Pátek 6. øíjna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundfünfzigste Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages.

6. October 1848.

Vorsitzender: Präsident Strobach.

Ministerbank: Leer.

4 3/4 Uhr Abends.

Präs. Strobach. Nach der Zählung der Herren Secretäre sind bisher bloß 120 Mitglieder anwesend.

Abg. Löhner. Ich stelle den Antrag, daß heute die Sitzung sogleich eröffnet werde, indem die Kammer nicht wissen kann, wie viele von ihren Mitgliedern im Stande sind, ihre Pflicht zu erfüllen.

Präs. Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich es mit meiner Pflicht und mit meinem Gewissen nicht für vereinbarlich halte, die Sitzung jetzt schon zu eröffnen. Sollte einer der Herren Vice-Präsidenten es mit seinem Gewissen für vereinbarlich halten, die Sitzung zu eröffnen, dann überlasse ich es seinem Gewissen, es zu thun; ich kann es nicht thun, weil ich befürchten müßte, daß dann die Beschlüsse, die hier von einer bloßen Fraction des Reichstages gefaßt würden, nicht als der Wille der ganzen Versammlung angesehen werden möchten.

Zweiter Vice-Präs. Lasser. Ich muß bemerken, daß viele Mitglieder erst nach und nach in Kenntniß kommen, daß überhaupt um halb 5 Uhr eine Sitzung angesagt war, ich selbst habe es erst vor einer Viertelstunde in Erfahrung gebracht; vielleicht wäre es gefällig, bis 5 Uhr zu warten? (Ruf: Ja, ja!)

Abg. Bilinski. Wenn der Herr Präsident ein so zartes Gewissen hat, daß er es nicht über sich nehmen will, die Sitzung zu eröffnen, so stelle ich an die hohe Kammer die Anfrage, ob sie nicht selbst es auf sich nehmen wolle? (Es erscheinen bewaffnete Nationalgarden auf der Gallerie, was große Aufregung in der Kammer verursacht.)

Ordner Jelen. Es war eben Einer von der academischen Legion hier, und hat gemeldet, daß sich das Volk des Kriegsministers Latour bemächtiget habe, ihn tödten und aushängen will, und ersucht demnach die hohe Kammer, daß Hilfe geschafft werde.

Abg. Pøybil. (Auf die Bewaffneten in der Gallerie zeigend.) Im Namen der parlamentarischen Freiheit der Rede fordere ich, daß die Bewaffneten von der Gallerie augenblicklich entfernt werden.

Abg. Zimmer. Diese Waffen haben so eben für die Freiheit gekämpft, sie haben ein Recht hier zu erscheinen. — (Aufregung.)

Abg. Löhner. Ich ersuche die Herren auf der Gallerie, die Würde und Majestät des Volkes zu ehren. Vergessen sie nicht die Würde des Reichstages, kommen Sie nicht bewaffnet hieher, zeigen Sie, daß Sie dem Reichstage die Achtung zollen, die Sie ihm zollen müssen, wenn er seine Aufgabe erfüllen soll. Ich beschwöre Sie darum. (Die Bewaffneten ziehen sich von der Gallerie zurück.)

Abg. Sierakowski (von der Tribune.) Ich komme eben als Augenzeuge vom Hofe, der Kriegsminister Latour ist aufgehängt. (Große Sensation.) Alle unsere Aufopferungen, alle unsere Bestrebungen haben nichts genützt. Ich habe ihn vertheidigt vor dem Volke, so lange ich ihn nur habe vertheidigen können man hat mir darauf geantwortet: der Kriegsminister muß gehängt werden, und derjenige, der ihn vertheidigt; — wenn Sie ein rechtlicher Mensch sind — wie wir Sie für einen solchen kennen.— so vertheidigen Sie keinen solchen Schuft. Ein Kanonier vom Militär hat ihn auf den Laternenpfahl aufgezogen.

Abg. Scherzer. Meine Herren, ich habe noch selten das Wort ergriffen, aber in diesem feierlichen Momente finde ich mich verpflichtet, das Wort zu ergreifen. Es handelt sich nicht um das, was geschehen ist, sondern um das, was noch geschehen wird. Ich bedaure, daß Mitglieder in dieser hohen Kammer sind, welchen die Ruhe, die Ordnung der Stadt Wien, das Blut der Wiener Bürger eine Bagatelle ist! (Aufregung. Ruf: Nein! Ja!) Meine Herren, ich war Zeuge, ich habe die Herren aufgefordert, zu erscheinen, man hat gesagt: so lange der Herr Präsident nicht wird die Bewilligung zum Zusammentritte der hohen Reichsversammlung geben, so lange werden sie auch nicht hier erscheinen. Das habe ich leider erfahren; ich kenne diese Mitglieder! Mögen sie das bei sich verantworten.

Abg. Löhner. Herr Präsident, ich beantrage, daß die Kammer sich bei diesen Umständen competent erkläre.

Abg. Scherzer. Meine Herren, ich habe es für meine Pflicht erachtet, dahin zu wirken, daß keine neuen Barrikaden gebaut werden; ich habe die Stadt zu Pferd und zu Fuß durchzogen, und habe dahin influencirt. Man schenkte mir alles Vertrauen; ich habe mich versichert, man werde keine neuen Barrikaden bauen, aber die bis jetzt gebauten auch nicht abbrechen, in so lange nicht von Seite des Reichstages ein Placat erscheinen würde, daß er im Vereine mit dem Ministerium oder auch für sich selbstständig einen Beschluß gefaßt, wie es heute die Bewohner Wiens, die Bevölkerung der Residenz nicht anders erwartet, als daß der Reichstag, der hier versammelt ist, einzig und allein für sich einen Beschluß zu fassen im Stande sei. (Beifall) einen Beschluß, der dahin wirkt, daß nicht nur das Militär innerhalb der Stadtmauern abziehe, sondern auch außerhalb und zwar vom Glacis wegziehe. Meine Herren! ich habe ferner vernommen, daß sowohl die Nationalgarde, als die Arbeiter erklärt haben, daß sie nur dann von der Absicht abweichen werden, sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen, wenn die Minister Latour, Bach und Wessenberg abdanken. (Beifall.) Meine Herren! dieses sind die Ansprüche, die heute die Bewohner der Residenz an Sie stellen. Mögen Sie untersuchen, ob dieses wirklich die Bewohner der Residenz sind oder nicht, ich sage nur, das sind die Ansprüche der Organe, mit denen ich gesprochen habe. Nehmen Sie diese Worte hin als die Worte eines Abgeordneten, eines Collegen aus Ihrer Mitte, als die Worte eines Commandanten einer Division der Bürger-Cavallerie und eines Bürgers, der es redlich meint, redlich sowohl mit dem Wohle des Vaterlandes, als mit dem Wohle der Residenz. (Beifall. Während dieser Reden, welche schnell und unter Aufregung abwechselten, verlies Präs. Strobach und ein Theil der böhmischen Deputirten den Sitzungssaal.)

Vice-Präs. Smolka (besteigt den Präsidentenstuhl.) Da die erforderliche Anzahl Abg. anwesend ist, so erkläre ich die Sitzung für eröffnet. Bevor ich dem Herrn Abg. Löhner das Wort gebe, erlaube ich mir, einige Mittheilungen zu machen: Sie wissen, daß ich, der Abg. Borrosch und Fischhof abgeordnet wurden, um die Minister zu schützen. Wir sind hingezogen in das Kriegsgebäude, und haben da die größte Verwüstung angetroffen, indem das Volk alle Thüren erbrochen hatte, um die Minister zu suchen. Nach vielfältigen fruchtlosen Bestrebungen, das Volk zu beschwichtigen, und immer härter gedrängt, habe ich endlich den Minister Latour gefunden, und ihn beschworen, er möchte seine Abdankung kund geben, weil das das Volk vielleicht beschwichtigen könnte. Der Abg. Borrosch hat Worte, begeisterte Worte zum Volke gesprochen, und die Leute haben ihr Ehrenwort verpfändet, daß sie ihm nichts thun werden. Wie aber der Strom gewachsen ist, hat alles nichts geholfen, das Volk hatte alle Ausgänge, Stiegen, Gänge besetzt, schlug alle Thüren und Kästen auf, und stürmte immer weiter hinauf; — ich habe von dem Minister Latour seine schriftliche Resignation entgegen genommen, aber auch mit dem war das Volk nicht mehr auf lange Zeit zu beruhigen. — Man forderte von mir, ich möchte sie zum Kriegsminister führen. — Das wollte ich nicht, bevor mir die da versammelte Menge nicht das Wort gegeben hat, daß ihm nichts geschehen wird, und sie ihn selbst mit ihrem Leben schützen werden. Ich habe dem Volke gesagt, daß sie früher über unsere Leichen gehen werden, bevor sie dem Kriegsminister Latour oder einem andern Minister irgend etwas zu Leide thun würden. Ich habe die zunächst mir versammelte Menge so weit gewonnen, daß man das Leben des Kriegsministers schützen zu wollen, auf das feierlichste versprach. Früherhin hatte man auf mich in einer Art gestürmt, daß ich selbst des Lebens nicht sicher war, indem man mir mehrmals Bajonette und Säbel auf die Brust gesetzt, und verlangt hat, sie hinzuführen zum Kriegsminister Latour. Man hat gestürmt und uns mit fortgerissen. Man hat endlich den Kriegsminister Latour in Empfang genommen, und ihn herabgeführt mit dem redlichsten Willen, ihn zu schützen, indem diejenigen, die sich zu seiner Vertheidigung angeboten hatten, und deren mochten vielleicht 30 bis 40 bewaffnete Leute gewesen seyn, geschworen hatten, ihn nur in Verhaft nehmen zu wollen, um ihn auf diese Art vor der Volkswuth zu sichern. So wurde er herabgebracht, aber wie ihn die Volksmenge gesehen hatte, so hat alles nichts geholfen, er wurde von mir mit Gewalt getrennt, — ich erhielt selbst einen Kolbenschlag, der meine Uhr zerschmetterte, es wurde mir die Schärpe herabgerissen, — ich konnte nicht mehr zum Kriegsminister gelangen, und sah nur, daß auf denselben geschlagen wurde; — ich wandte mich ab von dieser Schrecksnsscene. — Was weiter geschehen ist, habe ich nicht gesehen, aber der Abg. Goldmark, der zurückkehrend, mir auf der Freiung begegnete, sagte mir, er habe gesehen, wie der Kriegsminister erschlagen wurde.

Abg. Fischhof. Ich habe 20 Nationalgarden dazu bestimmt, ihn zu escortiren, und sie haben sich mit dem Ehrenworte verpflichtet, sein Leben zu retten, und ihn als Staatsgefangenen in Gewahrsam zu nehmen; und sie haben ihr Ehrenwort redlich gehalten, und ihn bis zum letzten Augenblicke mit Lebensgefahr vertheidigt. Ich war inmitten dieser Truppe, und habe ihn bei der Hand geführt, und gesucht, das Volk abzuwehren. Ein Arbeiter zielte mit einem Hammer nach seinem Kopfe, den ersten Hammerstreich gelang es mir, abzuhalten, der zweite Hammerstreich fiel auf den Vorderkopf, daß das Blut sogleich über das Gesicht herabströmte; noch suchte ich ihn zu retten, aber in demselben Augenblicke traf ihn eine Picke in den Nacken und ein Bajonette in die Schulter, worauf er zusammenstürzte, Graf Latour ist mit der größten Kaltblütigkeit gestorben. Er sagte wenig Minuten vor seinem Tode: Ich bin vor Kugeln gestanden, ich fürchte auch den Dolch nicht; ich habe ein gutes Gewissen, und bin in Gotteshand — bald darauf starb er. Später glaube ich, hat man die Leiche aufgehängt. (Sensation.)

Abg. Löhner. Ich stelle den Antrag, daß der Reichstag in Anbetracht der gegenwärtigen Umstände erkläre, daß die Mitglieder, die hier sind, sich als Reichstag betrachten, denn wir können nicht warten, bis die kommen, die vielleicht verhindert sind, Wir können nicht warten, bis neue Unglücksfälle diese Stadt mit Trauer und Entsetzen erfüllen; und wären wir nur 20 Mitglieder, so müßten wir, so lange wir es vermögen, so lange wir athmen, unsere Pflicht erfüllen. Wir können sie nicht anders erfüllen, als, indem wir die Autorität benützen, die uns die Völker Oesterreichs einem Jeden übergeben haben. Ich stelle den zweiten Antrag, daß der Reichstag, so wie er hier ist, sich permanent erkläre. Drittens, daß der Reichstag in Betracht, daß gegenwärtig alle Bande gelöst sind, daß, wie wir wissen, selbst das Ministerium in seinen Theilen nicht einmal formell zusammenhängt: daß also in diesem Anbetracht der Reichstag den Antrag des Abg. Borrosch zu seinem Beschluß erhebt, wornach eine Commission, die der Reichstag ernennt, für die Ruhe und Sicherheit der Stadt Wien, für die Ruhe und die Heiligkeit des Monarchen zu sorgen hat. Endlich stelle ich den Antrag, daß der Reichstag beschließe, nachdem ich entschlossen bin, den bisherigen Präsidenten in Anklagestand zu versetzen, daß heute, und so lange der Reichstag permanent ist, ohne weitere Untersuchung der Abg. Smolka, unser erster Vice-Präsident, uns präsidire. (Beifall.)

Abg. Borrosch. Ich muß zur Ergänzung des früher Gesagten noch Folgendes beifügen. Ich habe im Kriegs-Ministerial-Gebäude alle die Worte gesprochen, die ein für Volksfreiheit begeisterter Mann, aber auch ein Mann, der die Volksfreiheit nicht durch Frevel gegen Wehrlose will entweiht wissen, nur sprechen kann. Ich habe gesagt, nehmt mich, hängt mich, aber nur über meine Leiche geht der Weg zu solchen Gräueln! Ich beklage tief um der Menschlichkeit und Freiheit willen das Geschehene. Man hat mir wiederholt zugeschworen, das Leben des Unglücklichen zu schonen, denn dreimal forderte ich feierlich die Erbitterten auf: Schwört mir, daß das Leben des Wehrlosen geschützt sei; er soll in Anklagestand versetzt weiden, aber Ihr dürft nicht Mörder und Richter seyn. Nur der Reichstag darf die Anklage stellen.

Meine Herren, ich habe gesagt, daß ich aufhören müßte, ein Volksvertreter zu seyn, wenn ich es nicht seyn kann, wie ich es vor meinem Gewissen und vor Gott beschworen habe, und sterben will ich hier auf diesem Platze eher, als ich weichen werde von dem, was ich als meine Pflicht erkenne. (Großer anhaltender Beifall.) Ich bin weggezogen auf den Rath einiger Gleichgesinnten, um weiter zu versöhnen, zu beschwichtigen, und die Massen zu entfernen. Jubelnd ist das Volk mir nachgeströmt, ich kann also diese Männer nicht anklagen, sie haben mich begleitet; leider mögen aber dann neue Zuströmungen von Volk, die meine Stimme nicht gehört hatten, diese entsetzliche That verübt haben. Ich beklage sie tief, (zu den Gallerien) und ich kann nur hier den Vielen, die selber dem Volke angehören, wiederholen: Hütet Euch, die Volksfreiheit zu mißbrauchen, hütet Euch, sie zu beflecken und zu gefährden! O, glaubet dieß einem Manne, der in tausend Stücke sich hier zerreißen ließe für Euere Freiheit, der es treulich bewährt hat seit Monaten, daß er sein Leben Euch ganz geweiht hat; — glaubet es einem Manne, der, wenn er den Droh- und Warnbriefen gehorcht hätte, die er täglich erhalten hat von reactionärer Hand, längst hätte müssen sein Wort verstummen lassen. (Beifall.) Ihr Alle seid Zeugen, daß diese Worte in dem Maße, als die Reaction mir immer bedrohlicher erschien, stets kräftiger wurden, und der männliche Freimuth wuchs. Mir gilt es gleich, ob auch ich am Laternenpfahle der Anarchie ende; so lange ich aber existire, so lange ein Athem in dieser Brust ist, werde ich ein Kämpfer seyn für gesetzliche Freiheit, für die Freiheit, wie Gott sie will; denn sein göttlicher Odem, sein Geist ist es, der die wahre Freiheit in die Brust des Menschen gelegt hat. (Beifall.) Daher beschwöre ich alle diejenigen, die irgend einen Einfluß auf das Volk, auf ihr geliebtes Vaterland, auf unsere theuere Heimat genießen, allen diesen ihren Einfluß anzuwenden; möge diese Revolution die letzte seyn, und das Volk eingedenk bleiben der glorreichen Mairevolution, die durch keinen Gräuel befleckt wurde. Möge dieses Opfer, das ich tief beklage, das einzige seyn! O, daß ich es nicht retten konnte mit meinem eigenen Leben! Hier sind die Zeugen, sie sollen sprechen, hier sind sie; mein Leben hätte ich gern geopfert, und opfere es noch jetzt, wenn ich diese Frevelthat könnte ungeschehen machen. Ich beschwöre Euch, wenigstens durch weitere Beherrschung der Leidenschaften dahin einzuwirken, damit die Freiheit uns auch ihre Früchte, die Segnungen des Himmels zu bringen vermöge. (Großer, allgemeiner, anhaltender Beifall.)

Minister Hornbostl. Meine Herren, ich will sprechen, aber nicht als Minister, ich bin auch nicht Abgeordneter, aber ich bin ein Wiener.

Abg. Löhner. Und ein ehrlicher Mann! (Großer, allgemeiner, stürmischer, lang anhaltender Beifall.)

Minister Hornbostl. (Mit bewegter Stimme.) Ich danke Ihnen, meine Herren, für dieses Zeugniß Ihres Zutrauens zu mir. Sie wissen, was geschehen ist; glauben Sie aber, meine Herren, daß das einen tiefen Eindruck auf das Militär, auf die Garnison machen wird. Ich mache Sie aufmerksam, wenn Sie Wien, wenn Sie uns retten wollen, wenn Sie weitern Excessen in der Stadt vorbeugen wollen, sorgen Sie dafür, daß vom Reichstage an den Commandirenden der Stadt Wien eine Deputation gesendet werde, die dafür sorgt, daß nicht weitere Unbilden in den Straßen vorgehen. Ich bitte Sie, meine Herren, ich beschwöre Sie darum, thuen Sie es gleich. (Beifall.)

Abg. Goldmark. Die Zeiten sind zu schwer und zu ernst, als daß wir heute auch nur die geringste Uneinigkeit zwischen uns sollten walten lassen. Meine Herren, keine Anklage gegen wen immer. Ich ersuche den Abg. Löhner, seine Anklage zurückzunehmen. (Beifall.) Wir stehen auf einem viel zu vulkanischen Boden, als daß wir gegen uns selbst wüthen sollten. Ich muß also gegen diesen Antrag sprechen, unterstütze aber alle andern, vorzugsweise den letzten des Herrn Ministers Hornbostl.

Es ist dringend nöthig, daß wir nicht viele Worte machen, nachdem diese Nacht eine wahrhaft feindliche in der Stadt Wien seyn wird, wenn wir nicht rasch das, was da kommen kann, abzuwenden versuchen. Ernennen wir, meine Herren, eine Commission, welche gleich zu sitzen, und sich mit den Executiv-Behörden, die noch vorhanden sind, ins Einvernehmen zu setzen haben wird. Suchen wir das Militär zu beruhigen, was daraußen steht, wir wissen nicht, wie es ausschlägt; aber, meine Herren, ich bitte Sie, ohne viele Worte diese Commission gleich ins Leben treten zu lassen. (Beifall. Diesem Antrage wird durch Acclamation beigetreten.)

Abg. Löhner. Ich stimme damit vollkommen überein, wenn nur der Herr Abg. Smolka uns präsidirt, und weiter will ich nichts. (Beifall.)

Präs. Es ist beschlossen worden eine Commission an den Commandirenden abzusenden, Behufs der weiteren Beruhigung des Militärs. Wollen Sie Jemanden dazu vorschlagen? (Ruf: Borrosch.)

Abg. Borrosch. Wahrlich, meine Herren, ich bin von meinen früheren beiden Deputationen noch zu erschöpft.

Präs. Oder wollen Sie mir die Wahl uberlassen? (Ruf: Ja.) Ich würde also vorschlagen: die Abg. Scherzer, Lasser, Hubicki.

Abg. Lasser. Ich schlage vor, nachdem diese Commission jedenfalls unsere Thätigkeit sehr in Anspruch nimmt, die Zahl derselben von drei auf 5 zu erhöhen. (Wird angenommen, und als fernere Mitglieder der Abg. Fischhof, und auf Vorschlag des Abg. Pillersdorff der Abg. Catinelli gewählt.)

Abg. Scherzer. Meine Herren, es handelt sich noch darum die Wuth des Volkes zu beschwichtigen, welches die Minister Bach und Wessenberg ebenfalls als Personen bezeichnet, die sich Bedrückungen gegen dasselbe erlaubt haben. Meine Herren, bei diesem aufgeregten Zustande kann man nicht vorsehen, was mit diesen Männern geschehen wird, wir wollen dafür Sorge tragen, damit für die Person dieser beiden Herren nicht ein ähnlicher, trauriger Vorfall sich ergibt. Ich empfehle Ihnen dieses sehr angelegentlich an.

Präs. Es ist hier eine Eingabe von der Nationalgarde des IV. Bezirks, mit dem Ansuchen, bei der bedauerlichen Lage der Stadt einen geeigneten Beschluß zu fassen, welcher zur Beruhigung der Gemüther beitragen könne.

Abg. Borrosch. Ich würde den Antrag stellen, und finde es für sehr nothwendig, behufs der Versöhnung und Vermittlung eine Deputation, mit einer Loyalitäts-Adresse versehen, an Se. Majestät den Kaiser zu senden. Ich beantrage zugleich, zur Begleitung der Deputation den Herrn Minister Hornbostl einzuladen, damit dem Monarchen ein verantwortlicher Rathgeber der Krone zur Verfügung stehe, und so von uns die constitutionelle Bahn streng eingehalten werde. (Dieser Antrag wird augenblicklich zahlreich unterstützt.)

Abg. Bilinski. Ich spreche für diesen Antrag, wünsche aber, daß früher der Antrag des Abg. Löhner wegen Niedersetzung einer Sicherheitscommission in Verhandlung komme.

Abg. Zimmer. Ich stimme für denselben Antrag, möchte aber den Vorschlag machen, daß diese Deputation an den Kaiser aus den Herren Hornbostl, Pillersdorff, Skoda, Lubomirski und Borrosch bestehe. (Allgemein unterstützt.) Ferner, daß der Kaiser ersucht werde, alsbald ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden. (Ebenfalls unterstützt.)

Abg. Wienkowski. Ich beantrage, daß zugleich ausgesprochen werde, daß die bisherigen Minister Doblhoff und Hornbostl beibehalten werden sollen. (Dieser Antrag wird mit lebhafter Acclamation angenommen.)

Abg. Plaèek. Ich beantrage, daß Se. Majestät ersucht werde, persönlich in Wien zu erscheinen, um dadurch Vertrauen einzuflößen. (Dieser Antrag wird nicht angenommen.)

Abg. Pillersdorff. Ich glaube, daß dieser Deputation eine schriftliche Adresse mitgegeben werden müsse. (Allgemeine Beistimmung.)

Abg. Demel. Ich beantrage, daß der Herr Abg. Pillersdorff diese Adresse abfasse. (Angenommen.)

Abg. Zimmer. Es wird am Hofe geschossen, ich würde daher beantragen, eine Proclamation zu verfassen an das Volk.

Abg. Umlauft (erbietet sich, die Proclamation abzufassen. — Hierauf wird eine Adresse des Nationalgarde-Commandanten verlesen, worin das Ersuchen um Permanenzerklärung des Reichstages ausgesprochen wird.)

Abg. Brestel. Ich beantrage, diesen Gegenstand an die niederzusetzende Commission zu verweisen.

Abg. Zimmer. Ich beantrage, daß die niederzusetzende Commission für die Aufrechthaltung der Ruhe aus 10 Mitgliedern bestehen soll.

Ein Abg. Ich würde vorschlagen, daß diese 10 Mitglieder aus dem Gouvernement Nieder-Oesterreich gewählt würden, weil diese mit den Localverhältnissen am besten bekannt seyn dürften.

Abg. Zimmer. Ich beantrage, daß die Commission noch um ein Mitglied vermehrt werde, weil sie bei ihrer Constituirung einen Präsidenten wählen muß. (Die Kommission wird aus folgenden Mitgliedern zusammengesetzt: Brestel, Stobnicki, Löhner, Mayer Cajetan, Füster, Klaudi, Violand, Goldmark, Vidullich, Schuselka.)

Abg. Klaudi. Ich würde vorschlagen, daß die Commission zu ihrem Sitze das Locale des Constitutions-Ausschusses benütze. (Angenommen.)

Ein Abg. Ich glaube, daß es auch der Commission freistehen müsse, Fachmänner aus der Versammlung beizuziehen, wenn solches sich als nothwendig erweisen sollte.

Abg. Podlewski. Ich komme so eben mit Herrn Ambrosch von unserer Sendung an den Herrn Minister Doblhoff zurück, und theile der hohen Kammer mit, daß wir ihn nicht angetroffen haben.

Abg. Ziemialkowski. Ich stelle den Antrag, daß die Deputation, welche an Se. Majestät abgeht, den Wunsch aussprechen möge, Se. Majestät wolle das unter dem 3. d. M. erlassene Manifest mit der Ernennung des Baron Jellachich zum königlichen Commissär von Ungarn zurücknehmen, und begründe dieses einfach damit, weil ich dieses Manifest als die Hauptursache der heutigen Bewegung und der Unzufriedenheit unter dem Volke ansehe. (Dieser Antrag wird nach kurzer Debatte ebenfalls angenommen.)

Präs. (Fordert die an den Commandanten Grafen Auersperg abgesandte Deputation auf, ihren Bericht zu erstatten.)

Abg. Szabel. Wir haben den commandirenden General Grafen Auersperg auf dem Glacis vor dem Franzensthor, wo die Truppen aufgestellt sind, gefunden, ihm unser Creditiv vorgezeigt, und den Zweck unserer Sendung ausgesprochen. Graf Auersperg hat sich sogleich bereitwillig gezeigt, die Truppen in die Casernen zurückzuführen. (Beifall.) Er hat ferner gesagt, daß von Seite des Militärs durchaus keine Offensive ergriffen werde, nur forderte der Commandirende von uns Garantien, daß nämlich das Militär in den Casernen nicht angegriffen werde. Darauf erklärten wir, daß wir persönlich diese Garantien nicht geben können, aber daß der Reichstag durch eine Proklamation dahin wirken werde, damit Angriffe auf das Militär nicht stattfinden. Weiter hat der Commandirende Graf Auersperg an uns das Ansuchen gestellt, bezüglich der in der Stadt befindlichen Truppen das Nöthige zur Sicherheit derselben einzuleiten, insbesondere bezüglich einer im kaiserlichen Zeughause aufgestellten Compagnie. Wir haben dem Commandirenden zugesichert, daß das, was in unserer Macht, was in der Macht des Reichstages stehen wird, in dieser Hinsicht gewiß eingeleitet werden wird. Wir haben ihm auch zugesagt, dahin zu wirken, damit diese Compagnie nicht preisgegeben sei, daß von Seite des Nationalgarde-Obercommando's zum Schutze des Zeughauses sowohl, als der Compagnie, das Nöthige eingeleitet werden wird, daß namentlich ein Bataillon Garde dort aufgestellt werden soll. Im Rückgehen hielten wir es für unsere Aufgabe allen Vorfällen beim kaiserlichen Zeughause, welche sich gegenwärtig, wie wir uns selbst überzeugt haben, sehr drohend gestalten, Einhalt zu thun. Ich selbst habe eine dahin ziehende Truppe aufgehalten, habe meine Karte als Abgeordneter vorgezeigt, und unsere Rücksprache mit Auersperg erzählt und sie beschworen, sie möchten jeden weiteren Schritt auf das Zeughaus einstellen. Sie haben eine Kanone mit sich geführt, meine Herren, mit brennender Lunte. Man hat mich gehört, allein der Andrang war zu groß, und Ueberredung hat nichts gefruchtet. Wir mußten unverrichteter Sache abziehen. Diese Truppe ist vor das Zeughaus hingezogen, und leider wird dort schon gefeuert. Ich habe den Beschluß mitgetheilt, daß das Militär zurückgezogen werde, daß der Reichstag Alles, was zur Sicherheit geschehen kann, einleiten werde, aber unsere Bemühung war fruchtlos. Ich ersuche nun die hohe Versammlung, irgend einen Beschluß zu fassen, um dem Blutvergießen beim Zeughause wo möglich jetzt noch Einhalt zu thun, indem davon sehr viel abhängt, denn wir haben nun das Ehrenwort des Commandirenden, daß er keine Offensive ergreifen, und daß er das Militär in die Casernen zurückführen werde; jedoch mußten wir ihm dafür einstehen, dahin zu wirken, daß die Feindseligkeiten auch in der Stadt eingestellt werden. Ich überlasse es nun der hohen Versammlung, in Folge dieses Berichtes irgend einen beliebigen Beschluß zu fassen. (Abg. Szabel wird mit seinem Berichte, über Antrag des Präsidenten, an die permanente Commission gewiesen.)

Abg. Pillersdorff. (Liest die Adresse an Se. Majestät vor.)

Abg. Borkowski. Ich mache den Antrag, es solle der Adresse an Se. Majestät beigefügt werden, daß der Reichstag die Bitte ausspricht, damit eine allgemeine Amnestie für Alle, welche sich an den Begebenheiten dieses Tages betheiligt haben, ausgesprochen werde, sowohl für Civil- als Militär-Personen. (Unterstützt und angenommen.)

Abg. Kudlich. Es ist noch etwas nothwendig, um diesem Kampfe, dieser Desorganisation der Nationalgarde Einhalt zu thun. Dieß ist nicht anders möglich, als daß wir ihr einen freisinnigen, volksthümlichen Commandanten geben, vor allem einen alten Militär, wie es bisher stets der Fall war. Ich glaube, es könnte beschlossen werden, einen provisorischen Commandanten für die ganze Nationalgarde zu ernennen, und die Commission aufzufordern, sobald als möglich in dieser Sache Schritte zu thun. (Allgemein wird Abg. Scherzer als solcher bezeichnet.)

Abg. Violand. Das Comité hat so eben beschlossen, den Abg. Scherzer zum provisorischen Ober-Commantanten zu ernennen, (Beifall) und in Betreff dieser Ernennung bereits Jemanden an das Ministerium des Innern abgesandt.

Abg. Scherzer. Meine Herren! ich muß Ihnen danken für Ihr Vertrauen, seien Sie überzeugt, daß mir das Wohl meiner Mitbrüder am Herzen liegt. Ich glaube, daß diese Zeitverhältnisse nicht von langer Dauer seyn werden, daher werde ich, so lange diese Wirren dauern, wenigstens an der Seite des gegenwärtigen Ober-Commandanten stehen, um in der Beziehung eben sowohl, als auch im Interesse der ganzen Sache zu nützen. (Anhaltender Beifall.)

Abg. Pillersdorff. (Liest den der Adresse an Se. Majestät beizufügen beschlossenen Zusatz wegen der allgemeinen Amnestie, welcher mit Beifall aufgenommen wird.)

Abg. Sierakowski. Ich stelle den Antrag, daß dem Abg. Scherzer ein Creditiv ausgestellt, und derselbe angegangen werde, eine Proclamation an sammtliche Nationalgarden Wiens zu erlassen.

Abg. Scherzer. Ich danke Ihnen, meine Herren, nochmals, und glauben Sie, daß ich meine schwachen Kräfte und das Vertrauen, welches ich unter der Bevölkerung Wiens genieße, anwenden werde, um zum Wohle des Staates beizutragen.

(Von der Sicherheits-Commission wird die Erlassung einer Proclamation wegen Einstellung der Feindseligkeiten beim kaiserlichen Zeughause beantragt.)

Abg. Kudlich. Ich bitte hinzuzufügen, daß der Abg. Scherzer zum provisorischen Ober-Commandanten der Nationalgarde ernannt worden ist.

Präs. Es wird ein Bedenken angeregt, in Betreff dieser Proclamation; der Abg. Hubicki wendet nämlich ein, daß der in derselben enthaltenen Aufforderung wahrscheinlich nicht Folge gegeben würde; daß das Militär herausschießt, und daß, wenn von der einen Seite geschossen wird, auch von der andern Seite die Feindseligkeiten nicht eingestellt werden würden.

Abg. Bilinski. Diese Proclamation wird wenig nützen; es handelt sich darum, daß die Commission, die wir aus uns gewählt haben, sowohl zum Militär, als zur Gegenseite sprechen kann; man wird die Feindseligkeiten nicht lassen, das muß ausgemacht werden mit dem Commandanten des Militärs und mit dem Commandanten der dortigen Nationalgarde, da besonders seit dem letzten Zusammentreffen gegen die Soldaten, die eingeschlossen sind, wieder geschossen worden ist. Es muß vom Neuen eine Deputation von 2 oder 3 Mitgliedern an den Commandanten abgesendet werden.

Abg. Kudlich. Beide Zwecke lassen sich vereinen: eine Proclamation erlassen, und ein Uebereinkommen zwischen beiden Commandanten.

Abg. Wiesenauer. Das Militär ist ja im Zeughause, und kann sich nicht zurückziehen.

Abg. Fischhof. Die Garde hat versprochen, daß sie die Compagnie Grenadiere, die im Arsenale eingeschlossen ist, schützen will, aber das Zeughaus können sie unmöglich schützen, denn der Wunsch des Volkes ist allgemeine Volksbewaffnung. Die Garde kann das Zeughaus nicht schützen, darauf konnten wir auch nicht die Garantie übernehmen, da der allgemeine Wunsch ist, sich vollkommen zu bewaffnen.

Abg. Violand. Das Comité hat beschlossen, daß die academische Legion das Zeughaus besetze.

Abg. Hubicki. Im Zeughause ist noch Militär, und läßt Niemanden zu. Ich weiß nicht, wie die Legion wird das Zeughaus besetzen können.

Abg. Violand. Von der academischen Legion, der Garde und dem Volke werden Kanonen gegen das Zeughaus aufgeführt, es wäre gut, eine Deputation an den Commandanten zu schicken, well die Besatzung des Zeughauses ohne Befehl nicht geht.

Abg. Fischhof. Das Studenten-Comité hat am meisten Vertrauen beim Volke, es wäre gut, eine Commission niederzusetzen.

Ein Abgeordneter. Dafür ist schon vorgesorgt, nachdem 4 Studierende Mit-Commissäre sind. (Es wird gemeldet. daß so eben Kanonen beim Zeughause aufgeführt werden, und der Kampf fortdauert.) Es wäre sehr nothwendig, daß man durch eine öffentliche Erklärung an das Nationalgarde-Ober-Commando


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