genügenden Schatze beimessen zu müssen erachtet, welchen dieser Industriezweig, aus Ursache der Mangelhaftigkeit der zwischen Osterreich und den anderen Staaten bestehenden Handelsverträge, auf auswärtigen Märkten findet.
Zur Begründung dieser seiner Ansicht hat der Herr Interpellant angeführt: daß englische Leinpaaren bei ihrer Einsuhr nach Rußland einen geringeren Zollsatz als die österreichischen zu entrichten haben; und sohin den Antrag gestellt:,, das Ministerium des Äußern möge sich dahin verwenden, womit in Rußland die Zollsätze zu Gunsten österreichischer Leinpaaren herabgesetzt, und wenigstens denjenigen gleichgestellt werden, welche von diesen Waaren die Engländer entrichten.
Die Wichtigkeit dieser, einen der ausgebreiteten Industriezweige der Monarchie berührenden Frage in ihrer ganzen Ausdehnung ermessend, glaubt man solche möglichst umfassend erörtern zu sollen.
Es ist eine leider nicht in Abrede zu stellende Thatsache, daß die noch zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts sehr bedeutenden Gewinn bringende, und sohin eines besondern Aufschwunges sich erfreuende österreichische (und darunter vorzugsweise die böhmische) Leinenfabrikation in neuerer Zeit von ungünstigen Wechselfällen hart bedrängt wird, und daß seit einer Reihe von Jähren eine erhebliche Verminderung des Absatzes von österreichischen Leinpaaren im auswärtigen Verkehre sich bemerkbar gemacht hat. Vorzüglich sind es die sogenannten gemeinen Sorten, in welcher die fortschreitende Abnahme der Ausfuhr am empfindlichsten hervortritt, während diese in den seinen Gattungen im Verlaufe der letzten sieben Jahre, verglichen mit dem Durchschnitte der vorhergehenden zehn Jahre, sich nicht wesentlich veränderte, und in dem auswärtigen Absatze der ordinärsten Gattungen sogar eine bedeutende Zunahme sich ergab, wie solches in der angeschlossenen Übersicht anschaulich nachgewiesen wird.
Ans diesen Tabellen, meine Herren, die ich dann zur Einsicht vorlegen werde, werden Sie die Richtigkeit dieser Angabe ersehen.
Dem Werthe nach stellte sich durchschnittlich die jährliche Gesamtausfuhr an Leinpaaren aus der Monarchie in dem Decennio von 1830 bis 1840 auf 3, 876. 204 st., im Jahre 1847 hingegen auf 3, 103. 833 fl. Es kann aber die Wahrnehmung immerhin als eine erfreuliche angesehen werden, daß im Verlaufe der letzten fünf Jahre der Werth der Ausfuhr an Leinpaaren wieder progressiv zu steigen begann; denn solche hat betragen:
im Jahre 1843....... 2, 706. 467 fl.
" 1844....... 2, 930. 633 fl.
,, 1845....... 2, 926. 600 fl.
1846....... 2, 981. 700 st.
",, 1847 (wie oben) 3, 103. 833 fl.
Unter den Ländern, mit welchen Österreich in direkter Grenzberührung steht, hat die Ausfuhr der mehrerwähnten Waaren nach den deutschen Zollvereinsstaaten sich am auffallendsten vermindert, denn es wurden dahin noch im Jahre 1840 abgesetzt............ 20. 471 Cent. sporcound nach einer stets fortschreitenden Abnahme in der Zwischenperiode im Jahre 1847 nur noch.......... 9 987 Cent. sporco.
Am günstigsten dagegen gestaltete sich während des obigen Zeitraumes der Absatz dieses österreichischen Fabrikates nach der Türkei und nach Rußland; denn es wurden nach ersterem Lande ausgeführt: im Jähre 1840.... 6. 154 Cent. sporco
" 1847 aber 11. 030,,
und nach Rußland:
im Jahre 1840.... 380 Cent. sporco,, 1847.... 6. 812 "
Die nicht zu verkennende Ungunst der Verhältnisse, welche auf der österreichischen Leinenindustrie gegenwärtig haftet, kann aber keineswegs bloß jenen Ursachen zugeschrieben werden, welche der Herr Interpellant bezeichnet hat. Am allerwenigsten aber vermag sie in einer unzureichenden Vertretung der österreichischen Handelsinteressen, dem Auslade gegenüber, gesucht zu werden.
Die österreichische Staatsverwaltung hat dem kräftigsten Schutze dieser Interessen unausgesetzt die regeste und angelegentlichste Sorgfalt zugewendet, und es bestehen (Frankreich und Portugal ausgenommen) mit allen europäischen Mächten, mit denen die Monarchie sich im Frieden befindet, Verträge, welche den österreichischen Handelsleuten und Reedern in diesen Ländern alle jene Vorrechte zusichern, deren daselbst die eigenen Staatsangehörigen oder die am meisten begünstigten fremden Nationen theilhaft sind. Auch fehlt es keineswegs an den geeigneten Organen, welche die pünktliche Erfüllung der Stipulationen dieser Verträge folgsam überwachen. Was das früher bemerkte, von dem Herrn Interpellanten speziell hervorgehobene ungünstige Verhältniß anbetrifft, in welchem die österreichischen Leinenfabrikate im Vergleiche zu den englisch e n bei ihrer Einfuhr nach Rußland, in Absicht auf die zu entrichtenden Zölle sich befinden sollen, so ist in dieser Beziehen g (wenn gleich im Allgemeinen eine Milderung der russischen Zollgesetze immer noch sehr zu wünschen bleibt) der Herr Interpellant ganz irrig berichtet worden; denn nicht nur, daß bei der Einfuhr auf dem Seewege englische Leinpaaren (so weit dieß bis in die neueste Zeit bekannt) in Rügland mit den österreichischen einem ganz gleichen Zolle unterliegen, so ist laut Beilage, in Folge der im Jahre 1847 gepflogenen Verhandlungen, mittelst Ukasses vom 11. Oktober desselben Jahres zu Gunsten von zehn der gangbarsten Artikeln der österr. Leinenfabrikation eine bedeutende Ermäßigung der Eingangsgebühren gegen dem verfugt worden, daß diese Waaren über die Landkränze nach Rußland eintreten, und auf dem Grunde von Ursprungszertifikaten als österreichisches Erzeugnis erkannt werden; eine Ermäßigung, deren (so weit bekannt) die englischen Leinpaaren sich nicht zu erfreuen haben.
Die wenig zufriedenstellende Lage der Leinenindustrie in Österreich vermag überhaupt nach genauerer Prüfung, der Regierung kaum in irgend einer Hinsicht zur Last gelebt werden. Wenn es hiefür ja noch eines Beweises bedürfte, so würde dieser am leichtesten in dem Umstande zu finden sein, daß die obige Erscheinung keineswegs eine in Österreich isolirt hervortretende ist, und daß dieselben ungünstigen Konjunkturen auf der Leinenfabrikation des ganzen europäischen Kontinents, und vornehmlich auf jener von ganz Deutschland lasten, in welch' letzterem Lande die Abnahme des Leinenhandels noch fühlbarer und noch rascher eingetreten ist, als bei uns.
Der deutsche Zollverein, aus dem durchschnittlich
in den drei Jahren von 1840 bis 1842 gebleichte Leinwänden im Werthe von. 14, 347. 000 Thlr.
ausgeführt worden, setzte in den nachfolgenden drei Jahren,
d. i. von 1842 bis 1845 von
diesen Waaren im Auslande,
jährlich nur noch für... 8, 666. 000 "
ab!
Mit nicht günstigerem Erfolge wurde der Leinwandhandel von Hamburg und von Bremen, diesen zwei Hauptstapelplätzen desselben, betrieben.
Aus Hamburg wurden im Jahre 1836 Leinpaaren
ausgeführt für.... 8, 600. 000 muß. Bco. und im Jahre 1844 für. 5, 232. 000,,
Aus Bremen:
im Jahre 1840 für.. 2, 449. 000 Loüisd'or und im Jahre 1844 für. 926. 000 Als Hauptgrund dieses beklagenswerten Ergebnisses muß jedenfalls die in neuester Zeit in England zu einem so ungemeinen Grade von Vollkommenheit gediehene Maschinen Spinnerei und Weberei bezeichnet werden; mittelst welcher, begünstigt überdies durch viel wohlfeilere Capitalien es dortlandes möglich geworden ist, gute und den Bedürfnissen der Abnahme vollkommen entsprechende Leinwaaren zu Preisen herzustellen, mit welchen die Fabrikate des Kontinents fast unmöglich concurriren können.
Nicht zu übersehen ist außerdem, daß vornämlich im Süden Europas, so wie in jenem Amerikas die Verwendung von Baumwollgeweben, statt der früher benützten Leinwand, immer mehr gebräuchlich wird, und daß dieser Umstand einen nicht wenig nachtheiligen Einfluß auf den Verbrauch von Leinpaaren im Allgemeinen ausüben muß.
Wie nach der Staatsverwaltung nicht zugemuthet werden kann, mit den ihr zu Gebotne stehenden Mitteln Übelstände, welche wie die besprochenen so tief wurzeln, und eine so bedeutende Ausdehnung erlangt haben, mit einem Schlage oder auch nur in naher Zukunft zu beheben, wird jeder Einsichtige zu würdigen geneigt sein.
Die Einwirkung der Regierung zu dem obigen Zwecke vermag nur eine indirecte, und der Erfolg jedenfalls nur ein allmäliger zu sein. Daß das Ministerium sich angelegen sein lassen werde, nach Zeit und Umständen die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um solchen tunlichst sicher zu stellen, vermag in keinen Zweifel gezogen zu werden.
Ausfuhr an Leinenpaaren aus Osterreich von 1831 1847.
Zeitperiode. |
L e i n w a n d |
|||||||
s e i n e |
g e m e r n e |
o r d i n ä r s t e |
Z u s a m m e n. |
|||||
  |
Centner. |
Werth fl. |
Centner. |
Werth fl. |
Centner. |
Werth fl. |
Centner. |
Werth fl. |
Durchschnitt der Jahre |
  |   |   |   |   |   |   |   |
18301840 |
873 |
523. 800 |
34. 007 |
2. 833. 917 |
15. 554 |
518. 487 |
50. 434 |
2, 876. 204 |
Im Jahre 1841 |
1. 422 |
853. 200 |
36. 031 |
3, 002. 583 |
12. 342 |
411. 400 |
49. 795 |
4, 267. 183 |
1842 |
876 |
525. 600 |
27. 118 |
2, 259. 834 |
15. 746 |
524. 866 |
43. 740 |
3, 310. 300 |
,,,, 1843 |
660 |
396. 000 |
22. 560 |
1, 880. 000 |
15. 614 |
520. 467 |
38. 834 |
2, 796. 467 |
,,,, 1844 |
606 |
363. 600 |
24. 106 |
2, 008. 833 |
16. 746 |
558. 200 |
41. 458 |
2, 930. 633 |
,,.. 1845 |
525 |
315. 000 |
24. 612 |
2, 051. 000 |
16. 818 |
560. 600 |
41. 955 |
2, 926. 600 |
,, 1846 |
711 |
426. 600 |
23. 312 |
1, 942. 667 |
18. 333 |
612. 433 |
42. 356 |
2, 981. 700 |
,,,, 1847 |
981 |
588. 600 |
21. 414 |
1, 784. 500 |
21. 922 |
730. 733 |
42. 992 |
3, 103. 833 |
L e i n e n Ausfuhrt aus dem Zellvereine. durchschnittlich wurden ausgeruht den Jähren 1836 105 919 Centner
" " 18401842 87 453,, im Werthe von 14, 628 000 Thaler.
,,,,,, 18431845... 59. 137,, 9, 791, 000
Die Ausfuhr an gebleichter Leinwand hatte 18401842 einen Werth von.. 14, 347. 000.,
,,,,,,,, 18431845,,,,... 8, 666, 000,,
Leinenbandel von Hamburg In. Hamburg wurden ausgeführt im Jähre 1836 für 8, 600 000 Mark Banko.
,,. 1844., 5, 232, 000,,
Leinhandel von Biemen.
In Biemen wurde ausgeführt im Jahre 1840 für 2, 449 000 Lomsdlor.
,,,, 1844, 929 000
Nussfische Einfuhrzollmätze von nachstehenden Haus und Leinenfabrikaten.
1 |
Leinene Tucher, weiße Schnupftücher mit und ohne Kanten, mit Ausnahme der besonders benannten..... v o n. |
In Gewaßhert des Tarifs vom Jahre 1842. |
In Gewassert des Ukasses vom Jahre 1847. |
||
Rubel |
Kopeken |
Rubel |
Kopeken. |
||
1 Pfund 2 |
10 |
1 |
50 |
||
2. |
Batisttücher mit weißem und bunten angewebten, od aufgedruckten nicht über 1 Zoll breiten Nande |
detto 5 |
60 |
3 |
|
3. |
Dergleichen Tüchen mit Ecken, Kanten von mebt als 1 Zoll Breite zc. mit Blumen in der Mitte |
detto 6 |
90 |
4 |
|
4 |
Leinwand, leinene, hanseneu und mit Baumwolle gemischte, die besonders benannte ausgenommen |
desto 1 |
83 |
1 |
20 |
4 |
Alle einfarbigen, bunten, gewukten, Brochehrteen oder brodirten Lernen und Hanswaaren, die besonders benannte angenommen |
detto 6 |
90 |
4 |
  |
6 |
Dergleichen Tucher. |
detto 9 |
20 |
5 |
|
7 |
Tischtücher, Sewietten und Handtuchen, lernende und mit Baumwolle oder Wolle gemischte, werde, farbige und bunte, durchwukte und biechute. |
detto 2 |
30 |
1 |
20 |
8. |
Strumpfe und Wützen, weiße, einfarbige und bunte |
detto 1 |
20 |
|
80 |
9 |
Dergleichen bildete. |
detto 1 |
80 |
1 |
20 |
10 |
Knopse, für die Wasche |
detto 4 |
60 |
2 |
|
Auf die Interpellation des Herrn Abg. Pitteri in Betreff der italienischen Frage habe ich im Namen des Ministeriums Folgendes zu erwidern:
Die Regierung beabsichtigt nicht, den Bestrebungen der Völker Italiens, so weit sie aus die Begründung einer verfassungsmäßigen Freiheit gerichtet sind, entgegen zu treten. (Beifall.) Sie macht es sich zur Aufgabe, im losbardisch venezianischen Königreiche, so wie in allen andern Theilen der k k. Staaten, dem Grundsatze der Gleichberechtigung aller Volksstamme Österreichs und dem Rechte der nationalen Entwicklung volle Geltung zu verschaffen. (Beifall) Allein ebenso fest ist sie entschlossen, den Aufruhr, sollte er dort abermals das Haupt erheben, mit Macht zu bekämpfen, und die Losreißung jener Länder von der Gesamtmonarchie zu verhindern, um jeden Preis, mit allen ihr zu Gebothe stehenden Mitteln.
Über die diplomatischen Verhandlungen jetzt Auskunft zu geben, muß ich, weil sie noch schwebend sind, als unstatthaft ablehnen. Sobald sie zu einem Ergebnisse geführt oder in ein Stadium getreten, in welchem die Veröffentlichung ohne Nachtheil geschehen kann, werde ich mich beeilen, dem Hause unter Vorlegung der Correspondenzen die gewünschten Auskünfte zu ertheilen. Das Ministerium wird die Ehre und Integrität der Monarchie zu wahren wissen (Beifall), und übernimmt in dieser Frage die volle Verantwortung. (Beifall.)
Meine Herren, ich habe eine dritte Interpellation zu beantworten. Die Suspendierung der Ostdeutschen Post hat dem Herrn Abg. Szábel Veranlassung gegeben zu einer Interpellation, welche er dem Hause als die gewichtigste bisher vorgekommene bezeichnet. ich habe hierauf folgendes zu erwidern:
Die Unterdrückung dieses Blattes ist durch den Herrn Civil und Militär Gouverneur von Wien verordnet worden.
Feldmarschall Lieutenant Baron Welden übte, indem er dieß that, eine Befugnis seiner Stellung aus, eine jener, aus dein dermalen über Wien verhängten Ausnahmezustände entspringenden Befugnisse, deren Statthälftigkeit Niemand, der da weiß, was der Belagerungszustand ist, im Ernste bestreiten wird. Baron Welden bedurfte hiezu weder der Ermächtigung noch des Auftrages der Regierung.
Die Regierung wird stets die Pressfreiheit aufrecht erhalten, sie erkennt jedoch in der vom Feldmarschall Lieutenant Baron Welden gegen die Ostdeutsche Post verfügten Maßregel keine Beeinträchtigung und noch weniger eine Vernichtung derselben.
Nachdem ich nun die eigentlichen Fragen beantwortet habe, erübrigt mir noch eine Erläuterung beizufügen, die mich persönlich betrifft. Ich habe nicht Zeit, viele Zeitungen zu lesen. Das erste Blatt der Ostdeutschen Post, das mir in die Hände kam, war jenes, das den Artikel enthielt: Ein Ereignis in Kremstier. Ich gehe nicht auf die Beurtheilung des Aufsatzes und seiner ausgesprochenen Tendenzen ein. Dieß steht jedem frei. Ich habe dem Feldmarschall Lieutenant Baron Welden darüber meine Ansicht mitgetheilt. Er hatte, wie ich es vermutete, im Drange seiner vielen Geschäfte das Blatt nicht gelesen. Der Herr Gouverneur teilte meine Meinung, und die Herausgabe der Ostdeutschen Post, welche schon mehrmals aufmerksam gemacht und gewarnt worden war, auf den Belagerungszustand Rücksicht zu nehmen, wurde eingestellt.
Ich gehe in diese Erläuterung ein, um der hohen Versammlung betmerklich zu machen, daß nicht das Ministerium in die dem Herrn Gouverneur zustehende Befugnis eingegriffen hat, sondern daß nur ich allein und zwar in nicht offizieller Weise meine Meinung ausgesprochen habe. Es handelt sich daher hier nicht um die ministerielle Verantwortlichkeit, der wir nicht auszuweichen gesonnen wären, sondern nur um eine rein persönliche, der ich eben so wenig aus dem Wege gehe.
Es bleibt mir übrig, bei der hohen Versammlung mich zu entschuldigen, nicht etwa wegen desjenigen, was ich in der Angelegenheit selbst gesagt, geschrieben oder gethan habe, sondern nur, daß ich Ihre kostbaren Momente durch die Darlegung einiger mich persönlich betreffenden Umstände in Anspruch genommen habe. Eine Aufklärung der Thatsachen schien mir nothwendig. (Beifall.)
Präs. Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildet die Verhandlung über den Antrag des Abg. Placek. Der Antrag ist dem hohen Hause gedruckt vorgelegt worden, und lautet:
"Der Reichstag beschließt: Es sei das Ministerium für Landeskultur und Bergbau aufzufordern, ein Gesetz zur Regelung der zulässigen Teilbarkeit des mit dem Gesetze vom 7. September 1848 entlasteten, ehemals untertänigen Grundbesitzes, dann des von der Bestellung der Patrimonial Gerichtsbarkeit befreiten Dominicaalgrundbesitzes mit Berücksichtigung der Hypothekarrechte, dann der Nahrungsrund Steuerfähigkeit zu entwerfen. "
Wünscht Jemand über diesen Gegenstand das Wort zu ergreifen? Die Herren Abg. Brauner, Jonak und Neuwall verlangen das Wort. Der Herr Abg. Borrosch hat früher das Wort, da er sich auch früher schon angemeldet hat. Derselbe ist nicht anwesend, somit hat der Abg. Brauner das Wort.
Abg. Brauner. Ich ergreife gegen den Antrag das Wort, weil ich bemerkt habe, daß dieser Gegenstand aus dem natürlichen constitutionellen Wege der Gesetzgebung nicht herausgerissen werden soll. Er ist erstens nicht dringend, nicht so dringend wenigstens, um uns zu veranlassen, eine ministerielle Ordonnanz so tief ins Leben eingreifen zu lassen; und zweitens ist er seiner Natur nach von so großer Eigentümlichkeit, daß er jedenfalls der Autonomie der Länder, mögen sie groß oder klein sein, überlassen bleiben muß (Bravo), indem ich hierbei von der Voraussetzung ausgehe, daß die agrarischen Gesetze, sollen sie zweckmäßig, sollen sie entsprechend sein, der Autonomie der einzelnen Länder anheim gestellt werden müssen. Der Antrag ist also in dieser Beziehung vorgreifend, und ich beantrage daher, von dem Gegenstande ganz Umgang zu nehmen.
Abg. Neuwall. Ich muß mich dem Antrage, der eben gestellt worden ist, auch anschließen, indem ich es für unzeitgemäß halte, jetzt schon in diese meritorische Frage einzugehen. Es ist die Frage hochwichtig für den Kern, für die größte Masse unserer Bevölkerung; durch eine unzeitige vorschnelle Behandlung derselben würden wir es dahin bringen können, daß wir ein Landproletariat, vor dem wir Gott sei Dank noch bewahrt sind, erst schafften, wir würden den Wohlstand unseres Landvolkes, welches noch in Europa trotz allem dem, was man gesagt hat, am besten gestellt ist, und noch besser gestellt werden wird, in seinen Gründfesten erschüttern. Ich glaube daher auch, daß es der künftigen Zeit, einem geordneteren und besseren Zustande der Dinge, als sie jetzt noch bestehen, vorbehalten sein müsse, und glaube, daß über diesen Antrag zur Tagesordnung übergegangen werden sollte.
Abg. Polaczek. Nach §. 51 der Geschäftsordnung ist ohne Debatte darüber abzustimmen, ob der Antrag zur Vorberathung an die Abtheilungen zu verweisen, oder in die Vollberathung zu bringen sei; aber überhaupt ist keine Debatte zulässig.
Präs. Es ist gestern beschlossen worden, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu nehmen, demnach ihn zur Vollberathung zu bringen.
Abg. Jonak. Ich muß geradezu bitten, diesen Antrag zu übergehen. Er greift in eine Lebensfrage nicht einzelner Landestheile, sondern der ganzen Monarchie ein; und wo es sich um Lebensfragen handelt, kann nicht einen Fetzen herausreißen um legislative Kleinigkeiten zu fördern. Sind die agrarischen Gesetze je wichtig in einem Staate gewesen, so werden sie es bei uns um so mehr sein weil die bisherigen agrarischen Gesetze bei uns geradezu miserabel sind, und einer radikalen Reform bedürfen.
Der volkswirtschaftliche Ausschuß, dem ich anzugehören die Ehre habe, hat das Ministerium des Ackerbaues und Bergbaues darauf aufmerksam gemacht, und wäre dieß auch nicht der Fall gewesen, so glaube ich mit meinem verehrten Freunde, daß sich diese Sache in einzelnen Ländern am besten regeln lassen wird. Wir können nicht jetzt über diesen Gegenstand ein durchgreifendes Gesetz für die Monarchie bringen, da diese Frage in der kürzesten Zeit zu lösen geradezu unmöglich ist, und wenn es möglich wäre, so ist der Antrag unnütz, und ich trage darauf an, daß er entweder fallen gelassen oder einem Ausschusse zur Berichterstattung übergeben werde.
Abg. Brest el. Ich beantrage, daß er dein volkswirtschaftlichen Ausschuß überwiesen werde.
Präs. Abg. Borrosch hat das Wort.
Abg. Borrosch. Wenn er, wie ich voraussehe, einem Ausschuß überwiesen wird, so kann ich mir das Reden vor der Hand ersparen. (Heiterkeit. Ruf: Schluß der Debatte.)
Präs. Es wird der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt. Wird der Antrag unterstützt? (Er wird unterstützt und angenommen.) Die Debatte ist geschlossen; es ist kein Redner mehr eingezeichnet, vielleicht wünscht der Herr Antragsteller das Wort zu ergreifen?
Abg. Plaček. Die Einwendungen der Herren Abg. Brauner und Jonak, daß sich der Gegenstand jetzt hier zur Verhandlung nicht eigne, wären begründet, würde mein Antrag die definitive Erledigung dieses Gegenstandes beabsichtigen. Das ist aber durchaus nicht der Fall, ich vereinige mich vielmehr mit der Ansicht, daß diese definitive Erledigung sich mehr eignen würde für die Competenz der Provinziallandtage, weil es wirklich eine innere Landesangelegenheit ist; auch der Wortlaut meines Antrages zeigt nur zu deutlich, daß ich bloß eine formale Einleitung beabsichtige. Die Beschränkung des Grundeigentums erstreckt sich theils auf das meritorische Verbot, d. i. theils auf den Umfang des Verbotnes, aber auch auf die schwerfällige Form der Geschäftsbehandlung; nun, wenn wir auch unterscheiden zwischen der Competenz des Reichstages und der Competenz der Provinziallandtage, so scheint doch die Thatsache unleugbar, daß bisher dafür nur ein Reichsministerium vorhanden ist; dieses verwaltete sowohl die Reichsangelegenheiten, als auch die Provinzialangelegenheiten. Es ist das einzige Ministerium, welches die Instruction einleiten, die Unterbehörden und die landwirtschaftlichen Vereine über die in jeder Provinz obwaltenden Verhältnisse einvernehmen kann. Indem ich noch einmal wiederhole, daß es sich nur um eine formelle Erledigung handelt, bitte ich das hohe Haus um Genehmigung dieses Antrages.
Präs. Bezüglich des Antrages des Herrn Abg. Placek liegen zwei Verbesserungsanträge vor, eigentlich ein provogirender Antrag und ein formeller Antrag. Der Antrag des Herrn Abg. Brauner geht dahin, den Antrag des Herrn Abg. Plaček auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Der Antrag des Herrn Abg. Brestel geht dahin: Diesen Antrag an den volkswirtschaftlichen Ausschuß zu verweisen; der Antrag des Herrn Abg. Brauner als ein vertagender muß vor allen zur Abstimmung gebracht werden. Diejenigen, welche dem Antrage des Herrn Abg. Brauner beistimmen, daß der Antrag des Herrn Abg. Plaček auf unbestimmte Zeit zu vertagen sei, wollen aufstehen. (Es ist die Minorität.) Nun kömmt der Antrag des Herrn Abg. Brestel zur Abstimmung: er geht dahin, daß dieser Antrag an den volkswirtschaftlichen Ausschuß zu verweisen sei. Diejenigen Herren, die dafür sind, wollen aufstehen. (Geschieht.) Es ist die Majorität. Er ist angekommen.
Präs. Als nächster Gegenstand der heutigen Tagesordnung erscheint die Verhandlung über die Anträge des Hrn. Abg. Sierakowski.
Es hat in dieser Beziehung der Hr. Abg. Ullepisch das Wort verlangt. (Ruf: Die Anträge lesen.)
Abg. Ullepitsch. Die Anträge des Hrn. Abg. Sierakowski lauten:
A. Anträge sub. R. T. Nr. 702:
Erster Antrag. Die hohe Versammlung erklärt: der zwischen Österreich und Rußland am 24. Mai 1815 geschlossene Castel (Auslieferung der Deserteurs), welcher sich aus die ehemaligen königlich polnischen Armeen erstreckte, ist aufgehoben und von nun an kann keine gegenseitige Auslieferung mehr stattfinden.
Zweiter Antrag. Die Reichsversammlung dekretiert: daß der zwischen Österreich einer und Rußland und Preußen anderseits am 4. Jänner 1834 geschlossene Vertrag, (kraft welchem alle diejenigen, welche in diesen Staaten sich der Verbrechen des Hochverrates, der beleidigten Majestät oder der bewaffneten Empörung schuldig gemacht, oder sich in eine Verbindung gegen die Sicherheit des Thrones oder der Regierung eingelassen haben, in diesen Staaten keinen Schutz und Zuflucht finden, und über Reklamierung der betreffenden Regierungen ausgeliefert werden sollen) aufgehoben, und von nun an als null und nichtig anzusehen sei.
Dann B. die Anträge sub. R. T. Nr. 1116:
Erster Antrag. Die hohe Reichsversammlung beschließt, daß der mit dem Königreiche Sardinien einer und Österreich anderseits am 30. August 1826 geschlossene Cartelsvertrag wegen Auslieferung der Deserteurs und Hochverräter aufgehoben, und als null und nichtig anzusehen sei.
Zweiter Antrag. Die hohe Reichsversammlung beschließt die Aufhebung des zwischen Österreich einer und Preußen nebst den ändern sonstigen, zum deutschen Bunde gehörigen Staaten anderseits geschlossenen Cartelsvertrages, welcher mittelst Circulare Rescripte des Hofkriegsrates ddo. 12. Mai 1831 K. 1666 und 28. Juni 1832 K. 788 in Betreff der wechselseitigen Auslieferung der Deserteurs den competenten Behörden bekannt gemacht würde.
Was nun diese Anträge betrifft, so finde ich mich zu folgenden Bemerkungen veranlaßt: Es ist eine Hauptforderung des Rechtsgesetzes, daß, wenn zwischen zwei Paciszenten durch ein angenommenes Versprechen ein Vertrag verbindlich eingegangen wird, keiner der vertragschließenden Theile berechtigt ist, einseitig und willkürlich von dem rechtskräftig bestehenden Vertrage abzugehen. Dieser Rechtssatz nun hat, so wie im Privatrechte für einzelne Rechtssubjekte, auch nach dem Völkerrechte in der Übertragung auf die Vertragsverhältnisse der Völker volle Geltung Wird nämlich zwischen Völkern ein Vertrag beiderseitig verbindlich, gültig eingegangen, so ist auch keines der contrahirtenden Völker für sich allein befugt, willkürlich und einseitig vom Vertrage abzugehen, ohne sich einer völkerrechtlichen Verletzung schuldig zu machen; denn auf der Rechtsstreit und Heiligkeit der Verträge beruht, so wie im Privatrechte die vernunftgemäße nähere Wechselwirkung der Menschen, auch im Völkerrechte der Völkerverkehr und die erste Grundlage des Rechtsbestandes der Staaten. Die Anträge des Hrn. Abg. Sierakowski bezwecken nun die Aufhebung von vier Staatsverträgen, welche wegen Auslieferung von Deserteurs und Hochverrätern von Seite Österreichs mit Rußland, Preußen und Sardinien abgeschlossen wurden, und nunmehr einseitig in der Art aufgehoben werden sollen, daß die hohe Kammer beschließen möge, dieselben von nun an als null und nichtig anzusehen.
Meine Herren! Diese Verträge erscheinen weder transitdorisch auf einen speciellen Act der Erfüllung eingegangen, noch sind sie bloß persönliche oder Privatverträge der bezüglichen Regierungen, sondern selbe stellen sich vielmehr als politische, auf der Basis des Völkerrechtes, auf diplomatischem Wege zu Stande gekommene Verträge dar, und können füglich auch nur auf völkerrechtlichem Wege wieder aufgehoben werden. Höchstens kann hinsichtlich Sardiniens ein Ausnahmefall insofern beansprucht werden, als sich Österreich mit Sardinien dermal im Kriegszustande befindet, und nach dem Völkerrechte in derlei Fällen die bestehenden Staatsverträge mit Rücksicht auf die Umstände und Vertragsobjekte als suspendiert angesehen werden können. In der Regel treten jedoch die Staatsverträge auch in solchen Fällen nach geschlossenem Frieden, wenn auch gewöhnlich neuerlich bekräftiget, wieder in Wirksamkeit. Ich erlaube mir demnach dießfalls den Antrag zu stellen, daß die vier Anträge des Abg. Sierakowski, welche die Auflösung völkerrechtlicher Verträge wegen Auslieferung von Hochverräter und Deserteurs bezwecken, an das Ministerium des Äußern zu dem Ende geleitet würden, um entweder im diplomatischen Wege die Realisirung derselben einzuleiten, oder die allfällig dagegen obwaltenden Hindernisse bekannt zu geben. Die letztere Alternative, daß nämlich die gegen die Aushebung der Verträge allfällig obwaltenden Hindernisse bekannt zu geben seien, habe ich deshalb beigefügt, weil die Verträge nicht vorliegen, und mir der Inhalt derselben nach seinen einzelnen Punkten nicht genau bekannt ist, und weil nebst rechtlichen Motiven auch noch politische Verhältnisse und Gründe obwalten können, welche die Einleitung einer Auflösung der fraglichen Verträge dermal nicht zulässig oder doch nicht räthlich machen.
Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Er ist hinreichend unterstützt) Der Abg. Sierakowski wünscht das Wort
Abg. Sierakowski. Die Dringlichkeit der Frage ist von der Art, daß selbe ein Jeder, der mit den Grundsätzen eines constitutionellen Staates vertraut ist, leicht einsehen wird, obgleich wir hier mit der Lösung einer so wichtigen Ausgabe, einer neuen Constitution beschäftiget sind; wenn aber diese Aufgabe noch nicht gelöst ist, kann keiner von uns, meine Herren, sagen, daß wir schon jetzt durch die Beschlüsse Sr. Majestät des vorigen Kaisers, und die von demselben uns verliehene Konstitution oder eigentlich octroyrte Verfassung vom 26 April v I uns in einem constitutionellen Staate befinden.
Da aber dergleichen Vertrag, wie jene des Castels und der Überlieferungen überhaupt, nicht nur mit den Grundsätzen eines constitutionellen Staates unvereinbar, sondern auch dem §. 34 der Oberwähnteen octroyrten Verfassung geradezu entgegengesetzt sind, so glaube ich in dem bereits Gesagten schon genugsame Gründe angeführt zu haben, Sie, meine Herren, für die Dringlichkeit dieser Verträge zu stimmen.
Aber außerdem noch, wenn wir die weiter daraus entspringenden Folgen in Erwägung ziehen,