Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages
am 25. October 1848.
(Permanenz.)
Tagesordnung.
I. Bericht des permanenten Ausschusses.
II. Ablesung des Sitzungs-Protokolles vom 24. October.
III. Berathung über den Beschluß des Constitutions-Ausschusses wegen Vornahme neuer Wahlen für Reichstags-Mitglieder, die in Staatsämter oder höhere Gehalte treten.
IV. Bericht über Wahlacte.
V. Bericht des Petitions-Ausschusses.
VI. Berathung über das Recrutirungsgesetz.
VII. Nationalgardegesetz.
VIII. Bricht über die Reichstagsrechnungen.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Anfang um 12 Uhr Mittags.
Präs. Nach vorgenommener Zählung ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Deputirter anwesend. In Wiederaufnahme der gestern unterbrochenen Sitzung erlaube ich mir vor allem Anderen der hohen Kammer anzuzeigen, daß der Courier, welcher an den Fürsten Windischgrätz abgesandt wurde, in Bezug auf den Umstand, daß mehrere Abgeordnete angehalten und ihnen der Eintritt nach Wien verweigert wurde, die Antwort des Fürsten brachte, daß dieß auf einem Irrthum beruhen müsse, und daß alle jene Herren, welche hinreichend sich als Abgeordnete ausgewiesen hätten, ohne Anstand herein gelassen würden. Bei dieser Gelegenheit hat auch der Feldmarschall ein schriftliches Ansuchen an den Herrn Finanzminister gestellt, damit derselbe sich in sein Lager hinausbegeben möchte. Diese Zuschrift ist dem Herrn Finanz-Minister gestern Abends zugekommen; er theilte sie sogleich dem permanenten Ausschusse mit, und äußerte den Wunsch, daß auch ein Herr Abgeordneter mitgehe, damit seine Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz auch in Gegenwart eines Abgeordneten Statt finde (Bravo). Es ist der Abg. Brestel mitgegangen. Beide Herren haben sich zum Fürsten begeben, sind aber bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. — Mit Rücksicht auf diesen Umstand, ferner daß auch an mich eine sehr wichtige von mir dem permanenten Ausschusse sogleich mitgetheilte Depesche aus Olmütz angelangt ist, über welche der permanente Ausschuß noch berathet, und dießfalls das Ansuchen gestellt hat, die Sitzung bis 5 oder 6 Uhr zu unterbrechen, damit der Ausschuß bis dahin einen geeigneten Antrag zu stellen in der Lage wäre, und nachdem ich auch bemerke, daß wir nicht in der beschlußfähigen Anzahl versammelt sind, erlaube ich mir, die Sitzung bis 5 Uhr zu unterbrechen, und ersuche die Herren Abgeordneten, um 5 Uhr sich pünctlich und möglichst vollzählig einzufinden, — dieß auch den nicht anwesenden Herren Abgeordneten wo möglich bekannt zu geben.
Abg. Borrosch. Ich ersuche jeden der Herren Abgeordneten, die gerade jetzt nicht anwesenden Deputirten bei ihrer Pflicht und Ehre aufzufordern, daß sie sich ganz gewiß in der heutigen Nachmittagssitzung hier einfinden. (Ruf: Das ist Sache des Präsidenten und nicht eines einzelnen Mitgliedes.)
Präs. Ich habe es schon gethan und kann die Bitte des Abg. Borrosch nur unterstützen, indem ich die Herren Abgeordneten ersuche, die Herren, welche abwesend sind, hievon wo möglich in Kenntniß zu setzen, damit sie sich pünctlich um 5 Uhr hier einfinden möchten. — Ich erkläre die Sitzung bis 5 Uhr für unterbrochen.
(Um 3/4 auf 1 Uhr.)
Abendsitzung am 25. October 1848.
Vorsitzender: Präs. Smolka. Anfang um 3/4 auf 6 Uhr.
Präs. Nach vorgenommener Zählung ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter gegenwärtig.
Meine Herren! Seit der verhängnißvollen Zeit, als ich die Ehre habe hier den Vorsitz zu führen, hatte ich schon einmal geglaubt, Veranlassung zu haben, Sie dringend aufzufordern, Ihre ganze Aufmerksamkeit, eine ruhige und reife Würdigung einem zum Vortrage gebrachten wichtigen Gegenstande zuzuwenden. Hat die Wichtigkeit des Gegenstandes damals meine derartige Ansprache entschuldiget, so ist dieß heute in um so größerem Maße der Fall, als die mir von Seiner Majestät durch den Minister Wessenberg zugekommene Verfügung der ernstesten und wichtigsten Art ist, so zwar, daß sie mich zuverlässig für entschuldigt halten werden, wenn ich Sie dringend ersuche, die Ihnen mitzutheilende Nachricht und die darauf gegründeten Anträge des permanenten Ausschusses einer reifen, ruhigen Ueberlegung zu unterziehen, mit steter Rücksicht auf Ihren Standpunct als constituirender Reichstag. Wollen Sie sodann in Ihrer Weisheit darüber solche Beschlüsse fassen, welche Sie mit Rücksicht auf das gefährdete Wohl des Staates für die heilsamsten erachten werden. — Ich fordere den Herrn Berichterstatter auf, zum Vortrage zu schreiten.
Abg. Schuselka. Ich werde mir erlauben, zuerst einige minder wichtige Gegenstände, in der Ordnung wie wir sie zum Vortrage vorbereitet haben, vorzutragen. Es ist vom Abg. Michael Leithner aus Oberösterreich aus dem Wahlbezirke Urfahr der Betrag von 103 fl. 24 kr. zur Unterstützung mittelloser Nationalgarden und Studenten eingegangen. (Beifall.) Es hatte sich heute in der Stadt das Gerücht verbreitet und wurde deshalb die Anzeige bei uns gemacht, daß Briefpostwägen von Studenten angehalten und die Briefe auf die Universität gebracht, und dort geöffnet und gelesen wurden. Wir haben sofort über diese Anzeige an das Comité der Studenten geschickt und es aufgefordert, darüber Aufklärung zu geben, und es ist sofort vom Comité der Studenten dem Reichstags-Ausschusse folgende Zuschrift zugekommen.
"An den hohen Reichstags-Ausschuß!"
"Der gefertigte Ausschuß erklärt auf Grundlage der geehrten Zuschrift vom 15. October 1848, daß von einem Aufhalten der Post von unserer Seite keine Rede sein kann, daß auch keine Briefe auf die Aula gebracht wurden, und daher nicht geöffnet und nicht gelesen werden konnten.
"Nur Einen Fall haben wir zu bedauern, indem gestern ein Herr in Staats-Uniform von mehreren Garden und Arbeitern auf die Universität gebracht wurde sammt einem Sack, in dem Packete und Briefe nach Wahrscheinlichkeit vorhanden sein mußten. Dieser Herr hatte eine Vollmacht, die mit dem Siegel des hohen Reichstages, so wie des Finanzministers versehen war, bei sich, und versicherte uns, daß er beauftragt war, mit Fürst Windischgrätz wegen Regelung der ungünstigen Postverhältnisse Bestimmungen zu treffen.
"Der Ausschuß bedauerte den unglücklichen Mißgriff unserer Mitvertheidiger der Stadt, besänftigte den Ungestüm der Leute, die durchaus einen Spion aufgefangen zu haben glaubten, und machte es sich zur Pflicht, diesen Herrn Staatsbeamten unverletzt den Augen der Menge zu entziehen. Der Sack wurde, ohne daß derselbe eröffnet worden wäre, auf die k. k. Post gebracht. Dieß die wahre Darstellung des Vorfalles, der wahrscheinlich die Ursache zu dem Gerüchte war.
"Wien den 25. October 1848.
Ausschuß der Studenten.
Friedmann m. p.
Vorsitzender.
Ernst Sedlaczek m. p.
prov. Schriftführer."
Von dem Gemeinderathe der Stadt Wien ist folgende Adresse an den hohen Reichstag eingegangen.
"Hoher Reichstag!
"In diesen gefahrvollen Tagen, in welchen die vor Monaten errungene und ausgebildete Freiheit der Völker Oesterreichs von Neuem in Frage gestellt ist, von Neuem in Wien die Freiheit der Monarchie festgestellt und für immer neu gekräftiget werden muß, vereinigen sich die höchste Behörde des Landes, der hohe Reichstag, und der Gemeinderath der Stadt Wien in dem Bestreben, der gewaltsamen Unterdrückung der Rechte des Volkes und einer willkürlichen Beschränkung der bürgerlichen Wirksamkeit ernstgemessen entgegen zu treten.
"Der hohe Reichstag hat durch seinen denkwürdigen Beschluß vom 22. und 24. October sich in der Geschichte Oesterreichs, in der Geschichte der Freiheit verewiget. Ein schweres Gewicht ist in die Wagschale der Geschicke geworfen, und das Eisen der Kriegswehr wird sie nicht zu verrücken vermögen. Das Wort des hohen Reichstages hat Wiederhall gefunden in den Herzen der Völker im gesammten Europa. Die Bürger Wiens schaaren sich begeistert um die Vertreter der Freiheit zu Sieg oder Tod. Der Gemeinderath, erfüllt von gleichem Ernste für das Recht und die Zukunft seiner Mitbürger, fühlt sich gedrängt. Einem hohen Reichstage den Ausdruck seiner Hochachtung mit der Versicherung vorzulegen, daß er mit ungeschmälertem Vertrauen dem künftigen segensreichen Wirken des hohen Reichstages entgegensehe, und entschlossen sei, denselben mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln kräftigst zu unterstützen.
Vom Gemeinderathe der Stadt Wien, am 25. October 1848.
Stifft m. p.
Vorstand-Stellvertreter.
Sylvester m. p.
Schriftführer."
Vor Allem habe ich Bericht zu erstatten über unsere Stellung zum Feldmarschall Fürsten Windischgrätz. — Im permanenten Ausschusse wurde gestern der Vorschlag angeregt, daß es zur Abwendung so namenlosen Unheils, wie es aus einem kriegerischen Kampfe zwischen der Bevölkerung und den Heeresmassen, die vor den Thoren der Stadt aufgestellt sind, erfolgen müßte, vielleicht segenreich sein könnte, nebst einer schriftlichen Zusendung eine mündliche Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz vorzunehmen. Der permanente Ausschuß konnte auf diesen Vorschlag nicht in der Weise eingehen, daß er eine Vollmacht im Namen des Ausschusses, oder wohl gar im Namen des hohen Reichstages zu dieser Unterredung ausgestellt hätte; denn nachdem einmal vom hohen Reichstage der Beschluß gefaßt wurde, daß das Verfahren des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz ein ungesetzliches sei, so konnte von einer Unterhandlung, die mit der Vollmacht des hohen Reichstages unternommen werden sollte, nicht mehr die Rede sein. Allein der Ausschuß, von der hohen Kammer aufgestellt zur Wahrung der Sicherheit und Ordnung und im Namen des hohen Reichstages, der vom Anbeginne bis zu dieser Stunde sich bemüht hat, seiner ursprünglichen Friedenssendung getreu zu bleiben, glaubte sich verpflichtet, einen solchen Antrag auch seinerseits nicht von der Hand zu weisen, gegenüber der so großen Bevölkerung, unter welcher, ich darf es sagen, der vorherrschende große Theil aus Menschen besteht, welchen die politischen Ereignisse gänzlich fern und fremd geblieben sind, und die doch jetzt durch die politischen Ereignisse schon für den Augenblick in so große Beängstigung, jetzt schon in so große Noth gestürzt sind, und die mit jedem Tage, ja fast mit jeder Stunde des Tages den schweren und großen Gefahren zitternd entgegensehen müssen, — einer solchen Bevölkerung gegenüber hielten wir es für Pflicht der Humanität, anerkennen zu müssen, keinen Ausgleichungsweg, der möglicher Weise zum Frieden führen könnte, von unserer Mitwirkung auszuschließen. Wir haben daher dem Vorschlage Gehör gegeben, daß mit dem Fürsten Windischgrätz eine confidentielle Unterredung vorgenommen werden sollte, um ihm selber von dem wahren Sachverhalte der Zustände Wiens genaue Kenntniß beizubringen, um ihn selbst aufmerksam zu machen auf die Gefahren, die aus seinen Maßregeln, gerade für seine Partei, gerade für die Partei, die er zu vertreten sich für verpflichtet hält, kurz um menschlicher Weise auf ihn zu wirken, und die Menschlichkeit in ihm anzuregen und zu erwecken, um ihn auf die große Verantwortlichkeit aufmerksam zu machen, die er der Stadt, der Monarchie, dem Throne, ja dem gesammten civilisirten Europa gegenüber auf sich hat. Der Abg. Pillersdorff hat sich geneigt gefunden und bereit erklärt, diese Mission zu übernehmen, lediglich in confidentieller Weise, und lediglich im Interesse der Humanität, als Bürger dieser Stadt, als Mensch, um als Mensch beizutragen, daß von dieser großen Bevölkerung vielleicht irgend ein Unheil abgewendet werden könnte. Wie gesagt, der Abg. Pillersdorff ist ohne Vollmacht und nicht im Namen des Ausschusses, er ist, wohl mit Vorwissen des Ausschusses, aber lediglich in confidentieller Weise in das Lager des Fürsten Windischgrätz hinausgegangen. Der permanente Ausschuß im Einverständnisse mit dem Herrn Abg. Pillersdorff hält es für zweckmäßiger, wenn er selbst der hohen Versammlung über den Erfolg seiner Unterredung Bericht erstatten möge.
Präs. Wollen der Herr Abg. Pillersdorff selbst darüber berichten?
Abg. Pillersdorff. Sie haben gehört, meine Herren, durch die Darstellung meines Vorgängers an diesem Platze, was die Veranlassung, was der Zweck meiner Sendung in das Lager war, daß sie rein confidentieller Natur war, daß ich nicht mit einer Unterhandlung beauftragt, nicht ermächtiget war, Anträge zu stellen, ich habe mich streng innerhalb dieser Grenzen bewegt, ich habe mein Erscheinen bloß als Erscheinen confidentieller Natur nicht nur allein angesehen, sondern gleich als solches angekündigt. Ich kam nicht als ein Abgeordneter des Reichstages, nicht mit Vollmachten versehen, sondern meinem eigenen Antriebe folgend, um mich über den Stand der Dinge zu unterrichten und die Gesinnung zu erforschen, welche eine bewaffnete Macht und ihr Befehlshaber hegt, um ihre Ansichten zu erkennen, und in wie ferne dieselben feindselig sein sollten, alle meine persönlichen Kräfte, soweit ich es im Stande wäre, aufzubieten, um die Gefahr abzuwenden und die Gemüther zu beruhigen. Das die Aufgabe, die ich mir vorgesetzt habe.
Erlauben Sie mir, daß ich nun Rechenschaft gebe über das, was die Frucht meiner Unterredung war, deren Ergebniß gering, wenn nicht ein ganz mißlungenes ist, um Sie wenigstens in Kenntniß zu setzen über den Stand der Sache, und was ich gethan habe, um Nichts zu vernachlässigen, was Ihr Unheil über die Gegenwart oder Zukunft feststellen kann. Dieß war meine Aufgabe, und ich habe über den Vorgang das Wesentlichste zu meiner Erleichterung mit Notaten zu Papier gebracht.
Meine Aufgabe war, wie ich schon erwähnt habe, über den Stand der Dinge in Wien Aufklärungen zu ertheilen, die Gesinnungen des Befehlshabers zu erforschen, den Weg zur Verständigung anzubahnen, und insoferne seine Gesinnungen Gefahr für die Bevölkerung in Wien besorgen ließen, nach meinen Kräften und den mir zu Gebote stehenden Mitteln, zur möglichen Beseitigung derselben hinzuwirken. — Ich fand den Fürsten Windischgrätz unter dem Eindrucke, daß er sich einer feindlichen Stadt gegenüber befinde, und daß in dieser Stadt Ruhe und Ordnung auf eine gewaltsame Weise gestört seien. Es war mir nicht schwer, diesen Irrthum zu berichtigen, ich durfte nur die volle Ueberzeugung aussprechen, daß ich durch ein längeres und fortwährendes Hiersein und Aufenthalt die Stadt vollkommen kenne, daß Wien so wie es durch Jahrhunderte in Glück und Unglück seine Gesinnungen für Ruhe und Ordnung und Ergebenheit gegen den Kaiser stets bewährte, diese Gesinnungen nie verläugnet hat, daß Wien, so wie es sich stets durch Ordnungsliebe ausgezeichnet hat, dieser Ordnungsliebe nie entsagt hat, daß es vielmehr in den Tagen vielfältiger Volksunruhen und Gefahren diese auf eine bewunderungswürdige und beispiellose Weise bethätiget hat, daß endlich — und auf das habe ich geglaubt das größte Gewicht legen zu müssen — Wien auch sein Rechtsgefühl nie verläugnet, sondern vielmehr stets bekräftiget hat, indem auch isolirte Handlungen des Verbrechens immer dem größten Abscheu und der größten Entrüstung der Bevölkerung begegnet sind. Wien war auch endlich nach meiner innigsten Ueberzeugung nie gegen die Truppen seines Kaisers feindlich gesinnt; es erkannte sie vielmehr immer als seine Brüder und Mitbürger, und glaubte nur bei einer bedrohlichen Stellung der Truppen auf seine Vertheidigung bedacht sein, und in dieser Beziehung die entsprechenden Maßregeln ergreifen zu müssen. Diese bedrohliche Stellung und die dadurch hervorgerufenen Vertheidigungsmaßregeln zu beheben, wäre der Zweck und die Aufgabe der Vermittlung, da andere Zerwürfnisse eigentlich nicht bestehen, daß dazu nach meinen Erachten alle Behörden, alle Autoritäten, daß selbst der Reichstag dazu berufen ist, das glaubte ich als meine individuelle Ueberzeugung dem Feldmarschall nicht vorenthalten zu dürfen.
In Beziehung auf die Stellung des Reichstages, wenn ja Zweifel obwalten könnten über das, was bisher geleistet wurde, und über die Stellung, die er einnimmt, glaubte ich keinen untrüglicheren Beweis finden zu können, als das letzte Manifest des Kaisers vom 19. October. Es spricht sich auf die unzweideutigste Weise über die Billigung des Monarchen über die Vorgänge des Reichstages aus, daß in dieser Beziehung jede weitere Erörterung, jede weitere Eröffnung nicht am Platze sein dürfte, daß also daraus vollkommen begründet ist die Stellung und Aufgabe des Reichstages, wo sich die Gelegenheit einer Vermittlung ergab, zur Beseitigung eines Mißverständnisses, zur Beilegung des Zerwürfnisses nach seinen Kräften beizutragen.
Indem ich diese Betrachtungen dem Fürsten mit aller Kraft gegenwärtig hielt, mußte ich von seiner Seite mancherlei Einwendungen begegnen. Unter diesen war vorzüglich das Gefühl und die Voraussetzung, daß gegen die frühere Garnison von Wien feindselige Acte vorgefallen, und daß diesen feindseligen Acten feindselige Gesinnungen der Bevölkerung zu Grunde liegen. Ich habe schon im vorhinein auf diese Einwendungen geantwortet und glaubte mich nur auf das berufen zu können, daß während des ganzen Bestandes der Garnison in Wien früher nie Anlässe zu ähnlichen Conflicten, Zwistigkeiten und Feindseligkeiten vorgefallen sind, und nur die bedrohliche Stellung, welche die Garnison anfangs innerhalb der Linien der Stadt Wien und dann außerhalb der Linien Wiens eingenommen hat, geeignet war, der Bevölkerung Mißtrauen einzuflößen und sie auf diejenigen Maßregeln Bedacht nehmen zu lassen, welche ihre Vertheidigung nothwendig macht, ohne deßwegen angriffsweise gegen die Garnison vorzugeben. Um so mehr muß es auffallend sein, daß Wien in Belagerungszustand versetzt wurde, und daß eine solche Veranlassung den Grund eines Belagerungszustandes abgeben könnte. Ein Belagerungszustand kann nur gegen eine feindliche oder in Aufruhr begnffene Stadt in Anwendung gebracht werden. Wien war nie eine feindliche Stadt und in Wien herrscht Ordnung und Gesetz, wie Jeder sich täglich überzeugen kann. (Bravo.) Wichtig ist dabei die Betrachtung, daß dieser glückliche Zustand von Ordnung und Ruhe und Sicherheit, welcher hier herrscht und welcher wirklich nur das Werk einer Bevölkerung ist, die selbst von der Nothwendigkeit und dem Gefühle davon durchdrungen ist, daß gerade der Zustand durch das gestört werden könnte, was man glaubt gegen ihn anwenden zu müssen. Denn, wenn etwas geeignet wäre, die Ordnung und Sicherheit, welche hier besteht, zu stören, so werden gerade der Belagerungszustand und die Gefahren eines Angriffes, die mit dem Belagerungszustande verbunden sind, ihn erst herbeizuführen geeignet sein. (Beifall.) Und Sie werden sich, meine Herren, oft überzeugt haben, daß in dem Maße, als die Besorgnisse sich steigern, auch die Furcht sich steigert, daß Ruhe, Ordnung und Sicherheit gestört werden könnte.
Das mußte ich mit allem Nachdruck dem Befehlshaber derjenigen Macht, von der Wien jetzt umgeben ist, gegenwärtig halten, und ihm die Verantwortlichkeit vorhalten, welche er dadurch eingeht, wenn er das herbeiführt, was doch zu vermeiden unsere größte Pflicht und Aufgabe ist. — Fürst Windischgrätz bestritt nicht, daß die Beseitigung des Belagerungszustandes wünschenswerth sei, daß er nur ein vorübergehender Zustand sei, daß er geneigt wäre, ihn sobald als möglich zu beheben, allein daß er Bürgschaften und Sicherheiten dafür haben müsse. — Ich gestehe ihnen, daß ich in dieser Erklärung etwas Befremdliches finden mußte. Was kann eine bewaffnete Macht für Bürgschaften und Sicherheiten verlangen? Sie gibt sie sich eigentlich selbst. Selbst bei feindlichen Stellungen sehen wir, daß die einziehende Macht nichts Anderes verlangt, als daß ihr der Einzug in genügender Anzahl gestattet und daß ihr Localitäten eingeräumt werden, wobei sie gegen Angriffe geschützt sei. Für das war gesorgt; — ich kann mir also nicht denken, was eine Garnison oder ihr Befehlshaber für weitere Bürgschaften oder Sicherheiten wünschen oder erwarten kann. Dieser Punct führte nun auf Erörterungen, die mich mit einem schmerzlichen Gefühle erfüllten, indem bei der Bemerkung, daß ich mir keine Zugeständnisse denken konnte, die mit der Ehre, mit den Verhältnissen, mit dem Zwecke verträglich wären, ich verwiesen wurde auf Bedingungen, welche eine Proclamation, deren Inhalt Sie kennen, in sich schlieft. Nun sind diese Bedingungen aber nichts Anderes, als die Verletzung und Aufhebung von Zugeständnissen, die unser Monarch bereits auf die feierlichste Weise als Grundbestandtheile der Constitution sanctionirt und gewisser Maßen anticipirt hat, und welche auf so feierliche Weise verkündiget wurden, daß die Bevölkerung sie bereits als eine nicht zu entziehende Errungenschaft ansieht, und daß sie nicht geneigt sein werde, diese aufzugeben, und daß alles, was daran modificirt, beschränkt oder auf irgend eine Weise einer Abänderung unterzogen wird, lediglich nur der Gegenstand der Vereinbarung der legalen Gewalt, nämlich des Reichstages mit dem Monarchen, keineswegs aber der Gegenstand der Stipulirung eines Befehlhabers unter Beiziehung einer Besatzung zu betrachten sei, worin ich glaube in dieser Beziehung richtig Ihre Gesinnungen interpretirt zu haben. (Bravo!) Ich glaubte aus voller Ueberzeugung gesprochen zu haben, und dieß mit aller Wärme und Festigkeit dem Feldmarschall gegenwärtig halten zu müssen; ich konnte ihm dabei nicht verhehlen, daß solche Forderungen von so hohem Belange und so bedeutendem Eingriffe in das, was wir jetzt als Volkseigenthum betrachten können, um so auffallender sein müßten, als keine Aufforderung, ja selbst keine Mittheilung auf legalem Wege voraus gemacht wurde. Zwischen dem Reichstage und dem Monarchen gibt es keinen legalen Weg, als das verantwortliche Ministerium, von dem ihm bis zur Stunde keine Aufforderung, keine Erklärung zugekommen ist. — Der Fürst begegnete dem Gewichte dieser Gründe mit der Bemerkung: daß der Reichstag keine Executivbehörde ist, sein jetziges Wirken aber das einer Executiv-Autorität sei, weßhalb er auch nicht um Mitwirkung sich an den Reichstag gewendet hat, sondern die Executivbehörde als solche zu ihrer Mitwirkung aufgefordert habe. — Ich erwiederte dem Fürsten, daß sich der Reichstag nie als eine Executivbehörde benommen oder als solche gehandelt habe, daß er nichts destoweniger berufen und verpflichtet sei, die Executivgewalt zu schützen und zu unterstützen, wo die Executivgewalt eigentlich gebrochen ist und wir, und man darf sich darüber nicht täuschen, im Grunde gar nicht existirt. Es ist leiter der Zustand, der uns am meisten Besorgniß einstößt, und am nachteiligsten einwirkt, daß wir seit drei Wochen keine regelmäßige Gewalt haben, sondern als solche nur der Reichstag besteht, auf den glücklicher Weise alle Hoffnungen, alle Erwartungen, alles Vertrauen aller Theile der Monarchie sich stützen, wie er täglich Beweise erhält, und sich täglich davon zu überzeugen Gelegenheit gehabt hat. Aus dieser Stellung, aus diesem Vertrauen, welches ihm entgegen kommt, muß auch für den Reichstag die Pflicht entspringen, die Lage der Residenz, und in ihr nicht nur die Hauptstadt, sondern auch zugleich das Herz der Monarchie näher zu berücksichtigen, und durch sein thätiges Dazwischenkommen alle Leiden, Uebel und Gefahren von ihr abzulenken. Würde hier das Vertrauen und die Ordnung gestört, würde hier durch Gewaltthätigkeit der Bürgerkrieg entzündet, würde das kaiserliche Wort in Zweifel gestellt, dann ist das Vertrauen in der ganzen Monarchie erschüttert, dann ist, wir dürfen uns nicht darüber täuschen, der Bürgerkrieg in alle Theile geschleudert und zuletzt das zarteste Band gelockert, von welchem Segen und Heil und eine glückliche Zukunft allein abhängt. Dieser Pflicht und Verantwortung kann, wie ich mit aller Festigkeit gegen den Fürsten aussprach, sich Niemand entschlagen, und sie ist um so größer, je ausgedehnter die Macht ist, die in seine Hände gelegt ist. Und darum nahm ich auf das Dringendste seine Mitwirkung in Anspruch, um jede Gewaltthätigkeit zu vermeiden, und es nicht zum Aeußersten kommen zu lassen, vielmehr die Folgen abzuwenden und Handlungen, welche mit den Gesinnungen und Worten des Souverains im gröbsten Widerspruche stehen, nicht unter seinem Titel und Unterstützung seiner Vollmacht auf irgend eine Weise in Anwendung zu bringen. — Mich hat die innigste Ueberzeugung beseelt, daß wenn jetzt nicht die Hand zur Versöhnung geboten wird, und wer sich jetzt nicht bemüht, diese Versöhnung herbeizuführen, nicht den Titel eines guten Bürgers verdient. Denn wie immer die Würfel fallen mögen, so kann nur eine Kluft entstehen, über welche sich ein jammervolles Grab schließt.
Diese Vorstellungen, welche ich bemüht war gegen den Fürsten und Feldmarschall geltend zu machen, brachten ihn zuletzt zur Erklärung, daß er zu einer Unterhandlung mit einer Commission des Reichstages geneigt wäre, selbst wie er mich durchblicken ließ, sie wünsche. Natürlich reihte sich daran von meiner Seite der Wunsch, die Grundlagen für eine solche Unterhandlung zu kennen, um dadurch die Unterhandlung selbst zu erleichtern. Diese Bemühungen scheiterten jedoch, der Fürst glaute bsich darüber nicht näher auslassen zu sollen, sondern bestand immer darauf, eine Beilegung hänge nothwendig ab von der Sicherheit in Beziehung auf die ihm anvertrauten Truppen, von der Sicherheit, daß keine Gewaltthätigkeiten von keiner Seite vorfallen. Dieß würde der Gegenstand näherer Besprechung und Verständigung sein, gegen welche er nicht abgeneigt wäre, und bei der er eine Intervenirung des Reichstages selbst wünsche.
Nachdem ich diese Darstellung gemacht habe, kann ich nur mit dem Schlusse enden, indem ich meine Ueberzeugung ausspreche, daß der Gegenstand sich jetzt auf diesem Stadium befindet, ob Feindseligkeiten unternommen werden sollen, welche das Leben, Eigenthum, die Zukunft der Bevölkerung dieser Hauptstadt, vielleicht die höchsten Güter der Monarchie, auf das Spiel setzen, oder ob Unterhandlungen eingeleitet werden sollen, um in ihnen den Weg der Ausgleichung zu suchen. Sie werden mein Unheil aus der Art, wie ich Ihnen meine Verbandlungen und den Stand der Dinge auseinandergesetzt habe, bereits brathen, ich brauche es nicht näher auszusprechen. Mich beherrscht die Ueberzeugung, daß, je höher die Staatsgewalten gestellt sind, desto größer auch die Verantwortlichkeit ist, welche sie für das Leben jedes Bürgers übernehmen, daß es somit keinem Zweifel unterliegen kann, daß jeder Versuch, wenn er auch nicht von einem glücklichen Erfolge gekrönt wird, zu der Beruhigung beiträgt, nichts unterlassen zu haben, was ein großes Uebel hintanhalten und verhindern könnte.
Ich kann nicht schließen, ohne Ihnen zugleich zu bemerken, daß ich mir einen Vorwurf gemacht hätte, die Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz zu beschließen, ohne zwei der gehässigsten, feindseligsten und aufreizendsten Maßregeln zu berühren, und auf ihre Abwendung aufmerksam zu machen. Dieses sind die Sperre der Communicationen in erster Linie, und in zweiter Linie die Feindseligkeiten, welche beinahe täglich vorfallen und leider schon Menschenleben und Menschenblut gekostet haben. Was das Letztere betrifft, hat der Fürst Windischgrätz mir mit größter Bereitwilligkeit eiklärt, jeder Feindseligkeit zu entsagen, er hat auf das feierlichste versichert, er habe gleich bei seinem Eintreffen an alle Truppen den Befehl gegeben, keine Feindseligkeiten zu unternehmen, allein die Feindseligkeiten seien von der anderen Seite ausgegangen, da habe er nicht umhin können, Repressalien zu gebrauchen und gleichfalls Feindseligkeiten auszuüben. — Ebenso und noch mehr war mir am Herzen gelegen, die Lage einer schuldlosen Bevölkerung Wiens, welche durch eine längere Dauer der Bedrängniß und Sperre der Communication so empfindlich in allen ihren Verhältnissen berührt ist, durch die verhinderte Zufuhr von Lebensmitteln und durch die bedrohliche Gestalt, welche sie jetzt annimmt, wenn sie noch mit größerer strenge durchgeführt wird, wie wir beinahe täglich sehen, daß sie an Strenge zunimmt. Ich habe Alles geltend gemacht, um das Inhumane, Unpolitische und Unkluge dieser Maßregel gegen die Bevölkerung einer Stadt, die eigentlich das Herz der Monarchie ist, die mit ihrem Monarchen Eins ist, darzustellen, allein auch hier war ich nicht so glücklich, das zu erreichen, was ich gewünscht habe. Der Fürst Windischgrätz hat sich beschränkt zu bemerken, daß das eine nothwendige und unvermeidliche Folge des Belagerungszustandes sei, und daß diesem Zustande nur abgeholfen werden könnte durch Abwendung des Belagerungszustandes, zu welchem er im Wege der Unterhandlung die Hand zu bieten vollkommen bereit sei.
Nun habe ich Rechenschaft abgelegt über das was ich gethan habe. Ich muß wiederholen, daß ich bloß dem Impuls meiner Ueberzeugung und meiner Ansicht gefolgt bin, und daß Sie also gar nicht gebunden sind dadurch, und sich vollkommen frei bewegen können. Ich habe geglaubt, nachdem ich Ihren Verhandlungen und Ihren Berathungen beiwohne, in jenem Sinne zu sprechen, der diesen Verhandlungen entspricht; wäre es in Einzelnheiten nicht der Fall gewesen, so sind Sie an nichts, was ich erklärt habe, gebunden. Ich habe nur im confidentiellen Wege eine Verhandlung anbahnen wollen, um auf diesem Wege die Hand zu bieten, um große Uebel zu vermeiden.
(Beifall.)
Berichterst. Schuselka. Gestern Abends theilte uns der Finanzminister Krauß mit, daß er vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz eingeladen worden sei, sich in das Lager hinaus zu begeben. Der Herr Finanzminister Krauß erwiederte darauf, daß er für sich allein durchaus in keine Unterredung in Betreff der hiesigen Zustände sich einlassen könne und wolle, daß er es nur mit einem Abgeordneten der Kammer thun würde. Er stellte diese Frage auch an uns, und wir überliefen es, dem Wunsche des Herrn Finanzministers gemäß, dem eigenen und freien Entschlusse des Abg. Brestel, mit dem Finanzminister sich in das Lager des Fürsten Windischgrätz hinaus zu begeben. Die Nachrichten, die sie uns zurückbrachten, beschränken sich aus Folgendes:
Nach langer Unterredung erklärte Fürst Windischgrätz, daß er allerdings geneigt sei, eine Deputation bezüglich der Unterhandlungen zu empfangen, daß er aber jedenfalls auf die Erfüllung der in der Proclamation, die Sie kennen, gestellten Bedingungen bestehen müsse (Zischen), und daß ihm für die Erfüllung dieser Bedingungen Bürgschaft erstattet werden müsse. In einem einzigen Puncte