Selbsterhaltung; solche Regierungen machen gemeiniglich von den äußersten, strengsten Mitteln Gebrauch. Aber hier ist ein Versuch, einen Zustand, der für die Gesellschaft unerträglich geworden ist, zu ändern, eine Wohltat für die Gesellschaft, und diejenigen, die darin befangen sind, soll die Todesstrafe nicht treffen. Sie fürchten den Tod nicht, sagt man, sie sehen ihm unverzagt entgegen. Allerdings; aber es ist ein Unterschied zwischen dem Tode im offenen Gefechte, für die gute Sache allenfalls auf der Barrikade, und zwischen der schimpflichen Hinrichtung als Missetäter. Übrigens glaube ich, kann man bei der Abschaffung der Todesstrafe für politische Verbrechen in jedem Falle ruhig sein, denn verdient der gesellschaftliche Zustand Aufrechthaltung, so wird er so viele Garanten finden, daß man auch ohne die äußerste Strafandrohung diesen als werth geachteten Zustand erhalten kann. (Beifall.) Mit der Fassung dieses zweiten Satzes kann ich mich nicht vereinigen. Es ist wir können es uns nicht verhehlen der Begriff "politisches Verbrechen" bei uns noch keineswegs so bestimmt und ausgemacht, daß darüber gar kein Zweifel übrig bliebe, und ein Umstand, der vielleicht einige Ungewißheit hineingebracht hat, war der, weil man in Österreich v er brecherische Verbrechen und politische Verbrechen gekannt hat. Das Josephinische Strafgesetz entschied nämlich zwischen Kriminal und politischen Verbrechen. Ich habe daher auch unter politischen Verbrechen schon Manches subsumiren gehört, was als solches angesehen zu wissen, wie ich glaube, im Sinne des verehrten Ausschusses nicht gelegen ist. Dieß wäre indessen das Wenigste. Es bleibt aber noch ein anderer wichtiger Zweifel übrig, nämlich, wenn mit einem politischen Verbrechen ein gemeines Verbrechen verbunden ist, oder der Thatbestand eines anderen Verbrechens concurrirt; soll auch dann noch die mildere Behandlung eintreten? Darüber glaube ich, läßt sich im Allgemeinen hier nichts bestimmen; mit wenigen Sätzen würde man hier nicht auslangen, so etwas muß der Revision unseres Strafgesetzes zu entscheiden vorbehalten bleiben. Ich glaube indessen, man sollte die ganze Frage hier, wo sie in den Grundrechten zur Sprache kommt, noch höher fassen. Ich habe mir zuerst die Frage gestellt: warum soll denn in den Grundrechten von der Todesstrafe überhaupt die Rede sein? und ich fand zwei Gründe dazu. Erstens nämlich: wenn sich der Beweis herstellen ließe, daß die Todesstrafe ein an sich widerrechtliches Strafmittel ist, in diesem Falle wollen wir uns hier vereinigen, dieses Unrecht von unfern Mitbürgern und von der Nachwelt in Österreich abzuwenden; aber ich glaube zweitens, auch dann, wenn durch Missgriffe in der Anwendung der Todesstrafe den Bürgern große Gefahr drohen könnte, oder wenn die Geltendmachung des Rechtes bei Anwendung dieses Strafmittels unsicherer würde. Was nun das erste Motiv betrifft, so muß ich aufrichtig gestehen, daß ich vielleicht zu hartgläubig bin, daß mich noch gar kein bisher angeführtes Motiv von der absoluten Rechtswidrigkeit der Todesstrafe überzeugt hat. Ich glaube jedoch, Sie auch mit den Beweisen dar über verschonen zu müssen, nämlich alle die Gründe aufzuführen, und die Gegengründe geltend zu machen, um endlich zu zeigen, es könne denn doch ein Recht geben, von der Todesstrafe Gebrauch zu machen. Wenn ich Ihre Geduld nicht missbrauche, will ich mich bloß auf diejenigen Gründe für die unbedingte Rechtswidrigkeit der Todesstrafe beschränken, die hier bereits in der Debatte vorgebracht wurden. Man sagt: die Tötung des Verbrechers überschreite die Notwehr, zu welcher der Staat berechtigt ist. Aber offenbar ist es wohl, daß bei den verschiedenen Befugkniffen, zu zwingen, das Recht, die Notwehr zu üben, von dem Strafrechte des Staates wohl zu unterscheiden sei. Warum, haben frühere Gegner der Todesstrafe gesagt, bringt man Jemand um, den man in seiner Gewalt hat, den man unschädlich machen kann? Ja, wenn es sich nur um die Vertheidigung, nur um die Prävention handelte, dann wäre die Einwendung wahr. Aber man hat die Sache noch auf eine, für meine Ansicht gefährlichere Weise angegriffen. Man hat nämlich zu zeigen sich bemüht, dem Staate könne das Recht, mit dem Tode zu strafen, gar nicht zukommen, weil es ihm durch Niemand hat übertragen werden können. Die Einzelnen würden beim Eintritte in den Staat pflichtwidrig, gegen ihre Pflicht der Selbsterhaltung gehandelt haben, wenn sie dieses Recht an den Staat übertragen hätten, sie haben es auch nicht gethan, denn sie haben in den Staatsverband ich eingelassen, um ihre Rechte zu schützen, nicht aber sie aufzuopfern. Ich glaube zuvörderst, das Recht auf das Leben ist kein unveräußerliches Recht, ich behaupte dieses nach dem Rechtsgesetze und nach dem Sittengesetze; es gibt keine unbedingte Pflicht der Selbsterhaltung, das Sittengesetz erlaubt dem Menschen, sich in eine Gefahr zu begeben, eines hochwichtigen Gutes willen, wenn auch dabei das Leben ausgefetzt würde. Wäre das nicht, meine Herren, müßten wir consequent Quäker werden, denn die Vergießung von Menschenblut wäre durchaus unzulässig. Niemand könnte die Einwilligung geben, daß er zum Heeresdienste verpflichtet werde, es wäre pflichtwidrig, sich als Freiwilliger in die Volkswehr eintragen zu lassen. So hat man die Sache auch nicht angesehen; man betrachtet es vielmehr als unnatürlich, daß, während man auf der einen Seite seine Rechte hat schützen wollen, man sie auf der anderen Seite wieder Preis gegeben habe. Ich fetze hier die, wie ich glaube, nicht haltbare Idee der Gegner von dem Staatsvertrage, welcher der bürgerlichen Gewalt den Ursprung soll gegeben haben, voraus. Was hat man dann eigentlich gethan, wenn man wirklich so pacirt hatte? Man hätte gesagt: Gesetzgebung, du bist ermächtigt, ein Gesetz zu geben, welches, wenn eine bestimmte Verletzung verübt wurde, die Tötung des Verletzens als Strafe nach sich ziehen soll. Hat man dabei sich den Hals abgeschnitten, auf sein Leben verzichtet? Man hat sich in eine solche Gefahr begeben, die man vermeiden kann, vermeiden muß, und zu vermeiden schuldig ist aus anderen Gründen, weil man nämlich ohnehin nicht Unrecht thun, die bürgerlichen Gesetze nicht übertaten darf.
Man hat auch gesagt, eine solche Übertragung wäre unchristlich. Was soll das heißen? Wäre nach der christlichen Moral die Seiche so, so wüßte ich sie nicht mit der natürlichen Moral in Einklang zu bringen. Behauptet man es aber aus der Offenbarung, aus den heiligen Büchern, dann muß ich gestehen, bin ich nicht Schriftgelehrter genug, um die Aussprüche des alten und neuen Bundes gehörig vereinigen zu können. Ich weiß nur soviel, daß von den Philosophen ein Theil, die Vertheidiger der Todesstrafe sich auf die Aussprüche des alten Bundes berufen hat, während die Gegner der Todesstrafe sich auf gewisse Äußerungen im neuen Testamente fußen; allein mir scheint man habe es überhaupt zu lange versucht, aus der Bibel zu beweisen, was eben in den Kram passte, indem man einzelne abgerissene Sätze herausnahm, und daraus argumentierte.
Man hat bemerkt, die Todesstrafe sei deßwegen widerrechtlich, weil sie nicht den Schuldigen allein trifft. Da müßten auch viele von uns gebilligte Freiheitsstrafen häufig widerrechtlich sein, denn die Folgen der Verurteilung zur Strafe können gar oft die schuldlosen Angehörigen treffen.
Man sagt ferner: man könne nicht wissen, wenn ein sogenanntes todeswürdiges Verbrechen begangen worden ist, wie groß die Schuld sei, die der Staat selbst daran trägt, durch Verwahrlosung der Erziehung und mangelhaften Unterricht und so fort. Meine Herren, das ist ein wichtiges Wort, darum muß man es so im Staate gestalten, daß man ein reines Gewissen behält, daß man dann keine Vorwürfe dieser Art sich mehr zu machen braucht. Daraus würde aber nicht folgen, daß die Todesstrafe auch dann rechtswidrig ist, wenn die Gesellschaft Alles gethan hat, um dem Verbrechen zuvorzukommen. Das Argument, der Staat breche sein Wort, wenn er Jemanden den Kopf abschlagen läßt, weil er ihm die Sicherheit des Kopfes versprochen hat, war schwerlich im Ernste gemeint, denn wir haben auch noch ein anderes wichtiges, vom Staate garantiertes Gut, ich meine unsere Freiheit. Ich kann nicht glauben, daß man sie nicht auch sehr hoch achte; wollen wir nun die Anwendung der Freiheitsstrafen deßhalb für ungerecht erklären, weil uns der Staat Schutz für die Freiheit versprochen hat?
Ich halte in einer solchen Untersuchung nichts auf Autoritäten, aber auf einen auffallenden Umstand muß ich aufmerksam machen. Ein geehrter Redner vor mir hat schon bemerkt, mit wie viel Geist und Scharfsinn die Frage über die Todesstrafe in Deutschland ventiliert worden ist. Wir haben die Grundrechte des deutschen Volkes jetzt vor uns. Auf der Frankfurter Versammlung hatten die erleuchtetsten Männer Deutschlands Gelegenheit, sich auszusprechen, aber sie sprachen sich nicht für die unbedingte Rechtswidrigkeit der Todesstrafe aus, sondern sie beschränkten deren Anwendung auf gewisse Fälle, und mehr hat eigentlich nie ein humaner und verständiger Staatsmann gewollt. Er hat stets behauptet, von diesem schwersten Mittel müsse man nur Gebrauch machen, wenn es durchaus nothwendig ist.
Auch die Zweckmäßigkeit der Todesstrafe hat man angegriffen, aber, wie ich glaube, mitunter mit solchen Gründen, die vielleicht meinen Antrag, und wenn er durchgeht, unseren Beschluß am Ende der Verhandlung verdächtig machen könnten, weil sie nicht probehältig sind. Ich weiß in dieser Beziehung so ziemlich Alles, was seit Beccaria und Sonnenfels bis auf Lucas (in Frankreich) über die Zweckmäßigkeit der Todesstrafe geschrieben worden ist; das Meiste, was man für die Unzweckmäßigkeit bemerkte, ist nicht so schwierig zu widerlegen. Man ist so weit gegangen, zu sagen: Der Tod ist ja kein Übel, wie kann es Jemand einfallen, die Androhung mit demselben als Sanction in ein Strafgesetz aufzunehmen? Der Tod ist das natürliche Endschicksal jedes Menschen, wir müssen alle sterben. Ja, wir sehen Leute freudig sterben für ihre Überzeugung. Man hat hingewiesen auf Märtyrer und Fanatiker. Meine Herren, ich will alles das nicht in Abrede stellen; aber daraus folgt gar nicht, was man damit beweisen will. Wenn Jemand von der Richtigkeit seiner Ansicht so durchdrungen ist, daß er sein Leben darein setzt, so kann es wohl geschehen, daß er der Todesdrohung nicht achtet; aber schwerlich werden Sie einen so Gesinnten mit einer ändern Strafandrohung abhalten können. Die Märtyrer bewiesen nicht, daß der Lebensverlust ein Gut ist, sondern sie wollten ihren Glauben besiegeln durch den Tod. Sie fanden in der Handlung des Sterbens etwas für ihre Meinung, für ihre Lehren Gedeihliches. Gehen wir einen Augenblick auf den gewöhnlichen Verbrecher über. Wenn er ein todeswürdiges Verbrechen, wie man es zu nennen pflegt, überlegt, will der auch sterben? Nein, er will leben und die Früchte seines Verbrechens genießen, und hätte er auch ohne materiellen Nutzen, z. B. aus Rache gemordet, so will er sich an dem Gedanken letzen, daß sein Racheopfer gefallen ist. Solchen Leuten würde man mit der Tötung wahrlich kein Glück bereiten. Ich glaube, sie fürchten den Tod. Man hat aber gesagt: immerhin mag der Tod ein Übel sein, die Androhung desselben halt aber nicht ab. Man darf nur beachten, der Tod ist in dem Strafgesetze angedroht, und doch werden die so verpönten Verbrechen begangen.
Wenn wir so glücklich wären, eine Strafe aufzufinden, die man bloß in dem Gesetze als Sanction hinzusetzen brauchte, und man wäre dann überzeugt. jetzt wird das Gesetz nie übertreten, wer wäre glücklicher zu preisen als wir, wie viele Leiden wären der Gesellschaft erspart! Meine Herren, mit denselben Argumenten, mit welchen man solcher Gestalt die Todesstrafe angegriffen hat, werde ich jede andere Strafe aus dem Felde schlagen Die verschiedensten Strafarten sind angedroht worden, und die Verbrechen, auf die sie angedroht waren, sind dennoch begangen worden.
Weit bewegender erscheinen jene Gründe, welche man aus Erfahrungen abgezogen zu haben behauptet. In dem einen Staate, wird bemerkt, hat man die Todesstrafe aufgehoben, die Anzahl todeswürdiger Verbrecher hat sich nicht vermehrt; in einem andern Lande wurde von der Todesstrafe Gebrauch gemacht, und die Zahl dieser Verbrecher vergrößerte sich. Es ist eine häufig vorkommende Erscheinung bei der Schnelligkeit im Urtheilen, daß man meint, eine gewisse Wirkung sei nur die Folge einer einzigen Potenz; daß man nicht beachtet, welche Kräfte noch nebenher gewirkt haben.
Meine Herren, ich glaube Ihnen nicht umständlich erklären zu müssen, wie diese sonderbaren Erscheinungen hervorgekommen sind. Humane Regierungen haben die Todesstrafe abgeschafft, sie waren besorgt für das Wohl ihres Volkes; sie ließen es aber dabei nicht bewenden, sie sorgten für bessere Erziehung, für Unterricht des Volkes, für die Erhaltung des Wohlstandes, für Zugänglichkeit der Nahrungsquellen zu. Begreiflicherweise haben die Verbrechen und insbesondere die schweren Verbrechen abgenommen. Anderwärts tauchte ein Drako auf, der meinte, wenn er das Gesetz mit Blut schreibt, habe er schon genug für die Sicherheit gethan; er läßt aber den Wohlstand des Volkes in Verfall gerathen, er sorgt nicht für dessen Bildung, er entschlägt sich der Sorge für die Sicherheit und Ordnung und der Herstellung zweckmäßiger Polizeimaßregeln. Das Volk verwildert, und dann wundert man sich, wenn die groben Verbrechen häufiger werden.
Gerade diese Betrachtung aber ist es, die mich auf den einen Grund führt, warum ich mir erlaube, Ihnen die Abschaffung der Todesstrafe vorzuschlagen. Ich habe nur zu oft bemerkt, wie man von gewissen Seiten her behauptet, die Todesstrafe könne nicht entbehrt werden; das Volk fei noch so roh und ungebildet, man müsse mit starken Mitteln auf dasselbe wirken mit Rad und Galgen. Auf der andern Seite will man doch den Zustand des Volkes verbessern. Hüthen wir uns, daß wir nicht vielleicht in einen Zirkel gerathen, aus dem nicht herauszukommen ist. Das Volk bleibt roh und verwildert, wenn Ihr es als roh behandelt (Beifall); das Volk wird aber zivilisierter werden, wird grobe Verbrechen unterlassen, wenn man es humaner behandelt. (Beifall.) Ich weiß es, meine Herren, es gehört vielleicht noch in der gegenwärtigen Periode männlicher Muth dazu, sich der Gefahr auszusetzen, welche der gegenwärtig niedere Stand der Civilisation in so manchen Gegenden droht, aber haben wir den Muth! (Beifall.)
Ich habe noch einen andern, und wie ich glaube, noch triftigeren Grund für meinen Antrag. Ich betrachte nämlich den Einfluß der Androhung der Todesstrafe auf die Rechtspflege überhaupt, und ich beachte den Grad der Sicherheit oder Unsicherheit der Strafvollziehung nach Maßgabe eines bestimmten Inhaltes der Gesetze. Wir geben, meine Herren, gewissermaßen künftig das Los der Angeklagten den Geschwornen, unseren Mitbürgern, in die Hände. Wollen wir die Gefühle derselben schonen, es können hier sehr leicht Erscheinungen vorkommen, welche für die Rechtssicherheit nicht unbedenklich sind: es könnte leicht geschehen, daß die Ansicht der Geschworen mit dem Inhalte des Tod drohenden Gesetzes in einen Widerspruch käme, und daß dann auf Schuldlosigkeit erkannt würde, sobald man sich nicht in die harte Lage fetzen will, zur Tödtung eines Menschen, dessen Tod man als ein zu großes Übel ansehen würde, beigetragen zu haben.
In den alten Gerichten ohne Geschwornen haben wir schon eine ähnliche Erscheinung bemerkt. In deutschen Ländern hat das Gesetz auf den Kindermord durch lange Zeit noch die Strafe des Schwertes verhängt, aber die Erfahrung zeigte, und viele Schriftsteller bezeugen es, sehr viele Kindermörderinnen kamen ganz straflos durch. Es sträubte sich Etwas im Herzen der Richter, den Kopf einer solchen Unglücklichen fallen zu machen, sie sahen ein, das Gesetz sei zu strenge; erkennen sie aber die Angeklagte als schuldig, dann müßten sie das Gesetz walten lassen, dann wäre die Angeklagte verloren. Man hat in Frankreich bei der Jury eine ähnliche Besorgniß gehabt, und ein eigenes Mittel angewendet, derselben zu begegnen. Man stellte es den Geschwornen anheim, daß, wenn sie die Strafe des Todes zu hart fänden, sie den Angeklagten der Gnade des Königs empfehlen sollten. Allein mehr oder weniger heißt dieß doch das Schicksal des Angeklagten dem Zufalle Preis geben. Ein anderer Grund, welcher in gar manchen Fällen der Straflosigkeit Vorschub geben dürfte, könnte die Ängstlichkeit von Geschwornen sein, die, wenn ihr Ausspruch eine so schreckliche Folge nach sich ziehen kann, ihn lieber selbst mildern wollen, und daher auf das Nichtschuldig erkennen, auch gegen ihre Überzeugung.
Meine Herren, die Gefahr, daß die Geschwornen, wenn sie in ihrer Ansicht mit dem Gesetze zerfallen, der Strastosigkeit Vorschub geben, hat beredter, als ich es zu thun vermag, schon einer der Redner vor mir ausgeführt; aber viele Beispiele ließen sich anführen, welche zeigen, wie man oft auch zu Notamitteln seine Zuflucht genommen hat, um nur nicht ein so strenges Gesetz walten zu lassen. Nicht alle, aber qualificirte Diebstähle waren in England mit dem Strange bedroht, darunter der Hausdiebstahl mit dem Beisatze: "Der Dieb soll gehängt werden, wenn er so viel gestohlen hat, als der Strick werth ist. " Wenn das Verbrechen gar nicht zu leugnen war, die Strafe des Todes aber den Geschwornen als zu hart erschien, so gaben sie das Verdick: "Schuldig des Diebstahles von 5 Pences" denn der Strick hat 6 Pence gekostet nun konnte der Schuldige nicht gehängt werden.
Endlich muß ich mir erlauben, noch auf einen Punkt aufmerksam zu machen, der mindestens mich sehr beunruhigt, und mich großenteils bewogen hat, meinen Antrag so zu stellen, wie ich ihn gestellt habe. Ich meine nämlich, es dürfte doch noch eine geraume Zeit vergehen, bis bei uns die Geschworen jene Hebung, jene Umsicht haben, um das Recht leicht und sicher zu finden; es könnte somit wohl geschehen, besonders da sich die Umstände oft so außerordentlich verwickeln, daß die Geschwornen glauben, in einem ihnen vorliegenden Falle sei der Beweis hergestellt, daß sie sich aber hierin täuschen, und somit irrig einen Schuldlosen als schuldig verurteilen. Die Gefahr eines Justizmordes liegt unter solchen Umständen nahe. Meine Herren, wir sind hier in Kremsier, so wie in manchem Anderen, auch ärmlich gestellt in Beziehung auf literarische Behelfe, sonst wäre ich in der Lage, manchen Fall vorzuführen, wo Justizmorde durch Geschworenengerichte herbeigeführt wurden. Ich will nicht sagen, daß Justizmorde bei den Richtern, die nach bestimmten Beweisvorschriften zu sprechen hatten, nicht vorgekommen sind; allein, wo Heimlichkeit des Verfahrens obwaltete, bestanden gewöhnlich auch solche Polizeihund Kenfuhrmaßregeln, daß dergleichen Fälle nicht zur öffentlichen Kenntniß kommen konnten. (Heiterkeit und Beifall.) Bei dieser großen Gefahr nun möchte ich es wenigstens nicht auf mich nehmen, die Beibehaltung der Todesstrafe auf die Gefahr hin vertheidigt zu haben, daß künftig solche Justizmorde etwa häufiger vorkommen.
Nur Weniges endlich habe ich über den dritten Satz des Paragraphes zu sagen. Ich bin mit demselben einverstanden, und glaube auch nur bei einem einzigen Punkte etwas bemerken zu mussen. Es sind mir nämlich so oft Urtheile zu Ohren gekommen, daß es schwer halte, ohne körperliche Züchtig n n g auszulangen, es sei der Zustand des Volkes von der Art, daß deren Beibehaltung noch eine Zeitlang nöthig sein dürfte. Ich will darüber nur Weniges bemerken. Ich habe mit sehr ehrenwerthen Offizieren gesprochen, die mir mitgetheilt haben, daß, feit man weniger Gebrauch von der körperlichen Züchtigung mache, die Disciplin nicht schlechter geworden sei. Ich habe mit sehr würdigen Oberamtleuten auf dem Lande gesprochen, die gesagt haben, sie machen von der körperlichen Züchtigung keinen Gebrauch, und es gehe doch recht gut. Die französische Regierung hat im Jahre 1809 sechs kroatische Grenzregimenter übernommen, sie hat die körperliche Züchtigung bei denselben abgeschafft. Wer in dem Jahre 1813 diese Militärs, wie sie von Gloggau kamen, durch Wien passieren sah, fand sie sehr verändert. Sie ließen sich disziplinieren ohne Stock, es ist das Ehrgefühl in ihnen rege geworden. Ich weiß, daß die französische Regierung unter Anderem auch andere Strafmittel gebraucht hat, aber auch sehr kluge, politische Mittel, die den Stock entbehrlich machten.
Endlich muß ich sagen, der Gebrauch des Stockes, der Peitsche, der neunschwänzigen Katze sind doch nichts mehr, als Appellationen an das Tierische im Menschen, sie behandeln den Menschen tierisch, wir aber wollen den Anforderungen der Humanität entsprechen (Beifall), eingedenk der Worte des großen Dichters: "Von der Menschheit, Freund, kannst Du nie groß genug denken. " "Wie du im Herzen sie trägst, so prägst Du im Handeln sie aus. "
(Verlässt unter anhaltendem Beifalle die Tribune.)
P r ä s. Ich muß den Antrag des Abg. Kudler zur Abstimmung bringen. Der Antrag des Abg. Kudler ist, so weit er materiell abweicht von der Textirung des §. 6, bereits unterstützt worden im Amendement des Abg. Hauschild. Es ist jedoch in der Voraussetzung der Annahme dieses Absatzes:,, Die Todesstrafe ist abgeschasst" eine kleine stilistische Verbesserung vorgenommen worden, in Bezug auf die Verbindung des zweiten und dritten Absatzes. Insofern muß ich diesen Antrag nochmals zur Unterstützung bringen. Nach dem Antrage des Abg. Kudler soll der zweite und dritte Absatz so verbunden werden: "Die Todesstrafe ist abgeschafft; auch die Strafen der öffentlichen Arbeit, der öffentlichen Ausstellung, der körperlichen Züchtigung, der Brandmarkung, des bürgerlichen Todes und der Vermögenseinziehung dürfen nicht mehr angewendet werden. " Wird dieser Antrag unterstützt (Wird zahlreich unterstützt. Ruf: Schluß der Sitzung.)
Präs Wird der Antrag auf Schluß der Sitzung unterstützt? (Wird zureichend unterstützt.) Diejenigen, welche dafür sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Schluß der Sitzung ist angenommen. Die Tagesordnung für die morgige Sitzung dürfte sein:
I. Verlesung des heutigen Protokolls.
II. Berichte über Wahlacte.
III. Berichte des Ausschusses für beanstandete Wahlen.
IV. Berathung über den Antrag des Abg. Zbyszewski.
V. Berichte des Petitionsausschusses. Sind die Herren damit einverstanden?
Abg. Strobach. Der Herr Abg. Plaeek hat einen Antrag gestellt. Derselbe ist gedruckt und vertheilt worden, und könnte morgen mit auf die Tagesordnung genommen werden. Eben so der Antrag des Abg. Sierakowski.
Abg. Szaszkiewicz. Ich erlaube mir eine Interpellation an den Herrn Präsidenten: Über meinen Antrag wurde eine Commission zur Beilegung von Grundstreitigkeiten durch Schiedsgerichte niedergesetzt. Ich habe nachgefragt, und in Erfahrung gebracht, daß diese Commission sich noch nicht constituirt hat; somit bitte ich den Herrn Präsidenten, die Commission aufzufordern, daß sie über diesen meinen Antrag doch ihre Arbeit beginne.
Präs. Ich werde nachsehen lassen, wer der Vorstand dieser Commission ist, und die Aufforderung an ihn richten lassen. Ich erkläre die Sitzung für geschlossen.
Schluß 3 1/4 Nachmittags.