Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Neunundfünfzigste (VII.) Sitzung des österreichischen konstituierenden Reichstages in Kremster am 11. Dezember 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung der Sitzungsprotokolle.
II. Berichte über Wahlakte.
III. Fortsetzung der Lesung der Geschäftsordnung.
IV. Berichte des Petitionsausschusses.
Anfang um 93/4 Uhr. Vorsitzender: Präsident Smolka.
Auf der Ministerbank: Stadion, B a c h, Krauß, Thinnfeld.
Präs. Nach Angabe der Herren Schriftführer ist die zur Eröffnung der Sitzung und Beschlußnahme erforderliche Anzahl Abgeordneter anwesend. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Die Herren Schriftführer Zwickte und Weiser werden die Protokolle vom 2. und 7. d. M. vorlesen.
Schriftführer Zwickte. (Liest das Protokoll vom 2. d. M.)
Präs. Ist bezüglich der Fassung dieses Protokolles was einzuwenden? (Nichts.) Ich erkläre daher das Protokoll als richtig aufgenommen, und werde dessen Drucklegung veranlassen. Ich fordere den Herrn Schriftführer Weiser aus, das Protokoll vom 7. Dezember zu verlesen.
Schriftf. Wiser. (Verliest das Protokoll vom 7. Dezember.)
Präs. Bezüglich der eben vorgetragenen Fassung des Protokolles habe ich zu bemerken, daß nach demselben die beiden Adressen, welche an Ihre Majestäten Franz Joseph und Ferdinand, sowie auch die Antwort Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph in dieses Protokoll aufgenommen werden sollen. Ich habe am 7. Dezember der hohen Kammer berichtet, daß mir die Antwort des Kaisers Franz Joseph nur aus dein Gedächtnisse erinnerlich war, habe mich jedoch deßhalb an den Herrn Ministerpräsidenten gewendet, und um die schriftliche Mitteilung dieser Antwort ersucht. Diese Antwort ist mir so eben zugekommen, und ich werde mir erlauben, sie der hohen Kammer vorzulesen, wonach sie ebenfalls in diesem Protokolle abgedruckt werden wird. Diese Antwort lautet:
"Ich empfange mit wahrem Vergnügen die Adresse des konstituierenden Reichstages. Obwohl eben erst zur Regierung gelangt, sind Ihnen Meine Wünsche und Meine Absichten bekannt. In Meinem Manifeste vom gestrigen Tage, sowie durch die Erklärungen Meiner Minister habe Ich Mich darüber unabänderlich und unwiderruflich ausgesprochen. Ihnen, Meine Herren, liegt es nun ob, Ihre große Aufgabe bald und zum Heile des Staates zu lösen. Setzen Sie Mich bald in die Lage, die Verfassungsurkunde, welche die Völker mit Ungeduld erwarten, zu prüfen, und ihr Meine kaiserliche Sanktion zu erteilen. "
Präs. Diese Antwort wird auch in das heutige Protokoll aufgenommen werden.
Abg. Schuselka. Es wäre angemessen, daß die Namen ältlicher Mitglieder der Deputation in diesem Protokolle aufgenommen werden.
Präs. Ich glaube, es wird keinem Anstande unterliegen, daß die Namen der an Se. Majestät abgesandten Deputierten in dieses Protokoll aufgenommen werden. (Ruf: Nein! Nein!)
Nachdem bezüglich des Antrages des Abg. Schuselka Widerspruch stattfindet, werde ich mir erlauben, diese Frage zur Abstimmung zu bringen Wird der Antrag des Abg. Schuselka, daß die Namen derjenigen Abgeordneten, welche an Se. Majestät abgesendet wurden, in dieses Protokoll aufgenommen werden, unterstützt? (Unterstützt und angenommen.)
Das Verzeichnis der Mitglieder dieser Deputation wird demnach in das Protokoll aufgenommen werden.
Ist sonst bezüglich der Fassung des Protokolls etwas zu bemerken?
Schriftf. W i se r. Ich erlaube mir nun vorzulesen, in welcher Art ich das Erwähnte in's Protokoll aufzunehmen beantrage. Nach Erwähnung der Berichterstattung würde dann der Satz folgen:,, Beide Adressen, sowie die von den Majestäten erteilten Erwiderungen folgen wörtlich, dann auch die Namen der Deputationsglieder. " Das würde dann auch im Drücke so folgen.
Präs. Ist noch sonst bezüglich der Fassung des Protokolles etwas zu bemerken? Nachdem nichts weiter eingewendet wird, erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen, und werde die Drucklegung desselben veranlassen. Ich erlaube mir, der hohen Kammer anzuzeigen, daß bereits in 7 Abteilungen die Beratung über die Grundrechte beendigt würde, nur in 2 Abteilungen sind noch einige Paragraphe zu beraten. Morgen geht der Termin aus, welcher für die Beratung der Grundrechte in den Abteilungen festgesetzt wurde. Die betreffenden Abteilungen haben erklärt, daß sie in der morgigen Morgensitzung diese Beratung beendigen können. Ich würde mir demnach erlauben, den Konstitutionsausschuß aufzufordern, daß derselbe morgen Nachmittag um 4 Uhr zusammentrete, um die weitere Beratung vorzunehmen, damit dieselbe so schnell als möglich beendet werde. Der Vorstand des Petitionsausschusses hat mich ersucht, die Herren Mitglieder dieses Ausschusses aufzufordern, daß dieselben am morgigen Tage um 10 Uhr Vormittags zusammentreten möchten in dem für diesen Ausschuß bestimmten Lokale. Ferner erlaube ich mir, der hohen Kammer anzuzeigen, daß in den Finanzausschuß aus der Provinz Dalmatien statt des Abg. Androvich, als Stellvertreter der Abg. Petrovich gewählt wurde; endlich auch statt des Abg. Jelen aus der 3. Abteilung, der Abg. Kowarz zur Prüfung der Reichstagsrechnungen. Der Herr Sekretär Ullepitsch wird die Reichstagsrechnungen für den Monat September, der Vorschrift des § 21 jetzt 22 der Geschäftsordnung gemäß, der hohen Kammer in öffentlicher Sitzung vortragen und übergeben.
Schriftf. U l l e p i t s c h. Der §. 21 der Geschäftsordnung bestimmt, daß der Kassier der Reichstagskrasse die Zählungen auf Anweisung des Präsidenten zu leisten, und dem Reichstage monatliche Rechnung abzulegen habe, welche einem Ausschüsse zur Prüfung und Berichterstattung in öffentlicher Sitzung zu übergeben ist. In Befolgung dieser Anordnung würde bereits die für den Zeitraum vom Beginne des Reichstages bis Ende August erforderliche Rechnung gelegt, und selbe hat auch schon von Seite der hohen Kammer ihre definitive Erledigung erhalten. Nunmehr haben aber die Reichstagskassebeamten Franz Ehrenhöher und Joseph Wallner die weitere erforderliche Rechnung für den Zeitraum vom ersten bis letzten September dem Reichstagsvorstande übergeben, bestehend:
a) Aus der mit 9 Originalbeilagen dokumentierten Hauptübersicht über die im Laufe des Monats September 1848 von der Reichstagskasse empfangenen und verwendeten Gelder.
b) Aus dem Ausweise über die den Herrn Abg. gebührenden und ausbezahlten Diäten.
c) Aus der Berechnung der den Reichstagsbeamten und Dienern ausbezahlten Gebühren.
d) Aus dem Totalkasseausweise, und
e) Aus dem mit 830 Stück Originalbeilagen und zwei Gegenscheinen dokumentierten Kassejournal für den Monat September 1848.
Da nun nach der Bestimmung der Geschäftsordnung von Seite der hohen Reichsversammlung durch ihre Abteilungen bereits ein Ausschuss gewählt wurde, welchem die Prüfung der Reichstagsrechnungen und sonach die Berichterstattung in öffentlicher Sitzung obliegt, so wolle vom gedachten Ausschüsse auch nunmehr die in der hohen Kammer angekündigte Reichstagsrechnung für den Monat September behufs ihrer Erledigung im Vorstandsbureaus in Empfang genommen werden.
Präs. Bezüglich der Niederlegung von Mandaten habe ich der hohen Kammer anzuzeigen, daß der ehemalige Abg. Czuperkowicz am gestrigen Tage ein auf seinen bereits gemeldeten Austritt aus der hohen Kammer bezügliches Gesuch überreicht hat. Der ehemalige Abgeordnete Czuperkowicz hat nämlich am 2. November sein Mandat unbedingt niedergelegt. Ich habe dieß auch der hohen Kammer am 22. November angezeigt, und um die Genehmigung nachgesucht, die vom Vorstande aus sogleich ausgeschriebene neue Wahl genehm zu halten, was auch von Seite der hohen Kammer gebilligt wurde. Am gestrigen Tage kam der ehemalige Abg. Czuperkowicz um die Befugnis ein, seinen Sitz in der hohen Kammer wieder einnehmen zu dürfen, indem er die Niederlegung seines Mandates zurückrufe. Der Vorstand hat geglaubt, auf dieses Gesuch keine Rücksicht nehmen zu dürfen, indem die Niederlegung des Mandates unbedingt war, die Ausschreibung einer neuen Wahl erfolgte, und diese auch von der hohen Kammer genehmiget wurde. Ich habe gedacht, dieß bloß der hohen Kammer anzeigen zumüssen. Es hat aber ferner der Abg. Fedorowicz sein Mandat zurückgelegt, (Bedauern) und zwar mit der Bitte, seinen Platz hier in der Kammer noch so lange einnehmen zu dürfen, bis eine neue Wahl ausgeschrieben, und der neue Abgeordnete für die Stadt Tarnopol seinem Sitz hier eingenommen haben wird. Es wird demnach die Ausschreibung einer neuen Wahl für Tarnopol veranlaßt werden. Ich habe einige Urlaube bewilligt, nämlich den Herren Abg. Prybil und Kaubek für die Zeit von 48 Stunden, dann den Herren Abg. Dworžak und Borkowski von 3 Tagen. Die Abgeordneten sind bereits von ihrem Urlaube wieder eingerückt. Es ist ein Urlaubsgesuch, welches auf 4 Tage gestellt ist, vorzutragen.
Schriftf. Ullepitsch. Bevor ich das vorliegende Urlaubsgesuch mittheile, habe ich der hohen Kammer Folgendes bekannt zu geben: Die Zahl der in Wien bereits anwesend gewesenen 368 Herren Deputirten hat sich dermal auf 366 reducirt. welche Verminderung ihren Grund in dem Umstande hat, daß mehrere. Herren Abg. mittlerweile ihre Mandate zurückgelegt haben, und die in Folge dessen ausgeschriebenen neuen Wahlen noch nicht alle vorgenommen worden sind. Bezüglich des verminderten effektiven Standes der Herren Abg. aber ist zu bemerken, daß hiervon 8 Deputirte ohne Urlaub abwesend sind, welche jedoch laut Vorstandsbeschluss zur ungesäumten Rückkehr schriftlich werden aufgefordert werden; daß 4 Herren Abg. als krank gemeldet, und 13 Abg. beurlaubt sind, so daß der Stand der gegenwärtig in Kremsier anwesenden Mitglieder sich nur auf 340 beläuft. Das Urlaubsgesuch, welches vorliegt, ist das des Herrn Abg. Ignaz Pawek, welches auf die Dauer von 4 Tagen und zwar vom 9. bis 12. d. M. angesucht erscheint.
Präs. Wenn bezüglich des vorgetragenen Urlaibsgesuches nichts eingewendet wird, werde ich dasselbe als bewilligt ansehen. Es hat der Abg. Kromer eine Interpellation an den Vorstand des Petitionsausschusses angemeldet.
Abg. Kr o m e r. Wir haben vor mehreren Monaten einen Ausschuß für volkswirtschaftliche Verhältnisse gewählt. So viel mir bekannt ist, hat jener Ausschuß seine Thätigkeit noch nicht begonnen, und zwar aus der Ursache, weil ihm keine Vorlagen zugekommen sind. Jene Vorlagen dürften aber jene Petitionen sein, welche bereits eingegangen sind, und ich habe in dieser Richtung hin die Anfrage an den Vorstand des Petitionsausschusses zu stellen, ob diese Petitionen noch nicht dahin abgetreten worden sind, oder was von Seite desselben verfügt werden wird?
Abg. Lasser. Das Ordnen der verschiedenartigen Acten des Petitionsausschusses, die bereits zu einer bedeutenden Masse angewachsen waren, haben eine geraume Zeit in Anspruch genommen. Es mußten nicht bloß die erledigten von den unerledigten Acten abgesondert werden, sondern die einzelnen Acten auch den betreffenden Referenten überwiesen werden. Dazu kam, daß in einer der früheren Sitzungen des Reichstages beschlossen worden war, jene Eingaben, die der Petitionsausschuß brevi manu an das Ministerium abzutreten für gut findet, demselben unmittelbar zu überweisen. Bis dieses Geschäft durchgeführt war, konnte also die Zuweisung der einzelnen Acten weder an die Referenten, noch an die anderen Ausschüsse geschehen. Diese Ausscheidung ist bereits vollendet, und es bleibt mir nichts übrig, als die Herren Schriftführer der einzelnen Ausschüsse einzuladen, alle dahin gehörigen Petitionen in Empfang zu nehmen. Dasselbe Ersuchen stelle ich auch an den Schriftführer des volkswirtschaftlichen Ausschusses.
Präs. Es sind mehrere Interpellationen an die Herren Minister angemeldet, nachdem dieselben aber jetzt nicht zugegen sind, so werden sie vielleicht später vorgenommen werden können. Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheinen die Berichte über Wahlacte. Ich ersuche die Herren Referenten derjenigen Abtheilungen, in welchen Wahlacte geprüft wurden, zum Vortrage zu schreiten. (In der 1., 2., 3. und 4. Abtheilung liegen keine geprüften Wahlacte vor.)
Referent der 5. Abtheilung, Abg. Wieznicki. Statt des abgetretenen Abg. Franz Heiß wurde Dr. Joseph Janesch aus Klagenfurt für den Wahlbezirk Spital, Villacher Kreises, bei der am 18. Noveinber vorgenommenen Wahl erwählt. Die 5. Abtheilung stellt einhellig den Antrag, die hohe Reichsversammlung wolle die Wahl des Dr. Joseph Janesch zum Abg. für den Bezirk Spital als gültig anerkennen.
Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand das Wort zu ergreifen? (Niemand) Diejenigen Herren, welche die Wahl des Abg. Janesch als unbeanstandet anerkennen, wollen sich erheben. (Majorität.) Die Wahl des Abg. Janesch ist als unbeanständet anerkannt. (Die 6., 7., 8. und 9. Abtheilung hat keine Wahlacte geprüft.) Der Berichterstatter der Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen.
Abg. W i e z n i c k i. Mehrere Dorfgemeinden des Wahlbezirkes Ležaysk, Rzeszower Kreises in Galizien, protestiren gegen die Wahl des Abg. Bonaventura Szeleszczinski, weil sie sich den Landmann Michael Kilian zum Deputirten wählen wollen. Es stellt der Ausschuß einhellig den Antrag, den gegen die von der hohen Verfämmlung für unbeanständet erklärte Wahl des Abg. Bonaventura Szeleszczynski für den Bezirk Ležaysk, Rzeszower Kreises in Galizien, von mehreren Dorfgemeinden am 4. Juli 1848 erhobenen Protest als unbegründet zu verwerfen.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche dem Antrage der Commission beistimmen, mögen aufstehen. (Majorität.) Der Protest ist als ungegründet verworfen. Ein weiterer Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsetzung der 3. Lesung der Geschäftsordnung. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, zum Vortrage zu schreiten. (Der Berichterstatter Mayer besteigt die Tribune.) Der Abg. Wildner hat noch, bevor zum Vortrage geschritten wird, einen auf die Berathung der Geschäftsordnung bezüglichen Antrag angemeldet. Der Abg. Wildner hat das Wort.
Abg. W i l d n e r. Ich glaube, das die hohe Kammer, bevor zur Beratung des 8. Kapitels geschritten wird, noch einen Paragraph zum vorhergehenden Kapitel anzunehmen beliebe, und zwar als §. 50, des Inhalts: "Die Abteilungen und Ausschüsse haben zu Ende jeder Woche dem Vorstande eine kurze Anzeige ihrer Tätigkeit in derselben zu überreichen, und dieser sie in der nächsten Sitzung zu verlautbaren. " Die Gründe, die mich zu diesem Antrage bestimmt haben, sind teils im Rechte, teils in der Klugheit gegründet; im Rechte, weil wir das Mandat des Volkes haben, für dessen genaue Erfüllung wir noch dazu bezahlt werden. Das Volk hat also das Recht, diese unsere Erfüllung und genaue energische Erfüllung zu kontrollieren. Bei der Heimlichkeit der Sitzungen der Ausschüsse und Abteilungen ist eine Kontrolle nicht anders möglich, als durch diese kurze Anzeige und deren Verlautbarung. Es sprechen aber auch Gründe der Klugheit dafür; denn Vertrauen im Volke ist das Endziel, welches sich der Reichstag setzen soll, dieses Vertrauen ist aber nur dann möglich, wenn das gesammte Volk die energische Tätigkeit des Reichs Tages überblickt, diese Überblickung ist aber nicht möglich ohne Verlautbarung der Tätigkeit der einzelnen Abteilungen und Ausschüsse. Zeit kann diese kurze Anzeige nicht wegnehmen, denn wenn der Vorstand diese Anzeige sehr kurz und präcis formuliert, so ist höchstens 4 Minuten Zeit nötig, um dieselbe zu verlautbaren, und soviel Zeit sind wir schuldig, dem gesamten Volke zu widmen.
Präs. Wünscht noch Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Es meldet sich Niemand.) Der Antrag des Abg. Wildner läutet: "Die Abteilungen und Ausschüsse haben zu Ende jeder Woche dem Vorstande eine kurze Anzeige ihrer Tätigkeit in derselben zu überreichen, und diese sind in der nächsten Sitzung zu verlautbaren. " Wird der Antrag unterstützt? (Hinreichend unterstützt.) Der Herr Berichterstatter wünscht darauf zu antworten.
Abg. M a y e r. Ich muß mich bestimmt gegen diesen Antrag aussprechen. (Bravo! Bravo!) Wir sind dem Volke Rechenschaft von dem schuldig, was wir machen, aber nicht von dem, wie wir es machen. (Bravo!) Wenn wir nur Resultate liefern die dem Volke und unfern Wählern genehm sind ob wir in die Abteilungen, ob wir in die Ausschüsse gehen, wird ihnen ganz gleich sein. Die Kon trolle, was wir liefern, ist die öffentliche Sitzung Ob etwas in den Ausschüssen geliefert wird, wie es durchdebattiert wird, davon kann sich der Präsident nach dem bereits angenommenen §. 49. der Geschäftsordnung jederzeit überzeugen; der Präsiden des Hauses hat zugleich die Verpflichtung, die genaue Führung der Geschäfte zu überwachen, und ich bin überzeugt, daß jeder Präsident in Erfüllung dieser Pflicht sich auch in steter Evidenz des sen halten wird, was die Ausschüsse und Abteilungen leisten. Ein schriftliches Verzeichniß der Leistungen halte ich für ganz überflüssig, und ich glaube, daß die Zeit, welche zu ihrer Verlesung verwendet würde, eine verlorene wäre. (Bravo.)
Präs. Nachdem die Debatte geschlossen ist, werde ich mir erlauben, diesen Paragraph zur Abstimmung zu bringen; der beantragte Paragraph lautet: (wie oben) Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Paragraphes sind, wollen es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Geschieht.) Es st die Minorität, der Antrag ist verworfen.
Abg. Mayer (liest:) "Achter Abschnitt. Antrage und Gesetzesvorschläge. Jeder selbstständige Antrag eines Abgeordneten ist beim Vorstande schriftlich einzugeben. Der Antrag wird" jetzt wird folgender Zwischensatz beantragt:,, von diesem, wenn er in den Geschäftskreis eines bereits bestehenden Ausschusses einschlägt, an letzteren verwiesen, und hievon dem Reichstage in der nächsten Sitzung Nachricht gegeben. Anträge anderer Art werden nach der Zeitfolge ihrer Anmeldung vom Präsidenten "nun kommen die gedrückten Worte: "in der nächsten Sitzung verkündet, dem Antragsteller eine möglichst kürze Begründung gestattet, und hierauf ohne Zulassung einer Debatte die Unterstützungsfrage gestellt. Ein Antrag, der nicht wenigstens von 20 Mitgliedern unterstützt ist, wird hinterlegt. " Der beantragte Zwischensatz erscheint dadurch motiviert, weil ein Antrag, welcher in den Geschäftskreis eines schon bestehenden und von dem hohen Haufe gewählten Ausschusses einschlägt, zur Zeitersparniß dem Ausschüsse gleich übergeben werden soll, da der Ausschuß ohnehin über dergleichen Anträge einen Bericht vor das hohe Haus bringen muß. Der Schlußsatz wird so behandelt wie früher, nur daß die zur Unterstützung nötige Mitgliederanzahl auf 20 erhöht wurde.
Präs. Wünscht Jemand über den vorgetragen den Paragraph das Wort zu ergreifen? Nachdem Niemand das Wort ergreift, werde ich den Paragraph mit den beantragten Abänderungen zur Abstimmung bringen. (Ruf: noch einmal lesen. Es geschieht.) Diejenigen Herren, welche mit den beantragten Abänderungen und mit der vorgetragenen Fassung des ganzen Paragraphes einverstanden sind, wollen es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Der beantragte Paragraph wird angenommen.)
Abg. Mayer. "§ 48 nunmehr 51. Jeder hinreichend unterstützte Antrag ist in Druck zu legen, und unter die Mitglieder zu verteilen, worauf der Reichstag" hier beantragt die Kommission folgende Änderung: "in der nächsten Sitzung ohne Debatte beschließt, oder an die Abteilungen zur Vorberatung zu verweisen, unmittelbar in Vollberatung zu nehmen, auf bestimmte Zeit zu vertagen oder gänzlich zu verwerfen sei. ''
Präs. Verlangt Jemand über diesen Antrag das Wort? Diejenigen Herren, welche für die vorgetragene abgeänderte Fassung dieses Paragraphes sind, wollen ausstehen. (Der Paragraph ist angenommen.)
Abg. Mayer. (liest.) "§. 49 nunmehr §. 52. " Statt: "In beiden Fällen'' wird beantragt: "In den beiden ersten Fällen'' in Consequenz des früheren Paragraphes "darf die Vorberathung nicht vor Verlauf vor drei Tagen nach Vertheilung des gedruckten'' jetzt kommt "Ausschußberichtes oder Antrages'' der logischen Anordnung wegen "im Reichstage Statt finden. ''
Präs Wünscht Jemand über diesen Paragraph zu sprechen? (Niemand.) Diejenigen Herren, welche mit der beantragten abgeänderten Form des §. 49 jetzt 52 einverstanden sind, mögen aufstehen. (Majorität.) Der Paragraph ist angenommen.
Abg. Mayer. §. 50 nunmehr 53 lautet. "Von dieser Regel kann durch Beschluß des Reichstages eine Ausnahme bei Anträgen eintreten, die nur die formelle Geschäftsbehandlung betreffen, oder wenn Gefahr im Verzüge ist. '' Der weitere Theil wird weggelassen, und dafür ein eigener Paragraph vorgeschlagen.
Präs Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Ruf: den neuen Paragraph vorlesen.)
Abg. M a y e r. Der neue Paragraph, welcher §. 54 sein wird, lautet: "Ob ein Antrag wegen seiner Dringlichkeit oder Wichtigkeit vor andern früher eingebrachten Anträgen zur Berathung kommen solle, entscheidet der Reichstag ohne Debatte. ''
Präs Wünscht Jemand über die zwei Paragraphe zu sprechen? Da Niemand das Wort verlangt, so ersuche ich diejenigen Herren, welche für die Annahme des §. 53 und für die Annahme des §. 54 sind, dieß durch Aufstehen kund zu geben.
Abg. Gold mark. Ich bitte, daß jeder einzelne Paragraph zur Abstimmung gelange.
Präs Ich werde demnach zuerst den §. 53 zur Abstimmung bringen. Er lautet mit Weglassung des Schlußsatzes: "Von dieser Regel kann durch Beschluß des Reichstages eine Ausnahme bei Anträgen eintreten, die nur die formelle Geschäftsbehandlung betreffen, oder wenn Gefahr am Verzuge ist. ''
Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Paragraphes sind, mögen aufstehen. (Majorität.) Der Paragraph ist angenommen.
Es kommt nun der §. 54 zur Abstimmung. Er lautet: "Ob ein Antrag wegen seiner Dringlichkeit oder Wichtigkeit vor andern früher eingebrachten Anträgen zur Berathung kommen solle, entscheidet der Reichstag ohne Debatte. '' Der Herr Abg. Goldmark hat das Wort verlangt.
Abg. Goldmark. Ich erlaube mir nur die Anfrage an den Herrn Referenten, ob die Begründung eines solchen Dringlichkeitsantrages früher gestattet ist?
Abg. Mayer. Ich erlaube mir diese Anfrage mit Hinweisung auf den §. 50 zu beantworten.
Abg. Schuselka. Ich glaube, Herr Berichterstatter, daß diese Hinweisung nicht genüge, indem es heißt, daß die Begründung in der Zeitfolge zu geschehen habe; ein als dringlich geschilderter Antrag müßte aber sogleich zur kürzen Begründung zugelassen werden.
Abg. Mayer. Ich erlaube mir zu bemerken, daß der §. 50 wörtlich lautet: (liest ihn) also solche, die ohnehin nicht in einen Ausschuß gewiesen werden: und das muß ein solcher sein, der als dringlich erscheint. Ein solcher Antrag wird nach der Zeitfolge in der nächsten Sitzung, mithin immer einen Tag später vom Tage der Überreichung die Zeitfolge bezieht sich nur auf die Zeitfolge der Überreichung zur Sprache kommen, das heißt, wird verkündet, und dem Antragsteller eine kürze Begründung gestattet. Ich glaube, mit der Begründung des Antrages ist nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge auch eine Debatte verknüpft. Ich glaube mithin, daß der §. 50 in seiner Fassung zu verbleiben habe.
Präs. Diejenigen Herren, die für die Annahme des vorgetragenen §. 54 sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Paragraph ist angenommen.
Abg. Mayer. (Liest den §. 51 nunmehr 55 der Geschäftsordnung.) Er wird dahin zu ändern beantragt:
,, Abänderungsanträge (Zusatzanträge) können zu jeder Zeit vor dem Schlüsse der Verhandlung gestellt, vom Antragsteller begründet, und wenn sie von 20 Mitgliedern unterstützt sind, sogleich berathen werden. Dieselben müssen mit der Hauptfrage in wesentlicher Verbindung stehen, und werden dem Präsidenten schriftlich, und zwar ohne beigefügte Begründung übergeben. Der Reichstag hat das Recht, solche Anträge an die Abtheilungen zu verweisen, und die Verhandlung darüber bis zur Berichterstattung des Ausschusses abzubrechen. "
Präs. Der Abg. Brestel hat das Wort.
Abg. Brestel. Meine Herren, was die Anzahl der Mitglieder, die zur Unterstützung nothwendig sind, betrifft, so möchte ich sie nicht auf 20, sondern gerade auf 40 setzen. Ich glaube, dieß Bedürfniß ist durch die Erfahrung hinlänglich bewiesen worden, denn es sind während der Dauer des Reichstages, man kann sagen, zwei oder dreihundert Amendements gestellt worden. Solche Amendements, welche ohne die nöthige Unterstützung blieben, dürften höchstens fünf bis sechs gestellt worden sein. Es ist dadurch hinlänglich bewiesen, daß die Unterstützung immer nur zu leicht gefunden wird, und jedes Amendement, was nur einige Aussicht auf Erfolg hat, ohne weiteres die Unterstützung von 40 Mitgliedern bekommen wird.
Da nach der Anzahl der Mitglieder, die gewöhnlich in einer Sitzung anwesend sind, ohnehin zum Durch zehen eines Amendements 150 bis 160 Stimmen erforderlich sind, so wird jedes Amendement, welches nur halbwegs Wahrscheinlichkeit hat, angenommen zu werden, ohne weiteres die Unterstützung von 40 Mitgliedern finden. Dann wünsche ich recht sehr, daß die Unterstützungsfrage nicht unmittelbar, sondern vor der Abstimmung gestellt werde, weil, wenn die Unterstützungsfrage vor der Abstimmung gestellt wird, viele Amendements gar keine Unterstützung finden, die sie während der Dauer der Debatte gefunden haben würden, weil durch die Debatte sich zeigen wird, ob ein Amendement angenommen werden soll oder nicht. Ich glaube daher, die Unterstützungsfrage eines Amendements soll unmittelbar vor der Abstimmung gestellt werden. Es ist auch anderwärts üblich, und es wird die Abstimmung dadurch bedeutend erleichtert. Zu gleicher Zeit aber möchte ich bemerken, daß man für Amendements nicht unmittelbar das Recht der Begründung geben sollte, sondern, wenn es zu dem Gegenstande der Verhandlung gehört, so soll derjenige, der das Amendement stellen will, auf die gewöhnliche Weise das Wort ergreifen, und als Schluß seiner Rede das Amendement stellen. Es wird dadurch die Verhandlung abgekürzt, damit es uns nicht so wie beim Kudlich'schen Antrage geht, daß wir drei Sitzungen nach einander nichts als Begründungen von Amendements hören, und dann im Verlauf der eigentlichen Debatte alle diese Gründe von Neuem vernehmen müssen. Consequent sind die Amendements das Ergebniß der Debatte, und sollen am Ende der Debatte über den Gegenwand gestellt werden; es ist nicht nöthig, daß man dem Antragsteller das Recht gibt, über sein Amendement zu sprechen, er soll sich zur Rede melden, und am Ende seiner Rede das Amendement vorbringen.
Präs. Wollen Sie mir schriftlich diesen Austrag vorlegen. Der Abg. Szabel hat das Wort.
Abg. Szabel. Ich glaube, daß die Absicht des Abgeordneten, der vor mir gesprochen bat, bei dem Abtrage statt 20 Mitgliedern 40 zur Unierstützung eines Amendements zu verlangen, gewiß jene löbliche war, um Amendements, die vielleicht ohne Uberletzung, ohne tieferes Eingehen in die Sache gestellt worden sind, von der Debatte gewissermaßen auszuschließen. Ich kann aber seinen spätern Antrag mit der Ansicht, die ich vollkommen theile, nicht in Zusammenhang bringen. Es wird über solche gestellte Amendements die Unterstützung^frage erst nach dem Schlusse einer langen fruchtlosen Debatte vor der Abstimmung gestellt werden. Es fällt also das Notwendige hinweg, um jenes zu vermeiden. Ich stimme also mit dem Antrage des Ausschusses, daß die Anzahl der Mitglieder 20 verbleibe, überein. Es ist bekannt, daß in der Kaminer verschiedene Parteien vorhanden sind, und daß jeder Antrag, der von einem Individuum einer Partei vorgebracht wird, eine Unterstützung von 20, wie von 40 Mitgliedern finden wird. Was ich in diesem §. für noch wesentlich erachte, und worüber mir vielleicht der Herr Berichterstatter Aufschluß geben kann, wäre, daß die Amendements am Schlusse der Debatte, meiner Ansicht nach, von allen verzeichneten Rednern gestellt werden können, indem, Amendements in vorhinein zu stellen, ich nicht für nöthig erachte. Ich glaube im Gegentheile, daß im Verlaufe einer Debatte erst die Notwendigkeit eines zu stellenden Antrages sich herausstelle, und ich würde daher das Recht der Kammer sehr wahren müssen, um Anträge nicht in vorhinein annehmen zu müssen, sondern sie erst im Verlaufe der Debatte stellen zu können, und zwar erst am Schlüsse der Debatte.
Präs. Wünscht Jemand noch zu sprechen? Der Abg. Neuwall hat das Wort.
Abg. Neuwall. Ich kann nicht anders als dem Antrage, der von dem Hrn. Abg. Brestel gestellt wurde, rücksichtlich der Zahl der zur Unterstützung nöthigen Mitglieder vollkommen beitreten. Es ist höchst wünschenswerth, daß nur solche Amendements vorgebracht werden, die doch sicher sind, von einer bedeutenden Anzahl unterstützt zu werden, damit wir nicht mit Amendements, die schon in sich den Kein des Todes tragen, überflutet, und so in unseren Arbeiten gehindert werden. Dagegen müßte ich mich aber gegen den 2. Theil des Antrages desselben Herrn Abgeordneten aussprechen. Ich glaube, wenn ein Amendement vorkömmt, soll gleich die Unterstützungsfrage nach der Begründung desselben gestellt werden, denn dadurch wird jede unnütz Debatte abgeschnitten. Wenn wir erst vor der Abstimmung die Unterstützungsfrage stellen, so kann Stunden, ja Sitzungen lang darüber debattirt werden, und es fehlt die Unterstützung. Ich glaube daher, die Unterstützungsfrage müßte unmittelbar nach der Vorbringung und Begründung des Amendements am Platze sein, damit jeder unnütz Zeitverlust in vorhinein abgeschnitten werde. (Ruf: Schluß der Debatte.)
Präs. Diejenigen Herren, welche den Schluß der Debatte wünschen, wollen aufstehen. (Majorität.) Es ist kein weiterer Redner eingeschrieben, daher hat der Berichterstatter das Wort.
Abg. Mayer. Dem Herrn Abgeordneten für die Festung Olmütz kann ich zur Beruhigung sagen, daß ein Amendement jederzeit im Laufe einer gehaltenen Rede begründet werden kann, nach folgender Textirung:,, Abänderungs- und Zusatzanträge können zu jeder Zeit vor dem Schlusse der Verhandlung gestellt, von dem Antragsteller begründet n. s. w. ^ Damit ist keineswegs gesagt, daß der Antragsteller mit der Begründung anfangen, und mit der Stellung enden müsse, sondern es liegt