für den Fall, daß nicht die Weglassung des ganzen Absatzes beliebt werden sollte, hinzuzusetzen: 1. entweder nach den Worten: "erklärt wurde, " sei einzu, schalten: "den Fall der Kassation des Verfahrens ausgenommen, oder 2. Nach dem Worte: "Geschworenengericht" sei einzuschalten: "rechtskräftig. " Endlich ist ein Antrag des Abg. Fluck vorliegend. Es ist, wie ich sehe, der ganze Paragraph.
Abg. Fluck. Ich habe das Amendement so textirt, wie ich glaube, daß der ganze Paragraph lauten soll.
Präs. Ich werde demnach vorlesen. Nach diesem Verbesserungsantragen soll der Paragraph lauten: "Die Gerichtsbarkeit wird durch vom Staate bestellte Richter geübt. Das Verfahren vor dem erkennenden Gerichte in Civil und Strafsachen muß öffentlich und mündlich sein. Ausnahmen von der Öffentlichkeit und Mündlichkeit bestimmt das Gesetz. In Strafsachen gilt der Anklageprotzes. Schwurgerichte haben über Schuld und Nichtschuld bei allen s c h w e r e n, durch das Strafgesetz näher zu bezeichnenden Verbrechen, und jedenfalls beinpolitischen V e r b r e c h e n und Pressohrgehen zu erkennen. "
Es hat als eingeschriebener Redner gegen den Paragraph, der Abg. Haßlwanter das Wort.
Abg. Haßlwanter. Österreich ein freies Volk! ertönte es schon so oft von dieser Tribune Österreich ein gerechtes Volk! rufe ich heute, und hiermit stimmen die Lande des Erdkreises überein. Wie kommt es aber, daß ein so Gerechtigkeits- liebendes Volk nicht auch ein Gerechtigkeits- übendes in dem Sinne war, daß es an der Gerechtigkeitspflege activen Antheil nehmen durfte? Meine Herren, darin liegt die Vorenthaltung eines wesentlichen Volksrechtes, darin lag das Mißtrauen der eigenen Regierung gegen das eigene Volk, sich verstoßend gegen die Geschichte, sich verstoßend gegen die Vernunft. Schauen wir zurück auf die Hebräer, Griechen, Römer, Germanen und Slaven; wir finden die Verurteilungen des Bürgers durch seine Mitbürger bald in der Form, daß alle Bürger eines bestimmten Bezirkes sich zum Gerichte vereinigten, wie die Germanen, bald in der, daß nur die v ertrauenswürdigsten Männer aus denselben, wie bei den Römern und Griechen, zu Gerichte saßen, nach dem Spruche: nec unus, nec omnes; in beiden Fällen finden und sehen wir die Schwurgerichte. Uns hat man in der Schule gesagt, daß dieß noch die rohe Vorzeit war! wo man keine eigenen Richter hatte. Anders dachten nach dem Zeugnisse des Tacitus die Germanen, die es unerklärlich fanden, daß ein Einziger, eine ständige Behörde das Recht haben solle, über Freiheit und Leben des freien Mannes zu entscheiden, daß ein Einziger das Recht
haben solle, einen Mitbürger zu fesseln und zu tödten.
Verfolgen wir jedoch die Geschichte weiter, so finden wir ein allmäliges Schwinden und Verschwinden dieses wichtigen Volksrechtes. Das kanonische Recht führte den Inquisitionsproceß ein, der unter Innocens dem III. seinen Höhepunkt erreichte: zwar nur für kirchliche Angelegenheiten eingeführt, wurde dieser allmälig in das Staatsleben übertragen. Das Faustrecht langte damit nicht mehr aus, der offenen Gewalt auch offene Gewalt entgegen zu fetzen; wenn nur der Sieg, so war das Mittel gleich; daher wurde der Gewalt List und geheime Gewalt eine heilige Vehme entgegengestellt. Bei einem solchen Zeitgeiste war es auch Regenten, welche absolute Monarchien gründen wollten, ein Leichtes, auch die Grundsätze des inquisitorischen Processes als eine geheime Vehme in das Staatsleben einzuführen.
Wer die Rechte des Volkes in Pflichten, wer die Poflichtendes Regenten in Rechte umwandeln will, muß sich vor Allem um einen, ihm und nicht dem Volke gefälligen Richter umsehen, der muß selbst entscheiden, und kann das Volk nicht mehr mit im Rathe sitzen lassen. Eine sogleich Aufhebung der Schwurgerichte hat jedoch keine Regierung gewagt; das Volk würde sie auch nicht zugestanden haben, allein es gab Mittel, die Männer des Volkes nach und nach zu verdrängen. Man führte allmälig die Iateinischen Gesetze: das römische, das kanonische Recht ein. Da konnte der deutsche Mann nicht mit dem zu Bologna la t e i n i s i r t e n Jünglinge in die Schranken treten, das Corpus Juris wurde ihm höher als seine Berge, weiter als seine Ebenen. (Bravo).
Da schied sich schroff Jurist und Nicht J u r i st, aber nicht mehr so schroff Mitbürger und Fremder. Staaten und Provinzen eiferten dagegen, und suchten durch Zusammenstellung ihrer Landesstatuten ihre alten Sitten, ihre alten Rechte zu wahren. Aber der einmal angenommene Grundsatz, daß das kanonische und römische Recht doch in Subsidium zu gelten haben, mußte dem Juristen das Übergewicht über den Bürger verschaffen. So kam es, daß, wenn auch durch die Carolina noch ausdrücklich die Schwurgerichte gesetzlich aufrecht erhalten wurden, sie doch allmälig verschwanden, und im 18. Jahrhundert größtentheils in Deutschland ihr Ende erreichten. Geblieben aber ist dieses Volksrecht in England, in Frankreich, in den Niederlanden, in Schweden, in Norwegen, in Belgien, noch besteht es in den Gegenden des linken Rheinufers, und so würde der Rhein auch eine juridische Grenze im eigenen deutschen Vaterlande, eine Grenze zwischen Schwurgericht und Inquisitionsproceß.
Es ist eine heilige Pflicht für uns als Volksvertreter, diesem wesentliche Volksrecht wieder zu vindiciren. Es handelt sich um Recht zu sprechen über die wichtigsten Angelegenheiten, über Freiheit, Leben, Ehre der Bürger, sohin über ein allen Bürgern zustehendes Nationalgut. Es handelt sich im constitutionellen Staat nicht mehr bloß um Ausrechthaltung der Rechte des R e g e n t e n, sondern auch um Aufrechthaltung der Rechte des Volkes, es gibt nicht mehr bloß einen Hochverrats gegen den Thron, sondern auch einen Hochverrats gegen das Volk. (Bravo.) Darum sollen beide Gewalten in Ausübung dieses höchsten Rechtes vereint auftreten: Krone und Volk; das Vaterland, wie der Engländer sagt, soll den Ausspruch thun.
Gleichmäßige Vertretung der Krone durch Juristen und Staatsbeamten, und des Volkes durch selbstgewählte Vertrauensmänner ist auch ganz in der Natur des Richteramtes gegründet. Die richterliche Thätigkeit reducirt sich auf die Beurtheilung von Rechtsfragen. Auch dießfalls gibt die Geschichte die Resultate langer Erfahrung.
Wir finden zuerst die Römer, Griechen und Germanen über Alles Urtheil sprechen, worüber nur zu urtheilen war, ohne hierin irgend einen juridischen Unterschied zu machen; wir finden aber auch, daß es sich allmälig herausstellte, daß nicht für jede Frage jeder Verstand ausreiche, und daß es Fragen gebe, welche juridische Kenntnisse nothwendig voraussetzen. Es bildete sich der Satz aus: über Thaifragensollen die Geschwornen, über Rechtsfragen sollen die Juristen entscheiden. So beschränkten sich die römischen Judices auf Thaifragen, so beschränkten sich die Engländer auf den Ausspruch der That, wiewohl ihnen nach dem Gesetze das Recht zugestanden hätte, auch über Rechtsfragen zu entscheiden; so verwies die Carolina die Geschwornen, ein Pariere von Sachverständigen einzuholen. So finden wir es auch praktisch ausgebildet in England, in Nordamerika, in Frankreich, Belgien und in allen deutschen Landen des linken Rheinufers.
Überall finden wir den Ausspruch der Schwurgerichte beschränkt auf die Thaifrage: Hat der Beschuldigte diese oder jene Handlung unter diesen oder jenen Umständen begangen oder nicht?" beschränkt auf das Schuldig oder Nicht schuldig, auf das Ja oder Nein. Diese Erfahrung ist aber auch in der Vernunft begründet.
Die Entscheidung der Thatsache, die Gewißheit eines Verbrechens kann aus keiner anderen Quelle kommen, als woraus jede historische Gewißheit kommt, und das kennt und fühlt auch der Nicht Jurist.
Der Aussprüch der achtbarsten Männer des Volkes, vom Volke gewählt, anerkannt und unbeanständet gesunden von der Regierung, der Ausspruch von Männern, welche aus dem Volke gewählt, ohne Gewalt wieder zurückkehren in das Volk, welche weder das Mißtrauen des Angeklagten, noch des Anklägers ausschloss, der Ausspruch solcher Mahner ist zurückgeführt auf die Aussprüche der von dem obersten Richter stammenden Quelle des Erkenntnisses auf die Vernunft und das Gewissen, und das ist der höchste Richter dieser Erde. Man hat uns freilich bisher durch Beweistheorien in die schwierigsten Formen eingeübt, man hat uns in eine Zwangsjacke dieser Form eingeengt; es brauchte lange, bis die juridische Praxis so weit an uns gedieh, die Überzeugung des Mannes den dem Juristen vorgeschriebenen Formen zu opfern, bis eine juridische Kruste um das männliche Herz wuchs.
Allein was sind diese Beweisformeln? Leer und zwecklos, wenn sie mit der inneren Überzeugung übereinstimmen. Ein den freien Herzschlag hemmender Schraubstock, wenn sie demselben entgegen sind. Welche Missgriffe erzeugte auch dieses Formelwesen? Den Beweis aus Zusammentreffe n der U m st ä n d e hat es geboren, einen Beweis, der nach p o fit i v en wenn auch in noch so k ü n st l i c h e Bestimmungen zusammengemengt, doch nicht von der innern Überzeugung des Richters abhängt, einen Beweis aus Zusammentressen der Umstände, der wenigstens in Praxi bei einem kleineren Verbrechen eine noch schwerere Strafe nach sich zog, weil die Unbeugsamkeit des Jnauisiten kein Geständnis spendete, während bei wichtigeren Verbrechen, auf welche die T o d e s st r a f e gefetzt war, das Gesetz selbst, unsicher seines Beweises, eine gelindere Strafe verhängen ließ... Zu wenig, schuldig, viel zu viel, wenn er unschuldig war! (Beifall.)
Diese Beweisformen führten auf ein drittes Urtheil, auf ein Ablassen von der Untersuchung aus Mangel rechtlicher Beweise, was in Österreich so weit ging, daß nach statistischen Notizen sich diese Urtheile zu den Strafurteilen wie 1 zu 4 verhielten. Diese Entlassung aus Mangel rechtlicher Beweise ist schlechter, als die früheren Gottesurteile der Wasser und Feuerprobe, denn ohne schuldig befunden zu sein, kehrt man doch nicht unschuldig, nicht einmal in alle bürgerlichen Rechte zurück! Diese Beweisformen, meine Herren, erzeugen das Haschen des Richters nach Geständnissen. Diese Beweisformen sind daher auch unmittelbar Urfache der früheren, nun abgeschafften, aber der in modernisierter Form oft noch fortbestehenden Tortour; doch ich will Sie nicht führen durch Untersuchungsgefängnisse. Nach dem Grundfratze: der Geschworne soll nur über die Thatfrage, der Jurist über die Rechts
frage entscheiden, bleibt dem Schwurgerichte nur der einzige, jedoch auch der wichtigste Punkt des Erkennkniffes über Schuld oder Nicht schuld des Inquisiten; die Gesetz auslegjung, die Bestimmung der Fragestellung, die Anwendung des Gesetzes auf den ausgesprochenen Fall, insbesondere das A u s m a ß der Strafe setzt juridische Kenntniß voraus, und diese bleibt dann dem beigegebenen Juristengremium oder Richterkollegium. Aus demselben Grunde bleibt auch der Juryproceß nicht Schwurgerichten, sondern geprüften Richtern zur Entscheidung anheim gestellt, wenn auch allerdings für einzelne Geschäftskreise einzelne Fachmänner in Forin von Schwurgerichten aufgestellt werden können, wie dieß vorzüglich bei Handelsund bei agrarischen Gerichten der Fall sein soll. Auch die Frage, ob gegen Jemand die Untersuchung einzuleiten, oder ob er vor die Assisen zu stellen sei, ist nach meiner Meinung nicht den Schwurgerichten zuzuweisen; ich anerkenne dießfalls keine Anklagejury, denn die Fragen, ob Inzuchten vorhanden feien, ob Ausstächt bestehe. mit Erfolg einen Proceß abzuführen, sind nicht mehr bloße Thaifragen; die Erfahrung zeigt weiteres, daß das Volk bei bloßen Verdächtigungen viel zu voreilig handelt, und daß der Gang der Untersuchung häufig erschwert, ja unmöglich gemacht werden würde, wenn die mangelhaften Daten schon gleich beim Beginne der Untersuchung oder vor Einleitung der Hauptuntersuchung öffentlich bekannt, und sohin dem Thäter und dessen Freunden möglich würde, die noch unentdeckten Daten bei Seite zu schaffen. Man wende nicht ein: Ja, wenn wir keine Anklagejury haben, so haben wir wieder alle Gräuel des Inquisitionsprozesses! Die Unabhängigkeit und Unabsetzbarst des Richters werden wir eben so vertheidigen, wie wir bei §. 2 uns über die strengen Grundsätze hinsichtlich der Verhaftung, der Habeascorpusacte geeinigt haben. (Bravo.) Wir werden bei §. 7 das Hausrecht wahren, und darin gegen zu voreilige Untersuchung Schütz finden. Dieß, meine Herren, sind die wahren Garantien gegen den Jnquisitionsproceß, und die wichtigste ist das nachfolgende öffentliche Schwurgericht, wo selbst unter and e r n Richtern alles das in das öffentliche Licht gestellt wird, was früher in dem Inquisitionsprofesse heimlich vorgenommen wurde. Die Praxis hat dieses auch bewiesen. und daher finden wir i n England allein noch die Anklagejury. Diese höchste Entscheidung im Staate, wobei die Königs und Volksrechte g l e i c h z e i t i g vertreten werden, ist jedoch nur bei den wichtigsten Angelegenheiten des Staates nothwendig, nur bei den wichtigsten Angelegenheiten in den übrigen Staaten üblich, geringere Verbrechen werden vor Zucht, vor
Polizeigerichten abgehandelt, nur die schwersten Verbrecher finden wir vor die Assisen gestellt. Wenn wir damit unser Kriminalgesetzbuch vergleichen, so müssen wir nothwendig eine Revision desselben vorerst vornehmen. Vieles muß davon ausgeschieden werden, wir müssen, wie früher ein Begriffsunterschied zwischen Kerker und schwerem Kerker war, einen Unterschied zwischen V e r b r e c h e n und schweren Verbrechen bilden, und nur die schweren Verbrechen vor die Assisenstelle n.
Dieses ist der Grund, warum ich mich gegen den. §. 5 einschreiben ließ. Ich spreche für das Amendement, das Hr. Fleck eingebracht hat, sohin mich dafür ans, "daß die Gerichtsbarkeit durch vom Staate bestellte Richter geübt werde, " wenn auch Schwurgerichte bestehen. Denn die Schwurgerichte, vom Volke gewählt, sind vom Staate auch wenigstens dadurch zu bestätigen, daß das Ausschließungsrecht nicht geübt wird, und insofern sind auch die Geschwornen vom Staate bestellte Richter. Ich beschränke die Schwurgerichte bloß auf das Erkenntnis des "Schuldig oder,, Nichtschuldig,, gehe sohin nicht so weit, als man wenigstens nach ^. 5 des Entwurfes gehen könnte. Ich beschränke das Schwurgericht auch nur auf alle schweren Verbrechen, und glaube, daß der Satz des Hrn. Fleck:,, und jedenfalls bei politischen Verbrechen, " wegbleiben könnte, da dieselben, insofern sie schwere Verbrechen sind, unter dem allgemeinen Ausdrucke bereits begriffen sind. Ich habe mich gegen den § 5 ferners einschreiben lassen, weil ich nicht nur keine Anklage Jury kenne, sondern weil ich auch den 3. Absatz des. §. 5 nicht in Ordnung finde, daß nämlich in keinem Falle eine Wiederaufnahme der Untersuchung gegen einen einmal unschuldig Erklärten Platz greifen dürfe.
Sie haben gesehen, meine Herren, daß ich die Wichtigkeit der Schwurgerichte gewiß anerkenne, daß ich finde, daß sie auf Vernunft und Gewissen gegründete Ansprüche find. Ich erkenne auch die Heiligkeit der Jury in dem Sinne, daß der Ausspruch derselben nicht wegen bloßer Meinungen Anderer abgeändert werden dürfe. Ich gebe sohin bei Schwurgerichten keine Appellation, sondern nur eine Kassation zu; aber, wenn andere Umstände vorliegen, so entscheidet auch dieselbe Vernunft, dasselbe Gewissen anders. Jedermann wird mir zugeben, daß, wenn auch die Jury gegen Jemanden das "Schuldig, ausgesprochen hat, es ihm frei stehen müsse, seine U n s c h u lud auch noch in der Folge erweisen zu können. Das läßt auch der letzte Absatz des §. 5 zu Allein das gründet sich schon auf den Satz, daß der Ausspruch der Jury nicht untrüglich, nicht unumstößlich sei; das gründet sich schon auf den Ausspruch des Satzes, daß ein anders gestaltetes Factum von der Vernunft und dem Gewissen auch anders beurtheilt werde.
Denselben Grundsatz finde ich daher auch anzuwenden, wenn neue Beweise der Schuld gegen einen solchen vorkommen, der von der Jury für "nicht schuldig" erkannt wurde; oder soll das Schwurgericht nicht mehr ein,, Schuldig" desjenigen aussprechen können, der zwar unschuldig erkannt, allein dessen Urtheil cassiren wurde? soll, wenn der Thäter, durch das eigene Gewissen gefoltert, sich bei dem Gerichte stellt, und nicht bloß das Geständnis ablegt, sondern auch die Beweise seiner Schuld vorbringt, soll das Gericht ihn abweisen, und nicht mehr in Untersuchung ziehen dürfen? Soll, wenn z. B. auf Grundlage falscher, bestochener, meineidiger Zeugen das Alibi in einer Untersuchung bewiesen, und die früher vorhanden gewesenen Beweise dadurch aufgehoben wurden, soll, wenn sich dieses Verbrechen des Truges zeigt, nicht noch eine Untersuchung statt haben können? Würde hier nicht mehr der Form, als dem Inhalte gehuldigt? würde hier nicht die Freiheit eines einzelnen Verbrechers höher als das Gesammtwohl gestellt? Dieß über den ersten Grundsatz des §. 5 über Schwurgerichte.
Mit dem weiter darin enthaltenen Satze: "In Strafsachen gilt der Anklageprotzes, " erkläre ich mich vollkommen einverstanden. Auch die österreichische Gerichtspflege hat in Zivilsachen diesem Grundsatze gehuldigt, und wir kennen auch dort die Rolle des Klägers, des Angeklagten und des Richters in verschiedenen Personen. Allein bei dem Untersuchungsprofesse wurde die Rolle des Klägers und des Verteidigers des Geklagten mit der Person des Richters vereinigt, nach dem Satze: wo es sich um allgemeines Wohl handelt, da muß der Richter von Amtswegen vorgehen.
Anders zeigt dieß uns wieder die Geschichte. In Griechenland, in Rom, in Deutschland traten bei Verbrechen einzelne Bürger auf, nicht bloß mit einer Anzeige, wie die Denunzianten unserer heutigen Tage, sondern auch mit dem festen Entschlösse, ihre Anklage durchzuführen, sie führten die Anklage gegen den jener That Beschuldigten. Eine solche Prozedur setzt freilich Männer des unbescholtensten Charakters voraus, Männer, welche stets bereit sind, ihr eigenes Wohl dem Vaterlande unterzuordnen; daher mag theils der Mangel dieser Männer als Regel, theils aber auch eingeschlichene Mißbrauche es veranlaßt haben, daß Staaten eigene Ankläger als Behörden aufgestellt haben, wobei es jedoch immerhin den Beschädigten auch als Ankläger aufzutreten frei gestellt blieb.
Betrachten wir mit nur flüchtigen Blicken die Nachtheile des Inquisitions- Verfahrens und die Vortheile des Anklageprozesses, so können wir über die Wahl nicht mehr zweifelhaftsein. Beim Inquisitionsprofesse spielte der Richter alle drei Rollen selbst, er ist Ankläger, er ist Vertheidiger des Angeklagten, er ist Richter; er muß die Vertretung beider führen, eine That, die ihm Pflicht, die dem Advokaten bisher ein Verbrechen war. Zuerst muß der Richter Ankläger sein, er muß den Verdacht gegen eine bestimmte Person fassen, die er dann in Untersuchung zieht, diese Untersuchung wird seine eigene Handlung. Bei der Beurtheilung aber hat er nicht nur die Handlung des Untersuchten, sondern auch die Prozedur zu beurtheilen, er wird also Richter in eigener Sache. So wichtig manche Richter wenigstens glaubten sich bei dem Volke zu machen, so beliebt bei den Oberbehörden, wenn sie nur die Schuld Vieler aussprechen konnten, ebenso beschämt glaubten sich Manche durch ein "Unschuldig" oder "ab instancia" Lossprechen, und diese sohin an der Entscheidung selbst befangenen Männer sollten die Vertheidiger des Inquisiten sein? Dieselbe Person, die den Inquisiten ergreift, die den Inquisiten in Untersuchung führt, und ihm das Urtheil spricht, die ihm zum Galgen begleitet, dieselbe soll Vertheidiger sein? Klingt das nicht wie Hohn!
Man kann zwar entgegnen: ja, auch wir hatten Vertheidiger, in Rekursfällen wurden sie zugelassen. Meine Herren, nur bei minder wichtigen Verbrechen fand ein Rekurs statt, bei wichtigern Verbrechen mußten die Acten von Amtswegen dem Obergerichte vorgelegt werden, und da war gar kein Rekurs, kein besonderer Vertheidiger; aber auch in jenen Fällen, wo der Rekurs bestand, war die Vertretung nur zum Scheine, denn was erhielt der Vertheidiger? er erhielt eine Abschrift des Urtheiles, dann die Entscheidungsgründe für das Urtheil, die Acten mußten ihm Geheimniß bleiben. Nun, Glück auf zu einer solchen Vertretung! Allerdings bestand die urteilsprechende Behörde aus mehreren Männern, allerdings bestand auch die zweite Instanz aus noch nicht an der Sache betheiligten Richtern, allerdings war ihnen auch aufgetragen, sowohl die Schuld als die Unschuld gleichmäßig abzuwägen. Allein, meine Herren, nicht so sehr das Mißtrauen auf die Fähigkeit, auf den guten Willen dieser Richter, sondern vielmehr das Mißtrauen und Bedenkliche auf die Wage selbst, womit diese Richter abwägen mußten, fällt mir hier auf. Diese Wage war einzig der Aktenextrakt, den der Referent vorlas Mehr wusste das Gremium der ersten und zweiten Instanz nicht. Das Gremium sah niemals seinen Inquisiten, nur der Inquirent gab ein Bild von ihm. Das Gremium hörte nie den Inquisiten, hörte nie die Zeugen, nur der Referent sagte etwas darüber. Wenn nun dieser Aktenextrakt nicht in Ordnung war, dann, meine Herren, war eine falsche Wage gestellt, bei der auch die gerechtesten Richter Unrecht sprechen mußten, wenn sie auch ihr Gewissen mit dem Satze:
"quod non est in actis, non est in mondo" beschwichtigen konnten. (Beifall.) Betrachten wir hingegen die wohlthätigen Folgen des Anklageprozesses, so finden wir die drei wichtigen Rollen des Klägers, des Richters, des Verteidigers des Angeklagten auch unter drei Personen vertheilt; wir finden einen ganz unbefangenen Richter, der in der Voruntersuchung gar nicht betheiligt war, sohin nicht über seine Handlungen entscheidet; wir sieden einen Richter, vor dem der Ankläger alle Gründe gegen den Angeklagten, und der Vertheidiger auch alle Gegengründe vorgebracht hat, vor dem die Extreme der Schuld und Nichtschuld verteidiget wurden, dem das ganze Factum wie in einem Bilde vorgeführt war, es bleibt also über die Wahl zwischen dem Jnanisitions Richter und einem Richter bei einem Anklage Proceß nichts zweifelhaft.
Mit dem Anklageproceß und dem Schwurgerichte steht in notwendiger Verbindung Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens, zwei Größen, die in Österreich bisher gänzlich verkannt wurden. Mündlichkeit war sowohl im Civil als Kriminal Proceß verbannt. Das mündliche Verfahren im Civilprocesse wie das gesammte Verfahren im Kriminalprozesse mußte schriftlich aufgezeichnet werden. Alles mußte zu Protokoll genommen werden, und der Richter entschied nur nach dem in diesem Protokoll Enthaltenen. Wir hatten also dem Wesen nach nichts anderes, als einen schriftlichen Proceß. Das lebendige Wort mußte zum todten Buchstaben erstarren, bis. es vor den Richter durch den R e f e r e n t e n durch A b l e f e n gebracht wurde, die einzige Ruine der Mündlichkeit! Ganz anders vergält es sich, wenn beide Parteien und alle, welche in der Sache Aufklärung geben können, mündlich vor dem Richter verhandeln. Da klingt das lebendige Wort zum Richter, da kann er gleich Aufklärung verlangen, wo noch Zweifel, wo noch Dunkel ist; da tritt Lebendigkeit und D e u t l i c h k e i t den Verhandlungen in der Art ein, daß die F a ß l i c h k e i t derselben nur als eine natürliche Folge erscheint.
Bedenkt man, wie viel man in einer Stunde spricht, wie wenig man in einer Stunde schreibt; wendet man dieß auf die Masse der Satzschriften, auf die Masse der Protokolle, Actenextracte und Referate an, so ist die nothwendige Folge die Kürze und Geschwindigkeit der Verhandlungen, und aus dieser auch die Wohlfeilheit der Protzesführung, wenn nicht wie in Frankreich der Staat selbst eine Finanzielle wieder damit in Verbindung setzen will. Dieß, meine Herren, sind Vortheile, die auf die Geflammtheit der Bürger den wohltätigsten Einfluß nehmen, die aber auch wohltätig rückwirken auf Richter und Advokaten. Enthoben ist der Richter von der Beschwerde des Abschreibend, der Verfassung von
Actenextracten mit allen pro et contra, der Erlassung so vieler Bescheide. Er bleibt nicht größtentheils eine Schreibmaschine, er wird das, was er sein soll, ein Richter. Schriftlich mag bleiben im Zivilprozesse die Information der Parteien an ihre Vertreter, die Informationen der Vertreter unter sich; schriftlich muß bleiben, des weiteren Instanzenzuges wegen, im Zivilverfahren die Funktion des Richters in seiner Entscheidung; welches Factum ist relevant, welche Beweise sind zulässig, ob und inwieweit wird das Petit zugesprochen?. der sogenannte rationelle Thildes Processes. Aber mündlich muß werden jener Theil des Processes, in welchem die Parteienden Gegenstand des Processes zur Kenntniß des Richters bringen, der Vortrag des Factums, Anbietung der Beweise. die Stellung der wechselseitigen Begehren, der sogenannte materielle Theil des Processes. Schriftlich kann bleiben im Strafverfahren die Verhandlung bis zur Stellung zum Schwurgerichte; aber der Vorgang vordem Schwurgerichte muß mündlich sein, wenn nicht Leben mit dem Tode vertauscht werden will. Innig verbünden mit der Mündlichkeit ist endlich die Öffentlichkeit des Verfahrens, der große Schützgeist des Rechtes, der aber bei uns ganz unbekannt war. In undurchdringliches Dunkel mußte bei uns die ganze Untersuchung gehüllt werden. Die Einleitung geheim! die Untersuchung geheim! die Aburteilung geheim! und aus dieser finsteren Höhle ging dann der Orakelspruch, Urtheil genannt, hervor. (Beifall.) Schlafende Beisitzer, geborgte Siegel, abhängige Aktuare waren die Controllers des Richters, Gesetze, die der Redliche nicht braucht, der Unredliche straflos überschreitet. Die Parteien sahen nie den Richter, wenn er über ihre Causa sprach, ihr Vertreter durfte nie den Ritter sehen, wie er über diese von ihnen verhandelte Causa sprach, nur der Staat traute seinen eigenen Richtern nicht, und schickte bei Aerarialprocessen politische und Cameralbeamte, großenteils nebenbei mit polizeilichen Referaten betraut in die Sitzung, um die Richter zu incontriren. (Beifall.) Der Partei stand so etwas nicht zu, sie durfte nicht zuhören, nicht einmal das Factum, was man in ihrer Rechtsfache vortrug, noch weniger eine Begründung; nicht einmal ihre Vertreter, nicht einmal die übrigen Advokaten, nicht einmal Freunde, um so minder dürfte das Volk Antheil daran nehmen. Leicht ist in Österreich dießfalls Abhilfe zu treffen. Wir dürfen nur gerade das Gegentheil von dem thun, was bisher geschah. Öffentlich zeige sich der Richter, öffentlich trete der Ankläger auf, und spreche sein Recht an, öffentlich verteidige sich der Angeklagte, öffentlich spreche der Zeuge das aus, was dem einem frommt und dem andern schadet, dann sieht die Partei, was mit ihrem Rechte vor