Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages. Neunundvierzigste Sitzung des konstituierenden Reichstages am 3. October 1848. Tages Ordnung.
1. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 30. September.
2. Zweite Lesung des Berichtes des Finanzausschusses über die Steuern für das Verwaltungsjahr 1849.
3. Berichte des Petitionsausschusses.
4. Bericht des Finanzausschusses über den Antrag des Abg. Borrosch, wegen Vorschußleistung von zwei Millionen Gulden Konv. Münze.
5. Berichte über die Wahlakte.
6. Begründung des Antrages des Abg. Brestel zur Wahl eines Ausschusses für die Beziehungen der auf dem Reichstage vertretenen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates.
7. Begründung des Antrages des Abg. Szaszkiewicz bezüglich der Grundstreitigkeiten in Galizien, und
8. Bericht über das Rekrutierungsgesetz.
Hofloge: leer.
Vorsitzender: Präsident Strobach.
Auf der Ministerbank: Wessenberg, Latour, K r a u ß.
Anfang um viertel auf 11 Uhr.
Präsident: Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Deputierten ist bereits anwesend, ich erkläre die Sitzung für eröffnet, und ersuche die Herren Schriftführer, zur Lesung der Protokolle über die letzte Sitzung zu schreiten.
Ullepitsch liest das Protokoll der Sitzung vom 29. September 1848.
Präs. Wünscht Jemand das Wort?
Borrosch. Ich glaube die Gasausströmungen gelten an sich schon als ein genügender Antrag, daß nicht eben ich nötig bin um als Sündenbock für sie zu dienen. Ich bitte daher, meinen Namen zu streichen.
Ullepitsch. Es ist über den Antrag des Abgeordneten Borrosch die Abstimmungsfrage auf den Schluß der Sitzung gestellt worden, ich glaube daher, daß sowohl der Antrag, als der Name des Antragstellers, nach Maßgabe der Geschäftsordnung in das Protokoll aufzunehmen kommt.
Borrosch. Ich bin aber vom verehelichen Vorstande ersucht worden, diesen Antrag zu stellen.
Präs. Ich erlaube mir die Bemerkung, daß in das Protokoll nicht bloß die Anträge aufzunehmen sind, sondern auch die Namen der Herren Antragsteller. Es tut mir leid, daß ich mich auf die Geschäftsordnung berufen muß; (Heiterkeit) denn hier lautet es so: den Schriftführern liegt es ob, die Sitzungsprotokolle zu führen, in welche alle Anträge mit den Namen der Antragsteller u. s. w. aufgenommen werden müssen.
Borrosch. Ich werde mir es merken! Jedenfalls sollte es heißen, daß der Antrag von der rechten Seite des Hauses ausging, denn es stimmten viele Herren unter Zurufen dem Antrage gleichzeitig bei und ich finde es sonderbar, daß gerade mein Name der Firmträger für Alle sein soll.
Präs. Wünscht noch Jemand das Wort.
Ich stelle daher die Frage, soll hier in diesem Falle der Name des Herrn Antragstellers nicht in's Protokoll aufgenommen werden?
Hawliczek. Ich glaube, daß man die so kostbare Zeit nicht mit solchen Kleinigkeiten in Anspruch nehmen soll, ich trage daher auf Tagesordnung an.
Präs. Es handelt sich hier um die Berichtigung des Protokolles, und da glaube ich dürfte der Antrag auf Tagesordnung nicht an der Tagesordnung sein. Bleiben Herr Borrosch bei ihrer Abänderung?
Borrosch. Ja es wurde von der rechten Seite des Hauses der Antrag gestellt.
Präs. Wird der Antrag auf Tagesordnung unterstützt?
Löhner. Ich bitte erwähnen zu dürfen, daß nach meiner Meinung das Meritorische der Geschäftsordnung dahin geht, daß, bevor das Protokoll anzunehmen ist, zu Berichtigungen aufzufordern ist, und nachdem jede Berichtigung zur Sprache gekommen, so ist die Sache des Hauses, zu entscheiden, ob die Berichtigung Statt finden soll oder nicht.
Präs. Diese Ansicht dürfte hier um so mehr Eingang finden, als eben der Antrag Hawliczek's keine Unterstützung fand.
Diejenigen, welche das Protokoll nach dem Antrage des Abg. Borrosch dahin berichtigt wünschen, daß der Name des Antragstellers hinwegfalle, wollen aufstehen.
(Majorität.)
Wünscht noch Jemand das Wort? (Niemand.)
Diejenigen Herren, welche sich für die Annahme des gelesenen Protokolls aussprechen, wollen aufstehen.
(Das Protokoll wird angenommen.) Schriftführer Wieser liest das Protokoll der Sitzung vom 30. vor.
Präs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen?
Jonak. Ich habe schon in der letzten Sitzung erwähnt, daß nicht mir, sondern dem Abg. Pinkas ein Urlaub bewilligt wurde. Ich ersuche daher, statt meines Namens den des Abg. Pinkas einzusetzen.
Präs. Die Bemerkung ist richtig.
Schriftführer Wieser. Dann ist es nur nötig, den Namen des Abg. Jonak wegzulassen, weil der Urlaub des Abg. Pinkas ohnehin mit 13 Tagen erteilt schon vorkömmt.
Präs. Ich bitte den Herrn Schriftführer diese Berichtigung vorzunehmen.
Wünscht noch Jemand das Wort? (Niemand.)
Diejenigen Herren, welche sich für die Annahme des Protokolls aussprechen, wollen aufstehen.
(Das Protokoll wird angenommen.)
Ich ersuche das Ergebniß der Wahlen der Funktionäre in den Abteilungen mitzuteilen.
I. Abteilung.
Vorstand: Brauner.
Stellvertreter: Feifalik.
Schriftführer: Goldmark. Nesweda.
Berichterstatter: Klaudy, Bielecki.
II. Abteilung.
Vorstand: Haßlwanter.
Stellvertreter: Thiemann.
Schriftführer: Trojan. Kromer.
Berichterstatter: Machalski.
III. Abteilung.
Vorstand: Turco.
Stellvertreter: Sidon.
Schriftführer: Forster. Mußil.
Berichterstatter: Bilinski. Beck Anton.
IV. Abteilung.
Verstand: Dziedufzycki Titus.
Stellvertreter: Zwickle Lucas.
Schriftführer: Kral Anton. Lhotta Johann.
Berichterstatter: Praschak Alois. Sieber Ignaz.
V. Abteilung.
Vorstand: Kautschitsch Mathäus.
Stellvertreter: Dylewski Marian.
Schriftführer: Wojtech Franz. Umlauft Johann.
Berichterstatter: Schuselka Franz. Richter Karl.
VI. Abteilung.
Vorstand: Dolainsy Franz.
Stellvertreter: Neumann Leopold.
Schriftführer: Stradal Augustin. Sitka Jacob.
Berichterstatter: Langie Karl. Pribyl Anton.
VII. Abteilung.
Vorstand: Lubomirski Georg.
Stellvertreter: Schmidt Franz.
Schriftführer: Tomicek. Riegl.
Berichterstatter: Hawelka. Helfert.
VIII. Abteilung.
Vorstand: Hagenauer Johann.
Stellvertreter: Haimerl Franz.
Schriftführer: Demel Joseph. Selinger Engelbert.
Berichterstatter: Hawliczek Karl. Kobuczowsky Ceslaus.
XI. Abteilung.
Vorstand: Pillersdorf.
Stellvertreter: Kaubeck.
Schriftführer: Doliak. Dzieduszycki Alexander.
Berichterstatter: Brazdil. Smarzewski.
Abg. Feifalik. Ich bitte um's Wort.
Präs. Ich ersuche, in der 2. Abteilung noch einen zweiten Berichterstatter zu wählen, weil immer zwei Berichterstatter zu wählen sind, neben dem Vorstände und Stellvertreter.
Abg. Feifalik. Es sind nun die Abteilungen neu constituiert; der deutsche Text der Grundrechte ist bereits vorbereitet, die meisten Übersetzungen an das Vorstandsbureau übergeben, es fehlt noch die in slovenischer Sprache; und ich glaube daß sie in nächster Zeit auch dem Vorstandsbureau übergeben werden wird. Die Drucklegung dieser Übersetzung wird keine lange Zeit wegnehmen, und ich glaube, daß sie in nächster Zeit an die Abteilungen verteilt sein wird. Ich glaube es liegt im Interesse der hohen Versammlung, daß die Beratung der Grundrechte in den Abteilungen unverzüglich beginne, daß sie unablässig fortgesetzt, und daß durch die Mitteilung die Erinnerung an den KonstitutionsAusschuß, der letztere sobald als möglich in die Lage gesetzt werde, seinen definitiven Entwurf an die Reichsversammlung vorbereiten zu können.
Es muß doch Berücksichtigung getragen werden, auf die bestehenden besonderen Ausschüsse, und ich erlaube mir als Vorstand des Konstitutions-Ausschusses und in Folge des gefaßten Beschlusses folgenden Antrag zu stellen. "Der Reichstag möge beschließen, daß die Abteilungen die Beratung über die Grundrechte unverzüglich beginnen, und diese Arbeit an allen denjenigen Wochentagen, wo keine Reichstagssitzung abgehalten wird, von Vormittags 9 Uhr bis 2 Uhr Nachmittag, wogegen die Nachmittagsstunden den Konferenzen der besonderen Ausschüsse vorbehalten werden. " Ich werde das hohe Präsidium ersuchen, diesen Antrag in Gemäßheim des §. 50 der Geschäftsordnung zum Beschlusse und allenfalls zur Erörterung bringen zu wollen.
Präs. Es liegen über diesen Gegenstand noch zwei Anträge vor, und zwar der Antrag des Abg. Pribyl, der im Wesen mit dem eben vorgetragenen zusammenfällt, ich weiß nicht, ob es dem Herrn Antragsteller wünschenswert sein wird, ihn vor die Kammer zu bringen.
Pribyl. Ich werde darum bitten.
Präs. Er lautet:
1. Die konstituierende Reichsversammlung hält, infolange die Konstitutionsgrundrechte nicht zur Vollberatung gelangen, nur zwei Mal in der Woche öffentliche Vormittagssitzungen, welche jedes mal um 9 Uhr Früh zu beginnen haben.
2. Sämmtliche Abteilungen der konstituierenden Reichsversammlung werden an den übrigen vier Tagen der Woche zu g l e i c h e r Z e i t, nämlich jedes mal um 9 Uhr Früh beginnend, vor Allem über die Grundrechte beraten.
3. Alle besonderen Ausschüsse der konstituierenden Reichsversammlung werden sich nach Erforderniß täglich nur Nachmittags um 5 Uhr zur Beratung versammeln.
Pribyl. Es ist dieß der Beschluß der 6. Abteilung, der ich als Berichterstatter anzugehören die Ehre habe. Ich halte mich nicht für ermächtigt, von diesem Antrage abzugehen, weil ich nur als Organ der 6. Abteilung auftrete.
P r ä s. Dann liegt noch ein Antrag der 7. Abteilung vor, er lautet:,, Der Vorstand der Sektion Nr. 7 möge sich mit dem Vorstande des Reichstages über die Bestimmung der Stunden und Tage der Sitzungen der Abteilungen bei der Beratung über die Grundrechte verständigen, damit während dem keine Sitzungen in den Ausschüssen abgehalten werden, und auf diese Art eine große Majorität der Mitglieder für die Sitzungen in den Abteilungen gewonnen werde.
2. Beschluß.
Der Vorstand der Abteilung Nr. 7 möge sich an den Vorstand des Konstitutionsausschusses wenden, daß die Protokolle des Konstitutionsausschusses, welche die Gründlage des Gründrechtenentwurfes bilden, im Kommissionszimmer des Konstitutionsausschusses zur Einsicht einem jeden Deputierten aufgelegt werden.
Der letztere Antrag dürfte unmittelbar an den KonstitutionsAusschuß zu richten sein, und nicht den Gegenstand einer Debatte hier bilden, weil er dahin gerichtet ist.
Abg. Feifalik. Ich erlaube mir bloß rücksichtlich des letztern Antrages das Wort zu ergreifen. Der Zweck dürfte auf diese Art nicht zu erreichen sein. Der Zweck dürfte der sein, daß die Glieder in den 9 Abteilungen gleichfalls von den verschiedenen Meinungen, die in dem Konstitutionsausschuss geäußert wurden, in Kenntniß gesetzt werden.
Nun aber muß es vor allein den in den Abteilungen gewählten Referenten anheim gestellt werden, diese Protokolle einzusehen, sie haben sich dazu verpflichtet, und sind durch Beschluß des Konstitutionsausschusses verpflichtet worden, den Abteilungen die in dem Konstitutionsausschusse gestellten verschiedenartigen Anträge, besonders die Minoritäts Vota, welche eine größere Anzahl Stimmen für sich gewonnen haben, mitzuteilen. Einerseits werden wir auf diese Art den Zweck nicht erreichen und anderseits wird dem Referenten die Möglichkeit genommen, diese Protokolle einzusehen.
Übrigens frage ich, wer soll sie früher einsehen? wenn 300 und mehr das Recht haben sie einzusehen, so ist es kaum möglich, daß Einer sie einsieht. Es könnte dieses nur in der Art geschehen, daß die Protokolle Lithographiert werden, allein diese Protokolle bestehen aus mindestens 150 Bogen, bevor diese Lithographiert sind, verstreicht ein solcher Zeitraum, daß dadurch nur der Zweck, die Grundrechte sobald als möglich in Beratung zu nehmen, augenscheinlich vereitelt würde. Übrigens muß ich bemerken, daß dem Konstitutionsausschuss keine Stenographen zu Gebote standen, es wurden daher bloß die Gründe punktiert nach dem wesentlichen Inhalte, sie dienen mehr zur Erinnerung für die Referenten selbst, und dürften daher diejenige Belehrung nicht gewähren den übrigen Mitgliedern, als sie selbst meinen, ich muß mich daher entschieden diesem letzten Antrage entgegensetzen.
P r ä s. Ich glaube, daß die Verhandlung über diesen Punkt noch nicht vor die hohe Kammer gehöre. Lubomirski. Dieser Antrag d. h. dieser Beschluß der Abteilung war so viel ich mich erinnere nur so gemeint, daß nämlich die Anfrage gestellt werde an den Konstitutionsausschuß, und daß der Konstitutionsausschuß sich darüber äußern möge, ob die Protokolle des Konstitutionsausschusses im Saale des Ausschusses selbst vorliegen, damit einem jeden Abgeordneten das Recht zustehe, Einsicht davon zu nehmen, das war der einzige Beschluß, der in unserer Abteilung gefaßt wurde. Ich glaube also, daß dieses jetzt nicht zur Debatte gehöre, nur wenn wir die Antwort vom Konstitutionsausschuss haben, und sie uns nicht genügen sollte, so wie die Majorität, die sich dafür entschieden ausgesprochen hat, daß das Recht dieser Einsicht uns zustehen solle so, werden wir uns an die hohe Kammer mit einem Antrage wenden, dieses aber war als kein Antrag betrachtet.
W i e z n i c k y. Es bleibt nichts anderes übrig, als daß diese Frage von der hohen Kammer entschieden werde, denn der Herr Vorstand des Konstitutionsausschusses hat sich ausgesprochen, daß die Einsicht nicht gestattet werde, wir können uns also an Niemanden anderen wenden, als an die hohe Kammer. Die Protokolle sind unser Eigentum geworden, und ich weiß nicht warum uns die Einsicht vorenthalten sein sollte.
Die Protokolle bilden die Grundlage des ganzen Entwurfes, wenn auch manche irrige Ansichten darin enthalten sind, so können sie dennoch einem ändern Mitgliede eine dem Ganzen förderliche Richtung geben.
Wenn die Referenten auch in den einzelnen Sektionen eintreten, und da die Minoritätsgutachten getreu abgeben, so muß jedes Mitglied der Kammer voraussetzen, daß die Herren Referenten ein äußerst getreues Gedächtniß haben, es wäre daher im Interesse Aller gelegen, daß man die Protokolle einsehen kann. Der Herr Vorstand des Konstitutionsausschusses hat zwar bemerkt, daß dadurch die Tätigkeit der einzelnen Berichterstatter gehemmt werde; aber die Protokolle bestehen ja aus mehreren 100 Bögen, die Herren Referenten können einige hievon und die Glieder der hohen Kammer andere einsehen. Ich sehe nicht ein, warum man uns diese Einsicht vorenthalten will.
Lasser. Ich muß vor allem bemerken, daß ich als Mitglied jener Abteilung, der auch jene beiden Herren, die eben gesprochen haben, angehören, es als meine Pflicht erachtet habe, in der gestrigen Sitzung des Konstitutionsausschusses den Gegenstand zur Sprache zu bringen. Da das Ergebniß dieser Verhandlung im Konstitutionsausschuss nicht die spezielle oder individuelle Ansicht war, die der Herr Vorstand des Konstitutionsausschusses eben vorgetragen hat. Ich glaube nur beifügen zu müssen, daß es sich hier durchaus nicht um eine absichtliche. Verheimlichung der Protokolle handelt, sondern um die sich uns klar gemachte Unmöglichkeit der praktischen Ausführung.
Gerade deshalb weil man den einzelnen Referenten, die die Pflicht übernommen haben, in den Abteilungen über den Entwurf der Grundrechte zu referieren, nicht zumuten kann, daß sie ein so getreues Gedächtniß haben, auf alle Meinungsschattierungen und Nuancierungen, die vorgebracht worden sind, sich noch zu erinnern gerade die Unmöglichkeit ist der vorzüglichste Grund, warum man es den Referenten möglich machen muß, die Protokolle vor jeder einzelnen Sitzung in der betreffenden Abteilung einzusehen, um sich Auszüge zu machen.
Da wir aber nur ein einzelnes Exemplar besitzen, so finde ich es nur praktisch möglich zu machen dadurch, daß die Referenten nicht durch die übrigen Kammermitglieder von dem Protokolle verdrängt werden.
Borrosch. Ich glaube es ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, diesen ersten Grundstein zur Verfassungsurkunde selber vor allem Andern zu legen, indem wir die Grundrechte ohne Vorzug zur Vollberatung vornehmen. Ich sehe nicht ein, (obwohl ich nicht zweifle, daß auch hier wieder die Geschäftsordnung mir wird entgegengestellt werden,) wozu sie erst durch die Abteilungen spazieren sollen, da bekanntlich die betreffende Kommission niemals an eine etwaige Votierung in den Abteilungen gebunden ist, sondern es dem Belieben der Kommissionsmajorität anheim gestellt bleibt, davon Notiz zu nehmen oder keine.
Gesetzt aber auch, es würde in den Abteilungen darüber votiert, und das diente als letzter Entscheidungsgrund für die Kommission, so würde es doch wieder nur eine Illusion sein, denn wahrscheinlich bekämen wir dann zehn unterdrückte Minoritäten oder einseitig zur Geltung gelangte Majoritäten, zur Hälfte da, zur Hälfte dort, mit vielleicht nur einer Stimme mehr oder weniger, also fertige Partei oder Abteilungen Vota in das Haus, die doch wieder, wenn redlich hier debattiert wird, zurückgenommen werden müssen, oder die Reichstagsbeschlußfassungen der Plenarversammlung im Vorhinein zur Täuschung machen. Ich sehe darin gar keinen ändern Zweck, als daß wir ungefähr vier oder sechs Wochen Zeit verlieren, und ich stelle demnach den Antrag, die Vollberatung über die Grundrechte, mit Verzichtleistung auf die Discutierung in den Abteilungen also gleich vorzunehmen. (Beifall.)
Präs. Abg. Brestel hat das Wort.
Abg. Brestel. Das Einsehen des Protokolls durch alle Mitglieder ist eine physische Unmöglichkeit, andererseits aber ist jeder Referent nach dem Beschlusse des Konstitutionsausschusses verbunden, die Minoritätsvota seiner Abteilung vorzutragen; es muß daher jeder einzelne Ausschuß Referent die betreffenden Protokolle durchgehen und Exzerpte machen. Sie werden daher einsehen, daß dieses zu einer Zeit geschehen muß, wo die Abteilung nicht beisammen ist und keine Sitzung abgehalten wird; auf die Weise werden aber, da nach dem Antrage von 9 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nachmittags kontinuierliche Beratung ist, höchstens zwei bis drei Kammermitglieder von den Protokollen Gebrauch machen können, und zwar werden auf diese Weise die Referenten in Ausübung ihrer Pflicht gestört werden. Ich mache noch darauf aufmerksam, daß das Einsehen der Protokolle keinen großen Nutzen gewähren würde, denn diese Protokolle sind keine stenographischen Berichte, sie enthalten kurz die einzelnen Amendements der einzelnen Mitglieder, und eine kurze Begründung. welche nicht als vollständig betrachtet werden kann, es würde daher durchaus kein Nutzen aus den Protokollen gezogen werden. Es ist sogar der erste ursprüngliche Entwurf in den Protokollen nicht enthalten.
Das ist dasjenige, was ich in Betreff des Einsehens der Protokolle zu bemerken hatte. Was den Antrag des Abg. Borrosch betrifft, so kann ich ihn nur auf das Innigste unterstützen, es ist der Ausdruck meiner eigenen Überzeugung, den ich selbst versucht habe, im Constitutionsausschusse zur Geltung zu bringen. Meines Erachtens führt die Discussion in den Abtheilungen zu nichts anderem, als daß wir Zeit verlieren, denn die Sache ist vollkommen reiflich in dem Ausschusse überdacht, und wie soll der Ausschuß aus den Bemerkungen der Abtheilungen entnehmen, wohin sich die Meinung der Kammer in den einzelnen Fällen hinneigt. In einzelnen wenigen Fällen wäre dieß wohl möglich, wenn die Majorität der Abtheilungen sehr entschieden sich äußern würde, wenn aber, wie dieß der Fall ist, und wie dieß meistens der Fall sein wird, die Abtheilungen nicht vollzählig besucht sein werden, wenn Majoritäten und Minoritäten sich herausstellen, die nahe an einander gleichkommen, so wird man aus der Majorität der Abtheilungen auf die Majorität der Kammer gar keinen Beschluß zu ziehen im Stande sein, und für die Kammer werden die Bemerkungen der Abtheilungen durchaus nutzlos sein.
Nimmt aber der Ausschuß die Bemerkungen der Abteilungen auf, und ändert seinen Beschluß demnach ab, und zeigt es sich dann, daß die Majorität in der Kammer eine andere war, als die Majorität in den Abtheilungen, so ist auf diese Weise die Zeit ganz nutzlos verloren gegangen. Es ist die Sache darum noch um so schwieriger, weil alle diejenigen, die an dem Constitutionsausschusse Theil genommen haben, wissen, wie lange es gedauert hat, bis man sich über einen einzelnen Satz vereinigt hat, daher durch die Bemerkungen der Abtheilungen wenig an der Sache wird geändert werden können.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß man allgemein glaubt, die Discussion in den Abtheilungen würde uns Zeit in der Vollberathung ersparen, ich glaube, das wird durchgehend nicht der Fall sein, die Discussion in den Abtheilungen wird uns keine einzige Rede, kein einziges Amendement in der Vollberathung ersparen; sie wird uns keine einzige Rede ersparen, aus dem Grunde, weil jeder Einzelne, der seine Meinung vertheidigt, in den Abtheilungen sie nur an den neunten Theil der Kammer richten kann, in der Kammer selbst, an die ganze Versammlung, und derjenige, der in den Abtheilungen seine Sache verloren hat, glaubt sie vor der ganzen Kammer wieder gewinnen zu können. Aus dem Grunde werden wir keine einzige Rede, aus derselben Ursache kein einziges Amendement ersparen.
Eine reifliche Discussion hat der Entwurf bereits im Constitutionsausschusse erfahren, ich glaube daher, es geht nur Zeit verloren, daß wir wie bei der Geschäftsordnung eine doppelte Discussion vornehmen, und ich unterstütze daher den Antrag des Abg. Borrosch, daß wir unmittelbar zur Berathung der Grundrechte übergehen. Es wird dadurch kein Schaden entstehen, wohl aber bedeutend an Zeit gewonnen werden. (Bravo.)
Abg. Paul. Ich glaube, daß die Lithographierung der Protokolle keineswegs eine so lange Zeit in Anspruch nehmen dürfte, ich trage daher darauf an, daß die Protokolle in hinreichender Anzahl lithographirt und an die Mitglieder vertheilt werden.
Präs Der Abg. Szabel hat das Wort.
Abg. Szabel. Ich glaube die Absicht des Abg für die Kleinseite Prags ist, die Debatte über die Grundrechte zu verkürzen. Ich halte aber den angetragenen Weg nicht für geeignet und bin der Ansicht, daß die Vorberathung in den Abtheilungen von Wichtigkeit ist, um dann zur Beschlußfassung über die Grundrechte selbst sobald als möglich zu gelangen. Ich mache sie darauf aufmerksam, meine Herren, auf verschiedene Fälle, wo der Gegenstand in zu schleunige Vollberathung genommen wurde, derselbe Fall würde bei den Grundrechten um so mehr eintreten, da sich jeder berufen fühlt, in dieser so wichtigen Sache seine Meinung auszusprechen. Kommen jedoch die Grundrechte schon bereits in den Abtheilungen zur Sprache, so spricht man diese Meinung bereits in den Abtheilungen aus, dabei tauschen sich die Ideen aus, und es lassen sich manche Hindernisse, die einzelnen Abgeordneten hier in der Kammer selbst nicht wichtig scheinen, um ihre Amendements fallen zu lassen, durch die Vorberathung in den Abtheilungen widerlegen und hinwegräumen, ich glaube, daß der Austausch der Ideen bezüglich der Grundrechte höchst nothwendig ist, um die Debatte zu verkürzen. Ich muß mich daher entschieden dem Antrage entgegensetzen im Interesse für die Sache und zur Beschleunigung der Debatte.
Hein. Ich habe rucksichtlich des Verlangens, daß unsere Protokolle in den Abtheilungen und zwar an jedes einzelne Mitglied lithographirt vertheilt werden sollen, einfach zu bemerken, daß diese Protokolle eigentlich nur für die Notiznahme der einzelnen Ausschußmitglieder geführt werden, um sich leichter zu erinnern, was der eine oder der andere Abg. gesagt hat.
Die Mittheilung an die Abtheilungen hat eigentlich gar keinen Zweck, denn die Vorlage in den Abtheilungen geschieht ja durch die Referenten zu dem Ende, damit der Const. Ausschuß Neues erfahre, was in den Abtheilungen vorgeht, aber nicht, daß die Minoritäts oder Majoritäts Vota, welche bereits bei uns abgethan worden sind, in den Abtheilungen neu aufgewärmt und wieder zur Discussion gebracht werden, denn dadurch würde dem Const. Ausschusse sehr wenig geholfen sein, wenn neue. Referate bei den Abteilungen vorkommen. Er ist nicht gebunden an die Vota der Abtheilungen, er wird das sehr achten, was jedes Mitglied aus seinem eigenen Kopfe in dem Ausschuss beibringen wird, aber keineswegs kann es dem Ausschüsse erheblich sein, wenn er alle die Discussionen, die wir bereits abgetan haben, noch einmal abtun muß, bloß deswegen, weil einzelne Mitglieder aus dem Protokolle etwas herausgenommen haben, was dort bereits besprochen würde, um nochmals zur Diskussion gebracht zu werden. Übrigens werden 120 bis 130 Bögen keineswegs so schnell lithographiert sein, es dürften Wochen vergehen, bis sie an alle Mitglieder verteilt werden könnten. Ich für meine Person muß mich gegen jede Verzögerung der Beratung über die Grundrechte und Konstitution erklären, und Alles unterstützen, was das Konstitutionswerk fördern kann. Es ist dieß unsere Hauptaufgabe, die Länder warten mit Sehnsucht darauf, und ich glaube, daß jeder Deputierte seinen Zweck verfehlt, einen Vorschlag zu machen, welcher das Verfassungswerk verzögern könnte. Ich stimme dafür, daß das Protokoll nicht in die Abteilungen und bloß der Einsicht der Berichterstatter offen sei. Ich unterstütze daher auf das Lebhafteste das Amendement des Herrn Borrosch.
Borrosch. Auf einige eben geäußerte Bemerkungen erlaube ich mir zu erwidern, daß wenn die Discutierung in den Abteilungen zu einer Art von Versöhnungsakt, zu einer Friedigung führen könnte, ich der Erste stimmen würde. Allein der Erfahrung gemäß, und, wie nun einmal die menschliche Natur beschaffen ist, fügt man sich viel leichter in ein durch seine innere Wahrheit gleichsam überraschendes Ergebniß der Debatte, als man geneigt ist, wenn einmal die hartnäckige Verteidigung einer Ansicht Platz gegriffen hat, bessern Gründen Gehör zu geben, denn dann mengte sich gewöhnlich die Rechthaberei verletzter Eigenliebe ein; und statt auf Versöhnlichkeit hoffen zu dürfen, ist viel eher Erbitterung zu befürchten. Wären die Abteilungen politische oder nationale Parteien, wären sie nicht ganz bunt durcheinander gemengt, wozu noch kommt, daß zu Folge der so eben statt gefundenen neuen Wahlen in sämmtlichen Abteilungen selbst jene persönlichen Bekanntschaften wieder gelöst sind, die eine achtwöchentliche gemeinschaftliche Wirksamkeit gewährt, so ließe sich noch etwas dafür sagen. So aber sind die Abteilungen nur ein zweckloses Bunterlen von Individuen, die keineswegs irgend eine Parteifahne aufpflanzen können.
Gegen die Protokolls Lithographierung bin ich gleichfalls, denn ich sehe auch hierbei nichts Zweckdienliches und ich glaube nicht, daß die Protokolle Einen von uns bestimmen werden, fei es bei der Beratung oder hinsichtlich der Abstimmung bei der Beschlußfassung; vielmehr finde ich hier nur eine Art von inquisitorischem Verfahren möglich gemacht, um bezüglich des Einen oder des Andern aus dem Protokolle heraus zu deuten, wer etwa ein Republikaner, oder wer für ein patriarchalisches Mandatinentumb ist.
Wir haben jedoch dergleichen Verdächtigungen wahrlich nicht nötig. Übrigens ist es nirgends Gebrauch, daß Besprechungs Protokolle, die immer nur Bruchstücke und unmotiviert sind, veröffentlicht werden. Das Elaborat liegt vor; an das allein haben wir uns zu halten. Der Konstitutionsausschuß zählt Mitglieder genug, daß man uns hier nicht sagen kann, es wären diese Grundrechte nicht allseitig beraten worden. Diejenigen, welche bei dem einen oder andern Paragraph ein Minoritätsgutachten stellten nun die werden es hier hoffentlich auch mit all jenem männlichen Freimute verteidigen, den ich für die erste Pflicht eines Volksvertreters halte, er stehe bei was immer für einer Partei.
Endlich wurde noch gesagt, vermutlich mit Hinzielung auf die lange Debattierung des Kudlich'schen Antrages, daß dieser neue Gegenstand ein ähnliches Schicksal erfahren könnte; allein es liegt uns ja eben bereits eine Ausarbeitung in Paragraphen vor, was damals nicht der Fall war. Wir haben also nicht einen noch unorganisierten Stoff vor uns, (Beifall) sondern in der Tat einen bereits gegliederten, und sind also durchaus nicht verhindert, gleich zur Vollberatung zu schreiten, um das Volk zu beruhigen und endlich uns selber hier auf einen festen Boden zu stellen.
Abg. Doliak. So sehr ich auch die Förderung des Konstitutionswerkes und dessen baldigste Beendigung wünsche, so muß ich mich doch entschieden gegen den Antrag des Abgeordneten für den 4. Wahlbezirk von Prag aussprechen, und zwar aus dem bereits vom Herrn Szabel angeführten Gründe, zu dem ich noch folgende beifüge. In dieser hohen Kammer sitzen viele Mitglieder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, es ist daher sehr notwendig, daß diese Mitglieder über diese Grundrechte Debatten im engeren Kreise anhören, sich an denselben beteiligen, und daß ihnen zu diesem Zwecke von andern Mitgliedern, welche der deutschen Sprache mächtig sind, der Gegenstand erklärt werde. Was nützen ihnen alle schönen Reden, welche hier in der Kammer gehalten werden, wenn sie die Sprache nicht verstehen, ich glaube daher, daß aus diesem Grunde eine Debatte in den Abteilungen absolut notwendig sei, es handelt sich ja um die wichtigsten Sachen, um die Grundrechte und Freiheiten jedes Einzelnen.
Zu dem glaube ich, muß es uns auch interessieren, die Stimmen aus den Provinzen zu erfahren; meine Herren, wir haben zwar carta bianca, dürfen sie aber nicht mißbrauchen, wir müssen eine Verfassung machen, welche aus der Nation hervorgegangen ist, welche den Bedürfnissen, dem Charakter,