Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages
am 13. October 1848.
(Permanenz.)
Vorsitzender Präs. Smolka.
Anfang um 11 Uhr Vormittags.
Präs. Bevor zur Lesung der Protokolle geschritten wird, wünscht der Abg. Pillersdorff einen Vortrag zu halten.
Abg. Pillersdorff. Eine Besprechung mehrerer Deputirten hat die Aufforderung zur Vorlage eines Antrages zur Folge gehabt, welchen ich mir an die hohe Versammlung zu stellen erlaube. Früher erlaube ich mir einen Aufsatz der Prager Zeitung Vom 11. October vorzulesen. (Liest wie folgt:)
"Wir gefertigten Reichstagsdeputirten ersuchen unsere parlamentarischen Meinungsgenossen aller im Reichstage vertretenen österreichischen Länder zu einer Besprechung über die zur Sicherung der parlamentarischen Verbandlungsfreiheit und der ungefährdeten Existenz des constituirenden Reichstages im Interesse der Gesammtmonarchie zu treffenden Maßregeln, sich am 20. October d. J. zu Brünn in Mähren zuverlässig einzufinden.
Prag am 10. October 1848.
Palacky, Pinkas, Rieger, Tyl, Stanek, Hamernik, Kral, Kratochwil, Schönhansl, Nebesky, K. Hawlicek, Pulpan, Reichert, Wieznicky, Sediwy, Kaubek, Jelen, Stiebitz, Wocel, Brauner."
Ich erlanbe mir nun den Antrag abzulesen, den zu stellen ich mich verpflichtet fühle:
"Der Reichstag beschließt mit Rücksicht auf die im constitutionellen Blatte Vom 11. dieses enthaltene Aufforderung einiger böhmischen Abgeordneten:
"Der Reichstag hat unter den Ereignissen der letzten Tage seine Berathungen unter Beobachtung aller legalen Formen nie unterbrochen.
"Er ist die einzige legale constituirende und gesetzgebende Autorität.
"Die überwiegende Mehrzahl hat ihrer Pflichten eingedenk, ihre Plätze nie verlassen, und ihre Aufgabe erfüllt, ohne sich durch irgend ein Hindernis beirren zu lassen, die Verhandlungen ununterbrochen fortzusetzen.
"Der Reichstag hat alle abwesenden Mitglieder aufgefordert, ungesäumt ihrer Verpflichtung gegen ihre Committenten und gegen die Gesammtmonarchie nachzukommen Diese Pflichten können nur hier im Sitze des Reichstages erfüllt werden.
"Jeder Versuch von Abgeordneten oder andern Individuen, sich an einem oder anderen Ortes zu versammeln und Beschlüsse zu fassen, welche nur dem Reichstage zustehen, ist ungesetzlich und ungiltig.
"Der Reichstag erklärt daher auch jede Ausforderung zu diesem Zwecke als null und nichtig, und protestirt vorhinein, gegen alle allfälligen Beschlüsse, und macht die Urheber und Theilnehmer an denselben für alle Folgen verantwortlich.
(Anhaltender Beifall.)
"Das Ministerium wird aufgefordert, diesen Beschlüssen alsogleich die ausgedehnteste Publicität auf dem geeigneten Wege zu geben."
Ich glaube, meine Herren, zur Unterstützung dieses Antrages nichts anders beifügen zu können, als daß es nothwendig ist, schnell, entschieden und unzweideutig zu handeln. (Beifall.)
Präs. Kann ich die Acclamation als Annahme dieses Antrages annehmen? (Es erhebt sich die ganze Versammlung unter dem Rufe: Ja! Ja!) Ich ersuche die Herren Schriftführer zur Ablesung der gestrigen Protokolle zu schreiten, damit sie alsogleich in den Zeitungen abgedruckt werden können.
Schriftf. Cavalcabó (liest das Protokoll der Sitzung vom 12. October.)
Präs. Ist gegen die Fassung des Protokolles etwas einzuwenden?
Abg. Wienkowski. Ich wünschte, daß im Protokolle ersichtlich gemacht werde, daß bei der Fassung des Beschlusses über den Antrag des Abg. Dylewski der Herr Finanzminister nicht gegenwärtig war. Später erschien er und offenbarte uns Umstände die wir früher nicht wußten und nicht wissen konnten, daß nämlich schon an Zinsen der Staatsschuld gegen zehn Millionen nöthig sind; dadurch wurden wir bewogen, noch einen anderen Beschluß über den Antrag des Abg. Demel zu fassen.
Schriftf. Cavalcabó. Ich erkenne die Richtigkeit der gemachten Bemerkung vollständig an; allein ich glaube, wenn das Protokoll dem Laufe der Debatte so folgen sollte, es dann eine Art stenographischer Bericht würde. Es ist ohnehin der Antrag des Abg. Demel sammt Motivirungs ins Protokoll aufgenommen worden, obwohl eigentlich der trockene Antrag ohne Motivirung ins Protokoll gehört; aber eben um zu zeigen, daß über die Aufklärungen des Finanzministers sich der Abg. Demel bewogen gefunden habe, seinen Antrag zu stellen, habe ich die Motivirung ins Protokoll aufgenommen. Wenn aber die hohe Versammlung wünscht, daß dieser specielle Fall aufgenommen würde, werde ich gleich die Berichtigung vornehmen. Aber für jeden Fall dieß zu thun, würde die Protokollführung sehr erschweren, zumal wenn man jeden Antrag durch die ganze Folge der Debatte und Umstände, die sich ereignet haben, aufnehmen würde. Es ist dieß mehr Sache der stenographischen Berichte, die ich, wenn die hohe Versammlung es wünscht, vorlesen werde.
Abg. Wienkowski. Es handelt sich hier nicht um einen speciellen Antrag, sondern nur um den Umstand, daß bei Fassung des Beschlusses über das Amendement des Abg. Dylewski der Herr Finanzminister nicht gegenwärtig war und dann erst kam.
Präs. Ist die hohe Kammer nach beantragter und angenommener Berichtigung dieser Stelle mit der Fassung des Protokolles einverstanden?
Abg. Langie. Ich habe noch eine Bemerkung zu machen rücksichtlich des Protokolles, daß bei dem Absatze, wo von der Adresse des ungarischens Reichstages Erwähnung geschieht, nicht ausdrücklich bemerkt wurde: "unter rauschendem Beifall der Versammlung", weil es Thatsache ist.
Abg. Wiser. Ich habe es auch gedacht, aber es nicht ins Protokoll ausgenommen, weil ich glaubte, daß man es ans den stenographischen Berichten ersehen könne. Es hängt vom Beschlusse der hohen Versammlung ab, wie diese Berichte abgefaßt werden.
Präs. Wenn die hohe Versammlung wünscht, daß diese Bemerkung im Protokolle aufgenommen werde, so möge sie es durch Aufstehen kund geben. (Minorität.)
Wenn die hohe Versammlung mit der gegenwärtigen Fassung des Protokolles nach Annahme der Berichtigungen auf Antrag des Abg. Wienkowski einverstanden ist, bitte ich es durch Aufstehen kund zu geben.
Ein Abg. Wenn ich es richtig aufgefaßt habe, so ist im Protokolle auch enthalten, daß über Annahme des Antrages des Abg. Dylewski der Antrag der Commission als erlediget erklärt worden sei; mir ist von einem solchem Beschlusse nichts bekannt, im Gegentheile weiß ich, daß der Herr Präsident sich erklärt hat, die weitere Fortsetzung der Verhandlung abzuwarten, bis uns die Gegenwart des Finanzministers in die Lage setzt, einen weitern Beschluß zu fassen.
Schriftf. Cavalcabó. Ich habe nach meinen Vormerkungen, für die ich natürlich bürgen und haften kann, ausdrücklich die Worte des Herrn Präsidenten vernommen, daß wie der Antrag des Abg. Dylewski Von der hohen Versammlung durch Stimmenmehrheit angenommen war, der Herr Präsident sich geäußert hat, es sei in Folge dessen der Commissions-Antrag als erlediget anzusehen. Ich habe um so weniger Anstand genommen, dieses mir vorzumerken und in das Protokoll zu nehmen, als von Seite der hohen Versammlung dagegen keine Einsprache erhoben wurde, und ich aufrichtig gestehen muß, daß ich es ganz natürlich finde, daß, wenn ein Antrag, wo die Bewilligung einer geringen Summe beantraget wird, angenommen wird, natürlich die Bewilligung einer größern Summe dadurch ausgeschlossen wäre; denn die Herren, die einmal nur für die Bewilligung von weiteren sechs Millionen gestimmt hatten, hätten dann doch consequenter Weise nicht auch wieder für die Bewilligung der Summe von zwanzig Millionen stimmen können. Daher war ich auch nach meiner subjectiven Ansicht der Meinung, daß durch die Annahme des Dylewski’schen Antrages ganz natürlich der Commissions-Antrag erlediget werde; denn ich glaube, das wäre ein offenbarer Widerspruch gewesen, wenn sich in eine spätere weitere Bewilligung von vierzehn Millionen eingelassen worden wäre. Nach meiner Ansicht läßt sich das nicht vereinigen.
Präs. Erlauben der Herr Abgeordnete, daß ich bemerke, daß ich wirklich diese Meinung ausgesprochen habe, indessen erwiederte daran der Herr Abg. Pillersdorff, daß vielleicht der Finanzminister den Mehrbedarf sich auf eine andere Art zu verschaffen suchen dürfte, um nicht die Nationalbank bezüglich des Mehrbedarfes noch weiterhin in Anspruch zu nehmen, und da wurde eben der Antrag gestellt, den Finanzminisier zu befragen, ob er sich den Mehrbedarf auf eine andere Art verschaffen könne, worauf der Finanzminister gerufen wurde. Das ist, glaube ich, die richtige Sachlage, das könnte vielleicht in diesem Sinne abgeändert werden. Ist sonst noch etwas zu bemerken?
Diejenigen Herren, die mit dem so ammendirten Protokolle einverstanden sind (Ruf: die geänderten Stellen lesen!) wollen es durch Aufstehen anzeigen. (Geschieht.)
Das Protokoll ist angenommen, vorbehaltlich der betreffenden Stellen die noch Vorgelesen werden. Ich ersuche den Schriftf. Gleispach das zweite Protokoll zu lesen.
(Schriftf. Gleispach liest das Protokoll vom 12. October 1848 Vormittags.)
Präs. Ist etwas über das Protokoll zu bemerken?
Abg. Demel. Ich erlaube mir zu ersuchen, daß jene Stelle nochmals vorgelesen werde, wo es sich darum handelt, daß die Rieichstags-Deputirten ein besonderes Zeichen zu tragen berechtiget seien.
(Die betreffende Stelle wird gelesen.)
Ich erlaube mir zu bemerken, daß der Abg. Pillersdorff eine Medaille angetragen hat.
Schriftf. Gleispach. Ich erlaube mir dagegen zu bemerken, daß der Abg. Pillersdorff in unser aller Gegenwart sich mit dem Abg. Scherzer ins Einvernehmen gesetzt hat, und daß Abg. Scherzer die Erwähnung der Medaille nachträglich angenommen hat, und daher der geschriebene Antrag in der Art lautet, wie er hier aufgeschrieben und angenommen worden ist.
Präs. Der Herr Abgeordnete dürften vielleicht zufrieden gestellt sein?
(Das Protokoll wird nunmehr auf Befragen des Präsidenten von der hohen Versammlung genehmiget.)
Ich erlaube mir die hohe Kammer zu befragen, ob die von dem Abg. Pillersdorff im Beginne der Sitzung in Antrag gebrachte und von der hohen Kammer beschlossene Veröffentlichung auch durch die Zeitungsblätter, und sonach durch die Wiener Zeitung stattfinden solle. (Ruf: Ja!)
Abg. Wienkowski. Ich beantrage dasselbe auch durch einen Maueranschlag, durch ein Placat bekannt zu geben.
Abg. Dylewski. Ich frage den Herrn Präsidenten, ob er den Antrag des Abg. Wienkowski berücksichtiget hat?
Abg. Wienkowski. Es ist der Antrag des Abg. Pillersdorff — (unverständlich.)
Abg. Dylewski. Ich erkläre mich nicht unbedingt dagegen, denn wir wollen nur trachten, daß nicht eine Partei oder eine Abtheilung etwas Ungesetzliches begehe, aber wir wollen auch trachten, daß wir nicht Unfrieden und Feindschaft zwischen den einzelnen Gliedern der hohen Kammer hervorbringen.
Abg. Wienkowski. Ich habe meinen Antrag nicht darum gestellt, um Unfrieden oder Feindseligkeiten zu stiften, sondern um die Veröffentlichung dieses Beschlüsses möglichst zu beschleunigen, damit auch diejenigen Deputirten, die nicht im Reichstage anwesend waren, von diesem Beschlusse Kenntniß erhalten.
Abg. Hubicki. Zur Tagesordnung!
Präs. Es ist der Antrag auf Tagesordnung gestellt worden. Wird er unterstützt?
(Unterstützt und angenommen.)
Durch die Annahme des Antrages auf Tagesordnung wird der erstere Antrag beseitiget.
Schriftf. Cavalcabó (liest nochmals die ammendirten zwei Stellen des Protokolles.) — Es ist nämlich die erste Stelle dort, wo Erwähnung geschah, daß der Commissions-Antrag des permanenten Finanz-Ausschusses als erlediget anzusehen sei. Der Passus würde also folgender Weise lauten: (liest die erste Stelle.)
Die zweite Stelle, betreffend das Amendement des Abg. Demel, würde lauten: (er liest die betreffende Stelle.)
Abg. Wienkowski. Ich bitte die erste Stelle nochmals zu lesen. (Es geschieht.) Ich wünsche nur, daß auch aufgenommen werde, daß der Finanzminister uns neue Umstände bekannt gab.
Viele Stimmen: Es ist schon darin enthalten.
Präs. Nachdem das Protokoll vorbehaltlich dieser Verbesserungen genehmiget wurde, so erlaube ich mir zu einem weiteren Gegenstande überzugehen. Ich ersuche einen der Herren, welche zur Commission gewählt wurden , die die Aufgabe hat, die Adresse, welche der Herr Abgeordnete für Prag vorlegen sollte, zu prüfen, wolle mir anzeigen, ob dieß schon geschehen ist.
Abg. Pillersdorff. Die Commission hat sich noch nicht versammelt, weil der Herr Abg. Borrosch noch mit dem Entwurfe beschäftiget ist; so viel ich weiß, haben die Abtheilungen die Redactionsmitglieder bereits gewählt.
Präs. Es wurde mir angezeigt, daß der permanente Ausschuß Bericht zu erstatten haben wird, da aber bis jetzt kein Mitglied desselben anwesend ist, so ersuche ich die Wahl des ersten Vice-Präsidenten vorzunehmen. Ich ersuche die Herren Secretäre die Stimmzettel einzusammeln.
Ich werde auch in die permanente Commission senden, damit auch diejenigen Herren, welche dort anwesend sind, ihre Stimmen abgeben können.
(Das Scrutinium wird vorgenommen.)
Das Resultat ist Folgendes: Gestimmt haben 203 Mitglieder, die absolute Majorität ist 102. Der Herr Abg. Brestel hat erhalten 108 Stimmen, und ist somit zum ersten Vice-Präsidenten gewählt. Der Herr Abgeordnete
Pillersdorff 57,
Schuselka 22,
Lasser 10,
Hagenauer 2,
Ziemialkowski 1,
Smolka 1, (Gelächter)
Feifalik 1,
Borrosch 1 Stimme.
Ich ersuche nun zur Wahl des zweiten Vice-Präsidenten zu schreiten.
(Vivatruf auf der Straße, Unruhe.)
Ich bitte, meine Herren, ruhig zu sein. Es ist nur die ungarische Deputation, welche jetzt abgeht, sie wird mit Acclamation aufgenommen.
An der Abstimmung haben 196 Abgeordnete Theil genommen, es ist eine Majorität von 99 Stimmen erforderlich, die absolute Majorität hat Niemand für sich.
Ambrosch erhielt 76,
Pillersdorff erhielt 65,
Lasser erhielt 39,
Schuselka erhielt 12,
und vier Herren Abgeordnete jeder eine Stimme, es muß demnach eine neue Wahl vorgenommen werden. Nachdem mir aber Herr Abg. Schuselka gemeldet hat, daß er einen Vortrag zu machen habe, über die Arbeiten des permanenten Ausschusses, so werde ich mir erlauben, die Wahl am Abend fortzusetzen. Diejenigen Herren, welche die Adresse des Abg. Borrosch zu redigiren haben, werden ersucht, sich in das Vorstands-Bureau zu begeben.
Abg. Potocki. In einer Viertel Stunde, hat man uns gesagt.
Präs. Ich ersuche den Herrn Abg. Schuselka zum Vortrage zu schreiten.
Abg. Schuselka. Außerordentlich böswillige Gerüchte, die in den Provinzialblättern verbreitet werden, und dahin lauten, es herrsche in Wien Anarchie, Brand und Mord, welche nur dazu geeignet sein können, die Provinzen aufzuregen und das größte Unglück hervorzurufen, nämlich Spaltung und Zerissenheit in den Theilen des Reiches, veranlassen mich, im Auftrage des Ausschusses diesen Gerüchten offen entgegenzutreten. In dieser Beziehung muß ich erwähnen, daß es dem Ausschusse, der für öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wachen hat, außerordentlich leicht gewesen ist. Sicherheit und öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil das brave Volk von Wien eine ganz ausgezeichnete und vortreffliche Sicherheitswache für sich selbst ist. (Lebhafter Beifall.) Man sagt, die Sicherheit der Stadt sei bedroht, weil das sogenannte Proletariat bewaffnet ist. Man wagtes dieß auszusprechen, und doch zeigt die Erfahrung, daß seit acht Tagen dieses Proletariat bewaffnet ist, und daß dennoch eine größere Sicherheit in diesen aufgeregten Tagen in Wien herrscht, als in manchen großen Städten, wo die Ruhe herrscht und geherrscht hat. (Beifall.)
Es ist ein edles Volk, das Volk von Wien! es verdient frei zu sein, und es ist werth für diese Freiheit Waffen zu tragen. Wir haben deßhalb auch um Besorgnissen entgegen zu wirken, heute eine Proclamation erlassen, wo wir sämmtliche öffentliche Cassen, die sämmtlichen Wohlthätigkeits-Anstalten, Fonds, Institute, überhaupt das ganze öffentliche und Privat-Eigenthum, lediglich dem in den schwierigsten Verhältnissen sich glänzend bewährten Edelsinne des Wiener Volkes anvertauten, dessen schöner Wahlspruch ist, und wills Gott immer bleiben wird: "Heilig ist das Eigenthum."
Wir haben aber ferner uns veranlaßt gesehen, um diese vortreffliche Haltung des Volkes auch unsererseits für die Dauer möglich zu machen, im Einverständnisse mit dem Herrn Finanzminister die Verfügung zu treffen, daß aus den von der hohen Kammer votirten zwei Millionen, welche zur Unterstützung des kleinen Gewerbsstandes bestimmt waren, 200.000 Gulden zur Unterstützung der jetzt unter Waffen stehenden Bewohner Wiens an die Gemeindecasse verabfolgt werden. Wir haben geglaubt, ganz im Sinne des ursprünglichen Antrages und Ihres Beschlusses zu handeln, denn in der That stehen fast alle, ich darf vielleicht sagen, wirklich alle jene kleinen Gewerbe treibenden Männer jetzt unter den Waffen, und leisten mit einer Aufopferung, dle eine glänzende Rolle in der Geschichte der Völker der neuen Zeit spielen wird, den beschwerlichsten Dienst, den ein Mann für das Vaterland leisten kann. Es ist also ganz natürlich nach unserer Ansicht, daß ihnen die Unterstützung, die ihnen zugedacht war für die friedliche Entwicklung unserer Schicksale, jetzt wo diese neuerdings in Verwirrung gerathen sind, auch für diese Zeit zu Theil werde.
Wir haben vorausgesetzt, daß die hohe Kammer dieser Verfügung, die wir in vollständiger Ueberemstimmung mit dem Finanzministerium getroffen haben, ihre Gutheißung nicht versagen wird. (Bravo.)
Eine sehr schwierige Stellung hatte ihr Ausschuß dem Andrange jener kampflustigen Männer gegenüber, die, wie ich schon einmal zu bemerken hier die Ehre hatte, wir nicht mehr zurück halten können, ihren Heldeneifer zu bethätigen und fortwährend drängen, sie mögen zum Angriffe geführt werden. Wir halten uns ebenfalls für verpflichtet, diesen verhängnißvollen Gegenstand hier öffentlich zu besprechen. Wir haben unsererseits bis zu dieser Stunde alles Mögliche angewendet, um von einem solchem Unternehmen zurückzuhalten, und der wesentliche Hauptgrund dieses unseres Verfahrens besteht darin, daß wir es mit unserer Stellung, mit unserer Vollmacht, die wir von der hohen Reichsversammlung erhalten haben, mit dem feierlich und allgemein ausgesprochenen Princip, auf welchem wir fest beharren wollen, unvereinbar finden würden, wenn wir, während wir unserer Pflicht gemäß und consequent den Beschlüssen dieses hohen Hauses fortwährend bemüht sind, durch Verbindung mit Seiner Majestät dem constitutionellen Kaiser, eine friedliche Beilegung und eine friedliche Ausgleichung zu bewirken, wenn wir zu gleicher Zeit, wo wir diese Friedensunterhandlungen pflegen, irgend einen Schritt thäten, der ein kriegerischer, ein Angriff genannt werden müßte.
Wir sprechen dieses offen aus, vor der Gesammtbevölkerung, und wir werden dieses unser Princip verantworten und dafür mit unserem Leben im Nothfalle einstehen. Wir wollen nicht das System der alten Politik nachahmen, die wir gestürzt haben, wir wollen kein doppeltes Spiel spielen; unsere Politik soll aufrichtig und ehrlich sein. (Beifall.) Wir haben nebst diesem Grunde, und principiellen Grunde dieses unseres Verhaltens allerdings auch den practischen Gesichtspunct ins Auge gefaßt, und der stellt sich so dar, daß jeder Sachkundige, der mit kaltem Blute die Sache beurtheilt, einsehen muß, daß ein Angriff von unserer Seite nur zum Verderben führen könnte. Dessen ungeachtet sind wir, weil die Geschichte, weil der allmächtige Gang der Geschichte von Niemanden aufgehalten werden kann, dennoch eifrigst bemüht, für den äußersten Fall Sorge zu tragen, und erfreuen uns in diesem Bestreben einer fortwährenden kräftigen Unterstützung. So sind gestern aus dem fernen Salzburg 36 Studenten mit zwei Professoren hieher gekommen, und haben sich zur Verfügung des Reichstages gestellt, fest entschlossen, für die Freiheit des Vaterlandes ihr Leben einzusetzen. (Beifall.) Aus Steiermark ist eine Schaar von mehr als 500 bewaffneten Männern, Studenten, Nationalgarden und Arbeitern hier angekommen. (Beifall.) Es hat ihnen Schwierigkeiten gekostet, denn sie kamen auf jener Eisenbahn an, deren Endpuncte mit Militär besetzt sind, und, wie sie sagten, konnten sie nicht ohne Gefahr und Aufopferung in die Stadt gelangen; auch gaben sie die Versicherung, daß noch Andere nachkommen werden, um mit Wien entweder zu siegen oder zu sterben. (Bravo.) Zu gleicher Zeit kam eine Deputation von Olmütz und hat uns folgende Adresse mitgebracht:
"Hoher Reichstag!
"Abermals hat Wiens todesmuthige Begeisterung für den Sieg wahrer Volksfreiheit über ihre mit Schlauheit und Macht gewaffneten Feinde erfolgreich gestritten, und von dem gesammten Staate die drohende Schmälerung aller Errungenschaften des glorreichen März und Mai abgewendet.
"Der gesammte Staat blickt nur vertrauensvoll auf Euch, Vertreter des souveränen Volkes, welche den großen Augenblick richtig erfaßten und mit Klugheit und Kraft handelten, wo jedes Zögern Unglück im Gefolge haben mußte.
"Neuerdings hat eine freiheitsfeindliche Umgebung den Monarchen aus Euerer Nähe hinweggeführt, um den Bürgerkrieg, der in Wiens Mauern wüthete, auf ein noch ausgedehnteres Schlachtfeld zu verpflanzen.
"Wie in den Tagen des Mai wird es an Versuchen nicht fehlen, alle Länder Oesterreichs mit Wien, ja noch mehr, mit dem selbstgewählten Reichstage zu entzweien. Alles geht dem unabwendbaren Verderben entgegen, wenn nicht um Euch, seine Vertreter, das ganze Volk sich schaart. Auch wir wollen treu ausharren bei Euch, und darum richten wir diese Worte an Euere Versammlung. Euer Aufruf stellt das Wohl und die Freiheit des Vaterlandes, die Unverletzlichkeit des constitutionellen Thrones und Euere Beschlüsse unter den Schutz der Volkswehr.
"Die Volkswehr von Olmütz, die sich seit sieben Monaten mit Wien aufrichtig verbrüdert fühlt, und freiheitsfeindliche Lockungen zurückzuweisen entschlossen ist, nimmt auch jetzt keinen Augenblick Anstand, ihre aufrichtige Uebereinstimmung mit Euren Aufforderungen zu erklären.
"Auch Olmütz wird nicht zurückbleiben, wo es gilt, dem Siege des Geistes, der Oesterreich frei gemacht, Vorschub zu leisten.
"An Euch ist es nun, daß dieser Geist unbeirrt sein großes Werk dem heiß ersehnten Ziele zuführen könne.
"Wenn Ihr, versammelte Volksvertreter, mit der jüngst bewiesenen raschen Entschlossenheit den staatlichen Neubau, von welchem Millionen Heil und Segen erwarten, schleunigst fördert, und auf die unerschütterliche Grundlage echter Demokratie feststellt, könnt Ihr die sicherste Ueberzeugung hegen, daß nicht nur wir, sondern alle jene Millionen mit uns für Euch und Eure Beschlüsse mit Gut und Blut einzustehen bereit sind.
Olmütz den 11. October 1848.
Der Nationalgarden-Verwaltungsrath."
(Folgen die Unterschriften.)
(Diese Adresse wird mit ungetheiltem Beifall aufgenommen.)
Auch hat diese Deputation uns eine interessante Proclamation mitgetheilt, die in Olmütz und der Umgegend verbreitet wurde. (Sie lautet:)
"Proclamation.
"Die letzten Ereignisse in Wien beweisen leider einen Zustand böswillig hervorgebrachter Aufregung, welcher alle Ordnung stört, den Gesehen trotz bietet, und es unmöglich macht, Verfassung und Gesetze angemessen auszuarbeiten und das Eigenthum zu sichern. Dieser Zustand erfordert im Interesse eines jeden Staatsbürgers eine baldige Beendigung, die nur durch kräftige Maßregeln herbeigeführt werden kann. Die zu diesem Zwecke getroffenen militärischen Vorkehrungen sollen daher keineswegs die von Seiner Majestät unserm Allergnädigsten Kaiser verliehenen Rechte schmälern oder rückgängig machen, sondern im Gegentheile jeden Einzelnen im Genusse derselben, und den Staat vor Anarchie zu schützen. Ich fordere daher alle rechtlich Denkenden auf, jedes hier so unbegründete Mißtrauen zu beseitigen, und durch ruhiges Verhalten die zur Förderung des allgemeinen Wohles nöthigen Maßregeln nicht zu stören.
Olmütz den 11. October 1848.
Im Auftrage Sr. Durchlaucht bes commandirenden Generalen in Böhmen, Fürsten Windischgrätz Sunstenau m. p.
FML. und Festungscommandant.
von Wyß m. p. GM."
Zu gleicher Zeit ist vom Olmützer Kreisamt eine Kundmachung ergangen; sie lautet: "Kundmachung. Z. 2029.
"Nach einem so eben eingelangten Schreiben des k. k. mährisch-schlesischen Landespräsidiums vom 10. d. M., Z. 6256, werden Seine Majestät der Kaiser auf einige Zeit das Hoflager nach Olmütz verlegen.
"Hievon beeilt man sich die Bewohner dieser Hauptstadt in die Kenntniß zu setzen.
"Olmützer k. k. Kreisamt am 11. October 1848.
Mercandin m. p.
k. k. Hofrath."
Ferner, um dieses gleich anzuknüpfen, ist an das Ministerium des Innern auch durch telegraphische Depesche die Nachricht gekommen.
"Seine Majestät der Kaiser werden am 14. dieses in Olmütz eintreffen."
Vom Abg. Löhner haben wir zwei telegraphische Depeschen erhalten. Er befindet sich in Brünn. Die erste lautet:
"Brünn ist nach meiner Ueberzeugung völlig ruhig. — Lazansky hat zweihundert Garden sammt Musik als Ehrenwache zum Kaiser nach Selowitz geschickt, er hat also ihrer hier offenbar genug. — Mayer und die anderen Mährer sind zum Kaiser."
Dann kam eine telegraphische Depesche mit der kurzen Anfrage: "Ist der Reichstag noch vollzählig?" Wir haben die entsprechende Antwort gegeben. Nun haben wir heute vom Grafen Auersperg, dem Commandirenden, als Nachtrag unserer letzt gepflogenen Correspondenz eine Zuschrift mit der Mittheilung vom Banus Jellaèiè bekommen. Die hohe Versammlung erinnert sich noch, daß wir im Einklange mit dem Ministerium in der letzten Zuschrift den commandirenden General aufgefordert haben, eben als Commandirender von Niederösterreich den einzigen Weg zur Beruhigung der Stadt dahin einzuschlagen, dem Banus Jellaèiè den Befehl zu ertheilen, sich zurückzuziehen.
Damals hatte der commandirende General geantwortet, er könne dieses nicht sofort verfügen, sondern müsse sich erst mit dem Banus Jellaèiè in's Einvernehmen setzen. Als er hierauf uns seinen Abmarsch ankündigte, machte er von einer Conferenz mit Jellaèiè keine Erwähnung. Sie folgt erst heute ziemlich spät nach. Sie lautet:
"An Seine des k. k. Herrn geheimen Rathes und Finanzministers Baron Krauß, Excellenz. Im Nachhange meiner gestrigen Erwiederung habe ich die Ehre, Euer Excellenz in der Nebenlage die so eben erhaltene Antwort des Feldmarschall-Lieutenants und Banus von Croatien Baron Jellaèiè hinsichtlich des demselben bekannt gegebenen Ansinnens Euer Excellenz, zum Abzuge mit seiner Armee, ergebenst zu übermitteln.
"Inzersdorf am 12. October 1848.
Graf Auersperg m. p. F.M.L."
"Seiner des Herrn commandirenden Generalen in Nieder-Oesterreich. Feldmarschall-Lieutenants Grafen von Auersperg. Excellenz.
Hauptquartier Roth-Neusiedl am 12. October 1848.
In Erwiederung der geschätzten Mittheilung vom 11. d. habe ich die Ehre Eurer Excellenz Folgendes zu eröffnen.
In meinem mir gewordenen Auftrage handelnd, brachten es die Rücksichten auf rein militärische Operationen mit sich, daß ich mit den mir anvertrauten k. k. Truppen den Gränzen des Erzherzogthums Oesterreichs mich näherte.
Dort erfuhr ich die unseligen Ereignisse des 6. Octobers zu Wien. Daß selbe auf meine weitere Marschrichtung Einfluß nehmen, und meine jetzige Stellung verursachen mußten, werden Eure Excellenz selbst nicht verkennen, und dieß um so weniger, da ich als kaiserlich österreichischer General eine k. k. österreichische Armee commandire, und in den k. k. Ländern kein Fremdling sein kann.
Jellaèiè m. p. F. M. L. und Ban."
(Zischen.)
Wir haben auf diese Zuschrift nichts weiter zu erwiedern gehabt.
Schließlich habe ich der hohen Kammer anzuzeigen, daß vor einer halben Stunde eine Deputation aus dem ungarischen Lager vor dem Ausschusse erschienen ist, lediglich mit dem Ansuchen, ihr einen Geleitschein zu verschaffen, damit sie frei in das Lager des Grafen Auersperg, des commandirenden Generalen gelange, und demselben im Auftrage des Commandirenden der ungarischen Armee eine Depesche überreichen könne. Wir haben unserer Seits keinen Anstand nehmen zu dürfen geglaubt, diesen Geleitschein zu ertheilen, und wir haben im Einverständnisse mit dem Obercommando der Nationalgarde ihr auch eine Bedeckung mitgegeben. Sie ist so in das Lager des Grafen Auersperg abgegangen.
Präs. Aus dem Vortrage des Abgeordneten ist ersichtlich, daß der Finanzminister einverständlich mit dem permanenten Ausschusse darauf angetragen habe, daß aus jenen zwei Millionen, welche zur Unterstützung der armen gewerbetreibenden Classe in Wien bestimmt wurden, 200.000 Gulden an die Gemeindecasse zur Unterstützung der jetzt unter den Waffen stehenden mittellosen Gardisten verwendet werden können.
Verlangt Jemand in Bezug auf diesen Antrag das Wort zu ergreifen? (Ruf nach Abstimmung. Wird einstimmig angenommen.)
Abg. Ambrosch. Ich glaube es bedarf keiner neuen Bestätigung über den Antrag des Herrn Berichterstatters, daß in den Provinzen die gefährlichsten Gerüchte ausgestreut sind, und das Band, welches dieselben an Wien und Oesterreich knüpft, gelockert wird; mit Bedauern muß ich der hohen Kammer hier anzeigen, daß auch in die südslavischen Provinzen, nach Krain, diese üble Idee gedrungen, und so wie ich eben aus einem vorliegenden Blatte entnehme, selbst die Rechtlichkeit des Reichstages in Zweifel gestellt worden ist, indem es darin heißt: "Wir hoffen, daß die Provinzen nicht zulassen werden, den nicht gesetzlichen Reichstag schalten und walten zu lassen, und daß die Commissäre die allenfalls hergeschickt werden, so empfangen werden dürften, wie sie es verdienen." (Zischen.)
Meine Herren! ich habe im Privatwege dieses Gerücht zu entkräftigen getrachtet, ich trage aber an, daß die hohe Versammlung beschließe, auch noch ämtliche Erklärungen in die Provinzen zu übersenden, damit diese Wühlereien alldort unterdrückt, und das Band, welches die Provinzen an Oesterreich und Wien geknüpft hat, befestiget werde. (Beifall.)
Ich bitte über diesen Umstand Berathung zu pflegen.
Präs. Also der Herr Abgeordnete beantragen eine Proclamation in dieser Beziehung zu erlassen?
Abg. Ambrosch. Ja, an die Gubernien.
Präs. Wollen Sie diesen Antrag schriftlich vorlegen. (Pause.)
Es wird mir eben angezeigt, daß die Adresse nicht sobald fertig sein wird, und ich würde mir daher erlauben, die Sitzung bis gegen 4 Uhr zu unterbrechen. (Ja, ja.)
Abg. Gschnitzer. Ich glaube da die, frühere Wahl zu keinem bestimmten Resultate geführt hat, so wäre es vielleicht zweckmäßig, sie jetzt fortzusetzen.
Präs. Ich fürchte nur, daß schon eine zu große Anzahl von Mitgliedern sich entfernt hat, und ich glaube, daß es zweckmäßiger ist, daß wir um 4 Uhr zusammenkommen. Die Sitzung ist bis 4 Uhr Nachmittags unterbrochen.
(Um 1 Uhr.)