Pátek 19. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Vier und sechzigste (XXII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster

 am 19. Jänner 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom17. Jänner 1849.

II. Zweite Lesung der Grundrechte. 

Vorsitzender: Vizepräsident Haßlwanter.

 Auf der Ministerbank: Niemand.

Anfang: 1/2  11 Uhr.

Vicepräs. Die Sitzung ist eröffnet.  Der Herr Präs Strobach hat mir in Folge seines Unwohlseins das Präsidium der heutigen Sitzung übertragen. Ich bitte den Herrn Schriftf. Wiser, das Protokoll der vorgestrigen Sitzung vorzulesen.

Schriftf. Wiser (liest das Protokoll).

Vicepräs. Wünscht Jemand hinsichtlich der richtigen Fassung dieses Protokolles das Wort zu ergreifen? (Niemand.) Ich erkläre das Protokoll für richtig abgefaßt. 

Ich habe dem hohe Hause anzuzeigen, daß von Seite des Präsidiums folgende Urlaube bewilliget worden sind: dem Abg. Joseph Goldmark auf 8 Tage, Cajetan Tyl auf 8 Tage, Anton Hübner auf 4 Tage.  Das Gouvernement Galizien hat den Abg. Trzecieski in den Finanzausschuß gewählt.

Die Herren Abgeordneten für Illyrien wurden schon wiederholt aufgefordert, in den Constitutionsausschuß für das erkrankte Mitglied Herrn Ambrosch einen Substituten zu wählen. Ist diese Wahl vollzogen?

Schriftf. Ullepitsch. Diese Wahl war von Seite des Herrn Präsidenten auf vorgestern Nachmittags 4 Uhr angeordnet. Nachdem jedoch an diesem Tage eine Nachmittagssitzung der hohen Kammer Statt hatte, so konnte diese Wahl nicht vorgenommen werden, und es wolle daher dem Herrn Vicepräsidenten gefällig sein, diese Wahl neuerlich anzuordnen.

Vicepräs. Die Wahl dürfte morgen Vormittag um halb 10 Uhr stattfinden. Ich ersuche die Herren also, dieselbe morgen um halb 10 Uhr vorzunehmen.  Der Rekrutirungsausschuß hat zur Wahl eines Präsidenten zusammenzutreten, und ich glaube, dieses dürfte auch am zweckmäßigsten morgen Früh um 9 oder halb 10 Uhr in dem bestimmten Locale geschehen.

Es sind 3 Interpellationen angemeldet. Die erste an das gesammte Ministerium vom Herrn

Abg. Pitteri. Wünscht der Herr Abg. Pitteri die Interpellation selbst vorzulesen?

Abg. Pitteri (liest).

Interpellation an das gesammte Ministerium.

 Obgleich die Verordnung vom 23. Dezember 1775, welche die Ausfolgblassung der Erbschaften und Legaten der österreichischen Unterthanen an die Unterthanen der ottomanischen Pforte verbietet, in Triest und für Triest nicht eingeführt wurde, weil sie mit den Privilegien jener Handels und Seestadt unvereinbarlicht war, wo alle fremden Unterthanen, folglich auch die ottomanischen, sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen nicht nur gültig erwerben, sondern auch gültig erben können; ob gleich das Hofkammerdekret vom 5. Februar 1828 Nr. 4596 gedachte Verordnung vom 23. Dezember 1775 auch dort, wo sie eingeführt worden war, ausdrücklich widerrief;  und obgleich die oberste Justizstelle auf diese Gründe gestützt, das Hofdekret vom 12. Dezember 1839 Nr. 6163 erließ, und im Namen Sr. Majestät den Gerichtsbehörden bedeutete, daß kein Anstand obwalte, dergleichen Erbschaften und Vermächtnisse auszufolgen;  so hat dennoch das Fiscalamt des Küstenlandes im September 1846, dann das küstenåländische Appellationsgericht zu Klagenfurt am 28. Juli 1848 sub. Nr. 8717, und sogar die ob gedachte oberste Justizstelle am 4. October 1848 Nr. 5998 das Verlassenschafsvermögen eines in Triest gestorbenen Millionärs, Namens Peter Jussuff, unter dem Vorwande sequestrieren lassen, daß dessen zwei Testamentserben, Namens Abraham Abro und Joseph Jussuff ottomanische Unterthanen sind; und dieses auf Anlangen des Hof und Gerichtsadvokaten Wininwarter, Schwager des gegenwärtigen Herrn Justizministers, und im Auftrage eines Fremdlings, Namens Isawerdens, Bevollmächtigten einer gewissen Reipsime Banal aus Smyrna;.  ohne zu bedenken, daß einer dieser zwei Testamentserben ein französischer Unterthan war und ist, und als solcher in Paris lebt,  ohne zu bedenken, daß der andere dieser zwei Erben ein englischer Unterthan war, und gegenwärtig ein naturalisier österreichischer Staatsbürger ist, und als solcher in Triest wohnt, und daselbst seine Bürgerpflichten auf das pünktlichste erfüllt;  und ohne endlich zu bedenken, daß ihnen die Erbschaft nicht hätte vorenthalten werden können, wenn sie auch ottomanische Unterthanen wären Diese Ungerechtigkeit ist aber nicht die einzige, wovon diese ehrenwerthen und allgemein geachteten Erben das Opfer gewesen sind; denn der erstere wurde bestimmt, auch anderen Ungerechtigkeiten und Verfolgungen zum Sündenbocke zu dienen, deren das Wiener Criminalgericht und das Wiener Zivilgericht sich schuldig gemacht haben; denn

 a) das Wiener Criminalgericht hat am 23. September 1848 den ob gedachten Abraham Abro, welcher sich mit seiner Familie Gesundheitshalber in Wien befand, auf die Grundlage einer einfachen Anklage zur Nachtzeit von seinem Bette entrissen, und in das Kriminalgefängnis schleppen lassen, wo er drei Tage lang schmachten mußte, weil erst am 26. September 1848 das obgedachte Criminalgericht das Decret Nr. 8751 erließ, und erklärte, daß das Verbrechen des Betruges, dessen der obgedachte Winiwarter und der obgedachte Isawerdens ihn beschuldigt hatten, eine schändliche Lüge, eine boshafte Erdichtung und eine böswillige Verleumdung sei; ohne sich übrigens zu bekümmern, weder von Amtswegen, noch auf Ansuchen des verleumdeten Abro die obengedachten falschen Ankläger als Verleumder zur Verantwortung und zur Strafe zu ziehen.

b) Das Wiener Zivilgericht, obgleich inkompetent, hat am 27. November 1848 mit seinem  Bescheid Nr. 73724 73782 auf Anlangen der ostgedachten Winiwarter und Isawerdens den provisorischen Personalarrest des gedachten Abro, und zwar, ohne sie anzuhalten, bewilligt, einen angemessenen Geldbetrag für Schimpf und Schaden zu hinterlegen, obgleich sie sich freiwillig hiezu erboten hatten, und hat zugleich die Polizeibehörden von Wien, von Gräte und von Triest aufgefordert, denselben zu ergreifen, in Hast zu nehmen und schonungslos in öffentlicher Hast zu behalten, welches, leider! auch geschehen ist; denn bei seiner Durchreife zu Gräte, als er mit seiner Familie und ordentlichem Reisepass von Wien nach Triest in seine Heimat zurückkehrte, wurde er öffentlich ergriffen, an Seite einer Polizeiwache nach Triest geschleppt, und der dortigen Polizei übergeben, welche ihn durch einen ganzen Monat in Haft behielt, bis nämlich das Wiener Appellationsgericht diesen rechtswidrig verlangten, und rechtswidrig bewilligten Personalarrest aufhob, die also gleiche Freilassung des gedachten Abro verordnete, aber sich nicht bekümmerte, dafür zu sorgen, daß von Seite der Partei und ihres Rechtsfreundes und von Seite des Richters die von dem Gesetze befohlene Genugthuung für Schimpf und Schaden dem beleidigten und beschädigten Abro geleistet werde.

Da unter den staatsrechtlichen Folgen dieser Ungerechtigkeiten, deren Dasein im In und Auslande bekannt ist,  weil die öffentlichen Blätter dieselben besprochen haben,  nicht allein die Missachtung der österreichischen Justizpflege, sondern auch die Furcht ist, daß die vielen ottomanischen Unterthanen, welche sich in Österreich bereits niedergelassen haben, auswandern werden, sobald sie erfahren, daß sie der Gefahr ausgesetzt sind, mit ihrem Vermögen nicht nach ihrem Belieben verfügen zu dürfen, und selbes von dem Fiskus ergriffen werden zu können; so stelle ich dem hohen Ministerium die Frage, ob es gesonnen sei, zur Verhüttung künftiger Gesetzwidrigkeiten und behördlicher Willkürlichkeiten und ihrer unheilsvollen Folgen, zur Rettung des Ruhmes und der Ehre der Justizpflege der österreichischen Monarchie und im Interesse der Gerechtigkeit, auf welcher der Thron Österreichs gebaut ist, zu verfügen, kundzumachen und zu erklären:

Erstens. Daß weder in Triest, noch in anderen österreichischen Provinzen irgend ein Gesetz besteht, welches die ottomanischen Unterthanen als solche unfähig erklärt, Erbschaften und Vermächtnisse österreichischer Unterthanen zu erlangen.

Zweitens. Daß diejenigen, welche an den obenerwähnten Rechtswidrigkeiten Theil genommen haben zur Verantwortung und Strafe gezogen werden sollen; und Drittens. Daß der, bei dem Triester Merkantik und Wechselgerichte seit dem Jahre 1847 anhängige Civilproceß wegen angeblicher Erbunfähigkeit der zwei Peter Jussuff´schen Testamentserben, Abraham Abro und Joseph Jussuff, entweder zurückzunehmen, oder ohne fernere Verzögerung und Ermüdung entschieden werden möchte, damit die Staatsbürger die von dem Staate ihnen zugesicherte Ruhe genießen können.

Pitteri, Reichstags Abgeordneter für das Küstenland.

Abg. Janesch Ich glaube, diese Interpellation, da sie eine bloße Rechtsstreitigkeit betrifft, ist keineswegs eine solche, worauf der Reichstag irgend einen Einfluß zu nehmen hat, und überhaupt wäre es wünschenswerth, daß unsere kostbare Zeit nicht mit derlei Vortragen in Anspruch genommen wurde. (Beifall von dem Centrum)

V i c e p r ä s. Ich darf dießfalls keine Debatte zulassen, allein um das würde ich bitten, daß die Herren selbst darauf sehen, daß Sie nicht den Reichstag allenfalls mit Gegenständen behelligen, die nicht Interpellationen sind. Da diese jedoch dem Präsidium geschäftsordnungsmäßig überreicht wurde, kann es ihm nicht zustehen, in eine Würdigung einzugehen, und zu erklären, daß das keine Interpellation, und demnach zum Vortrage nicht geeignet ist. Ich glaube meine Pflicht gethan zu haben, wenn ich diese Interpellation vortragen ließ, sie wird geschäftsordnungsmäßig an das Ministerium geleitet, und gehörig von demselben beantwortet werden (Beifall)

Es liegt eine zweite Interpellation von den Abg Borkowski und Ziemiatkowski vor Wünscht einer von den Herren die Interpellation selbst vorzulesen?

Ein Abgeordneter. Herr Vicepräsident, ich habe bereits vor der Sitzung dem Herrn Präsidenten Strobach angezeigt, daß der Abg. Borkowski krank ist. Ich bitte, dieses zur Kenntniß der Kammer zu bringen, er hat mir zugleich diese Interpellation übergeben, daß ich sie auf den Tisch des Hauses niederlege 

V i c e  P r ä s Aus diesem Grunde habe ich auch den mitgefertigten Abg ZiemiaIkowski aufgefordert, zu erklären, ob er die Interpellation selbst vortragen wolle, oder ob ich sie von einem der Herrn Schriftführer vorlesen lassen soll (Diese Interpellation wird zuruckgezogen)

Eine dritte Interpellation wurde mir heute vom Abg. Machalksi übergeben, versehen mit 49 Unterschriften Ich stelle daher die Frage an den Abg. Machalski, ob er die Interpellation persönlich vorzutragen wünsche.

Abg Machalski (liest) 

Am 2 November v. I. würde die Stadt Lemberg von der dortigen Garnison beschossen, die Universität mit den reichen Schätzen der Bibliothek und Museen, das Rathhaus und mehrere Privatgebäude wurden verbrannt, Männer und Frauen gemordet, die Nationalgarde entwaffnet und aufgelost, die Stadt selbst in Belagerungszustand erklärt.

Die Einwohner Galiziens hatten kaum Zeit, sich von dem furchtbaren Schlage, welcher die Hauptstadt ihres Landes getroffen, zu erholen, so erschien am 10. d. M eine Proclamation des Generals der Kavallerie und Eommandirenden von Galizien, Freih. v Hammerstein, in welcher derselbe im Einverständnisse mit dem Landesgouverneur, Herrn v. Zaleski, verkündigt, daß er durch die dermaligen 

Verhältnisse Galiziens sich veranlaßt sehe, dieses Land mit Einschluß der Bukowina, dann der Stadt und des Gebietes von Krakau in Kriegszustand zu erklären. 

Durch diese Proclamation des Kommandieren den Freih v Hammerstein wird die Freiheit der Presse gänzlich unterdrückt, die Censur den Händen der Kreisämter und Militärbehörden übergeben, das Assoziationsrecht aufgehoben, das Martialgesetz mit dem Gerichte auf Leben und Tod verkündet, und nach § 1 und 2, ad Iit. b dieser Verordnung das kriegsrechtliche Verfahren nach Militarygesetzen sogar gegen solche Personen angedroht, welche d u r c h Ausstreuung nachtheiliger Gerüchte eine Beunruhigung der Gemüther hervorzurufen trachten, dann gegen solche, welche Farben oder Abzeichen tragen, die eine Hinneigung zur aufrührerischen Partei an den Tag legen sollen.

 Diese Umstände bestimmen uns, die gefertigten Abgeordneten, an die Minister der Krone nachstehende Fragen zu stellen:

1 Welche Schritte hat das Ministerium Sr Majestät eingeleitet, damit die Urheber des Unglückes, welches durch das Bombardement der Stadt Lemberg und ihren Einwohnern zugekommen, zur Verantwortung gezogen werden?

2 Welche dermaligen Verhältnisse Galiziens sind es, welche den Commandirenden Freih v Hammerstein und den Gouverneur Herrn Zaleski bewogen haben, über die drei Gebiete des Landes Galizien in einer Ausdehnung von 1500 Quadratmeilen und über eine Bevölkerung von 5 Millionen Einwohnern die Suspension aller constitutionellen Freiheiten, den Kriegszustand und alle Schrecken des Stand und Kriegsrechtes zu verhängen, da zufolge der officiellen Nachricht der Lemberger Zeitung vom 10 o. M die ungarischen Insurgenten aus der Bukowina nach einem stegreichen Gefechte wieder nach Siebenbürgen zurückgedrängt würden, und uns weder auf offiziellem noch Privatwege irgend eine Nachricht von Aufstand oder Aufruhr, von einer Auflehnung gegen die bestehenden Gewalten oder sonst einer Schilderhebung zugekommen ist?

3 Ob die Zustände in Galizien von der Art sind, daß sie die allgemeine , unbedingte Entwaffnung des ganzen Landes, selbst derjenigen Theile desselben gebieterisch verlangen, die wegen ihrer Lage längs der Grenze des Königreiches Polen und Rußlands und in waldigen Gegenden auf den einzeln stehenden Gehöften und Maierhöfen dadurch jedes Schutzes gegen gefährliche Landstreicher und wilde Thiere, welche in dieser Jahreszeit daselbst häufig vorkommen, beraubt sind? Diese allgemeine, rücksichtslose Entwaffnung des Landes erscheint gegenwärtig um so empfindlicher, als selbst die vormärzlichte, nicht constitutionelle Regierung Österreichs im Jahre 1831 zu einer Zeit, als in dem Nachbarlande der 

Krieg entbrannte, und sogar während der Ereignisse des Jahres 1846 zu diesem äußersten Mittel nicht schreiten zu müssen glaubte.

4. Ob die Gefahren für den Staat in Galizien diese Höhe erreicht haben, daß sie die gänzliche, ausnahmslose Unterdrückung der Pressfreiheit und Einführung einer solchen Censur, wie es der §. 3 der Proclamation verordnet, sowie die Erlassung solcher Verordnungen, wie die sub § 1. et §. 2, ad Iit. b in der Proclamation des Herrn Generals Hammerstein enthaltenen, rechtfertigen, Verordnungen, welche durch ihre unbestimmte, der vielseitigsten Deutung fähige Fassung gleichlautende Decrete des französischen Konventes vom Jahre 1793 und 1794 in das Gedächtniß rufen, so daß gemäß der beiden bereits erwähnten Paragraphe der Proclamation jede, auch die unbefangenste Äußerung der Wahrheit, sowie das Tragen der im Lande gewöhnlichsten Farben und Trachten schon hinreicht, die Bewohner des Landes der ganzen Härte des Kriegsrechtes zu überliefern.

Kremstier, am 19. Jänner 1849.

Machalski, Betkowski, Leszczynski, Trzecieski, Ziemialkowski, Szeleszczynski, Kobuzowski, Janko, Longchamps, Dolanski, Makuch, Podlewski, Kanski, Durbasiewicz, Meisels, Stobnicki, Sanocki, Hyciek, Koszowski, Dyniez, Noskowski, Wierzchlejski, Helcel, Buszek, Popiel, Dobrzansky, Krainski, Wienkowski, Bilinski, Smolka, Hubicki, Tarnowski, Marin, Smarzewski, Krause, Macieszkiewicz, Koßakiewicz, Langie, Konopka, Pawlikowski, Stawarski, Micewski, Scibala, Mannheimer, Walczyk, Dylewski, Zajaczkowski, MIynarczyk, Sierakowski. (Beifall links und rechts)

Vice  Präs. Diese Interpellation wird an das Ministerium geleitet.  Heute Nachmittag um 5 Uhr ist Sitzung des Ausschusses zur Berichterstattung über die Petition der obersten Gerichtsstelle bezüglich des Herrn Abg. Kaim. Wir gehen zur Tagesordnung über.

Abg. Helcel. Ich stelle den Antrag, die hohe Reichsversammlung möge mit Rücksicht auf die eben verlesene Interpellation sich dahin erklären, daß aus Rücksicht für der größten Gefahr der Bewohner Galiziens das Ministerium diese Interpellation so bald als möglich erledigen möge.

Vice Präs. Diesen Wunsch wird das Präsidium in der Zuschrift an das Ministerium ausdrücken. (Bravo.) Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildet die Fortsetzung der Debatte über die Grundrechte und zwar §. 4. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, diesen §. vorzutragen.

Abg. Hein. (Liest.)

". § 4. Die Freiheit der Person ist gewährleistet. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden; privilegierte und Ausnahmegerichte dürfen nicht bestehen.  Niemand darf verhaftet werden, außer kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls, den Fall der Betretung auf der That ausgenommen.  Der Verhaftungsbefehl muß dem Verhafteten sogleich oder spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung zugestellt werden.  Jeder von den Organen für die öffentliche Sicherheit Angehaltene muß binnen 24 Stunden an sein ordentliches Gericht abgeführt, oder freigelassen werden.  Jeder Angeschuldigte ist gegen eine vom Gerichte nach dem Gesetze zu bestimmende Bürgschaft oder Kaution auf freiem Fuße zu untersuchen, die Fälle ausgenommen, welche das Strafgesetz bestimmt. "

V i c e  P r ä s. Über den §. 4 haben sich mehrere Redner einschreiben lassen; dafür eingeschrieben sind: Borrosch, Brestel, Purtscher, Schuselka, Goldmark, Dylewski, Trojan, Szábel, Wierzchlejski, Umlauft, Löhner, Praschack, Polacek, Kromer. Dagegen eingeschrieben sind: Wildner (Heiterkeit), Zbyszewski.

Abg. Wildner. Ich habe gegen diesen Paragraph der Volksrechte durchaus nichts einzuwenden; ein Amendement, welches ich in dieser Hinsicht vorbringen wollte, halte ich nicht mehr für zeitgemäß, und habe schon den Herrn Secretär Streit gebeten, mich dieser wegen auszureichen. Ich sehe aber, es ist nicht geschehen.

Vicepräs. Die Reihe hat sohin mit dem Herrn Abg. Zbyszewski zu beginnen, und ich bitte ihn, die Rednerbühne zu betreten.

Abg. Zbyszewski. Die Absicht, in welcher ich mich bei dem §. 4 des Entwurfes der Grundrechte gegen diesen §. einschreiben ließ, ist nicht etwa die, von einem allgemeinen Standpunkte aus gegen den Sinn dieses §. anzukämpfen, es wären meine Kräfte und meine Einsicht zu schwach, und wenn solches Jemanden belieben möchte, so überlasse ich es ihm als einem kräftigeren, gediegeneren Kämpfer ganz unbedingt. Ich vertrete nur einen speciellen, ausnahmsweise, aber einen höchst wichtigen Fall, und werde die Ehre haben, der hohen Kammer denselben näher zu zergliedern. Ehe ich aber solches thue, bin ich es mir persönlich, bin ich es den freisinnigen und aufgeklärten Wahlmännern, die mich hierher in dieses hohe Haus gesendet haben, schuldig, zu erklären, daß ich bei der Abstimmung über diesen §. derjenigen Auslegung folgen werde, wodurch die freisinnigste persönliche Freiheit gewährleistet ist.

Seit dem Zusammentreten dieses hohen Parlamentes ist es heute zum Erstenmal, daß sich mir die erwünschte Gelegenheit darbietet, der Armee, der ich anzugehören die Ehre habe, wahrhaft nützlich und ihrem Gedeihen entschieden förderlich sein zu dürfen. Als eines der wenigen Mitglieder des Heeres, die hier zu sitzen und an den Berathungen dieses Hauses Theil zu nehmen, berufen sind. fühle ich mich dringend verpflichtet, einer seiner Anwälte vor dieser hohen Versammlung zu sein. Ich erblicke die Notwendigkeit, je nach Maßgabe der Umstände und je nach den Erfordernissen der Zeit die Aufmerksamkeit des hohen Hauses auf so Manches im

 Wesen der Armee hinzulenken, Ihm ihre Bedürfnisse so gut als ihre Mängel, ihre Anliegen und Wünsche vorzutragen, damit beim allmäligen Fortschreiten der Gesetzgebung, bei der Constituirung der Monarchie im Geiste der neuen Zeit der Armee in keiner Hinsicht vergessen werde (Bravo), damit ihre Angelegenheiten mit jener Sorgfalt berathen und geregelt werden, die sie in so hohem Grade verdient, und deren sie in so vielerlei Beziehung auch bedarf. Wenn ich nun solches, meine Herren, unternehme, so empfangen Sie die Versicherung, daß ich es ohne Auftrag, ohne irgend einer Vollmacht thue. Sollte ich also, durch meinen besten Willen geleitet, in irgend etwas gegen die Ansicht der Armee verstoßen, so ersuche ich, solches ausschließlich auf meine Rechnung zu legen und sodann den geläuterteren und gediegeneren Ansichten der Armee Gehör zu schenken.

 Wenn ich als Verfechter der Rechte der Armee mich erkläre, so thue ich es aus Anerkennung, Anhänglichkeit und Dankbarkeit gegen denjenigen Stand, dem ich angehöre, dann gegen meine vielen Gönner und Freunde, die ich in der Armee zähle. Unbescheiden wäre es zu nennen, wenn ich als Militär es über mich nehmen wollte, die Vorzüge anzurühmen, welche die Armee an sich trägt. Es sprechen aber Thatsachen und weisen nach, daß die Armee in der Gegenwart eben diejenigen unschätzbaren Eigenschaften unversehrt und makellos bewahrt hat, durch welche sie sich im Strome der Zeiten seit jeher auszeichnete. Thatsachen geben das unwiderlegliche Zeugniß, daß die Armee fest gehalten hat an ihrem altbeliebten unwandelbaren Wahlsprüche: "Tapfer und treu, " und daß sie alle die zur Verwirklichung desselben erforderlichen Eigenschaften, die da sind: Hingebung und Anhänglichkeit an den Thron, Ausdauer, Unverdrossenheit, Kampflust, Aufopferung und andere mehr, im vollsten Maße besessen hat. Es haben sich in den letzten Zeiten rügende Stimmen über die Armee hören lassen. Es ließe sich viel, es ließe sich gar viel für und entgegen sagen, ich überlasse es den Gegnern der Armee, alle die Mängel derselben vorzubringen, und werde niemals säumen, als Vertheidiger meines Standes aufzutreten. Draußen, auf den ausgedehnten schneebedeckten Pusten Ungarns, am Po, am Ticino, längs der weit gestreckten Schweizerkränze, meist ohne Obdach, dem schlechten Wetter, den rauen Winden, der strengsten Jahreszeit, den stärksten Frosten preisgegeben, steht die Armee kämpfend, und des Kampfes gewärtig, sie steht dort, zu hüten eine dem Zerfalle nahe gebrachte Monarchie, um zu stützen, einen sinkenden, altehrwürdigen Thron; sie steht dort, und jeder Einzelne in ihr ist bereit, freudig seine Gesundheit, ja sein Leben zu opfern, zu bluten und zu fallen; sie steht dort heiteren Muthes, auf ihrem dornenvollen blutigen Pfade aufrecht gehalten von dem lohnenden Bewußtsein treuerfüllter Pflicht; sie steht dort, oft geschmäht und verkannt, von ihren eigenen Brüdern verleugnet und mit Verwünschungen überhäuft, sie tröstet sich, daß nach sturmbewegter Zeit die Leidenschaften sich sänftigen, die Vorurteile sich legen werden, und sie lebt der frohen Aussicht, daß, wenn sie sieggekrönt einst an den väterlichen Herd heimkehrt, sie mit offenen Armen, mit brüderlicher Liebe umfangen werden wird. (Beifall vom Centrum.) Sie steht endlich dort, und hofft nicht, nein sie erwartet mit Zuversicht, daß der hohe Reichstag in seiner Weisheit und Gerechtigkeitsliebe auf ihre gerechten Anforderungen auch eine gerechte Beachtung legen werde (Beifall), daß der Reichstag eben bei der Verhandlung der Grundrechte aus Rücksicht für die Disciplin und wegen den daraus entspringenden eigentümlichen Verhältnissen in eine genaue und genügende Würdigung der Verhältnisse der Armee eingehen, und daß endlich aus Rücksicht auf die Vergangenheit und die schwierigen Umstände in der Gegenwart der Reichstag so manches Anliegen und manchen billigen Wunsch berücksichtigen werde. Ich werde nicht unterlassen, über jeden dieser einzelnen Punkte und namentlich gegenwärtig über die beiden ersteren vollkommen klar mich auszudrücken.

Rücksichtlich des ersten Punktes, meine Herren, habe ich gesagt, die Armee glaubt das Recht zuhaben, gerechte Forderungen zu stellen, und sie hofft, der Reichstag werde dieselben berücksichtigen und erfüllen. Ich will etwas weiter ausholen, um diese Forderungen Ihnen darzulegen; sie stehen zwar außer dem Gegenstände der heutigen Verhandlung, aber ich äppellire an die Billigkeit dieses Hauses, ob denn jemals die Gelegenheit war, zu Gunsten der Armee irgend etwas Entscheidendes vorzubringen. Sie wissen, meine Herren, die Vorgänge des Frühjahres und des Sommers des verstrichenen Jahres. Sie wissen von den Kämpfen in Italien und deren glorreicher Beendigung. Sie wissen, daß sich dort große Armeen sammeln mußten, um endlich diejenigen Erfolge zu erringen, welche Sie gewiß alle freudig berühren mußten. Eine Armee von 150. 000 Mann, eine Armee aus lauter österreichischen Staatsbürgern wurde zu eben der Zeit aus der Heimat entfernt, als der wichtigste Act des institutionellen Lebens anging, als er eben vorgenommen Werden sollte, zur Zeit der Wahlen entfernten sich die meisten Truppen nach Italien. Staatsbürger Österreichs wurden entrückt ihrem Rechte, sich an den Wahlen zu betheiligen. Staatsbürger Österreichs stehen jetzt in Italien, blicken sehnend nach dem Reichstag, hoffen von ihm Berücksichtigung, Gerechtigkeit, und finden sie nicht. Mein Antrag, den ich des nächsten vor der hohen Versammlung begründen will, wird also dahin gehen, daß die italienische Armee, in so weit sie nämlich dem Länderkomplex angehört, der hier in diesem Hause vertreten ist, daß, sage ich, diese italienische Armee nicht als Stand, nicht als Armee, nicht als bewaffneter Körper, sondern nur als Staatsbürger, und ohne irgend eine Consequenz für die Folge, mit einer gewissen Anzahl von Vertretern versehen, und diese in das hohe Haus berufen werden.

Der zweite Punkt, über den ich sprechen wollte, war, daß ich wegen Disziplinärrücksichten und wegen der dadurch entstehenden eigentümlichen Verhältnisse der Armee eine genaue, eine geeignete, eine gründliche Erwägung bei der Verrathung der Grundrechte forderte, ein Begehren, das ich nicht warm genug der Würdigung des hohen Reichstages anempfehlen kann. Es ist dieses eine dringende Notwendigkeit, und ich kann nicht genüg Ihnen dieselbe ans Herz legen, dieselbe Ihrer besondern Aufmerksamkeit anempfehlen.  Die Armee war bisher, es läßt sich nicht ableugnen, der treue Ausdruck derjenigen Nationalitäten, aus welchen die Monarchie zusammengesetzt ist, sie umfaßt alle Nationalitäten in brüderlicher Eintracht, sie bildet aus ihnen die treuen Vertheidiger des Ganzen, die Stützen und Träger des Thrones. Ein Übelstand sprach in der Armee sich kenntlich und deutlich aus, es war derjenige, daß die privilegierten Stände, dann die Leichtigkeit der Stellvertretung es bewirkte, daß nur die niedere Classe der Gesellschaft reichlich, ja beinahe ausschließlich dem großen Körper der Armee angehörte, und daß die gebildeteren Stände sich an der Armee nur in so weit betheiligten, als sie Offiziersstellen anstrebten und erhielten. Hieraus ging ein doppeltes Interesse hervor, welches vom Volke aus an der Armee genommen wurde; kurz angedeutet kann ich bemerken, das Interesse der niederen Classe der Gesellschaft war etwa das der Familienbezeichnungen, das Interesse der höheren Classen der Gesellschaft dagegen war zuweilen auch das des Patriotismus, das der Rücksicht für das allgemeine Staatswohl. Ganz anders, meine Herren, wird es von nun an sein; die Verhältnisse werden sich vollkommen umgestalten, das ganze Volk wird gleichsam durch Familienbande an die Armee geknüpft sein, das ganze Volk wird mit gleichem Interesse des Familienlebens und des Patriotismus der Armee bei ihren Unternehmungen folgen, die guten Wünsche und Segnungen der Gesammtheit des Volkes werden die Armee auf ihrer blutigen Laufbahn begleiten, und die Armee von ihrer Seite wird gleichsam die Herzen und Gefühle des ganzen Volkes in Anspruch nehmen. Sie sehen, die Verhältnisse sind wesentlich geändert. Beachten Sie nun, meine Herren, daß von nun an eben in den gebildeten Sphären der Gesellschaft ängstlich besorgte Ältern für das Wohl ihrer, dem Militärleben anheizgefallenen Söhne, für das materielle und moralische Wohl sich befinden werden.

Beachten Sie, wie viele Vormünder, wie viele Väter werden nicht wegen ihren Mündeln und Söhnen von der ungeheuersten Angst gequält sein, daß diese nicht auf Abwege gerathen, und nicht üble Angewöhnungen heimbringen? Beachten Sie Mütter, die untröstlich sein werden, daß die mit schwerem Gelde erkaufte seinere Lebensbildung beim Truppendienste verloren gehen wird. Sind Ihnen diese Gründe zu geringfügig, so will ich Ihnen deren gewichtigere herbeischaffen. Ich glaube, die Armee wird künftig die hochwichtige Aufgabe erhalten, namentlich wenn neue und weise Bestimmungen das Heerwesen geordnet haben werden, eine Vaterlandsliebe, den Sinn für Gemeinwohl und das Streben nach dem Erhabeneren und Edleren in der Armee und im Volke zu pflanzen. Beherzigen Sie, meine Herren, daß es der Armee in der Zukunft obliegen dürfte, die Verweichlichung, diese entnervende Richtung des Jahrhunderts zu bannen, daß es der Armee obliegen dürfte, die Kräftigung des Charakters, einen markigen, männlich würdevollen Sinn im Volke zu verbreiten. Berücksichtigen Sie endlich, daß die Sicherung der neuen Ordnung der Dinge, die Sie auf rechtlicher Basis zu begründen hier beisammen sitzen, daß diese Sicherung gewährleistet sein muß durch die Gesammtheit der Volkswehr, also auch der Armee. Wenn Sie das Alles ins Auge fassen, so werden Sie mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß mein Ansinnen, damit Sie Ihre vollste Anerkennung der Armee angedeihen lassen, vollkommen gerechtfertigt ist.

Nachdem ich dieses vorauszusenden mich bemüßiget sah, glaube ich nun auf die Grundrechte selbst eingehen zu können. Ich bemerke heute im Allgemeinen, weil ich es nicht werde wagen können, bei jedem Paragraphe Ihnen zur Last zu fallen, daß auch andere Paragraphe der Grundrechte eben so gut als §. 4 irgend eine Modificirung in Betreff der Armee erleiden müssen und sollen. Es werden gewisse Beschränkungen, die aus dem Wesen des Militärlebens hervorgehen, einzuführen unerläßlich nothwendig sein. Ich werde diese Beschränkungen jedes Mal bei den betreffenden Paragraphen mittelst auf den Tisch des Hauses niedergelegten Amendements ausdrücken, und eine kurze Begründung wird dann hinreichen, Sie über den wahren Zweck der eingebrachten Verbesserung aufzuklären.

Rücksichtlich des gegenwärtigen Paragraphes erlaube ich mir zu bemerken, daß es so zu sagen auf der Hand liegt, daß dem Soldaten die Freiheit der Person nur in einem beschränkten Maße gegönnt werden darf. Denken Sie, meine Herren, an das Kasernenleben, an die Verpflichtungen, die Exerzitien und sonstigen Waffenübungen mitzumachen. Es wird Ihnen daher ganz klar sein, daß die unbedingte. Freiheit der Person beim Soldaten eine Unmöglichkeit ist. Ich habe mir also in diesem Sinne ein Amendement zu stellen erlaubt.

Ein anderer Punkt, der in den Grundrechten erscheint, und dem ich zu begegnen wünsche, ist der der Ausnahmegerichte. Ich begreife sehr wohl, daß es die größte Wohltat ist, Ausnahmegerichte abzuschassen; es gibt aber gewisse Gerichte im Militär


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