Officielle stenographische Berichteber die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Fünfundsechzigste (XIII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 3. Jänner 1849.
Tagesordnung.
1. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 21. Dezember 1848.
II. Berichte über Wahlacte.
III. Dritte Lesung des Berichtes des Finanz Ausschusses über den Credit von 80 Millionen Gulden Conv. Münze.
IV. Zweite Lesung der Grundrechte, und
V. Vollberathung über den Antrag des Finanzausschusses, betreffend die Optierung seiner Mitglieder und jener des ConstitutionsAusschusses.
Vorsitzender: Präsident S t r ob ach.
Auf der Ministerbank: Stadion, Bach, Krauß, Cordon, Thinnfeld.
Anfang: 1/2 11 Uhr.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl von Mitgliedern ist anwesend, ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll der letzten Sitzung zu verlesen. (Das Protokoll vom 21. December 1848 wird vom Schriftführer Gleispach vorgelesen.) Wünscht Jemand eine Einwendung gegen das vorgelesene Protokoll zu erheben? (Niemand.) Das vorgelesene Protokoll wird als genehmigt angesehen.
Schriftf. Gleispach. Ich selbst habe zu bemerken. daß ich die Anmeldung des Protestes des Abg Borrosch vergessen habe.
Präs. Sie ist mir bekannt.
Schriftf. G l e i s p a c h. Ich werde nachträglich die Anmeldung des Protestes des Abg. Borrosch ausnehmen.
Präs. Ich ersuche, die Proteste vorzulesen.
Schriftf. Streit. (Liest den Protest des Abg. Borrosch, und den der Abg. Borkowski, Bilinski, Stobnicki, Dobrzánski und Hubicki.
Präs. Was den Protest des Abg. Borrosch anbelangt, muß ich bemerken, daß mir dießfalls wahrscheinlich auf Grundlage eines factischen Irrthumes eine Ungerechtigkeit zur Last gelegt wird, deren ich mich nicht schuldig gemacht habe. Ich habe damals, als der Antrag vorgelegt wurde, die Ansicht ausgesprochen, daß er mit dem Hauptantrage in keiner wesentlichen Verbindung stehe; ich habe darüber auch nach den gegenwärtigen Bestimmungen der Geschäftsordnung sogleich abstimmen lassen, und es hat sich die Majorität für meine Ansicht ausgesprochen. Soviel als Gegenerklärung gegen den Protest des Abg. Borrosch. Was nun den Protest des Hrn. Abg. Borkowski betrifft, so erlaube ich mir nur auf die gegenwärtige Bestimmung der Geschäftsordnung hinzuweisen, wo ein Protest keineswegs gegen das Meritum eines Beschlusses, sondern nur gegen den Vorgang, wie er bei dem Beschlusse beobachtet würde, eingelegt werden kann. Hiernach dürfte dieser Protest gar nicht zu Protokoll zu nehmen sein. Der §. 99 lautet: "Ein Protest eines oder mehrerer Abgeordneten gegen einen Vorgang in der Reichstagssitzung, oder gegen einen Reichstagsbeschluß, den sie für Geschäftsordnungswidrig halten, wird nur dann u. s. w. zu Protokoll genommen " also kann nur gegen einen geschäftsordnungswidrigen Vorgang Protest eingelegt werden, keineswegs aber gegen den Gegenstand selbst, und weil dieser Protest gegen den Gegenstand des Beschlusses selbst eingelegt ist, so glaube ich, falls die hohe Kammer darüber nicht anderer Meinung ist, ihn nicht zu Protokoll nehmen zu dürfen. Wünscht Jemand vielleicht das Wort zu ergreifen? Da sich Niemand meldet, so glaube ich, daß es bei meiner Ansicht das Bewenden haben dürfte. Es liegen mehrere Urlaubsgesuche vor. Von den Urlauben, welche der Präsident ohne Zustimmung der Kammer ertheilen darf, habe ich nachstehende bewilligt: Dem Abg. Michael Meier einen Urlaub von 8 Tagen, dem Abg. Tarnowski von Tagen, dem Abg. Forcher gleichfalls, dem Abg. Stradal von 7 Tagen, dem Abg. Borkowski von 8 Tagen, dem Abg. Andrusiak von 8 Tagen, dem Abg. Schwarzer einen 3tägigen Urlaub. Außerdem liegen hier mehrere Urlaubsgesuche vor, deren Erledigung der hohen Kammer zusteht. Ich ersuche den Hrn. Schriftf. Ullepitsch, sie vorzutragen.
Schriftf. U l l e p i t sch. Bei der letzten Reichstagssitzung am 21. Dezember 1848 war der Stand der Abgeordneten 357; mittlerweile ist in Folge hohen Kammerbeschlusses der Abg. Halpern als ausgetreten anzusehen, derselbe hat übrigens vor einigen Tagen sein Mandat auch schriftlich niedergelegt; es vermindert sich also die Zahl von 357 um 1 auf 356 Mitglieder, wogegen sich aber neuerlich 3 Abgeordnete angemeldet haben, daher ist der Stand sämtlicher Deputierten dermalen 359, von welchen 3 ohne Urlaub, und 12 mit Urlaub abwesend, 3 aber als krank gemeldet sind. Die neuerlich vorliegenden Urlaubsgesuche sind aber folgende: Das des Abg. Hagenauer auf 14 Tage vom 3. Jänner angefangen, das des Abg. Dolánski auf 3 Wochen vom 3. Jänner, das des Abg. Bogdas auf I2 Tage vom 22. Dezember, das des Abg. Helcel auf 11 Tage vom 21. Dezember, das des Abg. Harmacij vom 2. Jänner auf 20 Tage, das des Abg. Jaruntowski auf 10 Tage vom 21. Dezember, und endlich das des Abg. Petrijsein auf 20 Tage vom 2. Jänner angefangen.
Abg. Petranovich. Ich glaube, durch das Übermaß von Urlaubsgesuchen wird die Tätigkeit der hohen Kammer, besonders bei der gegenwärtigen, hochwichtigen Beratung der Grundrechte um so mehr gehemmt werden, als ohnehin bereits mehrere Deputierte abwesend sind. Ich mache diese Bemerkung, damit die hohe Kammer ihr Augenmerk darauf richte, und diesem Mißbrauch entgegentrete.
Präs. Es wäre sich aus Anlaß dieser Äußerung auszusprechen, ob die Urlaube zu bewilligen oder nicht zu bewilligen seien. Wünscht Jemand noch das Wort? Da Niemand eine Sonderung der angeführten Urlaube wünscht, so erlaube ich mir, über alle diese Urlaubsgesuche auf einmal abstimmen zu lassen. (Die Abgeordneten Helcel und Bogdas nehmen ihre Urlaubsgesuche zurück.) Diejenigen Herren, welche für die nicht zurückgenommenen Urlaubsgesuche sind, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Geschieht.) Es ist die Minorität. Ich werde nun über die einzelnen Urlaubsgesuche abstimmen lassen.
Schriftf. U l l e p i t sch. Urlaubsgesuch des Abg. Ha genauer auf 14 Tage vom 3. Jänner angefangen.
Präs. Jedenfalls muß die Begründung mitgeteilt werden, denn sonst ließe sich die Ablehnung nicht entnehmen.
Schriftf. U l l e p i t sch. Der Abg. Hagenauer bittet in Rücksicht, daß nach einer Abwesenheit von 9 Monaten, insbesondere beim Jahresschlüsse dringende Geschäfte seine Anwesenheit zu Haufe erforderlich machen, um einen Urlaub vom 3. bis 17. Jänner 1849.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche für die Bewilligung diese Urlaubes sind, wollen aufstehen. (Geschieht.) Er ist bewilliget.
Schriftf. Ullepitsch. Der Abg. Dolánski ersucht um einen Urlaub auf 3 Wochen vom 3. Jänner angefangen, aus Ursache, weil bei dem im November stattgehabten Brand in Lemberg viele Magistrats und Wechselgerichtsakten verbrannt sind, wodurch Stockung und Unordnung in mehrere der ihm anvertrauten Advokaturgeschäfte eintrat.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche für die Bewilligung dieses Urlaubes sind, wollen aufstehen. (Majorität.)
Schriftf. Ullepitsch. Der Abg. Harmacij bittet um einen 20tägigen Urlaub vom 3. Jänner angefangen, da Wirtschaftsangelegenheiten seine Anwesenheit zu Hause erfordern.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche für Bewilligung des Urlaubes sind, mögen aufstehen. (Minorität. Beifall.)
Schriftf. Ullepitsch. Der Abg. Jaruntowski ersucht in Familienangelegenheiten um einen 10tägigen Urlaub vom 3 Jänner angefangen.
Präs Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche für diesen Urlaub sind, wollen es durch Aufstehen kundgeben. (Minorität.)
Schriftf. U l l e p i t sch. Der Abg. Hryn Petrijscyn bittet um einen 20tägigen Urlaub vom 2. Jänner 1849 angefangen, weil dringende WirtschaftsAngelegenheiten seine Anwesenheit zu Hause erfordern.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche für den angesuchten Urlaub sind, wollen ausstehen. (Minorität.)
Ich erlaube mir noch Nachfolgendes der hohen Versammlung mitzuteilen: Es sind mehrere neue Glieder der Kammer eingetreten, und zwar der Abg. Rosypal für Winterberg, der Abg. Scheuchet für Vogtsberg und der Abg. Waguza für Tarnow. Diese Herren dürften nach der Geschäftsordnung das Recht haben, sogleich in die Versammlung einzutreten, und von ihrem Sitz und Stimmrechte Gebrauch zu machen.
Minister des Innern, Stadion. Ich erlaube mir die Bemerkung, daß dem Ministerium kein Gesetz bekannt ist, nach welchem der Stadt Tarnow ein Deputierter zur konstituierenden Reichsversammlung bewilligt worden wäre. Es ist mir wohl bekannt. daß dießfalls ein Antrag gestellt wurde; allein zur Änderungen Wahlgesetzes ist abermals ein Gesetz notwendig, und mir ist es nicht bekannt, daß dieser Antrag von Sr. Majestät sanktioniert, oder zur Sanktion auch nur vorgelegt worden wäre.
Das Ministerium glaubt daher, diesen Herrn Abgeordneten nicht als solchen ansehen zu können, und ich trage der hohen Versammlung an, sie möchte auch diesem Herrn Abgeordneten bis zu dem Mo mente, wo das Gesetz vorliegen wird, den Sitz hier im hohen Hause nicht zugestehen.
Abg. Schopf. Ich habe wesentlich die Gründe, welche hier angeführt worden sind, gleichfalls dem hoben Hause vorlegen wollen, ich führe weiteres an, daß es sich hier namentlich um die Rechte aller constitutionellen Staatsbürger handelt, und daß die Stadt und der Bezirk Tarnow bereits seinen Vertreter gewahrt hat, welcher seinen Sitz im Hause eingenommen hat, und da durch die Wahl eines eigenen Vertreters der Stadt Tarnow diese Stadt zwei Vertreter im hohen Hause hätte, dadurch aber die Rechte anderer Wahlbezirke wesentlich beeinträchtigt wurden, und endlich die Vertretung im hohen Reichstage nur durch ein Gesetz reguliert werden kann, da wir auch nur das provisorische Wahlgesetz haben, und überdies auch kein weiteres Gesetz bekannt geworden ist, welches der Stadt Tarnow die Wähl eines eigenen Abgeordneten einräumt, so kann auch dem neugewählten Abgeordneten für die Stadt Tarnow der Sitz im hohen Hause nicht gestattet werden
Präs. Wird dieser Antrag unterstutzt? Geschieht) Der Antrag ist unterstutzt Der Abg Ziemialkowski hat das Wort.
Abg Ziemialkowski. Es ist gegen den neugewahrten Abgeordneten für die Stadt Tarnow von dem Herrn Minister eingewendet worden, daß diese Wahl nicht in Folge eines Gesetzes ausgeschrieben und zu Stande gekommen sei. Der Herr Minister hat erklärt, daß dem Ministerium nicht bekannt fei, daß eine solche Wahl in Folge eines Gesetzes aus geschrieben worden ist Es ist in der That kein Gesetzerslossen, in Folge dessen diese Wahl Ausguß schrieben und vorgenommen wurde, aber wohl war es ein gültiger Reichstagsbeschluß und zwar ein rechtsgültiger. Zur Gültigkeit eines jeden Reichstagsbeschlusses, meine Herren, gehört nichts mehr als die Anwesenheit von mehr als der Halste der Mitglieder der Kammer und der Umstand, daß die Mehrheit dieser anwesenden Versammlung für den Beschluß stimmt. Nun war aber am 21 October v J mehr als die Hälfte des hohen Hauses anwesend, und es wurde mit eminenter Majorität beschlossen, der Stadt Tarnow einen eigenen Vertreter zu bewilligen Ich weiß nicht, ob irgend ein Gesetz in der Hinsicht besteht, daß zur Ausschreibung und Bewilligung einer solchen Wahl ein Gesetz erforderlich ist, wir haben eine provisorische Wahlordnung, in welcher von der Stadt Tarnow wohl keine Erwähnung gemacht wird; allein daraus folgt noch nicht, daß die Kammer nicht das Recht habe, der Stadt Tarnow einen eigenen Vertreter zu bewilligen Hätte die Kammer beschlossen, daß die Bewilligung eines eigenen Ab. geordneten für Tarnow ein Gesetz sein müsse, und wäre der Abgeordnete von Tarnow gewählt worden, ohne daß dieser Beschluß der Kammer zur Sanction vorgelegt worden wäre, so wäre die Wahl aller dingst ungültig, allein die hohe Kammer hat aus drucklicht beschlossen, daß dieser Beschluß kein Gesetz zu sein braucht, folglich weiß ich nicht, mit welchem Rechte man diese Wahl jetzt anfechten könne.
Das damalige Ministerium war auch der Ansicht, daß dieser Beschluß kein Gesetz zu sein braucht, und keiner Sanction bedürfe, weil es die Wahl ausgeschrieben hat Das frühere Ministerium, welches diese Wahlordnung verfaßt bat, war auch nicht der Ansicht, ferner hat der Herr Abg Pillersdorff, welcher diese Wahlordnung contrasigniert hat, nicht nur dafür gestimmt, sondern er hat auch dafür gesprochen, daß ein solcher Beschluß kein Gesetz zu sein brauche, und keiner Sanction bedürfe Das Ministerium hat auch diese Wahl nicht gehindert, obwohl sie zu dessen Kenntniß gelangt war, folglich glaube ich, daß die Vornahme dieser Wahl in Folge eines gültigen Reichs Tagsbeschlusses nicht impugnirt werden könne, und um so mehr, da das Ministerium dieser Ansicht war, und diese Wahl ausgeschrieben hat.
Abg Zbyszewski. Es war am 21 Oktober, da der Petitionsausschuss das Bittgesuch der Stadt Tarnow vorbrachte, um eine selbständige Vertretung in diesem Hause Es wollte der Zufall, daß ich der Erste das Wort bekam, um die Interessen der Stadt Tarnow zu vertreten Um den Anspruch der Stadt Tarnow zu begründen, in diesem Hause vertreten sein zu dürfen, waren durch sie selbst vollkommen rechtskrustige und triftige Gründe angeführt, und es ist vollkommen der Billigkeit und dem Rechte angemessen, dieser Stadt ihren eigenen Vertreter zu gewähren Es waren noch einige Grunde hinzugetreten, die ich damals glaubte, dem hohen Hause angelegentlichst anempfehlen zu dürfen Insbesondere war es die Nachwirkung der Ereignisse vom Jahre 1846, die ich schilderte, und wobei ich meinte, daß, so ehrenhaft auch die fünf Vertreter des Tarnower Kreises sein mögen sie doch weder den Willen, noch vielleicht die Fähig kett haben können, die zahlreichen verschiedenen In Teresen jenes Kreises zu vertreten Ich hob damals ferner nachdrücklich hervor, daß, wenn auch in diesem hohen Haufe die Anzahl der Mitglieder auf 383 festige setzt ist, in dem provisorischen Wahlgesetze vom 9 Mai doch nichts weiter gesagt ist, daß diese Zahl bei besonderen Umstanden nicht um eines oder mehrere Glieder vermehrt werden könne Ich berief mich dabei auf das Urtheil und die Ansicht des früheren Herrn Staatsministers Pillersdorff, d. n ich bat, daß er mir die nöthigen Aufschlüsse darüber geben wolle Seine Ausschlusse waren die, daß die Zählung vom Jahre 1843 der Abfassung der Wahllisten und der Anzahl der Vertreter zu Grunde gelegt worden ist, bei manchen Städten aber würde die vom Jahre 1846 benützt, und daß die Stadt Tarno v hierbei nicht berücksichtiget worden ist, fei nicht absichtlich, sondern bloß zufällig versehen worden Dieser Um stand bewog auch den Abg Pillersdorff das Gesuch der Stadt Tarnow zu unterstutzen Gegenwärtig, wo die Wahl angefochten ist, spreche ich nur als derjenige, der die Notwendigkeit dieser Wahl verfochten hat Ich bin einfach Soldat, und verstehe vom Rechte gar nichts, ich urtheile bloß nach dem gefunden Sinne, und es bleibt mir daher nur übrig, das Recht dem hohen Hause anzuempfehlen und daß Dasselbe erforsche, ob nicht die kaiserliche Sanction bereits in der Promulgirung des Wahlgesetzes enthalten ist, und entscheide, ob die Zahl der Abgeordneten nur 383 sein durfte, und durchaus kein anderes Verhältniß bei der Wahl der Ab geordneten zu berücksichtigen sei.
Der Herr Abg. Schopf hat bemerkt, daß die Stadt Tarnow nunmehr 2mal vertreten ist Das ist allerdings wahr, insofern jeder durch einen Abg vertretene Bezirk 50000 Seelen umfassen soll, hier aber ist der Fall so zu verstehen, daß Herr Waguza die Stadt Tarnow mit ihren 16 000 Einwohnern, und Abg Bogdas fernerhin nun noch die übrigen 34. 000 Seelen vertreten werden Ich bemerke hier auch einer Andeutung eines der Herren Abgeordneten für Böhmen, des Herrn Abg Rieger, die vor einiger Zeit hier gemacht worden ist, daß durch den neuen Abgeordneten für Tarnow die größeren Städte Böhmens: Pilsen, Guttenberg und mehrere andere in der Monarchie verkürzt sind, ich erwidere darauf, daß das Recht dieser Städte, welches ihnen allerdings gebührt, von uns eben so freudig unterstutzt werden wir es für Tarnow verfocht ten worden ist Die Hervorhebung, daß Galizien durch die Begünstigung jener Stadt einen Vortheil voraus hätte, kann ich nicht wahrnehmen, ich behaupte vielmehr, daß uns in solcher Weise die Burger der wenigen Städte und die Industrie jenes Landes im Reichstage vertreten sein konnten, wahrend daß in allen anderen Provinzen die kleineren Städte, welche Industrie treiben, beinahe überall gleichmassig vertheilt sind, jeder Abgeordnete ist also mehr oder weniger ein Vertreter des Ackerbaues und des Gewerbsfleißes zugleich. Wenn man also fragt wie Galizien in seinen Städten vertreten ist, so mochte ich glauben, daß es mehr Billigkeit erfuhr, als Bevorzugung fand.
Ich schließe meine Bemerkungen nur noch mit der Bitte, das hohe Haus möge erwägen, daß der erste Tag des Jahres, an dem wir zusammen kommen, um die Constitution, das Gluck der Volker zu berathen, wo wir unfern Thron sicherer, mächtiger stutzen wollen, daß dieser Tag nicht eine Handlung bezeichnen soll, die eine Unfreundlichkeit, Andere werden vielleicht sagen, eine Gehässigkeit ist .
Abg Neuwall Der Grund, warum wir Alle uns hier befinden, der Rechtstitel, auf dem unsere Berufung in diese hohe Versammlung beruht, ist ein Gesetz, nämlich das provisorische Wahlgesetz; ein Gesetz aber kann nur wieder durch ein anderes Gesetz geändert oder entkräftet werden Das Wahlgesetz ist von der Art, daß dadurch sowohl die Gesammtzahl der Abgeordneten bestimmt wird, als auch die Einteilung, in welcher die Abg auf die einzelnen Landerntheile und Städte der gesamten Monarchie entfallen. Eine Verankerung in dieser Beziehung hervorzurufen, wäre also nur ein Gesetz selbst geeignet Eine künftige Abänderung war durchaus nicht so, wie eben der Herr Sprecher vor mir gemeint hat, im Gesetze vorhergesehen, sondern eine solche könnte, wie gesagt, nur durch ein Gesetz selbst bewirkt werden Man hat sich hier auf den Beschluß des Reichstages vom 21 October v I berufen, man hat gesagt, es sei ein gültiger Reichstagsbeschluß vorhanden, der nicht angefochten werden könne Ohne die Gültigkeit dieses Beschlusses eben an fechten zu wollen, ja sogar, wenn ich dieselbe ausdrücklich anerkennen wurde, könnte ich doch keinesfalls den erwähnten Beschluß für etwas anderes betrachten, als was derselbe wirklich ist, nämlich als einen einfachen Reichstagsbeschluß, welcher über die erste Lesung eines Gesetzentwurfes erfolgt ist, soll daher letzterer gesetzliche Kraft und Wirkung erlangen, so mußte er noch einer zweimaligen Lesung und dann der allerhöchsten Sanction unterzogen werden Da nun diese Bedingungen fehlen, da das, die Zahl und Vertheilung der Abg allein gültig regelnde Wahlgesetz bisher noch nicht rechtskräftig ab geändert worden ist, fallt jeder Rechtstitel weg, auf welchem die Wahl eines Abg für Tarnow begründet werden könnte, und ich muß mich auf das Bestimmteste gegen die Anerkennung derselben aussprechen Es wäre diese Anerkennung ein Act, welcher der Bestimmung dieser hohen Versammlung ganz entgegen und unwürdig wäre Die hohe Versammlung muß als ihre oberste Richtschnur das Gesetz anerkennen, denn da sie das Grundgesetz des Staates zu schaffen berufen ist, so muß sie, um ihrem Wirken die unerlässliche Achtung zu sichern, vor Allem selbst strenge darauf halten, die bestehenden Gesetze nicht willkürlich zu verletzen. Ein entgegengesetzter Vorgang wäre der Weg zu einer Ordonnanzeinregierung, dem Niemand mehr als wir entgegen zu treten berufen sind. Ich muß daher den Antrag des Abg Schopf auf das Entschiedenste unterstützen, und verwahre denselben und mich gegen den angeregten Verdacht von Unfreundlichkeit und Gehässigkeit Der besagte Antrag ist nur die nothwendige Folge der Erkenntnis unserer Aufgabe, unseres Berufes zur Begründung und Wahrung des Rechtes und der Rechte, wobei uns Gefühle, Personen und Persönlichkeiten weder leiten noch beirren konnen und sollen Indem wir in das Jahr eintreten, welches geheiligt werden soll durch die Schaffung der Constitution des Vaterlandes, so darf der erste Act, womit dasselbe eröffnet wird, nicht eine Rechtsverletzung sein Wir müssen am Rechte fest halten, und in jeder Beziehung, es immer, müssen wir es eisern und unerschütterlich wahren.
Abg. Borrosch. Ich werde mich nur an das Formelle der Frage halten. Es ist dieser Beschluß gefaßt worden, nicht als eine Umänderung des Wahl gesetztes, sondern als eine Verbesserung in Folge einer nachgewiesenen statistischen Lücke in demselben. Es ist das damalige Ministerium das Exekutivorgan zur Ausschreibung der Wahl gewesen, es hat sie ausgeschrieben, es hätte die Sanktion, wenn ja eine solche nötig war, zu erwirken gehabt, und wurde dieß vom Ministerium verabsäumt, so kann dieß keinesfalls den Reichstagsbeschluß als solchen entkräften. Das Wahlgesetz wird gewiß in statistischer Hinsicht noch manche Lücken nachzuweisen haben, und somit kann dieser Fall nur einen willkommenen Anlaß darbieten, auch noch andern Provinzen, namentlich Böhmen, bezüglich mehrerer Städte, die gleichfalls nicht gebührend vertreten sind, nachträglich ihr Recht widerfahren zu lassen. Von einer Ordonnanzregierung kann bei jenem Vorgange gar nicht die Rede sein, diesen Ausdruck gebraucht man nur dann, wenn die Regierung in ihrer Exekutivgewalt an die Stelle der Legislativgewalt durch Ordonnanzen tritt; wenn aber der legislative Körper ordnungsgemäß sich an das Exekutivorgan, das jeweilige Ministerium wendet, und dieses den Reichstagsbeschluß ausführt, so darf man nicht von einer Ordonnanzregierung sprechen.
Abg. Helfert. Ich glaube, es kann nicht bald eine Frage geben, welche so einfach ist, und deren Beantwortung um einen Ausdruck zu gebrauchen, der bereits in diesem Hause übel aufgenommen worden ist, da ich schon einmal das Unglück habe, dem hohen Hause öfter Unliebsames zu sagen zum Abc der Konstitution gehört. Man hat gesagt, es liege ein gültiger Reichstagsbeschluß vor. Von meinem Standpunkte aus kann ich das nicht anerkennen; allein ich gehe über diesen Punkt hinaus. Gesetzt also, es läge ein gültiger Reichs Tagsbeschluss vor, so ist das doch eine sehr naive petitio principii. Denn es fragt sich ja eben, ob der Reichstagsbeschluß, vorausgesetzt, er sei ein gültiger, für sich allein ausreichend sei. Ein Reichstagsbeschluß kann für sich gültig sein, aber trotzdem nicht für sich allein die Sache zur Wirksamkeit, zur Legalität erheben. Wenn man mir dagegen bemerkt, die Kammer habe beschlossen, in diesem Falle solle ein Reichstagsbeschluß für sich allein rechtsgültig und von Wirksamkeit sein, so heißt dieß die Naivität auf die höchste Spitze treiben. Ich möchte einmal die hohe Kammer fragen, was sie dazu sagen würde, wenn die Anzeige käme, Se. Majestät habe beschlossen, in dieser und dieser Sache (wozu nach konstitutionellen Grundsätzen die Mitwirkung des Reichstages notwendig ist) sei seine Willensbestimmung allein ausreichend!? Die Frage ist also, ob für den angenommenen Fall, es liege ein gültiger Reichstagsbeschluß vor, dieser für sich allein auch ausreichen würde? Das muß ich unbedingt zurückweisen. Ich habe schon bei einigen Gelegenheiten darauf aufmerksam gemacht, daß da, wo es sich um ein Gesetz handelt, nach konstitutionellen Grundsätzen die gesetzgebenden Gewalten zusammenwirken müssen, um eine wirksame Verfügung zu treffen. Hier aber handelt es sich nicht einmal um ein einfaches Gesetz, hier handelt es sich um die teilweise Änderung eines Abschnittes der Konstitution, der provisorischen Konstitution, denn wir haben bis jetzt noch keine definitive Konstitution. Ich brauche nicht viel auf die Geschichte von England hinzuweisen, um zu zeigen, daß dort die Veränderung des Wahlgesetzes für die allerwichtigste Sachegült. Was würde man wohl dort dazu sagen, wenn ein Kammermitglied einen ähnlichen Antrag stellen, und durch einen einfachen Kammerbeschuß das Ganze erledigen wollte!? Gegen so gewichtige Bedenken, können alle andern Bemerkungen, die hier gefallen sind, gar nicht in die Wagschale gelegt werden. Ob das vorvorige Ministerium der Ansicht war, daß durch einen einfachen Reichstagsbeschluß ein Nachtrag zu dem Wahlgesetze gemacht werden könne, bleibt dahingestellt. Jedenfalls aber muß ich mich entschieden dagegen aussprechen, daß der Abg. Pillersdorff, wenn er am 21. Oktober dafür gesprochen hat, in seiner Eigenschaft als (früherer) M i n i st e r gesprochen habe, und daher seine da abgesprochene Ansicht für die Ansicht des früheren Ministeriums gelten könne; ganz abgesehen davon, daß die Ansicht jenes Ministeriums, selbst wenn sie die von der Gegenseite behauptete gewesen wäre, gegenüber von allgemein anerkannten konstitutionellen Grundsätzen von gar keinem Ausschlage sein könnte. Daß die Angelegenheit im Wege einer Petition vor das Haus gelangt ist, kann gleichfalls nichts bestimmen, wenn man daraus fälschlich folgern will: darum sei auch das Haus berechtigt gewesen, den Gegenstand in diesem Wege zu erledigen. Die Gründe der Stadt Tarnow mögen recht und billig sein, allein sie können nicht berücksichtigt werden, außer auf legalem Wege. Was aber Recht und Billigkeit betrifft, so dürften, worin ich dem verehrten Mitgliede für Prag letzten Wahlbezirk vollkommen beistimme, gar viele andere Städte auch in der Lage sein, rücksichtlich ihrer Vertretung auf dem Reichstage Recht und Billigkeit in Anspruch zu nehmen. Ich trage daher darauf an, daß dieser Beschluß als kein rechtskräftiger anzusehen, und daher der Gewählte für Tarnow in das hohe Haus nicht einzulassen sei.
Präs. Der Herr Abg. Umlauft hat das Wort. (Ruf von der Rechten: Ich trage auf den Schluß der Debatte an.)
Abg. Umlauft. Ist auch gegenwärtig ein anderes Ministerium als Exekutivgewalt aufgetreten, so hoffe ich doch, meine Herren, wir selbst sind dieselben geblieben! Wir haben bereits vielmals aus eigener Machtvollkommenheit und zufolge der Autonomie des Hauses Beschlüsse gefaßt, welche die Wahlordnung, die einzelnen Bestimmungen der Wahlordnung abgeändert haben; wir haben niemals eine Sanktion dieser Beschlüsse für notwendig gefunden, weil wir dieses eben als einfache Ordnung für das Haus angesehen haben. Ich weiß mich in diesem Augenblick aus meinem Gedächtnisse nicht auf jeden einzelnen Fall zu erinnern, aber ich müßte viele Herren aus dieser Kammer aufzutreten ersuchen, welche durch solche Beschlüsse in der Eigenschaft als Deputierte bestätigt worden sind. (So, so!) Eine Masse von Deputaten sind nicht in Folge der Bestimmungen des Wahlgesetzes bestätigt worden, denn es ist z. B. über die ausdrückliche Bestimmung desselben, daß 2/3 der Wahlmänner bei der Wahl anwesend sein müssen, oftmals hinausgegangen worden; es ist über die Bestimmung, daß die absolute Mehrheit der anwesenden Wahlmänner ihre Stimme zu einer gültigen Wahl vereinigen müsse, hinausgegangen worden; wir haben aber dennoch die Wahl für gültig anerkannt Übrigens muß ich nochmals auf die Ansicht des früheren Ministeriums zurückkommen. Das frühere Ministerium, von dem die in Rede stehende Wahlordnung ausgegangen ist, hat selbstständig viele von den Bestimmungen der Wahlordnung für einzelne Fälle abgeändert; es hat sie als eine bloße Ministerialverfügung, und nicht als ein Gesetz angesehen. Das damalige Ministerium hat viele von diesen Bestimmungen, namentlich auch diese, daß 2 Dritteile der Wahlmänner bei der Wahl anwesend sein müssen, zurückgenommen, und durch nachträgliche Verfügungen andere Bestimmungen festgestellt. Wenn dadurch nun erwiesen ist, daß wir uns selbst das Befügniß solcher Änderungen früher zuerkannt haben es ist ja so oft in der Kammer ausdrücklich ausgesprochen worden, daß wir die Bestimmungen der Wahlordnung, welche wir immer nur als eine ministerielle Verfügung angesehen haben, selbst ändern können, und bei keiner dieser Behauptungen ist irgend ein Widerspruch erhoben worden so sehe ich nicht ein, warum wir nur für eine einzelne Bestimmung dieser Wahlordnung, welche nicht einmal das Wesentliche, sondern nur die praktische Ausführung der Idee, jedenfalls nur eine Art der Interpretation von Seite der Kämmer betrifft, so sehe ich nicht ein, warum wir gerade für diese Bestimmung etwas anderes wollen gelten lassen, als für andere Bestimmungen; warum wir von unserem früheren Verfahren, das wir zufolge unserer Autonomie bisher eingehalten haben, abgehen sollen?
Ein Abg. Es ist der Schluß der Debatte angetragen worden.
Präs. Wird der Antrag auf den Schluß der Debatte unterstützt? (Ja.) Diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind wollen aufstehen. (Majorität.) Ich erlaube mir zu bemerken, daß noch nachstehende Redner vorgemerkt sind: Wildner. Neumann, Trojan, Mayer, Lasser und Wienkowski. Die Herren hätten sich zu erklären, ob sie pro oder contra sprechen wollen. (Außer dem Herrn Abg. Wienkowski sprechen Alle für den Antrag des Abg. Schopf)
P r ä s. Der Hr. Abg. Wienkowski bleibt somit allein, weil er für sich keine Wahl vornehmen kann. Es sind mir noch nachstehende Anträge vorgelegt worden: der Antrag des Abg. Wienkowski, welcher lautet:,, Daß die Frage wegen Zulassung des für die Interessen der Stadt Tarnow gewählten Abgeordneten an den Ausschuß für beanstandete Wahlen zu verweisen wäre. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird unterstützt) Ferner der Antrag des Abg. Wienkowski auf Abstimmung durch Kugelung über die Frage der Zulassung des Abg. für Tarnow. Ich erlaube mir nur noch eine Bemerkung, ob nämlich der Antrag auf Kugelung für den Fall gestellt wurde, als der Antrag des Abg. Wienkowski (Ja.) Für die Zulässigkeit der Abstimmung durch Kugelung ist eine Unterstützung von 100 Mitgliedern notwendig. Wird der Antrag auf Abstimmung durch Kugelung unterstützt? Ich ersuch die Herren Sekretäre, die Zählung vorzunehmen (Geschieht.) Es ist die erforderliche Unterstützung vorhanden, es wird daher dann die Abstimmung durch Kugelung vorgenommen werden. Ich erlaube mir noch einen Antrag mitzuteilen, der von dem Abg. Borrosch auf den Tisch des Hanfes niedergelegt wurde. Er lautet: "Borrosch beantragt, daß die zu Folge statistischer Irrtümer und durch mangelhafte Anwendung des Wahlgesetzes beeinträchtigten Städte, namentlich in Böhmen, mit dem gleichen Rechte ihre Vertreter nachträglich erhalten, wie Tarnow. " Ich erlaube mir noch zu bemerken, daß dieser Antrag mit dem Hauptantrage, wie er vom Abg. Schopf vorgelegt wurde, "daß der Deputierte für Tarnow nicht zuzulassen sei" in keinem wesentlichen Zusammenhange stehe, und daß darüber das hohe Haus ohne alle Debatte sich auszusprechen habe. Diejenigen Herren, die des Erachtens sind, daß der Antrag des Herrn Abg. Borrosch mit dem Antrage des Herrn Abg. Schopf im wesentlichen Zusammenhange steht, wollen es durch Ausstehen kund geben. (Minorität.) Er steht nicht im wesentlichen Zusammenhange. Ich ersuche die Herren, welche dafür sprechen wollen, anzugeben, ob sie sich über einen Generalredner geeinigt haben. Zuletzt hat der Abg. Umläuft gegen den Antrag des Abg. Schopf gesprochen, daher hätte jetzt ein Redner dafür zu sprechen, und dann der Redner Wienkowski.
Abg. Ne u m a n n. (Generalredner.) Vorerst nehme ich mir die Freiheit, dem hohen Hause zu bemerken, daß es sich hier durchaus nicht um den speziellen Fall für Tarnow, sondern um eine Prinzipienfrage handelt, und daß es sehr unfreundlich gegen unsere Völker wäre, welche wir hier zu vertreten berufen sind, wenn wir so leichthin über ein Prinzip wegspringen wollten, und gerade im Beginne des