Pondìlí 23. øíjna 1848

volksthümliche Ministerium ernannt ist, die Reste des alten Ministeriums, wo wir deren als Vermittlungsorgane zwischen uns und der Krone bedürfen, nothwendig anerkennen müssen. Wir werden darum und werden nicht eher ablassen von unserem constitutionellen Bestreben, bis die allererste Zusicherung, die Seine Majestät der ersten Deputation dieses Reichstages gegeben, sogleiche Ernennung, oder wenigstens baldige Ernennung eines volksthümlichen Ministeriums, die Berathung aller zur Wohlfahrt des Vaterlandes ausgehenden dringenden Maßregeln mit diesem neuen volkstümlichen Ministerium, erfüllt sein wird. Den Antrag selber betreffend, wünsche ich nicht, daß gerade eine einzige Person darin als der Träger der Schuld schon in vorhinein bezeichnet werde; das können wir überhaupt nicht. Meines Wissens ist schon seit 6 Tagen die Briefpost unterbrochen worden, wenigstens habe ich keine Briefe erhalten; der Antrag würde daher besser in dieser Form gefaßt sein: man solle eine energische Erklärung geben, diese offenbarste Verletzung einer auf die Civilisation und den Verkehr Einfluß nehmenden öffentlichen Anstalt, wie das Postwesen es ist, sei ungesetzlich, dann die Aufforderung ergehen zu lassen, daß man darüber sogleich eine strenge Untersuchung anordne, wer der Schuldtragende sei, und sogleich die Veranlassung treffe, der ungehemmten Freilassung des Postwesens keine Hindernisse in den Weg zu legen, ohne sich auf irgend eine Persönlichkeit einzulassen.

Abg. Goldmark. Das was der geehrte Herr Vorredner vor mir bemerkt hat, würde sehr gut passen bei der Debatte, die ich anregen werde durch einige Anträge, die ich in Bezug auf Wessenberg stellen werde, — zu einer Zeit aber, wo sie ausgeführt werden können. Gegenwärtig aber habe ich nur meinen Antrag motivirt durch die Bemerkung, die ich geäußert habe; der Antrag selbst wurde ohne Bemerkung hingegeben. Ich habe beantragt, den Beschluß der Kammer dem Herrn Minister, der noch in unserer Mitte ist, zur Ausführung zu übermitteln. Durch diese Bemerkung motivirte ich denselben. Ich glaube, es gehört nicht zur Sache, ob ein Minister auf diese oder andere Weise seine Stelle niederlegen könne, ob nur dann, wenn ein Gesetzvorschlag nicht angenommen wird, oder die Krone sagt: ich vertraue dir nicht mehr — und er also entlassen wird. Das sind Gegenstände, die richtig sind und zur Zeit auch zur Sprache kommen werden, gegenwärtig aber nicht am Platze sind. Ich bemerke nur, daß mein Antrag ohne Motivirung auf den Tisch des Hauses niedergelegt wurde.

Abg. Schuselka. Ich kann mich nur dem Antrage des Herrn Abg. Goldmark anschließen, und muß bei einer Maßregel, welche unmittelbar ins praktische Leben übergehen soll, sehr bedauern, daß bei der Besprechung derselben constitutionellstaatsrechtliche Theorien zum Vortrage gekommen sind. Es handelt sich darum, auf dem kürzesten Wege zum Ziele zu kommen. Dieses ist, daß wir uns an den Minister wenden, der hier ist, und dieses ist um so mehr nothwendig, da wir nicht wissen können, ob Sendungen unsererseits nach Olmütz durchkommen. Den Minister Krauß haben wir in Wien; seine Sendungen werden vom Militär auch respectirt; es ist aber eine Maßregel der Nothwendigkeit und Klugheit zugleich, daß wir uns an ihn wenden. Gegen eine in dieser Verhandlung gefallene Bemerkung, muß ich mich verwahren, als einzelner Abgeordneter. Der Abg. Goldmark hat seinen Antrag motivirt dadurch, daß er sagte, er habe für seine Person kein Zutrauen zum Minister Wessenberg; dagegen wurde bemerkt, daß das nicht constitutionell sei, daß das die Kammer nicht sage, um so weniger ein einzelner Abgeordneter. Ich glaube, jeder einzelne Abgeordnete hat das Recht zu sagen für seine Person, was er will, und was er vor seinem Gewissen verantworten kann. Und in sofern hat der Abgeordnete Goldmark das Recht gehabt, es zu sagen, und er hat nicht inconstitutionell gehandelt. Er hätte inconstitutionell gehandelt, wenn er das, was er gesagt hat, mit in seinen Antrag hineingenommen hätte. Das hat er aber nicht gethan, und es war daher überflüssig, ihm deshalb eine staatsrechtliche Lection zu geben. (Heiterkeit — Beifall.)

Abg. Pillersdorff. Meine Ansicht ist, den Antrag zu unterstützen, und ihn dahin zu stellen, daß ohne einen Minister zu nennen, man sich an das ganze Ministerium wende. Ich ging dabei von der Ueberzeugung aus, daß das Ministerium nur dasjenige sein könne, welches sich im Centrum der Regierung, also hier befindet, und daß wir uns in allen Fällen nur an dieses halten können. — Was die Erörterungen betrifft, welche zwischen zwei verehrten Abgeordneten von entgegengesetzter Seite stattgefunden haben, so kann ich das Votum, welches der Abgeordnete von der linken Seite ausgesprochen, als ein Mißtrauensvotum gegen den Minister ansehen, welches nach meiner Ueberzeugung und nach meinem Gewissen vollkommen begründet ist. (Stürmischer Beifall.) Die Gründe, die mich bei dieser Ueberzeugung leiten, sind die: weil ich glaube, daß nicht leicht ein Minister einen Monarchen so bloßgestellt hat, als derjenige, welcher sich gegenwärtig an der Seite des Monarchen befindet, und seine Signatur zu diesem höchst bedauerungswerthen Erlasse gegeben hat. (Großer Beifall). Nur diese wenigen Bemerkungen habe ich beifügen zu müssen geglaubt. (Rauschender Beifall.)

Abg. Borrosch. Was ich eher gesagt habe, ist vollkommen motivirt; es bezog sich gar nicht auf die individuelle Ansicht eines Abgeordneten, sondern auf die Aeußerung, daß wir mit jenem Minister überhaupt keine Verbindung mehr haben sollen, also ihn nicht anerkennen. Es war glaube ich auch der Ausdruck: "daß er nicht anerkannt werde" — das mußte ich constitutionell erörtern; denn wir hoben gestern mit vollem Rechte gegen diese Erklärung, gegen diese, ich habe kein Beiwort dafür (Heiterkeit) gegen diese Maßregel protestirt und diesen Protest an den Minister Wessenberg geschickt; wir haben uns auch bei den paar Deputationen seiner bedient, — ich bitte nur um Consequenz. Es waren übrigens Lectionen gar nicht beabsichtiget — (Heiterkeit) sondern Feststellung dessen, wessen man sich immer klar bewußt sein muß. Ich habe vollkommen Recht gehabt und fände es auch leicht, Beifall zu erringen, nach welchem ich aber nicht geize.

Abg. Borkowski. Ich bin vollkommen einverstanden mit dem, was der Herr Abg. Pillersdorff gesagt hat; demungeachtet schließe ich mich dem Antrage des Abg. Borrosch an, und zwar aus dem Grunde, weil wir durch den bereits gestern gefaßten Beschluß den Minister Wessenberg als solchen anerkannt haben. Es heißt nämlich ausdrücklich: "Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windischgrätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu setzen." Ich glaube, daß wenn wir den Minister Wessenberg nicht als solchen anerkennen, das ein Widerspruch mit dem gestrigen Beschlusse sein wird.

Abg. Zimmer. Wir erkennen den Minister Wessenberg vollkommen als solchen an, bezeichnen aber jene Maßregel, die Fürst Windischgrätz ergriffen hat, in Folge des Decretes, welches er contrasignirt hat, als ungesetzlich, wir erklären mithin, daß er unser Vertrauen verwirkt hat, und wenn er erscheinen wird, so werden wir ihn auch zur Rechenschaft ziehen, wir werden ihn in Anklagestand versetzen, — das kann er sich abstrahiren, der Herr Minister Wessenberg.

(Es wird der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt und angenommen.)

Abg. Violand (verzichtet auf das Wort, indem er nur dasselbe hat sagen wollen.)

Abg. Fedorowicz. Unsere Lage ist hier allgemein bekannt, aber dazu kommt noch der Umstand, daß unsere Familien, unsere Frauen und Kinder seit bereits 18 Tagen ohne alle Nachrichten von uns sind. Die Angst, in welcher sie leben, übt den nämlichen Eindruck auch auf uns aus, wir müssen also trachten, daß der Briefverkehr ungestört bleibe. Da ich aber nicht weiß, was die eigentliche Ursache der Postunterbrechung ist, ob sie hier liegt oder anderswo, ob es Schuld der Militär- oder der Civilbehörden ist, so stelle ich den Antrag generell: "Ein hohes Ministerium hat die nöthigen Schritte sowohl bei den Militär- als den Civilbehörden zu machen, damit die Posten regelmäßig zukommen und abgehen können."

Präs. Zu dem Antrage des Abg. Podlewski wurden einige Zusatz- und Verbesserungsanträge gestellt. Der Antrag des Abg. Podlewski lautet — der Eingang ist bloß eine Motivirung, ich werde ihn aber dennoch vorlesen — es heißt:

"Nachdem bereits seit 5 Tagen keine Post ans Galizien angekommen und es wahrscheinlich ist, daß die Post auf Befehl des Fürsten Windischgrätz aufgehalten wird, wodurch ungeheurer Nachtheil erwachsen kann und die Arbeiten des constituirenden Reichstages gestört werden, weil wichtige Eingaben an den Reichstag nicht einlangen können, so stelle ich den Antrag: der hohe Reichstag wolle die Herren Minister Wessenberg und Krauß auffordern, dem Fürsten Windischgrätz zu bedeuten, die Aufhaltung der Posten auch dem Militär strengstens zu untersagen, indem er widrigenfalls für alle diese Gewaltschritte und die Verletzung des Briefgeheimnisses verantwortlich gemacht werden würde."

Zu diesem Antrage hat erstens der Abg. Goldmark den Verbesserungsantrag gestellt:

"Ich beantrage, daß dieser Antrag, falls er angenommen wird, nur dem Minister Krauß zur sofortigen Ausführung übermittelt werde."

Dann liegt ein Antrag des Abg. Borrosch vor, welcher lautet:

"Das verantwortliche Ministerium um sogleiche Freigebung des gehemmten Postverkehres anzugehen, so wie um Untersuchung, wer an der bisherigen Hemmung Schuld trägt und zur Verantwortung zu ziehen sei."

Endlich ist ein Verbesserungsontrag, des Abg. Fedorovicz:

"Ein hohes Ministerium habe die nöthigen Schritte sowohl bei der Militär- als Civilbehörde zu machen, damit die Post regelmäßig zukommen und abgehen könne."

Am weitesten scheint mir der Antrag des Abg. Borrosch abzuweichen, indem er nicht bloß das Ministerium im Allgemeinen bezüglich der Verantwortlichkeit anzugehen Willens ist, sondern zugleich auch auf eine Untersuchung gegen Denjenigen anträgt, der an dieser Hemmung der Schuldtragende sei. Ich würde mir vor Allen, erlauben, den Antrag des Abg. Borrosch zur Abstimmung zu bringen.

Abg. Polaczek. Ich beantrage die Theilung der Frage, denn sie besteht aus zwei Absätzen.

Präs. Sollte dieses Amendement nicht durchgehen, so werde ich dann den Hauptantrag des Herrn Abg. Podlewski zur Abstimmung bringen und zugleich die Frage stellen, ob es auch an den Minister Wessenberg oder bloß an Seine Majestät gesendet werden solle. Ich bringe demnach die beantragte Theilung der Fragen zur Abstimmung. Der Antrag des Abg. Borrosch besteht ans zwei Theilen, nämlich aus einem Theile, wo das verantwortliche Ministerium angegangen werden soll, daß die sogleiche Freigebung des Postverkehres zu Stande komme, und aus einem zweiten Theile, welcher auf die Untersuchung und Bestrafung derjenigen anträgt, welche an dieser Hemmung Schuld tragen. (Der Antrag auf Theilung der Fragen wird unterstützt und angenommen.) Ich werde somit den ersten Theil dieses Antrages zur Abstimmung bringen. Er lautet (liest ihn). Wird dieser Antrag unterstützt? (wird unterstützt) und angenommen? (Majorität. Ebenso wird der zweite Theil des Antrages unterstützt und angenommen.) Dadurch entfallen die übrigen Anträge.

Abg. Goldmark. Ich glaube, dadurch entfällt mein Antrag nicht, und ich wünsche, daß er zur Abstimmung gebracht werde.

Präs. Der Abg. Goldmark wünscht, daß sein Amendement zur Abstimmung gebracht werde, indem er den Ausdruck "verantwortliches Ministerium" dahin erläutert haben will, daß der Minister Krauß aufgefordert werde.

Abg. Pillersdorff. Ich würde beantragen: das Ministerium, welches sich in Wien befindet.

Präs. Da dieß ein Verbesserungsantrag ist, so muß ich die Kammer befragen, ob sie es gestattet, daß er noch angenommen werde (Ruf: Ja, ja!) — Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß noch dazu geseht werde: "dem in Wien befindlichen verantwortlichen Ministerium" wollen aufstehen. (Majorität).

Als nächster Gegenstand der Berathung erscheint das Gesetz wegen Unverletzlichkeit der Reichstagsabgeordneten. In dieser Beziehung erlaube ich mir zu bemerken, daß eine Commission zusammengesetzt wurde, welche ein derartiges Gesetz entworfen hat. Auch das Ministerium hat einen eigenen Gesetzentwurf geliefert, und ich fordere den Berichterstatter dieser Commission auf, zur Berichterstattung zu schreiten.

Abg. Gredler. Ich muß als Betichterstatter bemerken, daß der Bericht bereits zehn Wochen fertig ist, und er daher jede Stunde zum Vortrage gebracht werden konnte. Dieser Gegenstand war übrigens bereits vor sechs Tagen auf der Tagesordnung und wurde nur über die Bemerkung des Abg. Borrosch ausgesetzt, daß jetzt nicht die Zeit sein dürfte, ein solches Gesetz, welches theils eine Ausnahme zu unseren Gunsten und theils Strafen wegen unserer Sicherheit ausspricht, zu berathen, so lange, bis vielleicht eine ruhigere Zeit zur Berathung von Strafgesetzen in dieser Beziehung eingetreten wäre. Ich frage nun, ob seit sechs Tagen die Zeit sich so geändert hat, daß heute mit der Berathung dieses Strafgesetzes vorgegangen werden dürfte.

Abg. Borrosch. Was ich letzthin gegen die Vornahme dieses Gesetzes gesagt habe, kann ich heute unmöglich zurücknehmen. Dem Volke gegenüber bin ich nur um so mehr in meinen das Volk richtig würdigenden und es ehrenden Annahmen bestärkt worden. Nach der Proclamation, die wir gestern als illegal erklärten, betrachte ich es nunmehr als eine Ehrensache, ein solches Gesetz nicht zu debattiren. (Beifall.)

Abg. Schuselka. Ich pflichte dem vollkommen bei; wir sind in einer solchen Stellung, daß man es jetzt in vielen Beziehungen sehr mißdeuten könnte, wenn wir zu unserem eigenen Schutze ein Gesetz erlassen. Dazu würde es den Ereignissen gegenüber, die vielleicht über uns hereinbrechen, ganz wirkungslos erscheinen. Denn entweder geht die Gewalt zum Aeußersten, und respectirt den Reichstag überhaupt nicht, dann wird sie auch nicht ein Gesetz respectiren, das der Reichstag zu seinem eigenen Schutze gemacht hat. Wir wollen das Bessere hoffen, daß die Gewalt zur Besinnung kommt und nicht das Aeußerste wagen wird. Wir wollen aber eben so besonnen und muthig sein, und die schwere Verantwortlichkeit willig und offen tragen, für das, was wir thun und sprechen, verantwortlich sein gegenüber dem Volke und gegenüber unserem eigenen Bewußtsein, und ich bitte also, den Gegenstand nicht auf der heutigen Tagesordnung zu lassen, sondern auf eine günstigere Zeit hinauszuschieben.

Abg. Pillersdorff. Ich hätte mir erlaubt, im entgegengesetzten Sinne Bemerkungen der hohen Versammlung zu machen. Ich glaube vielmehr, eine gesetzgebende Versammlung soll ruhig und besonnen in den Aufgaben fortschreiten, ohne sich durch beunruhigende Ereignisse beirren zu lassen. Der Gegenstand war an der Tagesordnung; die Tagesordnung hat nur zur Folge die Lesung des Berichtes vor der Versammlung, und es wird von uns abhängen, zu welcher Zeit wir die Berathung darüber anberaumen. Ich erkenne den Gegenstand für keinen dringenden und für keinen unverschieblichen, aber bei den gegenwärtigen Zeitverhältnissen nun gerade davon abzugehen, würde entweder als ein Mangel des Muthes oder der festen Ueberzeugung erscheinen. Da sich die hohe Versammlung dazu bestimmt hat, da sie das Ministerium aufgefordert hat, einen Entwurf zu liefern, und dieser Entwurf ein Gegenstand der Prüfung war, so wüßte ich nicht, warum sich gegenwärtig die Verhältnisse so geändert haben sollen, daß wir von diesem Beschlusse abgehen. Daß diese Versammlung nicht eine besondere Hast und Eile gezeigt hat, für ihre eigene persönliche Sicherheit zu sorgen, und wie man sich des Ausdruckes bedient hat, pro domo sua, das zeigt der Gang der Verhandlung und gerade der Umstand, daß zehn Wochen verstrichen sind, ehe der erste Schritt zur Berathung dieses Gesetzentwurfes gethan wurde, und daß also nicht persönliche Besorgnisse und Furchtsamkeit die Motive bei diesem Antrage waren; und ich würde daher meinen, daß von der Tagesordnung nicht abzugehen sei.

Abg. Goldmark. Ich habe nur dem beipflichten wollen, was so eben der verehrte Redner vor mir gesprochen hat. Ich glaube, es wird weder auf mir, noch auf den anderen geehrten Mitgliedern dieser Kammer der Verdacht der Muthlosigkeit lasten. Also ich spreche nicht für meine Person. Ich glaube, wir werden durch die Vornahme dieser Berathung auch nicht irgend ein Mißtrauenvotum gegen die hiesige Bevölkerung zeigen. Wir haben durch die Ereignisse selbst, durch die lange Dauer gesehen, mit welcher edlen Haltung die ganze Bevölkerung bis zu dem heutigen Tage sich benommen hat. Und wir haben ganz gewiß jetzt am wenigsten von Wien etwas zu fürchten. Vis a vis dem Militär aber ist es dennoch wünschenswerth, obwohl ich überzeugt bin, daß wenn die rohe Gewalt siegt, gar kein Gesetz respectirt werden wird, daß das Gesetz bis dorthin, da sie doch hoffentlich nicht in den nächsten 24 Stunden siegreich hereinbrechen werden, in Verhandlung genommen würde. Ich habe aber noch weit wichtigere Gründe, die mich bestimmt haben, sogar auf die schleunige Berathung zu dringen. Ich möchte nämlich, daß das Gesetz so bald als möglich alle Phasen, welche von der Geschäftsordnung vorgeschrieben werden, durchmachen solle, um so schnell als möglich auf legalem Wege nach Olmütz befördert zu werden. Ich möchte gerne den Herren dort oben ein wenig auf den Zahn fühlen, wie es denn heut zu Tage mit der Sanction aussieht, ob man denn irgend einem Gesetze von irgend einer Seite her Anstand macht. Deßhalb finde ich die Berathung für nothwendig, und würde auch beantragen, die Intervalle zwischen einer und der andern Lesung ein wenig kürzer zu lassen; ohne irgend ein Mißtrauensvotum gegen Jemanden der Stadt Wien auszusprechen, glaube ich dennoch auf den Fortbestand der Tagesordnung zu bestehen und für die Berathung sprechen zu sollen.

Abg. Borrosch. Gerade weil jetzt die Reaction ungleich bedrohlicher aussieht, als die Anarchie, gerade deßhalb erachte ich es für eine Ehrensache, jetzt nicht auf dieses Gesetz einzugehen. Sollte es vielleicht Märtyrer der Volksfreiheit geben, wohlan! so will ich ein solcher, wenigstens für meinen Theil, viel eher sein, als ein papierenes Schutzmäntelchen decretirt haben, was, wie gesagt, im schlimmsten Falle dennoch nicht gehalten würde. Ich habe wenigstens dann die Ehre davon, nuch keiner Illusion hingegeben zu haben. Numero 2 glaube ich, daß gerade in einer solchen Zeit eine Versammlung jedenfalls, wenigstens in vielen ihrer Mitglieder, den verschiedenartigen Gefühlen Rechnung trägt, von denen sie eben bewegt werden. Gibt es weniger muthvolle, so dürften sie geneigt sein, auf die strengsten Paragraphe einzugehen; sind sie stolz, so werden sie das Gesetz viel zu gelinde machen, wie es ausfallen würde in Zeiten, wo gar keine Besorgniß derart obwaltet. Ich erinnere Sie an die Berathung eben dieses Unverletzlichkeitsgesetzes, und zwar in einer fast entgegengesetzten Auffassung in Frankfurt. Endlich drittens eine Erprobung, ob wir die Sanction erlangen, das ist eine uns selber zugefügte Schmach. Nicht den mindesten Zweifel habe ich. Hälte ich ihn, so würde ich mir gar nicht erlauben, ihn nur zu meinem Bewußtsein gelangen zu lassen, so lange ich hier stehe; — es muß sanctionirt werden.

Präs. Es wird der Antrag auf den Schluß der Debatte gestellt. Diejenigen Herren, welche dafür sind, mögen aufstehen. (Wird angenommen.) Es sind noch vorgemerkt die Herren Wienkowski, Schuselka, Goldmark, Brestel und Cavalcabó.

Abg. Wienkowski. Nach Anhörung der Gründe, die so eben von zwei Seiten pro und contra vorgebracht wurden, muß ich mich für die Unterstützung des Antrages, den der Abg. Pillersdorff vorgebracht hat, erklären. Außer den Gründen, die er angeführt hat, und die ich vollkommen theile, erlaube ich mir nur noch nachstehenden. In dem Manifeste vom 19. ist von Seiner Majestät ausdrücklich ausgesprochen worden, daß es sein Wunsch sei, daß die Reichsversammlung noch fernerhin tage; es ist aber diesem Wunsche kein: Sanction für die Störer beigefügt worden; diese Sanction wollen wir beifügen, nicht dem Volke gegenüber, dem wir unbedingt trauen und das unseren Fortbestand wünscht, es ist den Truppen gegenüber, die sich feindlich gegen den Reichstag stellen. Und ich glaube, es bewährt nicht Muthlosigkeit, es ist in soferne nöthig, daß wir über die Verantwortlichkeit der Minister und ihrer untergebenen Beamten noch allgemeine Begriffe haben. Wir vermissen das spccielle Gesetz, nach welchem im Falle der Verantwortlichkeitserklärung verfahren werden soll. Ein solcher Antrag ist der, welchen das Ministerium uns vorgelegt hat. Um aber zu zeigen, daß es uns nicht um unsere Person zu thun ist, so möchte ich ausgeschlossen wissen von der Debatte das Gesetz, welches die Unverantwortlichkeit der Reichstagsabgeordneten in Antrag bringt, — nur das Gesetz zur Hintanhaltung gewaltsamer Störungen parlamentarischer Verhandlungen des constituirenden Reichstages. Mit der Vertagung der Berathung des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit der Mitglieder des constituirenden Reichstages vereinige ich mich vom ganzen Herzen.

Abg. Schuselka. Ich gestehe, daß ich ein solches Gesetz für eine constituirende Versammlung nicht für nothwendig halte, da der einzige Schutz, den wir als Abgeordnete haben, und haben können, der wirksamste ist: das Mandat des souveränen Volkes, welches uns geschickt hat, und die Würde, womit sie uns bekleidet haben, daß wir Vertreter des Volkes sind; und eben dieses großen Schutzes und dieser Würde wegen scheint es mir nach meiner individuellen Ansicht kleinlich, daß man sich nun zusammensetzt und zu seinem Schutze ein Gesetz erläßt. Dieses ist nach meiner Ueberzeugung. Eben so bin ich überzeugt, daß nach parlamentarischem Gebrauche es in diesem Hause dahin kommen wird, ein solches Gesetz zu berathen; daß wir es aber jetzt in diesem Augenblicke vornehmen, wo ein gesetzloser Zustand über die Stadt Wien bereits verhängt ist, wo alle gewöhnlichen ordentlichen Gesetze suspendirt sind, das könnte uns, ich wiederhole es, als Furchtsamkeit und Kleinlichkeit gedeutet werden, und ich möchte daher die hohe Versammlung dringend auffordern, in diesem Augenblicke davon abzustehen, ohne daß ich noch einmal darauf hinweisen will, daß ich einen praktischen Erfolg durchaus nicht vorhersehe. Denn entweder herrscht die Gewalt, oder das Recht. Herrscht das Recht, so werden wir nicht angefochten werden; herrscht die rohe Gewalt schrankenlos, dann wird auch unser Beschluß dieser Gewalt unterliegen. Was der Abg. Goldmark angeführt hat, hätte ich lieber nicht angeführt sehen wollen, und es ist dieß ein Beweis — um nicht Schlimmeres daraus zu schließen — nicht daß es eine Schmach gegen uns selbst sei, sondern es ist dieß ein Beweis sage ich, daß wir wirklich naive, aufrichtige Politiker sind, daß wir solche Sachen, welche geschulte Politiker sich wohl denken, aber nicht sagen, hier öffentlich vorbringen. (Heiterkeit).

Abg. Goldmark. Als ein Unterschied zwischen der vergangenen Politik, die unter den Märztagen begraben wurde, zu welcher auch die gegenwärtige gehört, betrachte ich auch wenigstens die Aufrichtigkeit in der Politik, und deßhalb werde ich auch immer in der Politik, Jedermann vis a vis, unbedingt aufrichtig sein. Ich bin überzeugt, daß die ungeschminkte Aufrichtigkeit dennoch trotz aller Hinterlist am Ende siegen wird. Aufrichtig war unser Thun, von den Märztagen bis heute, und werden diese paar stürmischen Tage vorübergehen, so dürfen wir uns dieser Aufrichtigkeit durchaus nicht schämen, und sie bereuen. Ich wollte es aber nicht bloß als Ausdruck der Majorität, sondern absichtlich directe heraussagen, weil ich mich keiner Illusion hingebe, obwohl in meinen Adern das Blut etwas rascher rollt, als in den meines geehrten Collegen, der mich einer Illusion zeihen wollte. Weil ich weiß, daß man solche Gelüste irgend wo gerne hegt, habe ich es ausgesprochen; weil ich auf der anderen Seite weiß, daß der Ausspruch: man muß sanctioniren! in gewissen Fällen eine Illusion sein kann. Uebrigens möchte ich mich nicht dem Widerspruche hingeben, und auf der einen Seite sagen, das, was wir sagen, muß unbedingt sanctionirt werden; auf der anderen Seite das Gesetz, welches hier von uns erlassen wird, als ein papierenes Schutzmäntelchen betrachten. Da ich mich keiner Illusion hingebe, da ich die wirkliche, die rohe Wirklichkeit vorgebracht habe, so glaube ich um so mehr berechtiget zu sein, zu beantragen, daß die heutige Tagesordnung, so wie sie gestern bestimmt wurde, aufrecht erhalten und wir zur Berathung des Gegenstandes, zur ersten Lesung desselben schreiten sollen.

Abg. Brestel. Ich muß mich ebenfalls dafür aussprechen, daß das Gesetz an der Tagesordnung bleibe, und verhandelt werde, weil meines Erachtens wir durchgehends in der Reihenfolge unserer Arbeiten von den äußeren Ereignissen uns gar nicht bestimmen lassen dürfen. Wir müssen gerade so vorgehen, als wenn diese Ereignisse gar nicht vorhanden wären. Nun ist es von allen Gegenständen, die vorliegen, der der älteste, welcher natürlich an der Reihe ist, man kann uns daher durchaus keinen anderen Grund unterschieben, und wir müssen handeln, ohne uns um Motive zu bekümmern, die einzelne Böswillige uns unterschieben möchten. Ich bin vollkommen einverstanden, daß wir, die wie hier sind, keines solchen Gesetzes bedürfen, namentlich dem Volke gegenüber nicht, aber ich mache die Herren aufmerksam, daß wir die abwesenden Abgeordneten aufgefordert haben, binnen 10 Tagen zurückzukehren, daß Fälle vorgekommen sind, daß einzelne Abgeordnete an diese Rückkehr verhindert worden sind. Für diese Fälle müssen wir Vorsorge treffen, für diese Fälle sind wir verpflichtet, Vorsorge zu treffen, und aus dieser Rücksicht, glaube ich, ist es nothwendig, das Gesetz zu verhandeln.

Abg. Cavalcabó. Im Wesentlichen muß ich meine Ansicht dahin aussprechen, daß es mir so ziemlich gleichgültig erscheint, ob das Gesetz, welches schon 10 Wochen zum Vortrage bereit ist, gerade im gegenwärtigen Augenblicke zur Discussion in der hohen Kammer komme oder nicht. Uebrigens muß ich mich doch der Meinung Derjenigen anschließen, die glauben, es sei nicht der zweckmäßige Moment, um die Discussion jetzt zu eröffnen. Es ist zwar allerdings wahr, daß es schon einmal auf der Tagesordnung war, und jetzt zum zweiten Mal an dir Tagesordnung ist. Aber eben so wie ein Beschluß gefaßt wurde von Seite der hohen Kammer, daß es das erste Mal von der Tagesordnung weggelassen wurde, so kann das auch heute der Fall sein, und ich würde mir nur erlauben, die hohe Kammer aufmerksam zu machen, daß wir bei solchen Beschlüssen so viel als möglich die Consequenz beobachten müssen; denn es scheint doch etwas voreilig, wenn man zum dritten Male dasselbe wieder beschließt, zweimal es von der Tagesordnung streicht, und über kurze Motivirung wieder aufnimmt. Wir werden unter den Umständen, daß uns von Seite der militärischen Macht die Belagerung Wiens und das Standrecht angekündiget wurde, uns nur den Anschein geben, als wolle die hohe Kammer durch die Berathung des Gesetzentwurfes für sich und ihre Mitglieder eine Sicherheit gegenüber solchen Maßregeln begründen. Ich muß übrigens widersprechen, daß schon in Wien alle Civil-Autoritäten aufgehört haben, worauf der Abg. Schuselka hingewiesen hat. Es ist zwar diese Maßregel angedroht, aber nachdem von Seite des hohen Reichstages gestern dagegen protestirt und dieselbe als ungesetzlich erklärt wurde, so glaube ich, hat diese Maßregel ihre Wirkung nicht erreicht, wodurch die Drohung auch nicht in Erfüllung gegangen ist. — Ich schließe mich daher vollkommen der Ansicht der Herren Abg. Borrosch und Schuselka an, die sich dahin aussprechen, daß dieses Gesetz der Unverletzlichkeit des Reichstages und seiner Mitglieder jetzt nicht vorgenommen würde, und daher aus der heutigen Tagesordnung wegzulassen sei.

Präs. Die Debatte ist geschlossen. Es hat der Abg. Borrosch den Antrag gestellt, daß der Gegenstand von der heutigen Tagesordnung gestrichen werde. Ich ersuche daher diejenigen Herren, welche dafür sind, daß dieser Gegenstand von der heutigen Tagesordnung gestrichen werde, es durch Aufstehen kund zu geben. (Majorität.)

Abg. Schuselka. Ich habe zwar den schriftlichen Antrag nicht gestellt, aber wohl im Laufe meiner Rede, daß der Gegenstand nicht nur von der heutigen Tagesordnung gestrichen, sondern bis auf eine ruhigere Zeit vertagt werde, damit wir nicht in den Fall kommen, daß er in drei Tagen wieder an die Tagesordnung komme, wie es jetzt geschah. Ich beantrage daher nochmals, daß während dieses Kriegszustandes der Gegenstand nicht zur Berathung gebracht werde.

Abg. Borrosch. Die Erklärung, daß der Entwurf auf eine ruhigere Zeit zu verschieben sei, schließt die Erklärung in sich, daß ein unruhiger Zustand sei. Ich denke, wir vertagen ihn auf unbestimmte Zeit. (Heiterkeit.)

Abg. Schuselka. Soll ich meinen Antrag schriftlich einreichen?

Präs. Allerdings muß ich darauf bestehen, bemerke jedoch, daß ich den Gegenstand durch den eben gefaßten Beschluß für erlediget halte.

Abg. Umlauft. Ich beantrage über diesen Antrag die Tagesordnung. (Angenommen.)

Abg. Wienkowski. Ich beantrage Unterbrechung der Sitzung. (Angenommen.)

Präs. Ich würde beantragen, morgen um 10 Uhr die Sitzung fortzusetzen, und für die Tagesordnung würde ich beantragen, 1. den Bericht des permanenten Ausschusses, 2. die Lesung der Sitzungsprotokolle, und 3. den Bericht über die Wahlacte, wenn vielleicht etwelche da sein werden. 4. Berichte des Petitions-Ausschusses, indem sie heute nicht vorgekommen sind. 5. Die übrigen Gegenstände, die auch heute an der Tagesordnung waren.

Abg. Pillersdorff. Es wird hier seit mehreren Tagen von vielen Seiten der Wunsch ausgesprochen, in der Berathung der Grundrechte fortzuschreiten; wenn nun die Sitzung um 10 Uhr beginnt, so ist dieses unmöglich, wenn nicht wenigstens zwei bis drei Stunden gegeben sind. Ick erlaube mir daher den Antrag, daß, wenn schon öffentliche Sitzungen gehalten werden, eine spätere Stunde dazu bestimmt werde, damit die frühere Zeit auf die Berathung der Grundrechte verwendet werden könne. Ich würde daher beantragen, die Sitzung um zwei Uhr zu beginnen.

Abg. Ziemialkowski. Ich glaube es wäre passend, die Sitzungsstunde auf 10 Uhr festzusetzen, dafür würde ich aber beantragen, da ich mit der Meinung meines Herrn Vorredners ganz einverstanden bin, daß wir uns heute Nachmittag in den Sectionen versammeln.

Abg. Schuselka. Ich muß im Namen des permanenten Ausschusses ersuchen, daß eine spätere als die zehnte Stunde anberaumt werde; denn wir haben gewöhnlich erst Morgens wichtige Berathungen und werden mit dem Berichte nicht fertig; so waren wir heute damit sehr gedrängt. Ich bitte darauf Rücksicht zu nehmen, um etwa die zwölfte Stunde anzuberaumen.

Präs. Ich werde also die zwölfte Stunde bestimmen, und ersuche die Herren Abgeordneten, um 9 Uhr Früh sich in den Sectionen zur Berathung der Grundrechte zu versammeln. Der Herr Abg. Peitler wünscht, daß jene Herren, welche in den Entschädigungs-Ausschuß gewählt wurden, morgen um 9 Uhr zusammentreten.

Ich erkläre die Sitzung für unterbrochen.

(1 Uhr Nachmittag.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP