seine Sitzungen wieder eröffnet hat, der Herr Abgeordnete hievon zu seiner Benehmungswissenschaft verständiget werde, und es wurde das k. k. Ministerium des Innern um Zustellungsveranlassung dieser Erledigung ersucht.
Unterm 5. Jänner l. J. R. T. Z. 3920 wurde jedoch von Seite des k. k. Ministeriums des Innern anher mitgetheilt, daß der R. T. Abg. Luzian Kobylica bereits längere Zeit von seinem Wohnsitze Putila in der Bukowina unbewusst wo abwesend, und daher eine Zustellung des an ihn gerichteten Schreibens untunlich sei. Da nun der §. 29 der bereits definitiv angenommenen Geschäftsordnung bestimmt, daß ein Mitglied, welches sich ohne Urlaub entfernt oder über die Urlaubszeit ausbleibt, zum Erscheinen am Sitze des Reichstages aufzufordern sei, so erging unterm 19. Jänner l. J., R. T. Z. 4089 an den Reichtagsabgeordneten Luzian Kobylica die Aufforderung, nunmehr binnen einer Frist von 14 Tagen sich um so zuverlässiger in Kremsier einzubinden, als er im Gegenfalle nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist, ohne fernere Ermahnung als ausgetreten betrachtet, und der Antrag auf Einleitung einer neuen Wahl gestellt werden müßte.
Da nun diese Frist abermals fruchtlos verstrich, auch jede weitere Zuschrift ob des unbekannten Aufenthaltes des Abg. Kobilica untunlich ist, der Wahlbezirk Wisznitz in der Bukowina aber füglich nicht länger ohne Vertretung bleiben kann, so stellt der Reichstagsvorstand den Antrag, die hohe Kammer wolle beschließen: der Reichstagsabgeordnete Luzian Kobylica für den Wahlbezirk Wisznitz in der Bukowina sei als aus der hohen Reichsversammlung ausgetreten anzusehen, und der Reichstagsvorstand sei ermächtiget, im Wege des k. k. Ministeriums des Innern dießfalls die Ausschreibung einer neuen Wahl zu veranlassen.
Präs. Wünscht Jemand über den vorgetragenen Gegenstand zu sprechen? Diejenigen Herren, welche dem Antrage des Vorstandes beistimmen, wollen aufstehen. (Majorität). Der Antrag ist angenommen. Dem zu Folge wird das Ministerium des Innern um die Ausschreibung einer neuen Wahl angegangen werden. Der Herr Abg. Peiler hat eine Interpellation angemeldet. Wollen daher der Herr Abgeordnete dieselbe vorlesen.
Abg. Peiler. Meine Herren, ich habe mit einer Interpellation Ihre Geduld noch nicht in Anspruch genommen, und es würde auch heute nicht geschehen sein, wenn es sich nicht um einen wichtigen Gegenstand handeln möchte, nämlich um die Organisirung der neuen l. f. Justizbehörden in dem Herzogthume Salzburg und um die angebliche Aufhebung mehrerer Pfleggerichte. Die Interpellation ist an den Herrn Instizminister gerichtet, und lautet:
Im Herzogthume Salzburg wird die Civil und Criminalgerichtsbarkeit, dann die politische Admistration von den k. k. Pfleggerichten als Justizrund politischen Behörden erster Instanz ausgeübt, mit Ausnahme der drei Patrimonialgerichte der Klöster St. Peter und Michelbaiern, welchen eine beschränkte Civil und Gerichtsbarkeit über ihre bisherigen Untertanen zusteht. Die Pfleggerichtsgebäude sind Staatseigenthum, und befinden sich im guten Bauzustande.
In keiner Provinz ist daher die Organisirung der neuen landesfürstlichen Justiz und politischen Behörden so leicht und mit wenigen Kosten ausführbar, als in dem Herzogthume Salzburg; indem die gegenwärtigen Pfleggerichte lediglich in Bezirksgerichte und zum Theil im Kollegialgerichte mit einem verminderten Personalstande umzuwandeln, und die entbehrlich werdenden Pfleggerichtsbeamten und Diener bei den neuen Bezirksobrigkeiten und zum Theile Finanzbehörden unterzubringen, oder falls auch dieß untunlich wäre, zu pensionieren oder zu quiesciren kommen.
Sämmtliche gegenwärtige Salzbergische Pfleggerichte hätten daher als Bezirks oder Kollegialgerichte zu bestehen; anders würde es jedoch von dem Organisirungscommissär, welcher im vorigen Herbste Oberösterreich und Salzburg behufs der Organisirung der neuen Justizbehörden bereiste, beschlossen, indem derselbe mehrere Pfleggerichte, und darunter insbesondere die vier in meinem Wahlbezirke gelegenen Gerichte: Großarm, Gastein, Taxenbach und Loser zur Aufhebung beantragte, so daß selbe künftig auch nicht als Bezirksgerichte zu bestehen hätten.
Dieser mündliche Beschluß der Organisirungscommission, welcher ohne Vernehmung der betreffenden Pfleggerichtsgemeinden und ohne Erhebung der näheren Lokalverhältnisse erfolgte, verbreitete eine ungewöhnliche Aufregung und Bestürzung in den betreffenden Gemeinden.
Ich erhielt sogleich von meinen Committenten Briefe mit der dringenden Aufforderung, durch Interpellation, Petition u. s. w. die beantragte Aufhebung der Pfleggerichte zu hintertreiben. Vorzüglich ernsten Inhaltes war ein Schreiben von Gastein, worin es unter andern heißt: Seit Menschengedenken war die Aufregung unter den hiesigen Bauern nie so groß, als gegenwärtig wegen der Aufhebung des Pfleggerichts Gastein, eines der ältesten, schon seit mehreren Jahrhunderten bestehenden Gerichtes, in dessen Bezirke das weltberühmte Wildbad Gastein liegt. "
Ich verfügte mich daher unverzüglich zum Herrn Justizminister, und setzte ihn hiervon unter Darstellung der mir aus eigener Anschauung bekannten Lokalverhältnisse mit dem Ersuchen in Kenntniß, den Antrag des Herrn Organisirungscommissärs hinsichtlich der Aufhebung dieser Pfleggerichte, wegen der damit für die Justizpflege verbundenen höchst nachtheiligen Folgen nicht zu genehmigen Ich erhielt von ihm auch eine beruhigende Zusicherung, wovon ich sogleich meine Committenten verständigte, um die Bevölkerung zu beruhigen.
Dieß geschah im Monate September v. J. und ich hielt den ganzen Gegenstand für abgethan, als ich vor einigen Tagen einen Brief aus Großarm von einem der ehrbarsten Gemeinde Vorstände erhielt, vermöge welchem in der ganzen Pfleggerichtsgemeinde große Bestürzung wegen der angeblich beantragten Aufhebung des dortigen Pfleggerichtes herrsche, und wo ich aufgefordert wurde, eine Petition beim hohen Reichstage dagegen zu überreichen.
Ein ähnliches Gerücht herrscht auch, wie mir ein anderer Brief zeigt, welchen ich vor zwei Tagen aus Taxenbach bekam, hinsichtlich der Aufhebung des Pfleggerichtes Taxenbach.
So viel ich aus ziemlich verlässlicher Quelle erfuhr, sind diese sämmtlichen Gerüchte unwahr und nur dazu geeignet, oder wohl vielleicht gar erfunden, um die ohnehin durch die politischen Stürme der Gegenwart, und durch die beantragte Erhöhung der Grundsteuer von Seite des Finanzministeriums, aufgeregten Gemüther der Bewohner des Herzogtums noch mehr zu beunruhigen.
Eine Aufhebung der vier Pfleggerichte Großarm, Lofer, Gastein und Taxenbach würde aus folgenden Gründen unzweckmäßig oder wohl gar willkürlich erscheinen.
Die Bezirke dieser vier Pfleggerichte haben nach der neuesten Catastralvermessung folgendes Flächenmaß, als:
1. Großarm, 3 Quadratmeilen, 9358 Joch.
2. Lofer, 4 1/10 "
3. Gastein, 5 29/32 "
4. Taxenbach endlich sogar 12 1/2 Quadratmeile.
Bei der Einrichtung der neuen Bezirksgerichte werden als Minimum des Flächenmaßes eines Gerichtes 4 Quadratmeilen angenommen; mit Ausnähme des Pfleggerichtes Großarm haben die übrigen Pfleggerichte einen größeren Umfang, als den normalmüßigen, daher schon deßhalb von deren Aufhebung keine Rede sein kann, nur das Pfleggericht Großarm hat statt der vorgeschriebenen 4 Meilen oder.... 40000 Joch nur.... 39358 " es fehlen daher nur 642 Joch oder kaum 1/30 von dem normalmüßigen Flächenmaß.
Hingegen kommen die besonderen Lokalverhältnisse dieses Pfleggerichtes wohl zu berücksichtigen.
Das Großarm Thal hat nur unbedeutende Seitentäler, hingegen bis an die Wasserhöhen des Gebirges Kolm auf der Kärntnerischen Grenze eine Länge von 16 geomet. Stunden. Einzelne Bauernguter sind von dem Sitze des Pfleggerichtes St.. Johann, welchem Großarm zugetheilt werden soll, 10 bis 12 Stunden weit entfernt, somit müßten für einen Gang in Rechtsangelegenheiten dorthin mit Hinzurechnung des Rückweges 2 bis 3 Tage verwendet werden.
Außerdem ist der Pfleggerichts Bezirk Großarm auf drei Seiten von hohen Gebirgen eingeschlossen, nur ein einziger schmaler Fahrtweg führt über einen gleichfalls mehr als eine Stunde hohen Berg nach St. Johann, auch auf diesem einzigen Wege ist die Passage oft mehrere Tage durch tiefen Schneefall, Schneelawinen und Abplackungen (Erdabstürze) gänzlich gesperrt, in einem solchen Falle bildet der Gerichts Bezirk Großarm im strengsten Sinne des Wortes eine Enklave; die Bewohner sind abgeschnitten von aller Außenwelt, und auf sich allein beschränkt.
Hieraus geht hervor, daß die Aufhebung des Pfleggerichts Großarm nichts Anderes sein würde, als eine Justiz Verweigerung für die dortigen Bewohner, welche die eigenmächtige Selbsthilfe herbeiführen müßte.
Eine schleunige und wohlfeile Justiz ist aber eben ein Vorzug, welchen die constitutionelle Monarchie vor der absoluten voraus hat, oder wenigstens haben soll. Die Aufhebung des Pfleggerichts Großarm und der andern Pfleggerichte wäre aber eine grobe Verletzung dieses constitutionellen Principes, deren sich gewiß das hohe Ministerium nicht zu Schulden kommen lassen will.
Allein, um hierüber volle Gewißheit zu erhalten, und demnach im Falle des Fortbestandes der Pfleggerichte als Bezirks Gerichte die aufgeregten Gemüther beruhigen, im Falle deren beantragten Aufhebung aber die geeignetsten Maßregeln dagegen einleiten zu können, bin ich genöthigt, an das hohe Justiz Ministerium folgende Fragen zu stellen, als:
1. Beabsichtigt das hohe Ministerium bei der Organisirung der l. f. Behörden einige Salzbergische Pfleggerichte als Justizbehörden erster Instanz aufzuheben oder nicht?
2. Im Bejahungsfalle, welche und warum? Da es sich um die Beruhigung der aufgeregten
Gemüther eines großen Theils des Herzogtums handelt, so ersuche ich den Herrn Präsidenten, diese Interpellation sogleich an den Herrn Justizminister zu übermitteln.
Präs. Es wird diese Interpellation sogleich dem Justizministerium übermittelt werden.
Abg. Peiler. Meine Herren, man kann den Staatsbürgern ihre Ungeduld nicht verargen (unterbrochen durch große Bewegung der Versammlung.)
Präs. Als nächster Gegenstand der heutigen Tagesordnung erscheint die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter zur Lesung zu schreiten.
Abg. He i n. (Liest.) §. 11. Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; jedoch sind Volksversammlungen unter freiem Himmel vorläufig der Sicherheitsbehörde anzuzeigen, dürfen aber nur in Fällen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit untersagt werden.
Keine Abtheilung der Volkswehr darf als solche über politische Fragen berathen oder Beschlüsse fassen. "
,, Zum zweiten Absatze.
"M. V. Volksversammlungen unter freiem Himmel dürfen nur in Fällen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit untersagt werden. "
Präs. Es haben sich als Redner einschreiben lassen, und zwar als Redner gegen den Paragraph die Herren: Kaubek, Wildner, Löhner und Vacano; für den Paragraph die Herren: Borrosch, Brestel, Purtscher, Schuselka, Dylewski, Strasser. Endlich hat sich hier noch einzeichnen lassen der Abg. Wiser gegen den Paragraph, er wird demnach von seinem Platze aus zu sprechen das Recht haben. Es hat das Wort der Abg. Kaubek.
Abg. Kaubek. Das Versammlungsrecht und das Assoziationsrecht, welche beide in unseren Grundrechten in dem 11. und 12. §. im brüderlichen und nachbarlichen Vereine nebeneinander stehen, und die sich so ziemlich einander bedingen, bilden die obersten und vorzüglichsten Postulate, ja sie sind so ziemlich die Grundbasis jeder Volksfreiheit. Jede magna carta muß ohne diese zwei hochwichtigen Grundrechte zu einer carta parva, ja carta nulla herabsinken und zusammenschrumpfen. Jede noch so heilig garantierte Volksfreiheit sinkt herab zu einer Illusion, oder höchstens zu einer schnell vorübergehenden Fata morganai, die nur den Unwissenden täuschen kann über ihren wahren Entstehungsgrund. Diejenigen, die sich erdreisten würden, an diesen zwei Paragraphen der Grundrechte zu rütteln, Herrscher oder Staatsbürger, die würden sich in einen Kamps, in einen Riesenkampf einlassen mit den Urelementen der Volksfreiheit. Einen solchen gewaltigen Kampf, ein solches Hasardspiel unternahm jener hochgepriesene Herrscher, welchen sein eigenes Volk und die sonst misstrauischen Diplomaten den Napoleon des Friedens und zwar mit Recht nannten. Der Bürgerkönig und sein Premierminister Guizot unternahm einen Kampf gegen dasselbe Grundrecht, meine Herren, welches in dem 11. §. unserer Grundrechte enthalten ist. So wie Karl der X. und Polignac, so spielte der Bürgerkönig und sein Premier va hanque in dem Spiele um das Schoßkind der Volksfreiheit, in dem Spiele, welches er gewagt hatte gegen unseren 11. §., der durch die Constitution Frankreichs ebenfalls als ein Hauptparagraph garantirt wurde. In diesem Kampfe unterlag er, und so wie Karl X. durch seine Ordonnanzen, so verlor Louis Philipp eben dadurch, daß er dieses Grundrecht angegriffen hatte, Krone und Land, und weilt nun gleich jenem tragischen König Lear, mit dem er schon einmal ganz richtig in diesem hohen
Hause verglichen wurde, weilt im fremden Lande. Das ist, meine Herren, das Gericht der Weltgeschichte, welches man Fatum nennt, welches diejenigen Menschen Fatum nennen, die die Ursachen und den Kausalnexus der Dinge nicht im Stande sind durchzuschauen, oder sich die Mühe dazu nicht nehmen. (Beifall.)
Meine Herren, in diesem Monate wird es bald ein Jahr sein, daß an den Ufern der Seine die Julisonne und das Bürgerkönigtum überstrahlt und verfinstert worden ist von der Sonne eines kühlen Februar des vorigen Jahres. Nach dem Februar erschien wie immer der März; aber kaum zur Hälfte gediehen, brachte er uns am 15. Tage, an dem Tage, wo die Sonne aus dem Zeichen des Krebses in das Zeichen der Wage tritt, brachte er den Völkern Österreichs die lang ersehnte Freiheit. (Bravo.) Sie erschien den Völkern Österreichs an dem Tage des heiligen Longinus, des ersten Christ gewordenen Heiden. Meine Herren, ich halte das für eine glückliche Konstellation. Nennen Sie mich leichtgläubig oder abergläubisch, ich sage noch einmal, meine Herren, daß ich es für ein günstiges Vorzeichen, für ein glückliches Augcurium halte. Wir müssen uns jedoch, meine Herren, hüthen, daß wir, wenn wir einmal aus diesen Mauern heraustreten und in unsere Heimat zurückkehren, nicht in die Lage kämen, uns darüber wundern zu müssen, warum wir uns, so oft wir einander begegnen, nicht in's Gesicht lachen, wie jener römische Staatsmann sich darüber wunderte, daß die Auguren sich nicht anlachten, so oft sie einander begegneten. (Heiterkeit.) Um dieses zu vermeiden, wird es unsere Hauptaufgabe sein, die Charte, die uns gegeben worden durch die Gnade des besten Königs, dessen Andenken nie in unserem dankbaren Herzen verschwinden wird, zur Wahrheit zu machen.
Da ich nun, meine Herren, anerkenne, daß das Volksversammlungsrecht, sowie das Assoziationsrecht zu den vorzüglichsten Errungenschaften, zu den zwei schönsten Perlen der Freiheitskrone gehören; da ich nun kurz angedeutet habe, wie schwer sich die beabsichtigte Beeinträchtigung dieses Rechtes an einem Herrscher gerächt hatte: so kann ich, meine Herren, obgleich ich unter den Rednern gegen diesen Paragraph eingeschrieben bin, nicht die Absicht haben als ein subversiver Opponent gegen diesen Paragraph aufzutreten. Der sehr verkehrliche Abgeordnete für Eisenbord machte am 28. Jänner als Berichterstatter des Constitutions Ausschusses bei der Besprechung des §. 4 die ganz richtige Bemerkung, daß die Redner, die sich gegen diesen oder jenen Paragraph, gegen den 1. oder 29. einschreiben ließen, dadurch nicht dem hohen Hause zurufen wollen: ich ließ mich gegen den Inhalt dieses Paragraphes einschreiben, sondern gegen die vom ConstitutionsAusschusse beliebte Fassung, gegen seine Stylisirung. Diese Interpretation unserer Deputiertenobliegenheiten im Contrasprechen wird auch die richtige Grenze meiner Debatte sein, ich wurde mich genau daran halten, an diese Zeit ersparende und Geduld schonende Demarkationslinie, die gewiß richtiger und gerechter sein wird, als die preußische Demarkationslinie im Großherzogthume Posen (Bra vo Heiterkeit) Doch ich rufe mich selbst zur Sache und zur Ordnung, da Sie die Güte haben, dieß nicht zu thun, und bemerke nur noch, daß die vom Abg Rieger angegebene Granzbestimmung für mich ein Rübtcon, ein heiliger Ganges fei, der eingehalten werden muß Im Nichtbefolgungsfalle des Rathfchlages des verkehrlichen Abg. Rieger kämen wir, meine Herren, dahin (da wir schon Redner pro und contra haben), daß unsere Debatten so aussehen könnten, wie die altberühmten Disputationen der Sophisten und Rabulisten, die gleich pro und contra nach Herzenslust peroriren konnten Ich habe, meine Herren, Niemanden zu opponieren, da mich das unergründliche Fatum zum ersten, das heißt zuerst sprechenden Redner erkoren hat, hätte ich das Gluck gehabt, als dritter oder vierter Sprecher austreten zu dürfen, so hätte ich die allerschönste Gelegenheit von der Welt gehabt, die Ansichten meiner Vorredner kritisch zu beleuchten, sie zu opponieren und vielleicht zu refutiren Alles dieses Gluck, meine Herren, entgeht mir ja, ich bin noch in der unvorteilhaften Lage, daß das, was ich hier vorbringen werde, opponiert und refutirt werden kann Doch, meine Herren, zur Sache. Der Paragraph lautet: "Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, jedoch sind Volksversammlungen unter freiem Himmel vorläufig der Sicherheitsbehörde anzuzeigen, dürfen aber nur in Fallen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit untersagt werden.
Meine Herren, Sie würden es Niemanden verübeln, wenn er als Skeptiker hier bei der zweiten Abtheilung dieses Paragraphes auftreten, und fragen wurde: Wie heißen denn diese Fälle dringender Gefahr? Welches sind jene Arten und Abarten, Variationen der Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit? Das ist es, meine Herren, was bei der Interpretation, bei der Hermeneutik dieses Paragraphes so manche Verlegenheit bereiten kann Ich glaube also, meine Herren, das Amendement stellen zu konnen, daß es hier nach dem Worte "anzuzeigen" heißen konnte: "Jedoch sind die Volksversammlungen unter freien Himmel" ich spreche nicht von den Volksversammlungen in geschlossenen Räumen, "erst dann zu untersagen, wenn die Sicherheitsbehörde für die Wahrung der Ruhe einzustehen ablehnt"
Meine Herren, ich könnte zur Begründung nicht nur dieses Amendements, ich konnte zur Begründung des ganzen Paragraphes über die Volksversarm lungern, wenn ich Ihre Geduld in Anspruch nehmen wollte, vieles vorbringen, denn eben weil das Versammlungsrecht zu den herrlichsten Errungenschaften des institutionellen Staates gehört, so erfreut es sich einer reichen Literatur, indem die trefflichsten Staatsmänner und die ausgezeichnetsten Publizisten über das Versammlungsrecht, so wie über das Assoziationsrecht eine reiche Literatur zu Tage gefördert haben Es wird Ihnen bekannt sein, was in dieser Hinsicht in der französischen, englischen und deutschen Literatur geleistet worden ist Ich mache nur meine polnischen Stammesbruder darauf aufmerksam, was für reiche Schätze über diesen Gegenstand in den Osolinski'schen Institute zu Lemberg, in den sogenannten acta regia begraben liegen, wo freilich nur das Versammlungsrecht vor und nach dem polnischen Seymiki besprochen wird (welches man ehemals in ihrem Vaterlande, in dem Vaterlande der Galizier und der übrigen Polen vor dem Seyiniki und nach dem Seymiki hatte), und wo man freilich bloß über das Versammlungsrecht des Adels sprechen kann, weil damals nur der Adel in Polen als Volk gegolten
Es ist zwar, meine Herren, die Ansicht einiger Doctrinare, daß die Freiheit dem Volke geboten werden solle auf homöopathische Art, und da das Versammlungsrecht und das Assoziationsrecht zu denjenigen Rechten gehören, welche den Völkern zu verleihen, wie sie sagen, am gefährlichsten sei, so glauben sie, man könne den Volkern jedes andere Recht eher zugestehen, selbst das Petitionsrecht, die Pressfreiheit (obgleich das Petitionsrecht mit diesen zwei Rechten so sehr in Verbindung steht), die Nationalgarde kurz Alles, nur das Versammlungs- recht und das Assoziationsrecht nicht Daß es so ist, und daß nicht nur Doktrinäre von dieser Ansicht ausgehen, sehen wir auch heutzutage, und besonders in diesen Tagen selbst an der französischen Republik, wo man für gut befunden hat, die Clubs, eine Emanation des Assoziationsrechtes zu bekämpfen Es sagen die Doktrinäre weiter: Nicht alle Völker sind für den Genus, für den höchsten Genus der Freiheit gleich geeignet, und nicht jede Zeit, jede Epoche ist dafür angebahnt.
Meine Herren, da fragen wir: Wie muß denn das Volk und die Epoche beschaffen sein? Das Volk, welches der Freiheit werth und würdig befunden werden soll? Sie sagen, es muß zu einer gewissen Reife gediehen sein Ja, wie werden wir diese Reife bei einem Volke definiren? Offenbart sie sich durch einen physischen Zustand, oder durch einen geistigen? Sie werden sagen: durch einen geistigen, das Volk muß in einem gewissen Stadium der Bildung, Cultur, Civilisation stehen, um würdig zu sein der höchsten Gaben der Freiheit, wohin das Associations und Versammlungsrecht gehört. Meine Herren, wenn diese Ansicht der Doktrinäre wahr wäre, wüssten Sie, meine Herren, wo wir hinkämen? Wir kämen zu demjenigen Hafen, wo die Flagge weht mit der sophistischen, absurden Aufschrift: "Jede Nation