Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Siebenundsiebzigste (XXV.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier
am 24. Jänner 1849.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 23. Jänner 1849.
II. Zweite Lesung der Gründrechte.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Auf der Ministerbank: Krauß.
Anfang: 10 1/2 Uhr.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist anwesend. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftf. Motyka wird das Protokoll der gestrigen Sitzung vorlesen.
Schriftf. Motyka (verliest das Protokoll der Sitzung vom 23. Jänner 1849).
Präs. Ist etwas gegen die Fassung des Protokolles einzuwenden?
Nachdem die Fassung des Protokolles nicht beanständet wird, so erkläre ich dasselbe als richtig ausgenommen.
Der Herr Abg. Wagner ist von seiner Krankheit genesen, und wieder hier eingetroffen.
Ich habe dem Herrn Abg. Lhota einen 8tägigen Urlaub bewilliget, vom heutigen Tage an gerechnet
Der Vorstand des Rekrutierungsausschusses ersucht die Mitglieder dieses Ausschusses, morgen um 4 Uhr im Locale des Finanzausschusses zusammenzukommen.
Weiterhin ersucht der Vorstand des Finanzausschusses die Herren Mitglieder, heute um 5 Uhr zusammenzukommen. Es sind dem Vorstande mehrere in den neu zusammengesetzten Abtheilungen vorgenommene Wahlen der Functionäre bekannt gegeben worden. Der Herr Schriftf. Ullepitsch wird diese Wahlen verlesen.
Schriftf. Ullepitsch. Die Functionäre der 3. und 6. Abtheilung sind vermöge des heute verlesenen Sitzungsprotokolls bereits gestern bekannt gegeben worden. In den übrigen Abtheilungen aber wurden folgende Functionäre gewählt, und zwar:
In der I. Abtheilung:
Zum Vorstande
Abg. Haimer 1 "
" Stellvertreter,, Langie "
1. Berichterstatter " Bilinski
2. " " Rulitz "
1. Schriftführer " Bininger
"2. " Brázdil.
In der II. Abtheilung:
Zum Vorstande:
Abg. Sidon "
" Stellvertreter " Löhner "
1. Berichterstatter " Kreil,,
2. " Král "
1. Schriftführer " Hawelka "
2. " Mucha.
In der IV. Abtheilung:
Zum Vorstande:
Abg. Kautschitsch
" Stellvertreter " Wocel "
1. Schriftführer " Sitka "
2. " Sadil "
1. Berichterstatter " Hönig "
2. " Demel.
In der V. Abtheilung:
Zum Vorstande:
Abg. Weiß "
" Stellvertreter " Strasser "
1. Berichterstatter " Uchatzy "
2. " Bielecki "
1. Schriftführer " Fleischer "
2. " Mußil.
In der VII. Abtheilung
Zum Vorstande:
Abg. Brestel "
" Stellvertreter, Dylewski "
1. Berichterstatter, Sieber "
2. " Janesch "
1. Schriftführer " Polaczek "
2. " Rosypal.
In der VIII. Abtheilung:
Zum Vorstande:
Abg. Wierzchlejski
,, Stellvertreter Rieger
1. Schriftführer Kutschera
2. " Hellrigl
1. Berichterstatter Scholl
2. " Beck Joseph.
In der IX. Abtheilung:
Zum Vorstande:
Abg. Pretis,,
" Stellvertreter, Pinkas "
1. Schriftführer, Woitech
,, 2. " Umlauft "
1. Berichterstatter, Hubicki,,
2. " Violand.
P r ä s. Der Antrag des Abg. Zbyszewski ist in Druck gelegt, und heute unter die Herren Abgeordneten vertheilt worden. Zu Folge der Gefchäftsordnung wäre nun zu bestimmen, in welcher Art er in die Kammer zur Verhandlung eingebracht werden solle. Ich muß auch auf den Umstand aufmerksam machen, daß zu Folge der Geschäftsordnung derselbe nicht früher als nach 3 Tagen zur Berathung kommen sollte; indessen wurde bereits gestern von einem Herrn Abgeordneten angeregt, daß dieß ein Dringlichkeitsantrag sei, und dasselbe konnte man auch aus der Begründung des Abg. Zbyszewski entnehmen. In der laufenden Woche haben wir noch morgen und Freitag Sitzungen, und zufolge eines Beschlusses der hohen Kammer sollten an den 3 ersten Sitzungstagen nur die Grundrechte, am 4. Sitzungstage andere Gegenstände verhandelt werden; käme nun der fragliche Antrag nicht Freitag zur Verhandlung, so könnte er erst künftigen Freitag zur Verhandlung kommen. Ich mache den Herrn Abg. Zbyszewski auf diese Umstände aufmerksam, und fordere ihn auf, in dieser Beziehung einen Antrag zu stellen.
Abg. Zbyszewski. Ich nehme mir die Freiheit, den Antrag zu stellen, daß mein der hohen Kammer vorliegender Antrag am Freitag in die Vollberathung genommen werde. Ich glaube es wagen zu dürfen, dem hohen Haufe anzuempfehlen, daß dieses geschehen möchte, da die Armee, falls sie das Recht hat, hier ihre Vertreter sitzen zu lassen, dieses Recht bereits durch 7 Monate, seit jener Zeit nämlich, wo die Kammer sitzt, entbehrt; und jetzt, wo die Grundrechte in Berathung sind, wo die wichtigsten der Verhandlungen beginnen, kann man sich nicht genug wünschen, daß ihre Vertreter sobald als möglich hier erscheinen. Ich trage nochmals darauf an und bitte Sie, daß die Verhandlung am Freitag gepflogen werde.
Präs. Wird der Antrag unterstützt? (Unterstützt und angenommen.) Es wird demnach der Antrag des Abg. Zbyszewski für die Sitzung am Freitag auf die Tagesordnung gefetzt werden. Es sind einige Interpellationen angemeldet worden: I. die vom Abg. Ullepitsch.
Abg. Ullepitsch (liest.)
Interpellation an das Ministerium des Unterrichtes. Fortschritt! ist das Losungswort, und demselben entsprechende Reformen das Bedürfniß in allen sozialen Verhältnissen der constitutionellen Staaten Europas. Soll sich aber zivilisiertes Leben oder Cultur im eigentlichen Sinne im Staate entwickeln, so ist und bleibt Sorge für geistige Bildung eine der Hauptaufgaben des Staates, weil der Mensch nur durch Unterricht und Erziehung wahrhaft Mensch wird, und mit der intellektuellen Entwicklung des Volkslebens auch das Staatsleben seiner Vervollkommnung entgegenschreitet. Da nun Österreich auch in die Reihe constitutioneller Staaten trat, und auch auf seinem Paniere feit den Märztagen die Worte: "Fortschritt und Reform" eingeschrieben stehen, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß sein unter dem Systeme des Absolutismus nur zu vernachlässigtes Unterrichtswesen einer gänzlichen Umstaltung bedarf, und zwar von den Volksschulen angefangen bis hinauf zu den höchsten Bildungsanstalten, den Universitäten.
Was nun die letztern betrifft, so hat das Ministerium in dem bereits veröffentlichen Entwurfe der Grundzüge zur Reformierung des Unterrichtswesens sich dahin ausgesprochen, daß künftig nur vollständige Universitäten bestehen sollen, und daß selbe so zu errichten und einzurichten feien, daß den Bedürfnissen der verschiedenen Nationalitäten Genüge gethan werde.
Diese ministerielle Erklärung gewährt nun allerdings volle Beruhigung in Beziehung auf die künftige Einrichtung und Beschaffenheit der Universitäten, allein die weitere Frage, wo derlei Lehranstalten bestehen werden, erscheint noch unentschieden eine Frage, bei deren Lösung eben im Sinne des ministeriellen Pragrammes unbezweifelt die verschiedenen Nationalitäten im Auge zu halten sind, aus denen Österreichs großer Ländercompiler besteht.
Die gegenwärtig in Österreich bestehenden Universitäten zerfallen in zwei Classen, in die des ersten und zweiten Ranges, und zwar gehören mit Ausschluß von Galizien nebst Krakau, Ungarn und Italien, zu den Ersteren die Universitäten von Wien und Prag, und zu den letzteren die Universitäten von Innsbruck, Gratz und Olmütz. Den Letzteren fehlt die medicinische Facultät, und selbe war bis nun nur durch das niedere medizinischchirurgische Studium zum Theile ersetzt. Nachdem jedoch das Ministerium den so humanen, als gerechten Grundsatz aussprach, daß alle Staatsbürger ein gleiches Recht auf ärztliche Behandlung durch Doctoren der Medicin und Chirurgie als vollkommen ausgebildete Ärzte haben, so hatte derselbe die Aushebung der medizinischchirurgischen Lehranstalten für Landwundärzte zur Folge, mit der in dem Ministerialerlasse vom 26. August v. I. Z. 233 enthaltenen Hindeutung jedoch, daß in der Folge auch auf den bestehenden Universitäten zweiten Ranges medicinische Fakultäten creirt werden dürften.
Während daher den Provinzen, wo bereits Universitäten bestehen, die Vervollständigung derselben in Aussicht gestellt erscheint, wurde in Laibach, wo bisher ein akademisches Lyzeum bestand, das medizinisch chirurgische Studium aufgehoben, und es steht zu besorgen, daß seine Lehranstalt nur zu einem Ober oder Untergymnasium herabsinken würde. Daß aber dieß nicht geschehe, sondern daß vielmehr auch Laibach der Sitz einer Universität werde, dafür sprechen sehr wichtige Gründe. Soll nämlich die ministerielle Erklärung wahr werden, daß Österreichs Bildungsanstalten so zu errichten und einzurichten sind, daß den Bedürfnissen der verschiedenen Nationalitäten Genüge gethan werde, dann ist unbezweifelt auch auf die im Süden der österreichischen Monarchie wohnende Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, und zwar umsomehr, als von den nördlich gelegenen Ländern des österreichischen Kaiserstaates fast Jedem eine Universität zu Theil ist, während die südlich gelegenen Länder Krain, Kärnthen, Görz, das Küstenland, Istrien und Dalmatien dagegen nicht Eine besitzen. Auch eignet sich Laibach durch seine geographische Lage und Entfernung von Wien zum Sitze einer Universität als südlichen wissenschaftlichen Zentralpunkt, und es bestand bereits daselbst bisher nebst dem akademischen Gymnasium auch das philosophische, theologische und das niedere medizinischchirurgische Studium für Landwundärzte, daher es sich zur Schaffung einer vollständigen Universität nur noch um die Beifügung der juridischen, und um die Vervollständigung der medizinischen Facultät handelt. Zudem besitzt Laibach ein reiches naturhistorisches Museum, einen rühmlichst bekannten botanischen Garten, ein erst neu eingerichtetes chemisches Laboratorium, ein physikalisches Kabinett, eine reichhaltige Lyzealbibliothek, eine Bibliothek des historischen Vereines nebst einem Antiaquarium und einer numismatischen Sammlung, eine medicinische und chirurgische Klinik, eine Gebühr und Finderanstalt und eine Veterinärschule, welche Institute der Errichtung einer Universität gewiß sehr förderlich sind, und die Kosten ihrer Errichtung bedeutend herabmindern werden.
Ich erlaube mir daher im Interesse des Landes, das zu vertreten ich die Ehre habe, an das Ministerium des Unterrichtes die Anfrage zu stellen, ob es gesonnen fei, auf die Errichtung einer Universität in Laibach hinzuwirken?
Dr. Carl Ullepitsch,
Abgeordneter für Adelsberg in Krain.
P r ä s. Diese Interpellation wird dem betreffenden Ministerium zugewiesen werden. Eine weitere Interpellation hat der Abg. Scherzer angemeldet.
Abg. Scherz er (liest).
Interpellation des an das Finanz Ministerium.
In allen Zweigen der öffentlichen Verwaltung haben die halben Maßregeln, unklaren Beschlüsse und vielfache Deutung zulassenden Anordnungen nicht nur ihren Zweck verfehlt, sondern gewöhnlich das Gegentheil von dem erzeugt, was man ursprünglich erzielen wollte. Um so auffallender muß dieser Übelstand hervortreten, wenn finanzielle Erlässe von Seiten der Behörden erfolgen, wodurch bei Gegenständen, welche ihrer Natur nach genau und ziffermüßig behandelt werden sollen, der Phantasie und Willkür jedes Einzelnen überlassen wird, über gesetzliche Bestimmungen die ihm gefällige, und seinen Interessen am meisten zusagende Auslegung geltend zu machen.
Wir brauchen nur beispielsweise auf den jetzigen Zustand unseres Handels und Industrie aufmerksam zu machen, bei dessen Beurtheilung keinem Unbefangenen die Wahrnehmung entgehen wird, daß die Ungewißheit über das künftige Schicksal unseres gewöhnlichen Zahlungsmittels, so wie der daraus entspringende Mangel an Vertrauen das Meiste beigetragen haben, die Erzeugung und den Absatz unserer inländischen Fabrikate auf eine so niedere Stufe herabzudrücken, und viele Handelsunternehmungen, welche auf einige Monate hinauslaufen, unmöglich zu machen. Bei den häufigen Commerziellen Beziehungen, worin alle Theile der österreichischen Monarchie im Verbande zu den ungarischen Provinzen stehen, mußte es jedem Finanzmanne auffallen, daß die Ausgabe der ungarischen Geldnoten und deren Anerkennung oder Nichtanerkennung von Seite der österreichischen Regierung eine Lebensfrage für unsere Zukunft bilden werde.
Hier ist die Untersuchung nicht geeignet, welcher von beiden Fällen der allgemeinen Gerechtigkeit besser entspreche, und für die materiellen Interessen beider Länder günstigere R e s u l t a t e liefern würde; gewiß ist es, daß man zu der Voraussetzung berechtigt war, das Ministerium wäre nach dem siegreichen Einschreiten unserer Truppen bald ins Reine gekommen, ob die erwähnten ungarischen Noten, welche mittelbar einen so bedeutenden Einstuss auf unseren Handel und Gewerbe nehmen, nach ihrem Nennwerthe anerkannt werden oder nicht.
Im Gegensatze zu einer so gegründeten Annahme erfahren wir so eben, daß der Herr Feldmarschall Fürst Windischgrätz in einer Proclamation an die Ungarn erklärt habe, daß die ungarischen ein und zwei Guldenroten nach ihrem vollen Nennwerthe bei den k. k. Cassen angenommen werden, hingegen werde in Hinsicht der höheren Geldnoten eine allerhöchste Entscheidung später herablangen.
Da in Folge dieser Erklärung das Schicksal des ungarischen Papiergeldes unentschieden, und die daraus entspringende Ungewißheit, unserer früheren Behauptung gemäß, von größerem Nachtheile für
unsere Zustände sich erweisen dürfte, als irgend eine definitive Maßregel, so erlaube ich mir, dem Herrn Finanzminister folgende Fragen zu stellen:
1. Hat das Finanzministerium Mittel getroffen, um die Anzahl der bisher im Umlaufe erschienenen ungarischen Geldnoten wenigstens annähernd in Erfahrung zu bringen?
2. Hat das Finanzministerium diesem wichtigen Gegenstande die gehörige Aufmerksamkeit gewidmet, und die Anerkennung oder Außercourfetzung erwähnter Noten beschlossen?
3. Ist das Ministerium gesonnen, den allenfalls darüber gefaßten Beschluß kund zu geben, damit die Völker Österreichs sowohl in ihren Tagesgeschäften, als auch in der Abwicklung früher übernommener Verpflichtungen nach bestimmten Grundsätzen sich zu richten wissen?. Die Dringlichkeit des Gegenstandes und die Gefahr, die daraus erwächst, daß durch die Ratlosigkeit der klügere Theil. der Bevölkerung auf Kosten des Schuldlosen sich bereichere, lassen mich einer baldigen Entscheidung meiner Fragen mit Zuversicht entgegen sehen.
Kremsier, 23. Jänner 1849
Scherzer,
Abgeordneter für Klosterneuburg.
Präs. Es wird diese Interpellation dem Finanzministerium übermittelt werden. Es hat noch eine Interpellation der Herr Abg. Klaudi angemeldet.
Abg. Klaudi (liest).
Interpellation an den Herrn Justizminister.
Von dem Augenblicke an, wo die slavischen Völkerstämme in Österreich zum Selbstbewussten erwacht, für wahre gesetzliche Freiheit thätig geworden sind, waren sie und ihr Streben der Gegenstand maßloser Verdächtigungen.
Verdächtigungen waren es, die eine Versammlung der allgemein geachtetsten Patrioten als einen Haufen Verschworener hinstellten, und die Hauptstadt unseres Vaterlandes unter das Kriegsgesetz brachten.
Weil dem freien Volke, wie dem freien Manne als höchstes Gut seine Ehre gilt, und wir, die durch das Vertrauen des Volkes gewählten Vertreter desselben, auch die Ehre zu wahren haben, verlangten wir die Veröffentlichung der durch die Untersuchung erhobenen Thatsachen, damit durch diese jedes einseitige, parteiische Urtheil widerlegt, und die ungerecht angetastete Nationalehre wieder hergestellt werde.
Wir haben die Vorlage der Untersuchungsacten in Betreff der Prager Juniereignisse verlangt, und der Herr Justizminister hat sie zugesichert.
Der Energie des Herrn Justizministers danken wir es, daß die Untersuchung in Betreff jener Ereignisse dem ordentlichen Strafgerichte übergeben, und von diesen in einer verhältnismäßig kurzen Zeit beendet wurde. Das letzte Erkenntnis der Strafbehörde ist längst erfolgt, von dem, noch vor Beginn der Untersuchung mit apodiktischer Gewißheit officiell behaupteten Vorhandensein einer weit verzweigten, auf den Umsturz der Monarchie abzielenden Verschwörung ist eben so wenig, als von republikanischen Bestrebungen etwas hervorgekommen, und das Criminalgericht hat nicht gegen einen Einzigen Grund zur kriminalgerichtlichen Untersuchung gefunden. Wir hätten uns mit diesem, den Abgang jedes Verbrechens aussprechenden Erkenntnisse vollkommen beruhigt, die Nationalehre dadurch gerechtfertigt erkannt, und keine weiteren Schritte gethan, wenn man nicht von gewissen Seiten her immer neue Verdächtigungen hervorriefe, die uns die Forderung der vollkommensten Öffentlichkeit in dieser Angelegenheit zur Pflicht machten.
Ich will mich nicht darauf berufen, daß die Erhaltung eines freien, einigen, starken Österreichs eine von den Slaven längst erkannte Nothwendigkeit war, ich will mich auch nicht darauf berufen, daß vielleicht gerade diese Überzeugung des Kongresses der österreichischen Slaven es war die dem Kampfe der Selbsterhaltung in Ungarn und Serbien die heilige Weihe, und der kleinen Schar die heldenmütige Ausdauer gab; darüber wird die Geschichte richten.
Aber kann es wohl einen Menschen geben, der glauben wird, ein Volk oder die als seine Führer Eingekerkerten seien schuldig, wenn diese mit den durch das Vertrauen des Volkes gewählten Vertretern gegen die Ertheilung einer Amnestie, ja sogar gegen die Auflassung der gegen die Beschuldigten verhängten Kaptour protestierten? Wenn man aber trotz alldem die durch Wort und That als loyal, als konstitutionellmonarchisch gesinnt bewährte Nation oder ihre Führer zu verdächtigen suchte, wenn man der, im October 1848 nach Olmütz an das Hoflager Seiner Majestät Ferdinand I. wegen Abwendung der dem unglücklichen Wien angedrohten Schreckensmaßregeln gekommenen Prager Deputation den offenen Vorwurf machte: "Prag selbst sei noch nicht rein; " wenn endlich die offizielle Zeitung unseres Vaterlandes in der Nummer von 19. lauf. Monats die, für jeden gefunden Menschenverstand als unausführbares Phantasiegemälde erkennbare Flugschrift eines unberufenen Fremden benützt, um mit vollen Backen die geachtetsten Männer unseres Volkes auf die unverschämteste Weise zu verdächtigen, und so mit den populärsten Männern beginnend, dem Volke Verdächtigungen einzuimpfen, das Vertrauen des Volkes zu seinen Vertretern zu untergraben, die Gemüther zu erhitzen, Parteien zu reizen, um vielleicht bei der ersten besten Gelegenheit den über die größere Hälfte der Monarchie verhängten Ausnahmezuständen auch in Prag neuerlich Eingang zu verschassen; wenn solche Besorgnisse noch durch Nachrichten vermehrt werden, wie sie uns in der neuesten Zeit aus Prag zukommen: dann ist es heiligste Pflicht der Vertreter des freien Volkes, solchen Verdächtigungen einen Damm zu setzen, damit nicht durch deren unausbleibliche Folgen die vereinte Kraft gestört, und unseren Feinden die Freude werde, auch die letzten Spüren einer freien Presse verschwinden, und eine allgemeine Suspension der constitutionellen Freiheiten eintreten zu sehen. Im Bewußtsein unseres Rechtes wollen wir, daß Thatsachen für uns reden, daß die Untersuchungsacten unseren Feinden gegenüber die Nichtigkeit elender Verdächtigungen darthun, daß sie zeigen, warum Männer, denen nur Verleumdung die Freiheit raubte, die Fortdauer einer harten Haft einer leicht zu erlangenden Amnestie vorzogen.
Die Untersuchungsacten sollen zeigen, daß wir ein freies, einiges, starkes Österreich aufrichtig wollen; sie sollen jede Verdächtigung unmöglich machen, damit wir durch Vertrauen einig, durch Einigkeit stark bleiben; damit wir frei bleiben, und nicht unseren Feinden erliegen.
Wir fragen daher den Herrn Justizminister, wann er seiner gemachten Zusage entsprechend, die Acten der Untersuchung in Betreff der Prager Juniereignisse auf den Tisch des Hauses niederzulegen gedenkt? Zugleich bitten wir um schleunige Erledigung dieser Interpellation.
Kremsier, den 24. Jänner 1849.
Dr. C L. Klaudi, Dr. Brauner, Johann S. Presl, Anton Mokry, V. Schembera, Sadil, Riegl, Schediwy, Strobach, Jelen, Hawliczek, Jonak, Král, Schütz, Robl, Dr. K. Tomjček, Franz Palacky, Johann Daniel Rosypal, E. Wocel, F. Haschek, K. Stiebitz, Frost, Kratochwill, Hawelka, Rieger, Neuberg, Stanék, Winaricky, Tomek, Trojan, Skoda, Pinkas, Wieznicky, Nebesky, Hauschild, Wiezenski, Kaubek, Jos. Loos, Schönhansl, Brazdil. (Anhaltender Beifall von der Rechten und Linken.)
Präs. Diese Interpellation wird dem Justizministerium übergeben werden.
Präs. Der Herr Finanzminister wünscht einige Interpellationen zu beantworten.
Finanzminister Krauß. (Von der Tribune.) Der Herr Abg. Pitteri hat eine Interpellation über die Behandlung des italienischen Schuldenwesens gestellt. In dieser Interpellation kommt vor, daß einige von den angemeldeten Schulden bereits liquidiert und getilgt seien, andere nicht. Der Schluß lautet: "Da nun die Ruhe wieder hergestellt, so sollte die angeordnete Liquidierung und Tilgung ohne Verzug wieder vorgenommen werden, damit die betheiligten Gläubiger, welche dem österreichischen Kaiserstaate angehören, und sorglich österreichische Staatsbürger sind, doch endlich zu ihrem Gelde gelangen. Aufgefordert von seinen Committenten, welche von dieser Liquidierung ihr Heil erwarten, erlaubt sich der Gefertigte, dem Finanzministerium die Frage zu stellen, ob das Nöthige verfügt worden sei, damit mit der Liquidierung und Tilgung ohne Verzug vorgeschritten werde?"
Ich muß vorausschicken, daß für die Liquidierung und Tilgung der Schulden, welche aus der Verwaltung des ehemaligen Königreichs Italien entsprungen sind, eine eigene Liquidirungscommission in Mailand zusammengesetzt, und die Liquidierung in einer Reihe von Jahren betrieben, und größtenteils auch zu Ende gebracht worden ist. Wenn das Geschäft nicht ganz zu Ende gebracht worden ist, so liegt der Grund an den Gläubigern selbst, welche ihre Forderungen nicht zur gehörigen Zeit angemeldet haben. Die Ereignisse des vergangenen Jahres mögen auch in diesem Geschäfte eine Störung herbeigeführt haben. Vom Finanzministerium ist aber eine Einstellung oder Unterbrechung der Liquidation nicht verfügt worden, und ich habe auch gegenwärtig an die Behörden in Mailand geschrieben, ob der Liquidierung kein Anstand entgegenstehe, und wenn Hindernisse entgegenstehen sollten, es anzuzeigen. Ich meine, daß das Geschäft in seiner Ordnung fortgeführt werden wird, wie es der Herr Abgeordnete wünscht.
Eine andere Interpellation wurde gestellt vom Abg. Sierakowski. Er bemerkt, daß, wie ihm Nachrichten aus Galizien zugekommen sind, russische Rohprodukte, als: Vieh, Getreide, nach Galizien eingeführt werden. Er machte aufmerksam, daß diese Einführung von russischen Produkten um einen niederen Zoll für die Produktion in Galizien nachtheilig sei. In der Interpellation kommt eine Stelle vor, daß in dieser Bewilligung der Einfuhr fremden Getreides u. s. w. in Galizien nur eine verdeckte Absicht liegen könne, allen Grundbesitz zu Grunde zu richten, und selbst die Einfließung der kurrenten Grundsteuer unmöglich zu machen. Der Interpellant stellt folgende Fragen:
1. Ist der Minister des Ackerbaues gesonnen, zum Schütze dieses wichtigsten Zweiges des Nationalreichtums etwas zu thun, welches denselben vor dem gänzlichen Verfalle zu retten im Stande wäre, entweder mittelst Verlot der Einfuhr, oder durch angemessene Erhöhung der Schutzzölle?
2. Ist der Minister des Handels Willens, etwas Ähnliches in Betreff der Einfuhr fremden Branntweins, fast des einzigen Industriezweiges des Landes, welcher außerdem noch hoch besteuert ist, zu verfügen?
3. Was der Herr Finanzminister verfügt hat, oder zu verfügen Willens sei, den wohlbekannten Unterschieden der Finanzbeamten bei ähnlichen Gelegenheiten Einhalt zu thun, ferner wie sich eine solche Bewilligung von Einführung fremder Produkte in unfern Ländern mit dem Silberausfuhrverbote vereinbaren läßt: da bekanntlich auf diese Art am meisten bares Geld aus dem Lande auf indirecte Art herausgebracht wird?
Vor Allem muß ich bemerken, daß die Zumuthung, als ob man beabsichtige, alle Grundbesitzer
zu Grunde zu richten, und selbst die Einfließung der kurrenten Steuern unmöglich zu machen, mir ganz neu ist. Man hat Regierungen und Ministerien wohl vorwerfen gehört, daß sie harte Maßregeln anwenden, um die Steuern einzutreiben, wenn es auch schwer ist, sie zu entrichten; aber daß von Seite der Regierung Maßregeln ergriffen wurden, um die Steuer nicht einfordern zu können, das glaube ich, ist schwerlich noch vorgekommen. (Heiterkeit.) Die Sache verhält sich folgendermaßen:
Galizien ist, wie der Herr Abgeordnete richtig bemerkt, ein Ackerbau treibendes Land; es hat beschränkte Industrie und größtentheils Landbau. Nun bestehen in Österreich auch für Rohstoffe Eingangszölle. Ein Einfuhrverbot besteht für Bodenprodukte nicht. Als im Jahre 1824 die Bodenerzeugnisse außerordentlich im Preise gesunken waren, ist im Lande selbst die Stimme gegen das niedere Ausmaß der Eingangszölle erhoben worden, und nach langer reiflicher Berathung hat man jene Zölle auf das doppelte erhöht. Diese bestehen auch gegenwärtig noch. Es ist in diesen Zöllen immerhin ein Schütz für den Landbau begriffen; ich gebe aber zu, daß es überhaupt außerordentliche Umstände geben kann, und auch, daß in einzelnen Provinzen solche besondere Umstände eintreten können, welche eine Verstärkung, eine Erhöhung dieses Schutzes vorübergehend oder auch bleibend erheischen können. Ob nun dieser Fall gegenwärtig schon in Galizien eintrete oder nicht, ist in dem Augenblicke nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Es ist wenigstens mir aus dem Lande selbst darüber keine Anzeige zugekommen, daß dasselbe einen bedeutenden Nachtheil durch die Einfuhr der fremden Erzeugnisse erleide. Ich werde mir es aber angelegen sein lassen, darüber umfassende Aufschlüsse aus dem Lande selbst einzuholen, und kann auf die erste Frage nur erwähnen, daß, in so fern es sich zeigen sollte, daß wirklich die gegenwärtigen Umstände für das Land besondere Vorkehrungen erheischen, das Ministerium auch nicht entgegen sein wird, solche entweder selbst zu treffen oder in Vorschlag zu bringen.
Ich verkenne dabei nicht, daß die große Classe von Güterbesitzern, welche früher ihre Bewirtschaftung durch Frohnen vollführt hat, gegenwärtig in die Verlegenheit gefetzt ist, und daß vielleicht in dieser Beziehung eine Maßregel jetzt nothwendig sein kann, die es unter anderen Umständen nicht gewesen wäre. Dasselbe wird auch rücksichtlich der zweiten Frage in Absicht auf den Branntwein gelten. Auf die dritte Frage wegen der Unterschleife, die sich Finanzbeamten erlauben, kann ich nur antworten, daß diejenigen Maßregeln, welche von der Regierung ergriffen werden können, um gegen Untreue der Beamten Sicherheit zu erlangen, ohnehin bekannt sind. Es ist aber auch bekannt, wie weit sie reichen können. Sie werden angewendet, und ich kann nur bemerken, daß man im Fache der Finanzbeamten viel strenger zu Werke geht, als es sonst bei anderen Beamten der Fall ist. Um aber hier eine bestimmte Verfügung treffen zu können, müßte ich wirklich bitten, mir nähere Andeutungen zu machen, wo ich dann nicht unterlassen werde, am Grunde der mir gewordenen Andeutungen auch das Weitere zu verfügen. Die letzte Frage endlich, wie sich die Einfuhr der Produkte mit dem Geldausfuhrverbote vereinigen lasse, diese Frage glaube ich ganz kurz damit beantworten zu können, daß die Ausgleichung der Ein und Ausfuhr zwischen den einzelnen Staaten nicht nothwendig, und einzig durch Silber oder Gold geschieht; sie erfolgt auch durch Waaren und Produkte, es ist also gar kein Widerspruch darin, daß man die Geldausfuhr verboten hat, und nicht auch zu gleicher Zeit die Einführe aller ausländischen Waaren verbietet; im Gegentheile, die Ausgleichung geschieht auch nach dem Ausfuhrverbote im Wege des Austausches und der Wechsel. Ich glaube dadurch die Frage vollständig beantwortet zu haben.
Präs. Ich würde ersucht, anzuzeigen, daß sich der vom Herrn Abg. Klaudi vorgetragenen Interpellation auch der Herr Abg. Strobach beigesellt hat, und daß nur der Herr Abg. Klaudi dessen Namen zu lesen übersehen hat. (Bravo.) Als nächster Gegenstand zur Tagesordnung erscheint die zweite Lesung der Grundrechte, und namentlich die Fortsetzung der Berathung und der Debatte übe §. 5. Es wurden gestern als Generalredner gewählt die Herren Lasser und Dylewski. Ich werde mir erlauben, in dieser Beziehung meine unmaßgebliche Meinung in Bezug der Ordnung, wie die Generalredner zu sprechen haben, auszusprechen.
Es ist nämlich bis nun die Gepflogenheit gewesen, daß Rücksicht genommen würde auf den letzten Redner beim Schlüsse der Debatte, und je nachdem er dafür oder dagegen gesprochen hat, richteten sich die Generalredner darnach, ob nämlich der dafür oder der dagegen Gewählte als Erster zu reden hat.
Ich glaube aber, es ist in der Billigkeit und im Interesse der Verhandlung selbst gelegen, damit auf diesen letztgedachten Umstand nicht Rücksicht genommen werde, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist nämlich der Berichterstatter vermöge seiner Stellung darauf angewiesen, dafür zu sprechen, und es ist überhaupt in der Geschäftsordnung der Grundsatz ausgesprochen, daß, soviel möglich, immer abgewechselt werde mit Rednern dafür und dagegen. Ich glaube demnach, daß, was die Generalredner anbelangt, immer der zuerst sprechen sollte, welcher dafür gewählt wurde, dann der dagegen, und endlich der Berichterstatter, der wieder dafür spricht. Wenn gegen dieses nichts eingewendet wird, so würde ich gleich heute und auch fernerhin in dieser Art vorgehen lassen. (Ja, ja!) Demnach käme jetzt der Abg. Dylewski als gewählter Generalredner dafür zum Worte.