Støeda 24. ledna 1849

im Falle der Abweisung der wiederholten Klage die Leistung der vollen Genugthuung auf sich nimmt. " Diejenigen Herren, welche für diesen Antrag sind, vorbehaltlich der stilistischen Abänderung in der Verbindung dieser Sätze, wollen aufstehen. (Minorität.) Der Antrag ist verworfen.  Es kommt nun ein weiterer Antrag des Abg. Violand zur Abstimmung. Der Zusatzantrag des Abg. Violand müßte vor dem angenommenen Schlusssatze des Abg. Bininger gesetzt werden, er lautet nämlich: "noch auch wegen derselben Übertretung zwei Mal verurtheilt werden. " Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Zusatzantrages sind, mögen aufstehen. (Es ist die Minorität.) Der Antrag ist verworfen. 

Ein weiterer Zusatzantrag des Abg. Violand lautet: am Schlusse des ganzen Paragraphes soll gesetzt werden: "ebenso wenig soll Jemand genöthigt werden, gegen sich selbst auszusagen. " Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Zusatzes sind, wollen aufstehen. (Minorität.)  Der Antrag ist gefallen.

Nachdem dieser Zusatzantrag verworfen worden ist, kommt der Zusatzantrag des Abg. Borrosch zur Abstimmung, nachdem derselbe eventuell gestellt wurde, nämlich falls der eben verworfene Antrag nicht durchgehen sollte; er lautet: "Keinerlei Art von Zwangsmitteln darf gegen den Angeschuldigten zur Erlangung eines Geständnisses angewendet werden. " Diejenigen Herren, die für Annahme dieses Zusatzantrages sind, wollen aufstehen. (Minorität.) Der Antrag ist verworfen. Es ist solchergestalt über alle Anträge abgestimmt worden.  Der ganze Paragraph, über den nun als ein Ganzes abzustimmen ist, würde demnach lauten: "Das Verfahren vor dem erkennenden Gerichte in Civil und Strafsachen ist öffentlich und mündlich. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz. In Strasschen gilt der Anklageprotzes. Schwurgerichte haben jedenfalls bei Verbrechen, bei politischen und Pressvergehen zu erkennen.

Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, rücksichtlich deren er bereits durch das Geschworenengericht für nicht schuldig erklärt wurde, nochmals in Untersuchung gezogen werden, ausgenommen den Fall der Kassation des ganzen Verfahrens. " Diejenigen Herren, die für diesen Paragraph als Ganzes sind, wollen aufstehen. (Einhellig angenommen.  Ruf: Schluß der Sitzung.)

Erlauben Sie, meine Herren, ich habe zwar den Ruf wegen Schluß der Sitzung vernommen, indessen würde ich die Herren ersuchen, sich noch vielleicht bezüglich des § 6 die Herren Redner zu notieren, und allenfalls die schon vorliegenden Anträge zu vernehmen.

Abg. Rieger. (Liest.)

"Eine Strafe kann nur durch gerichtlichen Spruch nach einem zur Zeit der strafbaren Handlung schon bestandenen Gesetze verhängt werden.  Die Todesstrafe für politische Verbrechen ist abgeschafft.  Die Strafen der öffentlichen Arbeit, der öffentlichen Ausstellung, der körperlichen Züchtigung, der Brandmarkung, des bürgerlichen Todes und der Vermögenseinziehung dürfen nicht angewendet werden. "

P r ä s. Zu diesem Paragraph haben sich als Redner dafür und dagegen eingeschrieben folgende Herren Abgeordnete.

Dafür: Die Herren Abg. Trümmer, Borrosch, Trojan, Machalski, Thieniann, Brestel, Pitrtscher, Fischhos, Schuselka, Goldmark, Dylewski, Mannheimer, Petranovich, Goriup, Stamm, Rosypal, Kratochwill, Umlauft, Praschak, Zimmer, Klaudi, Löhner, Paul, Polaczek, Trzecieski, Szábel.

Als Redner dagegen haben sich eingeschrieben die Herren Abg. Hauschild, Demel, Sidon, Wildner, Krainski, Kudler, Ingram, Pitteri, Haimerl, Ohéral, Sieber, Helcel, Ullepitsch, Mayer Cajetan, Pinkas, Straffer, Ambrosch, Turco, Hein, Pretis, Neuwall und Fluck.

Es sind mir mehrere Verbesserungsanträge vorgelegt worden, ich werde sie vorlesen. Ein Zusatzantrag des Herrn Abg. Franz Richter zum ersten Absatze des. §. 6 der Grundrechte: Nach den Wörtern,, verhängt werden " sei hinzuzufügen: " daß nach dem zur Zeit der Aburteilung bestehenden Gesetze für eine solche Handlung eine Geldstrafe zu verhängen wäre. "

Der Abg. Kudler stellt folgenden Antrag: die hohe Versammlung möge den. §. 6 folgendermaßen fassen:,, Eine Strafe kann nur durch gerichtlichen Spruch, nach einem zur Zeit der strafbaren Handlung oder Unterlassung schon bestehenden Gesetze verhängt werden. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Auch die Strafen der öffentlichen Arbeit, der öffentlichen Ausstellung, der körperlichen Züchtigung, der Brandmarkung, des bürgerlichen Todes, der Vermögungseinziehung dürfen nicht mehr angewendet werden. " (Beifall.)

Der Herr Abg. Wildner stellt folgenden Antrag:

Der zweite Absatz des §. 6 soll lauten: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die größte Freiheitsstrafe des Gesetzes hat an ihre Stelle zu treten. Wann und wie im standrechtlichen Verfahren die Todesstrafe als Act der Notwehr gegen das um sich greifende Verbrechen des Mordes, Raubes und der Brandlegung vollzogen werden soll, bestimmt das Gesetz. " Sollte dieser Antrag verworfen werden, und die Textirung des Ausschusses beliebt werden, so mache ich dann folgenden Zusatzantrag: "Die Todesstrafe für politische Verbrechen ist abgeschafft. An ihre Stelle hat die größte Freiheitsstrafe des Gesetzes zu treten. "

Ein Verbesserungsantrag des Abg. krummer lautet: zum ersten Absätze, nach dem Worte "Handlung, " sollen die Worte,, oder Unterlassung" eingeschaltet werden. Zu dem Satze:,, Die Todesstrafe ist abgeschafft, werde hinzugefügt: "ausgenommen im Kriege vor dem Feinde, oder wo das Seerecht im Falle der Meuterei sie zulässt.

Verbesserungsantrag des Abg. Hein: erstens "Die Todesstrafe ist abgeschafft. " Zweitens, sollte dieses Amendement fallen, so soll der Absatz lauten: "Die Todesstrafe ist nur zulässig, wenn das Geschworenengericht den Angeklagten mit Stimmen einhelligweit als des mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens für schuldig erklärt. "

Dann das Amendement des Abg. Borrosch und mehrerer, die sich beigesellten: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. "

Der Antrag des Abg. Haimerl: "Die Todesstrafe findet nicht mehr statt. " Dann ein zweiter, desselben Abgeordneten in eventum, nämlich, falls der erste Antrag nicht angenommen werden sollte: "Die Todesstrafe darf nur in den durch das Gesetz genau zu bestimmenden Fällen des stand und kriegt rechtlichen Verfahrens Platz greifen. " Drittens, falls auch dieser Antrag nicht angenommen würde: "Die Todesstrafe findet nur bei dem Verbrechen des Mordes statt. "

Der Antrag des Abg. Herrn Krainski: statt der beiden letzten Absätze des §. 6 soll gesetzt werden: "Die Todesstrafe und alle gegen die menschliche Würde, den öffentlichen Anstand und Unverletzlichkeit der Person und des Eigenthums verstoßenden Strafen dürfen nicht mehr angewendet werden. " Bei der Abstimmung ersucht er um die Trennung der beiden Fragen. Erstens, die Todesstrafe, und dann: alle gegen die menschliche Würde ac. ac.

Antrag des Abg. Hauschild: statt des zweiten Absatzes wäre das sub c. aufgeführte Minoritätsgutachten zu setzen: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. "

Abg. Umlauft. Ich trage darauf an, daß diese sämtlichen Anträge bis morgen gedruckt und vorgelegt werden. (Bewegung.  Ruf: Nein! Nein!) Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird nicht unterstützt.) Diese Anträge werden im Vorstandsburen aufliegen, und diejenigen Herren, welche sie kopieren wollen, können es dort thun. (Ruf: Schluß der Sitzung!)

Abg. Strobach. Ich trage darauf an, daß die heutige Sitzung fortgefetzt werde bis drei Uhr, denn, wenn wir nur dreimal in der Woche über die Grundrechte berathen, und da nur so wenige Stunden, so werden wir nicht in die Lage kommen, daß am 15. März 1849 die Verfassung beschworen werde.

Abg. Hein. So sehr ich die Gründe des Herrn Abg. Strobach anerkenne, muß ich doch bemerken, daß der Constitutionsausschuß jetzt in seiner wichtigsten Arbeit begriffen ist, nämlich Behufs der Berathung über die übriggen Theile der Konstitution täglich Sitzung hat, und eben heute um 4 Uhr wieder zusammentreten wird. Eine bis Ein eine halbe Stunde sind zum Speisen und der nöthigen geistigen Erholung erforderlich, und ich glaube, diese müssen Sie doch dem Constitutionsausschusses gönnen. Während der Zeit, als die Grundrechte berathen werden, soll der Constitutionsausschuß mit dem übrigen Theile der Constitution fertig werden; übrigens ist diese Zeit dem Reichstage nicht entzogen, denn, was der Constitutionsausschuß leistet, hat auch der Reichstag geleistet: es ist der Reichstag dadurch in seinen Arbeiten befördert.

Abg. Strobach. So sehr ich auch die Gründe des Abgeordneten für Troppan achte, so glaube ich doch einen Ausweg darin zu finden, daß der Constitutionsausschuß seine Sitzung um 5 Uhr beginnen könnte, und wir können dann immer bis 3 Uhr da sitzen.

Präs. Wird der Antrag des Abgeordneten Strobach unterstützt? (Wird unterstützt). Diejenigen Herren, welche für die Fortsetzung der Sitzung sind, wollen aufstehen. (Majorität.)  Der Abgeordnete Hauschild als erster Redner gegen den §. hat das Wort. (Sehr viele Abgeordnete gehen fort.) Ich muß bitten, meine Herren, wir werden auf diese Art bald nicht mehr verhandlungsfähig sein.

Abg. S t r o b a c h. Ich muß sehr beklagen, daß die Majoritätsbeschlüsse in der Art beachtet werden.

Abg. Neumann. Ich habe zwar dagegen gestimmt, achte aber dennoch den Majoritätsbeschluß und bleibe da. Ich bitte aber zu bemerken, daß bei dem Anfange einer so höchst wichtigen Diskussion der Geist frisch derselben beiwohnen soll.

Präs. Ich werde das Haus zählen lassen. (Nach der Zählung.) Wiewohl nicht mehr beschlußfähig, sind wir doch noch verhandlungsfähig. Ich ersuche, den Herrn Abg. Hauschild, zum Vortrag zu schreiten.

Abg. Hauschild. Ich habe den Antrag gestellt, daß statt des 2. Absatzes des §. 6 das sub c. angeführte Minoritätsvotum angenommen werde, welches dahin lautet: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. " Bei der Abstimmung über diesen Antrag, meine Herren, werden Sie für viele Jahre hin in unserm weiten Gesamtvaterlande Hunderten unserer Mitmenschen das Urtheil sprechen, ob sie ihr Leben durch Henkershand verlieren sollen oder nicht.

Die Todesstrafe gehört jenem finstern Zeitalter an, wo einem verwilderten Geschlechte gegenüber nur der äußerste Schrecken geeignet schien, die Gesetzlichkeit zu erzwingen, sie ist unerträglich mit den humanen Institutionen unserer Zeit. Jede Strafe soll nur den Schuldigen treffen, sie soll die Menschenwürde auch in der Person des Verbrechers achten; die Todesstrafe aber liefert den Verbrecher einem Schlachttiere gleich an das Beil, sie ist minder schrecklich für ihn, als für die Seinigen, welche in ihrer Brust mit ihm den Todeskampf kämpfen, und noch Jahre lang die unvertilgbare Schmach des Andenkens zu tragen haben, nachdem er schon sein Verbrechen mit dem Tode gesühnt.

Die Vertheidiger der Todesstrafe wollen es durch das Machtgebot der Noth entschuldigen, wenn ein Mensch dem ändern das Todesurteil spricht; aber wenden wir unser Wissen und Bemühen der Verbesserung des Schulwesens, der Erziehung unseres Volkes zu, und wir werden wirksamer für die Verminderung der Verbrechen sorgen, als durch die Todesstrafe je geschehen kann. Und wer kann auch nur behaupten, daß die Todesstrafe den Zweck der Abschreckung mit Sicherheit erfülle? Wäre dieß der Fall, dann hätten wir nichts Eiligeres zu thun, als mit drakonischer Strenge jedes, auch das kleinste Vergehen mit dem Tode zu bedrohen; wir würden dann kein Vergehen, aber auch keine Todesstrafe haben, weil schon die Androhung der Todesstrafe hinreichen müßte, vom Verbrechen abzuschrecken.

Die Erfahrung lehrt uns das Gegentheil. Vor nicht allzu langer Zeit wurden in England selbst Diebstähle mit dem Tode bestraft; das Eigenthum war darum nicht gesicherter, auf der Richtstätte selbst wurden neue Diebstähle verübt. Wen unbedingte Leidenschaft zum Verbrechen fortreißt, bei wem der Vorsatz des Verbrechens zur langgenährten fixen Idee geworden ist, den wird auch der Tod nicht schrecken, er ist ein Rasender, dem mehr oder weniger der Verstandesgebrauch, die Besinnung mangelt. Anderen Verbrechern gegenüber liegt die Wirksamkeit des Abschreckens in der Schnelligkeit und Sicherheit des Strafvollzuges überhaupt; wenn der gemeine Verbrecher dem Strafgesetze trotzt, so thut er dieses nicht, weil ihm das Strafübel gering, sondern weil es ihm ferne und unsicher droht. Wird es einer guten Polizei und Strafrechtspflege gelingen, die Überzeugung allgemein zu machen, daß jedem Verbrechen die sichere Entdeckung und Bestrafung auf dem Fuße folgt, so werden die Verbrechen schwinden oder sich doch vermindern, ohne daß es einer Todesstrafe bedarf. Was gibt uns endlich das Recht, unfern Mitmenschen zum Mittel der Abschreckung zu machen, eine Strafe über ihn zu verhängen, welche die Grenzen der Notwehr überschreitet, welche sein Dasein zerstört und ihn einer Zukunft entgegenführt, deren Schleier zu lüften noch Niemanden gelungen ist. Ich will hier nicht von philosophischen Systemen sprechen, ich berufe mich nur auf den einen untrüglichen Zeugen, den Gott selbst in unsere Brust gelegt. Der Befehlshaber spricht ohne Zagen das Befehlswort, welches Tanzende von wackern Kriegern dem sichern Tode entgegenführt, ohne Zagen streckt der Angegriffene den Angreifer, der Soldat seinen Feind im Felde nieder, eben weil es nur Notwehr ist; aber nicht ohne Schaudern wird der Richter das Urtheil sprechen, welches das Dasein eines Menschen endet, und kaum war Jemanden die harte Brust gegeben, ein solches Urtheil ohne Schauder zu vollziehen. Dieser Schauder,  mögen Andere ihn Vorurteil nennen, mir ist er die Stimme des Gewissens, die uns vor dem zurückschreckt, was vor Gott unrecht ist. (Anhaltender Beifall.) Die Todesstrafe ist also inhuman; sie ist weder nothwendig, noch geeignet für den Zweck der Abschreckung; sie ist auch ungerecht.  Die Todesstrafe hat aber auch schon Schuldlose getroffen, und war dieses der Fall zu einer Zeit, wo der vermeintliche Verbrecher durch die im Buchstaben des Gesetzes gelegene Förmlichkeit geschützt war, so ist diese schreckliche Möglichkeit auch für die Zukunft vorhanden, wo die Ansicht, die Überzeugung der Geschwornen allein das Urtheil sprechen wird. Das Geschworenengericht ist jedenfalls die edelste Institution des Rechtsstaates, aber doch sind seine Aussprüche nicht unfehlbar. Sie sind nicht unfehlbar, denn wir alle sind Menschen, sind dem Irrthum, der, wenn auch unbewussten Einflussnahme äußerer Eindrücke, sind Leidenschaften unterworfen, und wie gewaltig diese Faktoren wirken, hat uns insbesondere die Geschichte der letzten Zeit gezeigt. Einer solchen Möglichkeit gegenüber aber spreche ich es als meine gewissenhafte Überzeugung aus: Lieber mögen hinderte von Verbrechern straflos bleiben, lieber will ich selbst dem Verbrechen zum Opfer fallen, als je die Hand dazu bieten, daß auch nur einer meiner Mitmenschen schuldlos gerichtet werde; denn der Mord an sich ist entsetzlich, der entsetzlichste aller Morde aber ist der Justizmord. (Großer, sich wiederholender Beifall.)

Präs. Der Herr Abg. Trummer hat das Wort.

Abg. Trummer. Ich betrete die Rednerbühne, um für den §. 6 der Grundrechte zu sprechen. Hierdurch gebe ich schon im Voraus zu erkennen, daß ich mit dem Principe, welches in diesem. §. ausgesprochen ist, einverstanden bin. Nachdem aber der §. 6 aus drei Absätzen besteht, erlaube ich mir einen jeden dieser drei Absätze einer besonderen Erörterung zu unterziehen. Mit dem ersten Absatze, dahin lautend: "Eine Strafe kann nur durch gerichtlichen Spruch nach einem zur Zeit der strafbaren Handlung schon bestandenen Gesetze verhängt werden"  bin ich im allgemeinen vollkommen einverstanden, weil es sich von selbst versteht, daß die Gesetze überhaupt, insbesondere aber die Strafgesetze einmal eine rückwirkende Kraft haben sollen. Nach meiner Ansicht muß aber jedes Gesetz, umsomehr also unsere Constitution als das erste und oberste Gesetz unseres Staates, so klar und deutlich abgefaßt werden, daß über keinen §. dieses Grundgesetzes irgend ein Zweifel entstehen könne. Aus dieser Ursache nun muß ich die im ersten Absatze des §. 6 der Grundrechte vorkommenden Worte: "zur Zeit der strafbaren Handlung" beanstanden. Es bedarf wohl keines ausführlichen Beweises, daß der erste Absatz des §. 6 der Grundrechte einzig und allein auf unsere gegenwärtig schon bestehenden und künftig bestehen werdenden Strafgesetze sich beziehe.

Nach unseren gegenwärtig bestehenden Strafgesetzen,  dasselbe wird wohl auch nach unseren künftigen Strafgesetzen der Fall sein,  gibt es aber nicht bloß strafbare Handlungen, sondern auch strafbare Unterlassungen, und da nun im ersten Absätze des §. 6 der Grundrechte von den strafbaren Unterlaufungen keine Erwähnung geschieht, so könnte man glauben, dieses Grundgesetz gelte für die strafbaren Unterlassungen nicht. Ich setze zwar voraus, daß der Constitutions  Ausschuß den Ausdruck: "strafbare Handlung hier im weiten Sinne genommen hatte, und also darunter auch die strafbaren Unterlassungen verstanden wissen wolle. Allein, nachdem einmal unser Strafgesetz die strafbaren Handlungen von den strafbaren Unterlassungen ausdrücklich unterscheidet, und unter dem Ausdrucke: "strafbare Handlung" niemals die strafbare Unterlassung begriff, so dürfte es zur Beseitigung jedes Zweifels zweckmäßig sein, den Ausdruck: "strafbare Handlung auch hier nur in jenem engeren und eigentlichen Sinne zu nehmen, welcher diesem Ausdrucke schon in unserem Strafgesetze beigelegt ist. Ich erlaube mir demnach anzutragen, daß im ersten Absatze des. §. 6 der Grundrechte nach dem Worte:,, Handlung die Worte: "oder Unterlassung" eingeschaltet werden; wonach der erste Absatz des. §. 6 der Grundrechte so lauten würde: "Eine Strafe kann nur durch gerichtlichen Spruch nach einem zur Zeit der strafbaren Handlung oder Unterlassung schon bestandenen Gesetze verhängt werden. " Dem Minoritätsvotum des ConstitutionsAusschusses, daß im ersten Absätze des. §. 6 der Grundrechte statt den Worten: "zur Zeit der strafbaren Handlung gefetzt werden soll: "zur Zeit des Vergehens, " kann ich aus dem Grunde nicht beistimmen, weil auch das Wort: "Vergehen" hier einen ändern Sinn hat, als welcher diesem Worte sowohl in unserem Strafgesetze, als auch insbesondere im §. 5. unserer Grundrechte beigelegt ist. Hier muß man nämlich unter dem Worte: "Vergehen auch die Verbrechen und schweren Polizeiübertretungen verstehen, während unser Strafgesetz die Verbrechen und schweren Polizeiübertretungen niemals mit dem Worte: "Vergehen" bezeichnet, sondern unter diesem Worte immer nur jene Gesetzesübertretungen versteht, welche weder Verbrechen noch schwere Polizeiübertretungen sind.

Ich komme nun zum zweiten Abfetze. Der Constitutionsausschuß beantragt in diesem Absätze, daß die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft werden soll. Ein Minoritätsvotum des Constitutionsausschusses lautet dahin, daß die Todesstrafe nur im Falle des analisicirten Mordes zulässig sei. Ein zweites Minoritätsvotuin des ConstitutionsAusschusses aber lautet dahin, daß die Todesstrafe abgeschafft fei. Auch ich muß offen erklären, daß nach meiner individuellen Ansicht die Todesstrafe im allgemeinen, also nicht bloß für die politischen, sondern auch für die gemeinen Verbrechen abgeschafft werden dürfte (Bravo), weil ich die Überzeugung hege, daß die Todesstrafe im allgemeinen im normalen Zustande unseres Staates seine notwendige Strafe mehr ist, und weil ich auch überzeugt zu sein glaube, daß die Völker Österreichs in überwiegender Mehrheit die Todesstrafe als regelmäßige Strafe wirklich missbilligen, und eben deßwegen auch die Gesetzgebung die Todesstrafe als regelmäßige Strafe nicht fortbestehen fassen darf. Ich unterlasse es, um die hohe Versammlung nicht zu ermüden, in eine ausführliche Erörterung der Frage, ob die Todesstrafe eine recht und zweckmäßige Strafe fei, oder nicht, mich einzulassen. Ich beschränke mich lediglich darauf, meine Ansicht hierüber nur mit einigen wenigen Worten auszudrücken. Könnte nachgewiesen werden, daß die Todesstrafe das einzige zur Aufrechthaltung der bürgerlichen Ordnung oder zur Abhaltung von gewissen schweren Verbrechen geeignete und nothwendige Mittel wäre, so würde allerdings auch der Staatsgewalt, welche Recht, und Pflicht hat, die zur Erreichung ihrer Zwecke notwendigen Mittel anzuwenden, das Recht, Todesstrafe zu drohen und zu vollziehen, nicht abgesprochen werden können. Allein ich glaube mit Grund bezweifeln zu sollen, daß die Notwendigkeit der Todesstrafe im normalen Zustande unseres Staates nachgewiesen werden könne, und eben weil ich diese Nachweisung bezweifle, halte ich auch die Todesstrafe im allgemeinen für keine notwendige Strafe in unserem Staate. Offenbar steht die Frage über die Abschaffung der Todesstrafe im innigsten Zusammenhange mit dem Zustande des Gefängniswesens. So lange die Gefängnisse schlecht waren, konnte freilich das Bedenken, daß sie zur Besserung der Sträflinge beitragen, nicht aufkeimen; die Unverbesserlichkeit gewisser schweren Verbrecher war damals ein Rechtfertigungsgrund für die Todesstrafe, und die bei der schlechten Gefängnißconstruction leicht entstehende Vorstellung, daß der gefährliche Verbrecher, welcher todeswürdige Verbrechen verübte, jedes Hinderniß überwinden, und aus dem Gefängnisse sich befreien würde, schien aus Gründen der Sicherung des Staates für die Todesstrafe zu sprechen. Allein, sobald das Gefängniswesen verbessert wird, und die Mittel, welche das Ponitentialsystem bietet, vermehrt werden, wird auch die Ansicht, daß kein Verbrecher als unverbesserlich betrachtet werden dürfe, immer mehr siegen, und zwar um so mehr, als man sich überzeugen wird, daß die Vermuthung der Unverbesserlichkeit derjenigen, welche mit der Todesstrafe bisher bedrohte Verbrechen verübten, auf willkürlichen Voraussetzungen beruht.

Nie aber sollte ein Staat durch die Berufung, daß die Gefährlichkeit gewisser schwerer Verbrecher zur Sicherung des Staates die Todesstrafe fordere, sich selbst das Zeugniß seiner Ohnmacht oder seines üblen Willens geben, da es nicht schwierig ist, durch eine gute Konstruktion der Gefängnisse, und durch eine kräftige ununterbrochene Aufsicht jede Entweichung der Gefangenen unmöglich zu machen. Auch glaube ich mit Grund voraussetzen zu dürfen, daß unsere constitutionelle Regierung die Verbesserung unseres noch immer schlechten Gefängniswesens zu einer ihrer ersten Hauptaufgaben machen, und auch zugleich dafür Sorge tragen werde, daß das von allen Kriminalisten als eine Nothwendigkeit anerkannte Pönitentialsystem endlich auch bei uns in Anwendung komme. Endlich glaube ich auch mit Grund meine Hoffnung aussprechen zu dürfen, daß unsere constitutionelle Regierung für die wahre Volksbildung mehr thun werde, als unsere vormalige absolute Regierung für dieselbe gethan hat. Und wenn dieses alles geschieht, und wie ich glaube, auch in Kürze geschehen muß, wer soll dann wohl die Todesstrafe im Allgemeinen noch für eine nothwendige Strafe in unserem Staate erklären?  Nach meiner individuellen Ansicht läßt sich also die Todesstrafe im Allgemeinen n i c h t vertheidigen.

Jedoch gibt es allerdings auch Ausnahmefälle, in denen das Eintreten der Bedingungen, welche die Abschaffung der Todesstrafe voraussetzt, unmöglich ist. Diese Ausnahmefälle sind: Der Kriegszustand und der Fall der Meuterei auf offener See. In diesen Fällen ist allerdings die Todesstrafe das einzig mögliche Mittel, welches zu Gebote steht, eine wirkliche Notwehr. In diesen Fällen, aber auch nur in diesen, läßt sich also eine Ausnahme von der allgemein anzunehmenden Regel der Abschaffung der Todesstrafe begründen. Diesem nach erlaube ich mir zum zweiten Absatze des § 6 der Grundrechte folgenden Verbesserung  Antrag zu stellen: "Die Todesstrafe, ausgenommen im Kriege vor dem Feinde, oder wo das Seerecht im Falle der Meuterei sie zulässt, ist abgeschafft. " Belangend endlich den dritten Absatz des §. 6 der Grundrechte, so erlaube ich mir hierüber ganz kurz zu bemerken, daß ich die Abschaffung aller in diesem Absatze näher bezeichneten Strafen sowohl im Rechts als auch im Sittengesetze gegründet finde, und daher für diesen Absatz ohne irgend einer Abänderung stimmen werde.

(Beifall.  Ruf: Schluß der Sitzung!)

Präs. Ich bemerke, meine Herren, daß wir nicht mehr verhandlungsfähig sind, ich werde mir erlauben, die Sitzung zu schließen, und zu Folge eines bestehenden Kammerbeschlusses in der morgigen Sitzung wieder die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte aufnehmen.  Ich erkläre die heutige Sitzung für geschlossen.

Schluß der Sitzung 2  3/4 Uhr.

Kremster. Aus der k. k. Hof und Staatsdruckerei.


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