Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages,
am 10. October 1848
(Permanenz.)
Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.
Anfang um 1 Uhr Mittags.
Vice-Präs. In Fortsetzung der gestern Abends unterbrochenen Sitzung, werde ich mir erlauben, der hohen Kammer einige Mittheilungen zu machen, sodann werden die rückständigen Protokolle noch vorgelesen werden, damit sie zufolge Kammerbeschlusses so bald als möglich in der Wiener Zeitung erscheinen. Ferner werde ich mir erlauben, in Bezug der neuen Steuer-Ausschreibung hinsichtlich eines vorgekommenen geringfügigen Anstandes an die hohe Kammer eine Anfrage zu stellen. Ferner wird der Sicherheitsausschuß über das bis nun Vorgefallene Bericht erstatten.
Was nun die Mittheilungen anbelangt, so zeige ich vor allem Anderen an, daß der Abg. Catinelli seine Dimission überreicht hat. Sie lautet: "Hohe Reichsversammlung! Der Gefertigte glaubt, daß sein Mandat für Görz durch die eingetretenen Verhältnisse zu Ende sei, und es ihm nicht zustehe, länger im Reichstage zu sitzen."
Nachdem es jedem Abgeordneten frei steht, sein Mandat zurückzulegen, so glaube ich, daß das Ministerium angegangen werde, eine neue Wahl auszuschreiben, falls die hohe Kammer mit meiner Ansicht sich vereiniget.
Ferner liegt hier noch eine Eingabe des Abg. Teltschick folgenden Inhaltes vor:
"Hohes Reichstags-Präsidium!
Der gefertigte Abgeordnete aus dem Wahlbezirke Fulneck, Prerauer Kreises in Mähren, erstattet dem hohen Reichstagspräsidium die Anzeige, daß er erkrankt und dadurch verhindert sei, den Reichstagsverhandlungen beizuwohnen, und ersucht das hohe Reichstagspräsidium dieß zur Kenntniß zu nehmen."
Ich glaube es genügt, wenn diese Eingaben zur Kenntniß genommen werden. (Die Kammer erklärt sich damit einverstanden.)
Ich ersuche nun den Herrn Schriftführer, die Protokolle vorzulesen. (Die Protokolle vom 9. October werden verlesen und anstandslos angenommen.)
Der Herr Schriftführer Cavalcabó wird in Bezug auf den von mir angezeigten Anstand einen Vortrag halten.
Schriftf. Cavalcabó. Bei den Sitzungen am 4. und 5. October wurde die zweite Lesung des Steuergesetzes vorgenommen und die am 7. October stattgehabte dritte Lesung einhellig angenommen, ohne daß diese dritte Lesung in einzelnen Absätzen geschehen ist, weil vorausgesetzt wurde, die Lesung der einzelnen Absätze sei schon bei der zweiten Lesung bei der Debatte vorgenommen worden, und zwar am 4. und 5. October. Es hat die hohe Kammer beschlossen, daß das Vorstands-Bureau die Redaction dieses Gesetzes vorzunehmen habe.
Abg. Dylewski. Ich bitte, das Protokoll ist nicht richtig, wenn es heißt, daß es einhellig angenommen wurde. Ich wenigstens bin nicht aufgestanden.
Schriftf. Cavalcabó. Das Protokoll ist schon angenommen, ich habe es nicht geführt, aber so viel ich mich erinnere, war es doch, wenn nicht die Einhelligkeit, doch gewiß eine eminente Majorität. Nun hat sich bei der Redaction dieses Gesetzes in Bezug auf den ersten und zweiten Absatz in der Art, wie er bei der Lesung am 4. angenommen wurde, ein Anstand ergeben. Es wurde zum ersten Absatze über den Antrag des Herrn Abg. Brauner beschlossen, beizufügen, daß zwar die directen und indirecten Steuern für den ersten Semester des Verwaltungsjahres 1849 auszuschreiben seien, daß jedoch alle Weg-, Brücken- und Wassermauthen für das ganze Verwaltungsjahr ausgeschrieben werden sollen. Der zweite Absatz wurde in der Art genehmiget, daß in Bezug auf jene Zuschüsse, welche auf directe und indirecte Steuern für öffentliche Zwecke, für Communal-Ausgaben ec. gesetzt sind, diese Zuschüsse nur für den ersten Semester des Verwaltungsjahres 1849 einzuheben seien. Ich habe, damals mit der Führung des Protokolls beauftragt, diesen Widerspruch sogleich ersehen und wollte auch in dieser Richtung das Wort ergreifen, konnte aber, nachdem die Debatte über diesen Punct schon geschlossen war, nicht mehr dazu gelangen.
Ich habe mir nun vorbehalten, diesen Anstand bei der dritten Lesung zur Sprache zu bringen. Allein zur dritten Lesung ist es nicht gekommen, und ich erlaube mir daher im Auftrage des Vorstands-Bureau's, diesen Anstand der hohen Kammer zur Entscheidung vorzubringen. Es hat nämlich das Vorstands-Bureau in seinem Entwurfe dieses Gesetzes beantragt, daß für die gleiche Zeit, als die Steuerbewilligung in Bezug auf jene Steuern, die in den Staatsschatz fließen, gewährt wurde, auch in gleicher Zeit jene Zuschüsse, die für öffentliche Zwecke bestimmt sind, bewilliget werden sollen, und es ist dadurch eine Aenderung im ursprünglichen Antrage der Commission, sowie er angenommen worden ist, eingetreten; denn nach dem ersten und zweiten Absätze des permanenten Finanz-Ausschusses würden die Zuschläge unbedingt, wenn sie auf solche indirecte Steuern sich beziehen, welche im Paragraphe 1 doch für das ganze Jahr bewilliget worden, sich doch auf einen halben Semester erstrecken, denn der zweite Absatz des Commissions-Berichtes lautet:
"Zweitens. Unter Beobachtung der bestehenden Vorschriften sind die für öffentliche Zwecke gestatteten, jedoch über den gegenwärtigen Betrag auf keinen Fall zu erhöhenden Zuschläge zu den directen und indirecten Abgaben für den ersten Semester des Verwaltungsjahres 1848 nach Maß des Erfordernisses einzuheben." Und der erste Paragraph, wo es sich um die Einhebung der Steuern in die Staatscasse handelt, ist doch angenommen worden, wornach alle Weg-, Brücken- und Wassermauthen, jedoch im dermaligen Ausmaße für das ganze Verwaltungsjahr 1849 auszuschreiben seien. Bei der Sitzung am 7. October wurde auf Antrag des Finanzministers beschlossen, daß diese Ausdehnung auf das ganze Jahr auch für jene Steuern zu geschehen habe, welche im Wege der Verpachtung oder Abfindung eingebracht werden, und zwar aus dem Grunde, weil, wenn derlei Steuern nur auf ein halbes Jahr ausgeschrieben würden zu besorgen wäre, daß für den Staatshaushalt eine und eine halbe Million verloren gehen würde, somit auch dem Volke, das diese Steuern zahlen muß, verloren gehen würde. Nun hat der Vorstand geglaubt, in folgender Art den ersten und zweiten Paragraph in Einklang zu bringen. Der erste Paragraph des Gesetzentwurfes würde lauten:
"1. In Berücksichtigung der unabweisbaren Nothwendigkeit, dem Staatshaushalte die erforderlichen Mittel zu erschaffen, jedoch unter ausdrücklichem Vorbehalte der Aenderungen, welche über directe und indirecte Abgaben, nach Berathung des vorzulegenden Staatsvoranschlages und der vom Finanzministerium zu geschehenden alsogleichen Vorlage des Staatshaushaltes vom Jahre 1847 in den genauesten Details von der Reichsversammlung werden beschlossen werden, sind für den ersten Semester des Verwaltungsjahres 1849 die bisher eingeführten directen und indirecten Abgaben, alle Weg-, Brücken und Wassermauthen, sowie überhaupt diejenigen indirecten Abgaben, die durch Verpachtung und Absindung eingehoben werden, für das ganze Verwaltungsjahr 1849 im dermaligen Ausmaße auszuschreiben."
"2. Unter der Beobachtung der bestehenden Vorschriften sind die für öffentliche Zwecke gestatteten, jedoch über den gegenwärtigen Betrag auf keinen Fall zu erhöhenden Zuschläge zu den directen und indirecten Abgaben für den im ersten Paragraphe des Gesetzes festgesetzten Termin auszuschreiben."
Der Vorstand ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß die Zuschläge zu den öffentlichen Zwecken ganz gleich zu behandeln wären, wie jene Steuern, welche in den Staatsschatz fließen, zu den allgemeinen Auslagen des Staatshaushaltes, und glaubte sich diese Aenderung erlauben zu müssen, weil sonst offenbar zwischen dem ersten und zweiten Paragraphe eine Inconsequenz eingetreten wäre.
Der permanente Finanz-Ausschuß war in seinem Antrage ganz consequent, denn der permanente Finanz-Ausschuß hat unbedingt darauf angetragen, daß die Steuern überhaupt nur für den ersten Semester ausgeschrieben werden sollen. Er war ganz consequent, denn es war auch die Bestimmung im zweiten Paragraphe, daß die Zuschläge zu den öffentlichen Zwecken auch nur für den ersten Semester ausgeschrieben werden sollen.
Abg. Neuwall. Ich glaube, daß die ursprüngliche Fassung unverändert bleiben könnte, und erlaube mir dieß folgendermaßen zu begründen:
Es könnte eine Abweichung sich nur darauf beziehen, daß nämlich einige der indirecten Steuern auf ein ganzes Jahr bewilliget worden sind. Es sind dieses die Wasser-, Weg- und Brückenmauthen, wozu es keine Zuschläge gibt. Die Zuschläge finden, so viel mir bekannt ist, nur bei der Verzehrungssteuer Statt; bei dieser werden aber solche Zuschläge nur in geschlossenen Städten erhoben. In geschlossenen Städten aber gibt es weder eine Verpachtung noch eine Abfindung, sondern nur eine gewöhnliche tarifsmäßige Einhebung entweder an den Linien oder innerhalb der geschlossenen Städte an den Erzengungsständen. Ich glaube also, daß daher die ursprüngliche Fassung mit der am Samstag bei der dritten Lesung beschlossenen Erweiterung durchaus in keine Collision kommen dürfte.
Vice-Präs. Wünscht noch Jemand das Wort?
Abg. Zwikle. Ich bemerke, daß es solche Zuschläge gibt, auch da, wo derlei Steuern im Wege der Abfindung eingebracht werden, ich weiß es aus der Erfahrung.
Abg. Klebelsberg. Ich muß auch bemerken, daß selbst in geschlossenen Städten die Verzehrungssteuer durch Abfindungs-Verträge eingehoben wird, z, B. in Tirol in Innsbruck. (Abg. Neuwall: Wenn das in Tirol der Fall ist, das weiß ich nicht.) So gibt es auch Abfindungs-Verträge auf dem Lande, wo Zuschläge zu Gemeindezwecken erhoben werden. Ich glaube aber, daß der ganze Zusatz, welcher die Zuschläge für öffentliche Zwecke betrifft, die Gemeinde-Umlagen gar nicht berührt, und so hat der Antragsteller es auch verstanden. Er hat die Zuschläge für öffentliche Zwecke nur bezogen auf Landes- oder Bezirks-Anstalten, welche sich auf eine größere Corporation beziehen, nicht bloß auf Gemeinden, denn sonst wäre es traurig, wenn dieser Paragraph, sowie er stylisirt worden ist, durchginge.
Abg. Demel. Ich erlaube mir eine Anfrage zu stellen, ob unter den Zuschlägen für öffentliche Zwecke auch die Zuschläge für die Spitäler, Schubführung, Armenanstalten mitbegriffen sind, und bitte dießfalls um eine Aufklärung.
Abg. Cavalcabó. Ich kann mich in eine Auslegung des Entwurfes des Steuerverwillungs-Gesetzes nicht näher einlassen, denn die Aufgabe des Bureau's war nur, die Redaction vorzunehmen. In Bezug auf die Zuschläge für öffentliche Zwecke halte ich mich nicht für ermächtiget, in nähere Erläuterungen einzugehen; was aber die Bemerkung des Abg. Neuwall betrifft, so muß ich, wie schon einige Herren Vorredner, derselben gerade entgegen treten, daß auch bei der Einhebung von Straßen- und Brückenmauthen sehr häufig Zuschläge vorkommen, daß Locale sind, deren Ausmaß in den Bolleten, als in den Staatsfond fließend, angekündiget wird, und daß ein Theil dieser Locale gerade solche Zuschläge zu den öffentlichen Zwecken benöthiget. Was die Verzehrungssteuer betrifft, so haben schon mehrere Herren Vorredner bemerkt, daß auch bei der Verzehrungssteuer dort, wo solche Zuschläge zu öffentlichen Zwecken im Wege der Abfindung eingehoben werden, solche Zuschläge bestehen. Ich glaube nichts Weiteres anführen zu können, um den Antrag des Bureau's zu rechtfertigen.
Abg. Demel. Ich würde den Antrag stellen, daß es bei dem von der hohen Kammer gefaßten Beschlüsse: daß die Zuschläge nur auf ein halbes Jahr bewilliget werden, sein Verbleiben habe, weil ohnehin in der Constitutions-Urkunde für die Gemeindeverfassung gesorgt werden muß, wobei eine Menge Zuschläge, welche jetzt in öffentliche Cassen abgeführt werden, in die Gemeinde-Casse abgeführt werden müssen.
Vice-Präs. Wenn Niemand mehr das Wort wünscht, so werde ich die Frage zur Abstimmung bringen. Es handelt sich darum, ob die Beschlüsse wörtlich beibehalten werden sollen, welche in Bezug auf das zu erlassende Finanzgesetz am 4. und 5. dieses Monates gefaßt wurden, oder ob die Redaction des Bureau's anzunehmen sei. Diejenigen Herren, welche der Meinung sind, daß das vom 4. und 5. von der hohen Kammer angenommene Gesetz wörtlich eingehalten werde, wollen sich erheben.
Abg. Sadil. Ich bitte, am 4. und 5. wurde auch beschlossen, daß das Fictitium in Böhmen aufgehoben werde.
Schriftf. Cavalcabó. Ich erlaube mir dem Herrn Abgeordneten zu erwiedern, daß die Redaction der übrigen Puncte ganz wortgetreu nach den Beschlüssen der Kammer vorgenommen worden ist, und ich habe geglaubt, um die Aufmerksamkeit der hohen Kammer nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, nur jene zwei Anträge zur Sprache zu bringen, welche einen Anstand bei der Berathung im Bureau fanden, und in Folge der dort gefaßten Beschlüsse der hohen Kammer zur Entscheidung vorgelegt werden.
Vice-Präs. Ich werde demnach nochmals die Frage stellen, und zwar hinsichtlich des Antrages der Commission.
Abg. Dzieduszycki. Ich glaube, wir sind nicht mehr beschlußfähig.
Vice-Präs. Die Zählung kann sogleich vorgenommen werden.
Abg. Umlauft. Ich bin zwar nicht berechtiget, eine authentische Zählung vorzunehmen, aber ich habe es privatim gethan; mit den im Ausschüsse beschäftigten Mitgliedern sind 280 hier, hier in der Versammlung aber 201 gegenwärtig.
Vice-Präs. Besteht der Herr Abgeordnete noch auf die Zählung? — Es ist dieß nicht der Fall, wir können daher fortfahren. Ich werde nun den Antrag der Commission zur Abstimmung bringen, und zwar zuerst den 1. und 2. Punct lesen lassen.
Schriftf. Cavalcabó (liest den ersten Punct:) "In Berücksichtigung ec."
Vice-Präs. Diejenigen Herren, welche mit der Redaction dieses Punctes einverstanden sind, wollen aufstehen. (Majorität.)
Schriftf. Cavalcabó (liest den zweiten Punct:) "Unter Beobachtung ec."
Vice-Präs. Diejenigen Herren, welche mit der Redaction dieses Punctes einverstanden sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Wünscht die hohe Versammlung, daß ich auch die übrigen Puncte vorlesen lasse? (Nein, Nein!)
Die Herren Schriftführer haben die Zählung des Hauses vorgenommen, und es sind über 200 Mitglieder gegenwärtig. (Der Vice-Präsident verliest die Eingabe des Abg. Staudenheim, daß er durch Krankheit verhindert sei, den Sitzungen beizuwohnen.) Ich bitte den Herrn Abg. Schuselka zur Berichterstattung zu schreiten.
Abg. Schuselka. Die Nacht ist ruhig vorüber gegangen, in sofern in einem Zustande, in dem wir uns jetzt befinden, von Ruhe überhaupt die Rede seyn kann. Wir hatten Mannschaft der Municipalgarde, berittene und Fußgänger, ausgeschickt außer den Linien, um fortwährend zu recognosciren und uns von Stunde zu Stunde Bericht zu erstatten. Die Berichte lauteten dahin, daß allerdings nicht unbedeutende Truppenmassen in die Nähe Wiens heranrücken. Diese Kunde verbreitete sich auf anderem Wege auch unter die Bevölkerung, und es war daher diese Nacht über unsere schwierigste und verhängnißvollste Aufgabe, dem ungestümen Andrängen der Bewaffneten den Widerstand zu leisten, den, ich sage es offen, wir unserer Pflicht gemäß erachtet haben. Denn so sehr wir die Kampfeslust anerkennen, die die Bewaffneten immer beseelen muß, wenn sie in Waffen dastehen und auch nur die Besorgniß haben, daß der Feind einen Angriff beabsichtige, so sehr wir gewiß diese Kampfeslust getheilt hätten, und theilen würden, so sehr mußten wir in diesem Augenblicke von der Pflicht durchdrungen seyn, daß wenn wir als Sicherheitsrath, als Ordnungsbehörde dasitzen, wir uns nicht von diesem Kampfesungestüm hinreißen lassen durften zu Maßregeln, die das Gegentheil von dem herbeigeführt hätten, was beabsichtiget wurde.
Eben deßhalb konnten wir uns in dieser Nacht nicht entschließen, den Anforderungen zu genügen, den Landsturm im großen Sinne des Wortes und im großen Maßstabe aufzubieten. Wir haben allerdings anerkannt und dem gemäß beschlossen, und ich habe dieß in dem gestrigen Berichte ausgesprochen, daß es unumgänglich nothwendig sei, allen Freundschaftsversicherungen nicht vollständig, vielleicht gar nicht zu trauen (Beifall), sondern das möglichste anzuwenden, um gerüstet zu seyn, die Freiheit zu vertheidigen. (Großer Beifall.) Allein wieder eben in unserer schwierigen Stellung, niedergesetzt mit einer ungeheueren Verantwortlichkeit, in diesen Tagen für Aufrechthaltung jener Ordnung Sorge zu tragen, welche der Freiheit die einzige dauernde Grundlage geben kann, für die Aufrechthaltung jener gesetzlichen Ordnung, ohne welche die Freiheit im geringsten Falle für kurze vorübergehende Zeit einen Aufschwung nehmen kann, um unmittelbar darnach ganz niedergeworfen zu werden, — als eine solche Behörde müffen wir erkennen und aussprechen, daß es Vertheidigungsmittel geben könne und wirklich gebe, die das Gegentheil von dem bewirken, was wir wirklich durch sie bewirken wollen, die, anstatt Vertheidigungsmittel zu seyn, dazu dienen, die Möglichkeit der Vertheidigung unmöglich zu machen. Als ein solches Mittel erkannten wir für den Augenblick, in der Nacht und jetzt noch, als ein so unzuverlässiges und gefahrvolles erkannten wir die Aufbietung des Landsturmes in großem Maßstabe; denn, wenn die Tausend und Tausend Bauern, die mit aufopfernder Hingebung und dankbarer Freihertsbegeisterung sich angeboten haben, und die auch bei dem ersten Rufe wirklich erscheinen würden, ich sage, wenn wir die Verfügung getroffen hätten, und schon in dieser Stunde zehn Tausend und noch mehr Bauern in die Stadt hereingeströmt wären, ungeregelt, ohne im vorhinein für Verproviantirung und Einreihung Sorge getragen zu haben: dann sage ich, dann hätten wir eine Maßregel verfügt, für die wir verdienten vom Volke und den Freiheitsliebenden gerichtet zu werden. Wir haben diese Angelegenheit keineswegs ganz abgewiesen; denn wir erkennen es, daß der Augenblick kommen kann, wo, um unsere Streitkräfte zu verstärken, um diejenigen, welche jetzt durch Tage und Nächte fortwährend sich der Sorge und dem Schutze dieser Stadt hingeben, abzulösen und ihnen Zeit zu gönnen, ihre Kraft wieder zu sammeln, daß der Augenblick, sage ich, kommen kann, wo wir die Hilfe dieser Leute in Anspruch nehmen werden, und wir haben demgemäß auch Einleitungen und Verfügungen getroffen. Wir haben uns deßhalb mit der Nationalgarde der Umgebung bis nach Brünn hinauf in Verbindung gesetzt, wir haben durch telegraphische Nachrichten die Einleitung getroffen, daß wenn es zu dem verhängnißvollen Augenblicke gekommen ist, wo uns nichts mehr übrig bleibt, als das: "Entweder oder," daß wir dann Hilfe von außen mit Sicherheit erwarten können. Ich trage Alles dieses öffentlich vor, theils um den permanenten Ausschuß vor der hohen Versammlung, welcher er allein im legalen Sinne verantwortlich ist, und sich verantwortlich erkennt, zu rechtfertigen, eben so sehr aber auch in der aufrichtigen Anerkenntniß unserer Pflicht in diesem Zeitpuncte, durchaus nichts Geheimes zu thun, sondern vor der vollen Oeffentlichkeit Alles auszusprechen, was wir gethan haben, und allen Parteien, sie mögen heißen wie sie wollen, ehrlich ins Auge zu blicken, und ihnen zu sagen, daß wir recht wohl wissen, welche Verantwortung wir auf uns genommen haben, daß wir aber diese mit unserm Gewissen vereinigen, daß wir auch für sie unser Leben einsetzen.
Als nun der Morgen heranbrach und sich fortwährend durch Gerüchte, durch nicht völlig verbürgte Gerüchte kund gab, daß die Truppen im Schwarzenbergischen Palais und Belvedere in der Nacht bedeutend verstärkt worden sind, als uns ferner die ganz bestimmte Kunde wurde, daß die Truppen des Ban Jellaèiè sich wirklich bis Kaiser-Ebersdorf heranziehen, da mußten wir — ich betone es — als Behörde, die nicht einen Kriegsrath halten durfte, und dem gemäß keine Kriegsbefehle geben konnte, wir mußten als eine Sicherheits- und Ordnungsbehörde uns entschließen, noch einmal einen friedlichen Weg, einen friedlichen Versuch zu machen. Wir haben diesen durch folgenden Schritt gethan. Wir haben eine Commission an den commandirenden General Auersperg abgeschickt mit bestimmten von uns berathene und beschlossenen Aufträgen, Punct für Punct. Der Zweck derselben ist, die sofortige unumgänglich nothwendige Aufgebung dieser Stellung, die Einkasernirung der Truppen. Wir haben uns Mühe gegeben, in diese Commission Männer zu wählen, die nach allen Beziehungen hin genügend seyn dürften; wir haben beauftragt den Abg. Pillersdorff, den Abg. Borrosch und, um auch einen kriegskundigen dazu zu geben, den Abg. Stobnicki. Ueber den Erfolg der letzten Sendung werde ich Bericht erstatten, sobald die Herren zurück seyn werden. Es hat sich aber das Ministerium auch veranlaßt gefühlt, seinerseits als die wirkliche bestehende gesetzliche Executiv-Behörde Schritte zu thun, in Betreff des Banus Jellaèiè, und das Ministerium hat im Einverständnisse, in vollkommener Uebereinstimmung mit dem Ausschusse, eine Depesche durch zwei Abgeordnete, Prato und Bilinski, an den Ban gesendet, worin das Ministerium sich energisch dagegen verwahrt, daß durch diesen eigenmächtigen Einmarsch der Truppen österreichisches Gebiet zum Schauplatze des ungarisch-croatischen Krieges gemacht werden könnte; worin das Ministerium den Ban Jellaèiè energisch auffordert, sich dem Ministerium Oesterreichs zu unterwerfen und vom Ministerium die Befehle zu erwarten, wo es von ihm in kategorischer Weise die Erklärung verlangt über die Absicht seines Zuges, mit Hinweisung darauf, daß es seine Pflicht gewesen wäre, bevor er die Gränze überschritten, seine demgemäße Bitte hier vorzubringen.
Auch über den Erfolg dieser Sendung werde ich Bericht erstatten; zugleich aber waren wir wohl bedacht, in der Zwischenzeit nicht müßig zu seyn, und wir haben uns nicht der sanguinischen guten Hoffnung hingegeben, daß diese Sendung ohneweiters zu friedlichen Resultaten führen werde, obwohl wir öffentlich aussprechen, daß wir nichts sehnlicher wünschen, als daß es der Fall seyn würde; wir haben aber auch den Fall für möglich erachtet, daß es nicht friedlich geschlichtet werden dürfte, und haben deßwegen auch einen Schritt gethan, dessen schwere Verantwortlichkeit wir gefühlt haben, dem wir uns aber doch nicht entziehen zu können glaubten.
Wir haben nämlich vor zwei Tagen, um die gänzliche Auslieferung der Waffen aus dem kaiserlichen Zeughause zu verhindern, und zwar aus Staatsrücksichten zu verhindern, derselben dadurch Einhalt gethan, daß wir sie unter dem Reichstagssiegel verwahrten; in dem jetzigen Augenblicke aber, wo Alles bewaffnet zu werden wünscht, haben wir diesem Drange Folge gegeben, und wir haben in Uebereinstimmung mit dem Gemeinderathe von Wien und in Verbindung mit dem Nalionalgarde-Obercommando, dem ersteren die Vollmacht gegeben, die Reichstagsiegel zu brechen und alle Waffen an die waffenfähigen Männer zu vertheilen.
Da wir nun in dieser Beziehung nach voller Ueberzeugung Alles gethan zu haben glauben, was unsere Pflicht seyn kann, und was wir jeder Partei, dem ganzen Volke und den Siegern gegenüber, sie mögen heißen wie sie wollen, zu verantworten gesonnen sind, ohne Furcht, haben wir auch unsererseits nicht zulassen können, daß von irgend einer anderen Seite allgemeine Verfügungen veranstaltet werden, welche den Vertheidigungszustand der Hauptstadt betreffen. Denn soll in diese Vertheidigung Einheit und durch diese Kraft kommen, und soll nicht durch eine Verwirrung dem vielleicht in der nächsten Zeit mit einem Angriffe drohenden Feinde Vorschub geleistet werden, so müssen die Anordnungen, wie es die Natur der Sache mit sich bringt, wie es Jedem einleuchtet, der einen Begriff von Kriegswesen hat, in Eine Hand gelegt seyn, und alle Befehle nur von dort ausgehen. Wir haben daher dem Gemeinderathe der Residenzstadt Wien die Vollmacht ertheilt, durch öffentliche Kundmachung es zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß Betreff der Vertheidigungsanstalten keinem anderen Befehle Folge zu leisten sei, er mag wo immerher kommen, als dem vom Gemeinderathe und vom Nationalgarde-Obercommando gefertigten; dann haben wir dem Gemeinderathe die Vollmacht gegeben, die Vertheidigungszustände Wiens unter seine specielle und alleinige Obhut zu nehmen.
Vice-Präs. Es liegt mir ein Antrag vor vom Abg. Zimmer, er lautet: "Ich beantrage den §. 32 der Geschäftsordnung dahin abzuändern, daß zum Beginne einer Sitzung die Anwesenheit von 100, zur Beschlußnahme die Anzahl von 150 Abgeordneten erforderlich sei." Wünscht der Herr Antragsteller seinen Antrag zu unterstützen?
Abg. Zimmer. Die Geschäftsordnung ist noch nicht angenommen, es ist daher zulässig, einzelne Paragraphe abzuändern. Ich beantrage daher, daß wir den §. 32 in seiner ursprünglichen Fassung annehmen mögen. Die Gründe dafür sind einleuchtend. Viele der Deputirten, die auf Urlaub gegangen sind, werden bei den gegenwärtigen Unruhen kaum wieder zurückkommen. Andererseits muß ich bemerken, daß sich die Reihen der Deputirten immer mehr lichten, und daß sie nicht dem Beispiele jener Senatoren gleichen wollen, die bei dem Eindringen des Brennus in Rom für ihr Vaterland sterben wollten. Ich bitte daher über die Abänderung abstimmen zu lassen, so lange wir noch beschlußfähig sind. Ich bitte es zu thun, um des Wohles des Vaterlandes Willen.
Abg. Potocki. In diesen Augenblicken ist es, glaube ich, eine Sache der größten Wichtigkeit, daß die Beschlüsse der Kammer die ganze Würde und Kraft behalten. Ich möchte befürchten, daß wenn wir diesen Antrag annehmen, unsere ferneren Beschlüsse nicht mehr dieselbe Kraft haben werden, als die, die wir jetzt fassen können; ich möchte daher gegen diesen Antrag seyn, aus dieser Ursache, und ferner, weil ich die Ueberzeugung hege, daß diese Anzahl von Deputirten, die sich jetzt vorfindet, auch in einem jeden Momente zusammenkommen und zusammentreffen wird; daß wir durch diesen Antrag nicht präjudiciren sollen Einigen von uns, die vielleicht wegen der Wichtigkeit, und vielleicht auch der Gefahr des Momentes, sich entfernen möchten. Ich bin überzeugt, wir werden alle zusammen bleiben, und da ich diese Ueberzeugung hege, und auch, wie schon gesagt, supponiren müßte, daß unsere Beschlüsse nicht mehr dieselbe Kraft und Würde hätten, so werde ich gegen diesen Antrag stimmen.
Abg. Goldmark. Meine Herren! Auch ich bin dafür, daß die Beschlüsse der Kammer die nöthige Kraft haben, eben weil sie Beschlüsse der Kammer sind, daß sie mit der Würde umgeben sind, welche die Kammer umgibt. Ich bin aber auch dafür, daß die ganze Kammer beschließe; denn nicht nur die Hoffnungen der Stadt Wien, sondern die der ganzen Monarchie, die aller Gutgesinnten, im besten Sinne des Wortes, sehen auf die Kammer.
So lange die Kammer beisammen ist und beschließt, wird auch, so hoffe ich, Alles zum Guten seyn. Wollen wir aber Beschlüsse fassen, so müssen wir nach den Antecedentien in einer beschlußfähigen Zahl beisammen seyn.
Ich glaube aber, aus den bisherigen Antecedentien ist ersichtlich, daß wir nicht immer der Zahl nach beschlußfähig seyn dürfen. Es ist daher in Consequenz dieser Antecedentien nöthig, daß der Antrag, der wahrhaftig nichts von der Würde der Kammer wegnimmt — ich hätte gewünscht — einstimmig und ganz ohne Debatte angenommen werde.
Abg. Löhner. Ich bin der Meinung, daß so lange die hohe Kammer nach ihrer alten Geschäftsordnung beschlußfähig ist, die hohe Kammer nicht in sich selbst Mißtrauen setzen wolle. Wenn der Tag gekommen seyn würde, wo die hohe Kammer, durch irgend einen Zufall sich auf die Energie, auf die Vaterlandsliebe von wenigen Mitgliedern beschränkt sehen würde, so gilt das Gesetz, welches zu allen Zeiten gegolten hat: das der Nothwendigkeit. Lassen wir uns den Völkern Oesterreichs nicht heute schon sagen, daß wir solches fürchten; bedenken Sie, daß wir bis jetzt jeden Tag beschlußfähig waren. Warten Sie den Tag ab, sollte er kommen (bei den jetzigen Verhältnissen ist es nicht unmöglich, daß einen oder den anderen Tag Mitglieder verhindert werden), aber Sie brauchen es nur für die Nothwendigkeit zu beschließen, was Sie jetzt vielleicht zu früh beschließen. Ich bin der Meinung , daß die hohe Kammer in Rücksicht auf ihre Stellung, die sie nicht bloß zu Wien, sondern zu dem ganzen Oesterreich hat, allerdings so lange als möglich, genau wie ein römischer Senator seine Toga, ihre alte, wenn auch unbequeme Tracht, behält, wir können sie noch tragen, also tragen wir sie, zeigen wir, daß wir nicht den Umständen weichen.
Bedenken Sie, meine Herren! es ist ein Bild, aber es scheint mir, so machtlos wir auch sind, da wir in diesem Augenblicke nicht einmal ein schlagfertiges Heer zu unserer Verfügung haben, daß denen wenige Stunden von hier Trotz geboten werden könnte, dennoch meine Herren, haben wir ein großes Heer hinter uns; es sind die Millionen, die von uns, und von uns allein ihr künftiges Schicksal erwarten (Beifall). Es gibt Personen, moralische und physische, die unersetzlich sind, und meine Herren, eine moralische Person wird so lange sicher erkannt, so lange sie eine Veränderung in ihren Zügen zu vermeiden sucht. So machtlos wir auch sind, sind wir doch mächtig; an uns hängen die Hoffnungen, vielleicht die Hoffnungen von Jahrhunderten, und ich erinnere Sie, meine Herren, an die Flaschen, die, mit wichtigen Urkunden eingeschlossen, versiegelt in den Brandungen der tobenden See zu Boden sinken, wo die Schiffe sicher zerschmettern, und jene Flaschen kehren mit der wichtigen Botschaft, die ihnen anvertraut ist, glücklich an das Gestade: so meine Herren, lassen Sie uns bei dem Sturme, der jetzt über uns weht, unsere Mission sorgfältig erfüllen; daher, meine Herren, vermeiden wir, so lange als möglich, den Schein, als wenn wir uns selbst nicht vertrauen wollten. (Anhaltender Beifall.)
Abg. Schuselka. Ich möchte nur darauf hinweisen, und es mit Nachdruck hervorheben, daß bei diesem Antrage als Motivirung nicht angedeutet oder gar angeführt werden möge, als sei er aus Mißtrauen gegen die Kammer oder einzelne Mitglieder derselben entsprungen. In soferne müßte ich mich weniger gegen den Antrag selbst, als gegen die Motivirung erheben; wir müssen aber den Gesichtspunct herausheben, und das ist die einzige Motivirung des Antrages, die ich zulassen könnte, daß die Nothwendigkeit verhindern könnte, uns zu versammeln, denn es wohnen die Mitglieder dieser Kammer zerstreut, in einer so großen Stadt, wie Wien, es wohnen viele derselben in den Vorstädten, wir wissen nicht, was in der nächsten Stunde vorgehen wird. Es ist also vielleicht die Möglichkeit da, daß ein Fall eintrete, daß sich die begeistertsten Mitglieder der Kammer physisch verhindert sehen, hieher zu kommen. Bei mir z. B. ist es der Fall, mich hätte heute Nacht die Reihe getroffen, wo ich hätte schlafen gehen können, allein ich wohne auf der Wieden, in der Nähe der Carlskirche. Ich dachte, es sei sehr leicht möglich, daß es diese Nacht dort zum Kampfe kömmt, und daß ich dann verhindert wäre, an meinen Posten herzukommen, an welchem ich doch in solchen Augenblicken gern seyn möchte.
Das ist die einzige Begründung die wir zugeben dürfen. Einen Gedanken zu fassen, daß Furcht, daß Feigheit, oder gar Mangel an Vaterlandsliebe die Ursachen seyn könnten, einen Abgeordneten zu verhindern, hier seine heiligsten Pflichten zu erfüllen, die ein Mann erfüllen kann, und zugleich der höchsten Ehre zu genügen, der Ehre, Volsvertreter zu seyn, einen solchen Verdacht, und deßhalb eine Begründung durch einen solchen Verdacht, müßte ich entschieden im Namen der ganzen Commission zurückweisen. (Beifall.)
Vice-Präs. Der Abg. Smreker hat das Wort.
Abg. Smreker. Im vollen Bewußtsein der Würde dieser hohen Kammer und in der Ueberzeugung, daß wenn viele gehindert seyn sollten, die Kammer zu besuchen, daß dann noch die kleinste Zahl das Vertrauen der Völker besitzen wird, mache ich den Antrag, einfach zur Tagesordnung überzugehen. (Ja, ja!)
Vice.-Präs. Es wurde der Antrag auf Tagesordnung gestellt, wird er unterstützt? (Geschieht.) Er ist unterstützt. Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß zur Tagesordnung übergegangen werden soll, wollen aufstehen. (Geschieht.)
Die Tagesordnung ist angenommen. (Beifall.)
Nachdem mir kein besonderer Antrag mehr vorliegt, so erlaube ich mir die Sitzung bis 6 Uhr Abends zu vertagen.
(Halb 2 Uhr.)