Völkerschaften, die für ihr gutes heiliges Recht, in die Schranken getreten sind, wenn sie erklären, sie treten diesen entgegen, wenn sie erklären, sie wollen das Unternehmen der Gegner unterstützen, daß sie noch länger das fortsetzen können, was sie bisher gethan haben, dann treten sie dem Weltgeiste gegenüber. Lassen sie meine Herren, diesen Weltgeist walten, denn der Weltgeist wird die Freiheit fördern!
Palacki. Ich kann mit meinen Vorgängern in der Beredsamkeit nicht wetteifern; ich ergreife nur das Wort, um gegen das, was mein Collegen von Prag hier gesprochen hat, eine Art Protest einzulegen. Er hat gesagt, in der ungarischen Deputation erscheine hier der Genius der Freiheit, der Genius der Gesittung, der Genius der Humanität an unseren Schranken. Er hat damit im Vorhinein diejenige Partei, gegen welche diese Deputation auftritt, als des Gegendheils von dem denunziert.
Borrosch (erhebt sich um zu sprechen).
(Eine Stimme aus dem Centrum.) Sie haben schon zweimal gesprochen.
Borrosch. Das Recht der Vertheidigung steht mir zu.
Präs. Ich bitte den Redner nicht zu unterbrechen, die Redefreiheit muß aufrecht erhalten bleiben.
Palacki (fortfahrend), er hat diese Partei also als unfrei, als ungesittet, als inhuman bezeichnet. Dagegen muß ich einen Protest für sie einlegen, um so mehr, als nach Allein, was mir von den Verhältnissen bekannt wurde, diese Partei aufgestanden ist, um ihr gutes Recht, das Recht der Freiheit, der Gleichberechtigung gegen einen nationalen Despotismus, wie er bisher in Ungarn gesetzlich gewaltet hat, geltend zu machen. Ich werde jetzt in diesem Augenblicke in diese Frage nicht weiter eingehen, wenn es aber nöthig werden sollte, behalte ich mir für die Zukunft das Wort vor.
Borrosch. Ich habe das Recht, mich zu vertheidigen. (Aufregung, Mißbilligung im Centrum und auf der Rechten.)
Tomitschek. Sie haben schon zweimal gesprochen und Ihren Antrag begründet.
Präs. Ich bitte meine Herren, das ist eine Angelegenheit, die mit mir abzumachen ist. Herr Borrosch! Als Regel gilt der Grundsatz, daß jeder Redner zweimal zu sprechen hat, und von einem Angriffe, welcher eine Entschuldigung nöthig hätte, ist mir nichts bekannt.
Borrosch. (Will noch einmal das Wort ergreifen: wird aber durch heftiges Zischen und Lärmen im Centrum und auf der Rechten daran verhindert.)
Präs. Wer hat hier die Ordnung zu wahren? Ich als Präsident! (gegen Borrosch gewendet.) Falls Sie mit meinem Benehmen nicht zufrieden sind, wollen Sie dagegen den Protest erheben. Ich banale im Interesse der Ordnung.
Borrosch. So erhebe ich Protest gegen eine falsche Anschuldigung, und erhebe Protest gegen die Verweigerung meines Verteidigungsrechtes.
Hauschild. Ich bitte, den Redner zur Ordnung zu weisen.
Wiesenrauer. Ich beantrage die Tagesordnung. Es ist in der Kammer bereits eine solche Aufregung eingetreten, daß wir selbst die Deputation nicht hereintreten lassen dürfen (Gelächter und Zischen), ohne daß wieder eine Aufregung eintritt, die wir alle nicht wünschen können.
Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Mehrere Mitglieder erheben sich, Lärm und Aufregung.)
Brestel. Ich beantrage namentliche Abstimmung (Viele Stimmen. Ja! Ja!)
Goldmark. Hier geht man leicht zur Tagesordnung über, hier handelt es sich um das Wohlder Monarchie; wer kann hier auf die Tagesordnung antragen? (Lärm und große Aufregung, Ruf: "zur Ordnung" im Centrum und auf der Rechten.)
Hauschild. Ich bitte, den Redner wegen unanständigen Benehmens, zur Ordnung zu weisen, hier schlägt man nicht auf den Tisch.
Goldmark (gegen den Centrum). Sie können mich zehnmal zur Ordnung rufen, hier gilt nur das Wort des Präsidenten.
Präs. Ich weise zur Ordnung; (noch heftigere Aufregung in der Versammlung. Goldmark versucht zu sprechen) wenn ich zur Ordnung rufe, hat sich der Redner nieder zu setzen. (Häufiger Ruf: "Nieder sitzen. ")
Präs. Ich unterbreche die Sitzung auf eine halbe Stunde.
10 3/4 Uhr.
Die Sitzung beginnt neuerlich 11 1/4 Uhr.
Präs. Der Antrag ist gestellt worden, damit über den Antrag wegen Übergang zur Tagesordnung durch Namensaufruf gestimmt werde.
Wiesenrauer. Ich habe den Antrag wegen Übergang zur Tagesordnung lediglich aus dem Gründe gestellt, weil ich einen Sturm heranziehen fah, der mir das persönliche Erscheinen der ungarischen Deputation nicht wünschenswerth erscheinen ließ, und weil dadurch dieser Deputation der Weg der Verständigung mit dem Hause auf eine nach der Geschäftsordnung zulässige Art nicht abgeschnitten schien. Ich habe aber gesehen, daß dadurch ein noch größerer Sturm erregt würde, ich nehme daher keinen Anstand, meinen Antrag zurück zu nehmen.
Präs. Dadurch behebt sich der Antrag auf Namensaufruf. Die Reihe trifft den Abg. Brestel.
Brestel. Meine Herren! Ich bedauere, daß aus einer einfachen Frage, ob wir eine Gesandtschaft von dem uns vollkommen gleichberechtigten ungarischen Reichstage empfangen sollen, daß aus einer reinen Frage der Artigkeit und Schicklichkeit, eine Frage der Nationalität künstlich gemacht worden, daß man in die ungarischen Verhältnisse eingegangen ist, eine Frage, die ich nicht zur Discussion gebracht sehen wollte, weil sie eine eigene und gründliche Diskussion erfordert.
Auch der erste Antragsteller, Herr Borrosch hat durchaus sich nicht gegen irgend eine Nationalität in Ungarn geäußert, seine Worte waren so, daß ich wirklich sehr bedaure, daß man sie mißverstanden hat; denn man hat in seinen Worten das Gegenteil gesunden von dem, was er selbst gesprochen hat. Er hat ausdrücklich erklärt, daß er eine Deputation irgend einer anderen Nationalität in Ungarn eben so bereit empfangen werde, als die Gegenwehartige Deputation, und man hat behauptet, daß er sich über die übrigen Nationalitäten schimpflich geäußert habe, man hat den Sinn seiner Worte verkehrt, das wollte ich kürzlich erwähnen Zuerst hat man sich wieder auf die Geschäftsordnung bezogen, und hat gesagt, die Geschäftsordnung ist das Gesetz, das wir uns gemacht haben, wenn wir die Gesetze selbst nicht ehren, so können wir nicht verlangen, daß die von uns gemachten Gesetze, daß unsere Gesetze von den Völkern Österreichs geehrt werden Meine Herren, die Geschäftsordnung ist kein Gesetz, sondern ein bloßes Reglement, nach welchem die Verhandlungen vorgenommen werden; aber um so weniger ein Gesetz, als sie nicht förmlich angenommen wurde, da sie noch im gegenwärtigen Augenblicke als ein Provisorium besteht, und da wir so oft über die Geschäftsordnung hinausgegangen sind, wegen der Dringlichkeit der Umstände, für die in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen worden, so sehe ich wahrlich nicht ein, warum in diesem Falle dieß nicht getan werden soll Oder haben wir in der Abendsitzung vom 13 September an der Geschäftsordnung gehalten, indem wir gleich ohne Debatte über gemachte Anträge abgestimmt haben? Meine Herren! Wir würden gerade die Kammer dadurch herabsetzen, wenn wir das für regelmäßige Beratungen aufgestellte Verfahren auf exzeptionelle Fälle ausdehnen wollten Wir können um so mehr von der Geschäftsordnung hier abgehen, weil ich glaube, daß die Gefchäftsordnung über diesen Punkt gar nichts vorschreibt, denn, wie bereits früher gesagt, sind Deputationen, die in der Geschäftsordnung gemeint sind, solche Deputationen, die von Gemein den unmittelbar an uns gerichtet werden. Man ist aber noch weiter gegangen, man hat gesagt, wir feien eine konstituierende Versammlung, wir wollten uns in Befugnisse der exekutiven Gewalt einmischen, und auf diese Weise Übergriffe unserer Rechte machen. Darauf habe ich eigentlich schon früher geantwortet, und ich muß mich sehr wundern, wie man das überhaupt sagen konnte Wenn Ungarn ein vollkommen fremdes Land wäre, so gebe ich das zu, und ich habe auch schon in einer früheren Rede ausdrücklich erklärt, daß ich in diesem Falle für eine unbedingte Abweisung wäre, aber der Vorredner mag gesagt haben was immer, Ungarn steht in einer wirklichen Verbindung mit uns, in einer gegenseitigen bedeutenden Verbindung, und gerade weil wir eine konstituierende Versammlung sind, gerade deßwegen ist es nicht bloß unser Recht, sondern unsere Pflicht, uns mit den Verhältnissen von Ungarn zu befassen, denn meine Herren, es gibt gewisse Beziehungen, in denen wir mit Ungarn stehen und worüber in unserer Konstitution Bestimmungen aufgenommen werden müssen. Ich erinnere sie an ein Beispiel, das in der Wirklichkeit existiert, nämlich an das Beispiel des Verhältnisses zwischen Schweden und Norwegen, es sind dieß Staaten, die jetzt so ziemlich dieselbe Stellung einnehmen, wie die Nationen in Ungarn einander gegenüber einnehmen, zwei Staaten, die durch einen und denselben Monarchen verbunden sind, und eine gegenseitige defensive und offensive Allianz miteinander geschlossen haben. In der Konstitutionsurkunde von Norwegen werden sie ausdrücklich finden, daß über die Verhältnisse und Beziehungen zu Schweden spezielle Bestimmungen getroffen worden sind.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß über unsere Beziehungen zu Ungarn Bestimmungen in der Konstitution aufgenommen werden müssen, daß es daher eben als konstituierende Versammlung nicht bloß unser Recht, sondern auch unsere Pflicht ist, sich mit diesen Verhältnissen zu befassen Eines möchte ich noch erwähnen, nämlich, daß denn doch die ungarische Deputation nicht so schlechthin als Deputation einer einzelnen Nationalität angesehen werden kann, daß die ungarische Deputation als vom ungarischen Reichstag ausgehend wenigstens als Depu tation aller derjenigen Länderteile Ungarns betrachtet werden müsse, die auf dem ungarischen Landtage wirklich vertreten sind, das heißt: als eine Deputation aller Landesteile Ungarns, Croatien und Slawonien ausgenommen, denn wir müssen doch dem ungarischen Landtage gegenüber dieselbe Regel festhalten, die wir in unserm Reichstage befolgt sehen wollen, nämlich. daß der Ausspruch der Majorität als der Ausspruch des gesamten Reichstages gelten müsse, wir waren nur dann befugt, von dieser eine Ausnahme zu machen, wenn im ungarischen Wahlgesetze ein Unterschied zwischen den einzelnen Nationalitäten gemacht wäre. Wenn sie aber das neue ungarische Wahlgesetz, nach welchem der gegenwärtige ungarische Landtag zusammenberufen ist, durchlesen, so werden Sie finden, daß durchaus nicht der geringste Unterschied zwischen den einzelnen Nationalitäten gemacht ist, daß wir also nicht sagen können, in Folge des Wahlgesetzes repräsentiere der ungarische Reichstag nur die eine Nationalität, wir müssen daher für die am Landtage vertretenen Lander, ausgenommen Croatien und Slavonien, unmittelbar den ungarischen Reichstag als Vertreter des ganzen Landes und nicht als Vertreter einer einzelnen Nationalität ansehen Man hat gesagt, daß die Ungarn alle übrigen Nationalitäten unterdrückt haben, daß gegenwärtig, noch in diesem Augenblicke die Slaven, die Wallachen, die Deutschen in Ungarn unter einem enormen Drucke seufzen, und daß alle diese Nationen gegen die Magyarische Nation sich erhoben haben. Was die Wallachen und Slaven betrifft, so will ich nicht darüber sprechen, im Namen der Nation aber, der ich angehöre, muß ich es absolut ablehnen. (Bravo.) Ich bin ein Deutscher meine Herren, und ich bin gewiß derjenige in diesem hohen Hause, der an seiner Nationalität am festesten hält (Gemurmel), aber ich muß geradezu erklären, daß ich einen solchen Druck durchgehendes nicht zugeben kann, denn, wenn einzelne Verhältnisse da sind, über welche sie gegründete Klage führen können, es durchaus kein solcher Druck ist, wie man die Ungarn beschuldigt hat und überhaupt kein Druck ist, der zu irgend einem Bürgerkriege Veranlassung geben könnte. Ich weiß auch, daß diejenigen in Ungarn, die meiner Nation angehören, sich in der Beziehung niemals und auch gegenwärtig nicht gegen die Magyaren aufgelehnt haben; ja ich muß sie an ein Beispiel erinnern, an ein sehr trauriges Beispiel, nämlich an das Schicksal, daß die Bewohner der Stadt Weiskirchen, leider meiner Nation angehörig, getroffen hat, die wirklich ein bedeutendes Unglück in den letzten Tagen erlitten haben, und diejenigen, die ihnen das Ungemach zugefügt haben, waren keine Magyaren. (Bravo.)
Übrigens wie gesagt, ich sage dasselbe, was der Abg. Borrosch bereits gesagt hat. Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn eine Deputation aus Croatien und Slavonien sich hier melden würde, sie wäre in der Versammlung hier ebenso zu empfangen wie die Deputation aus Ungarn. Aber ich kann nur wiederholen, daß der ungarische Reichstag uns gegenüber als unseres Gleichen steht, daher nur von einer Verhandlung zwischen Gleichen die Rede ist und es daher unsere Würde fordert, die Gesandtschaft zu empfangen.
Trojan. Ehe ich meine Ansicht über die vorliegende Frage entwickle, erlaube ich mir an das hohe Ministerium eine Frage zu richten: hat, wie ich mich aus den öffentlichen Blättern zu erinnern glaube, hat das Ministerium etwas veranlaßt, um die Zerwürfnisse in Ungarischen Ländern auf gütlichem billigem Wege möglichst auszugleichen, welche Schritte sind geschehen, und welchen Erfolg hatten sie?
Borrosch. Kann eine Verhandlung durch eine Interpellation unterbrochen werden? Ich glaube es fand letzthin die entgegengesetzte Erklärung Statt.
Präs. Ich glaube, daß hier die Ansicht des Abg. Borrosch ganz richtig ist, weil sie sich auf die Geschäftsordnung gründet.
Trojan. Ich bitte, die Geschäftsordnung sagt, jedes Mitglied hat das Recht, zu allen Zeiten Fragen an das Ministerium zu stellen.
Borrosch. Ohne die Verhandlungen zu unterbrechen.
Trojan. Das gehört eben zur Verhandlung, ich habe das Wort, und die verlangte Auskunft wird mich vielleicht theilweise bestimmen in meiner Ansicht.
Präs. Ich bin der Leiter dieses Hauses, und ich glaube die Geschäftsordnung muß befolgt werden, so lange ich sie als einen Grundsatz ansehe, den ich acceptirt habe, und so lange kein Gegenbeschluss der hohen Kammer vorliegt; ein Gegenbeschluss aber liegt nicht vor, und ich glaube also, daß die Verhandlung nicht durch Interpellationen zu unterbrechen sei.
Trojan. Ich stelle also den Antrag, daß mir das Haus in Erläuterung dieses Paragraphes die Bewilligung ertheilen möge, die bereits dargelegte Interpellation zu stellen, welche nur zur Erläuterung und Förderung der gegenwärtigen Verhandlung dienen kann.
P r ä s. Wird der Antrag unterstützt? Diejenigen, welche dafür sind, daß die Interpellation mit Unterbrechung der Verhandlung.
L ö h n e r. Ich bitte, den Antrag erweitern zu dürfen. Die Frage fei so zu stellen: ob es die Versammlung als ein Princip annimmt, daß ein Mitglied. Viele Stimmen. Nein! Nein!
Löhner. Es soll also nur ein Privilegium für einen Einzelnen sein? Ich stelle das Amendement, als zu einem Antrage der eben beschlossen wird, daß das Haus denselben Fall, den der Abg. Trojan für sich.
Helfert. Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, daß eben auch ein Privilegium in der Verhandlung ist, nämlich das Privilegium, daß gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung die magyarische Deputation hier aufgenommen werden solle. Es ist mir nur unbegreiflich, was darin so gar außerordentliches liegen soll, wenn aus Anlaß einer zu privilegierenden Angelegenheit auch in anderer Beziehung um Gewährung eines Privilegiums, gesagt die Forderung des Abg. Trojan wäre ein solches, gebeten wird.
Präs. Ich glaube, es handelt sich Bier um einen rein speciellen Fall. Der Antrag auf Abänderung der Principien, die in der Geschäftsordnung bereits enthalten sind, ist nicht auf der Tagesordnung, und dürfte daher auch nicht in Berathung zu ziehen, und zur Abstimmung zu bringen sein. Der Standpunct der Debatte, wie ich ihn auffasse, ist Folgender:
Der Antrag des Abg. Trojan in diesem speciellen Falle, die Verhandlung durch eine Interpellation zu unterbrechen, ist unterstützt worden.
Löhner. Ich werde auch eine Interpellation stellen, sobald ich an der Reihe sein werde, zu sprechen.
Doliak. Nach meiner Ansicht ist es hier nicht nöthig, daß die Kammer erst den Beschluß fasse, daß eine Ausnahme von der Geschäftsordnung stattfinde. Ich glaube, daß nach den klaren Worten der Geschäftsordnung selbst durch die beabsichtigte Interpellation, falls sie wirklich auf die ungarischen Verhältnisse Bezug nimmt, die Verhandlung nicht unterbrochen wird, folglich verstößt dieß nicht gegen die Geschäftsordnung, wenn der Abg. Trojan, bevor er seine Ansicht ausspricht, an das Ministerium eine Interpellation richtet, welche uns alle über den gegenwärtigen Stand der Unterhandlungen mit Ungarn aufklären kann. Ja ich halte dieß sogar für absolut notwendig, um in den Stand zu kommen, über diesen Gegenstand ruhig zu urteilen. Daher stelle ich den Antrag, der Herr Präsident möge die Frage an die Kammer stellen, ob der Fall der Interpellation, welche vom Abg. Trojan beabsichtiget ist, in der Geschäftsordnung begründet ist oder nicht.
P r ä s. Ich bitte mir den Antrag schriftlich zu geben.
B o r r o sch. Ich habe dieses Ansuchen unterstützt, um ein Beispiel zu geben, wie man nach dem Geiste, und nicht nach dem Buchstaben der Geschäftsordnung verfahren muß, was ich auch für jene Fälle um so mehr beanspruche, wo es sich darum handelt, die in jüngster Zeit an die Stelle der feit 60 Jahren in Österreich aufgehobenen Tierhetze, eingetretenen Völkerhetze aufzuheben. (Beifall von der Linken.)
Präs. Ich weiß nicht, ob diese Bemerkung mit dem Anstande, der in einer so hohen Kammer herrschen soll, im Einklänge steht, und ob Anträge gestellt werden dürfen, denen eine Ironie zu Grunde liegt. Das will ich nicht verantworten. (Beifall im Zentrum und zur Rechten.)
Borrosch. Es war bitterer Ernst und ohne Anstandsverletzung.
Lubomirski. Ich wollte bloß sagen, daß über diese Incidenzfrage der Herr Präsident selbst zu entscheiden hat, und das einzige Mittel, um über diese Entscheidung des Präsidenten noch eine Änderung machen zu können, ist, die Kammer zu befragen. Der Herr Präsident hat sie befragt, es kann also nichts weiter geschehen, als abgestimmt werden, ob die Interpellation vor sich gehen soll oder nicht.
Demel. Ich meine, daß diese Interpellation gar nicht zugelassen werden soll, weil wir uns rein auf dem Standpunkte befinden, um zu entscheiden, ob die Deputation der Ungarn hier aufgenommen werden soll oder nicht. In das Meritum der Sache sollen wir nicht eingehen. Wenn das Ministerium auf die Interpellation eine Antwort gibt, und daraus entweder hervorgeht, daß das Ministerium Schritte getan hat, um eine Vermittlung zwischen diesen beiden streitenden Parteien zu Stande zu bringen, oder nicht; in beiden Fällen, sobald wir uns einmal über die Prinzipienfrage ausgesprochen haben, die Deputation soll nicht empfangen werden, kann die Prinzipienfrage gar keine andere Wendung bekommen, daher ist die Interpellation nicht am Platze.
Abg. Trojan. Ich glaube zwar in meinem guten Rechte zu sein, doch ich ziehe meinen Antrag zurück, um früher zum Ziele zu gelangen.
Präs. Dann entfällt der Antrag des Abg. Doliak.
Abg. Trojan. Ich hätte gewünscht, in einer Beziehung nach vorläufiger Beantwortung meiner Interpellation, etwas heller sehen zu können. Ich weiß nicht, zu welchem Zwecke die Deputation uns begrüßen will, in welcher Absicht sie kömmt, denn das vorgelesene Kreditiv ist so mysteriös abgefaßt, es beruft sich erst wieder auf Beschlüsse, deren Inhalt und Richtung, Sinn und Schranken nicht ersichtlich sind, daß ich daraus eigentlich nichts mit Zuversicht zu entnehmen vermag. Doch scheint die Deputation jedenfalls eine Annäherung, eine Freundschaftsbezeugung zum Zwecke zu haben, die ich nicht gerade zurückgewiesen haben möchte; aber meine Herren, wir haben unsere Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung ist die Norm zur Regelung unserer Geschäftsführung. Man hat gesagt, es seien Ketten, mit denen wir uns nicht fesseln lassen dürfen, man verglich sie mit einem Kindergängelbande, wenn wir uns in allen Fällen darnach richten; wir sollen Ausnahmen machen; man berief sich auf die Autonomie unserer Kammer. Meine Herren, Fesseln sind die Gesetze nur dann, wenn sie aus der Willkür einzelner Despoten hervorgingen; aber unsere Geschäftsordnung ist ein lang angestrebtes, und nur mühsam erstrebtes Ziel wochenlanger Beratungen; sie ist aus der Autonomie, aus der Freiheit unserer Kammer hervorgegangen, und wir können doch wohl jetzt nicht sagen, daß sie eigentlich keinen Wert, keinen Zweck habe. Was hat sie zum Zwecke? sie soll uns bewahren vor augenblicklichen Überrumplungen und Überstürzungen, sie soll die Würde der Kammer durch Regelung, Gründlichkeit und Unbefangenheir deren Verhandlungen wahren, in einer Weise, welche uns im Momente der ruhigen, vollen Überlegung, als durchaus zweckdienlich erschien.
Ich glaube, es ist nichts gefährlicher, als gerade in Momenten der Anwendung eines gegebenen Gesetzes, erst Ausnahmen zuzulassen, und über die Zweckmäßigkeit des Gesetzes zu beraten.
Wenn wir augenblicklichen Einflüssen nachgeben, werfen wir uns in die Wogen des Zufalles, und wir sind diesen preisgegeben. Um das nicht zu sein, können wir von einer einmal angenommenen Regel jetzt nicht abweichen. Man hat eingewendet, es fei kein solcher Fall vorgesehen worden. Ich widerspreche: Meine Herren, wissen Sie nicht, daß gerade in den Momenten, als wir über die Geschäftsordnung wochenlang berieten, daß gerade in jenem Momente eine Deputation des croatischslavonischen Landtages, also gerade ein Teil jener Völker, um die es sich jetzt handelt, zugegen war und hinter den Schranken stand, wie jeder andere Gast? Wir haben also bei Berathung der Geschäftsordnung, und namentlich des bezüglichen §. allerdings auf einen solchen Fall denken müssen. Nun, wenn jene Volksdeputation zurückgewiesen und nicht angenommen wurde, wenn wir jene nicht einführten, ehe die Geschäftsordnung in dieser Weise bestanden, und wo noch nicht Verhältnisse eingetreten waren, die etwa an der Aufrichtigkeit und freien, gutwilligen Bestimmung der Absender einer solchen Deputation zweifeln ließen, wie heute; ich glaube, um so mehr müssen wir uns consequent, gleichgerecht bewähren, daß wir nun auch dasselbe gelten lassen für den andern Theil, der dem früheren feindlich gegenüber steht, ich meine für die Magyaren.
In Folge dieser Andeutung, daß die ganze andere Hälfte des österreichischen Kaiserstaates an den Pforten unseres Hauses pocht, glaube ich mich nur einfach dem früheren Widerspruch, welcher den Bemerkungen des Hrn. Abg. des 4. Bezirkes von Prag von einem Vorredner bereits entgegengestellt wurde, anschließen zu können. Übrigens müssen wir unser eigentliches Verhältniß hier ins Auge fassen. Wir sind zur Vertretung derjenigen Lande und Völker da, die hier repräsentirt sind; alles Andere ist dermal für uns eine Außenwelt. Daß es so ist, daß ein Theil jener Länder, die einst mit uns ein Ganzes ausmachten, und zu Folge der pragmatischen Sanction Eins ausmachen sollten, daß sie jetzt nicht da sind, ist nicht unsere Schuld. Meine Herren, auch wir haben seit dem März Concessionen von unserm Kaiser und König, vom verantwortlichen Ministerium ordnungsmäßig contrastgnirt; auch wir haben das Recht auf einen constituirenden Landtag, um dort alle unsre Landesangelegenheiten zu ordnen. Meine Herren! sie sehen uns in ihrer Mitte, gleich allen ändern, wir haben es bewährt, daß wir nicht separatistische Tendenzen haben, sondern daß wir brüderliche Eintracht und Einigung Aller wollen. So handelten und handeln die Magyaren nicht. Und doch appelirt man auf unser Gefühl. Ich habe schon bemerkt, dieß ist das gefährlichste, ruhige Überlegung soll der Grundleitstern aller unserer Handlungen sein, nur sie wird uns in den sichern Hafen einer dauernd glücklichen Zukunft führen. Aber wenn man auf das Gefühl zurückkehren wollte, ich scheue es, wenn wir die Handlungen gerade desjenigen Volksheiles, der hier jetzt repräsentirt werden will, durch die Deputation, und welcher vertreten ist in derselben, wenn wir auf die Handlungen der letzten Jahre zurückgehen, wenn wir insbesondere auf die letzten Monate zurückgehen, feit dem März, wie wurden die Freundschaftsbezeugungen, wie alle die Versicherungen der brüderlichen Gesinnungen bewährt. Man hat von Humanität und Gesittung gesprochen; meine Herren, ich hoffe, Sie haben nicht bloß die Blätter der einen Partei gelesen, so ausschließlich gelesen, daß ihnen nicht bekannt sein sollte, in welcher Art die Gesittung sich kund gab; die Kirchen, die Schulen, öffentliche Behörden, sie alle sollten Mittel zur geistigen und politischen Knechtung des unprivilegierten Volkes sein. In letzter Zeit sah sich gerade den National Rath der Serben bemüßigt, die Magyaren zur Humanität zu mahnen. Ich will nicht eingehen auf die einzelnen Handlungen, die einen solchen Aufruf veranlagten, aber ich will nur erwähnen, daß das Beispiel, welches uns von Weißkirchen entgegengehalten würde, und welches noch sehr prekär ist nach allen seinen Gestaltungen, Anlässen, Vorgängen und Verhältnissen, und welches ich sehr gerne näher beleuchtet und sichergestellt haben möchte, daß sage ich, das fragliche Beispiel, wenn man's auch ganz für wahr annehmen könnte, durch viele andere der entgegengesetzten Seite weit übertroffen und aufgewogen wäre, wenn wir auf die Schandtaten, Gräuel und Brände hinweisen wollten, die in dem Gebiete der Serben vorkamen. Doch wie gesagt, ich will mich dessen enthalten, ich will nur auf eins hindeuten, daß selbst ein Oberhirt der Kirche in der Kirche nicht Anstand nahm, den Serben in letzterer Zeit ins Gesicht zu sagen; es fei eine Schande einer Nation anzugehören, wie die serbische ist, es fei eine Schmach, serbische Muttermilch eingesogen zu haben. Wenn Sie meine Herren, das Nationalität Gefühl, ja das allgemeine Menschengefühl zu würdigen wissen, und das thun Sie gewiß Alle, so können sie nicht Partei nehmen gegen jene, welche ein solches Joch der Knechtung und Erniedrigung abzuschütteln suchen, Sie können diese nicht aburteilen, also nicht den Stab brechen, über diejenigen, welche nicht zugegen, vielmehr gerade auf der entgegengesetzten Seite der Deputationsabsender stehen, und die entgegengesetzte Richtung gehen. Wenn wir uns den Eingebungen des Gefühles hingeben, dann kämen wir vielleicht auf das entgegengesetzte Ziel, als das uns zugemuthet wird; ja wenn wir mit den Worten des Abg. des 4. Bezirkes von Prag an diejenigen appellieren wollen, die hier ein Herz in der Brust tragen, das menschlich fühlt, das eine Barbarei nicht dulden kann, und solche tyrannische Verrohungen stürzen muß, dann erst werden wir wissen, wo wir von Räuberhorden zu sprechen haben, wir würden uns wegwenden müssen, von jenen, welche die Menschlichkeit so sehr verhöhnt, die Freundschaftsversicherungen so oft gebrochen, und das Vertrauen so sehr getäuscht haben, aber ich will auch über die Magyaren nicht den Stab brechen, mich nicht dem bloßen Gefühle preis geben, sondern ich will mit guter Überlegung handeln, und da glaube ich nichts besseres thun zu können, als auf die Verhandlungen hinzuweisen, welche bereits von unserem Ministerium mit dem ungarischen Ministerium angeknüpft worden sind. Es ist mir nicht gelungen, das Resultat darüber erfahren zu können. Ich hätte es sehr gewünscht, es wäre zur Würdigung und Einsicht des h. Hauses heute bekannt geworden, aber die h. Kammer hat es selbst nicht gewollt, und da wir nicht wissen, welches Resultat, und ob sie eines hatten, so glaube ich, daß wir vorerst noch auf den Weg des Ministeriums hinweisen. Das Ministerium ist unserm Hause verantwortlich, und wird seine Pflicht auch vertreten müssen, wenn es die Gerechtigkeit und Humanität nicht handhabte, wenn es der Humanität, der Gesittung und unserem Interesse nicht gehörig zu entsprechen wüßte. Wir sind eine konstituierende Versammlung, wir haben es nicht mit Exekutivmaßregeln nach außen zu tun, und wir haben keine Pflichtverletzung des Ministeriums in letzterer Beziehung vor uns, wir wissen nur, daß es Schritte getan hat, deren Resultate gerade von Seite der Magyaren uns noch nicht bekannt wurde. (Heiterkeit.) Ich glaube, daß wir daher vor Allem darauf hinweisen, daß die Deputation sich an jene wende, die bereits den Weg der Vermittlung betreten haben.
Goldmark. Meine Herren! Ich müßte das Talent anderer Redner haben, um für die Sache zu sprechen, wie der geehrte Vorredner gegen die Sache gesprochen bat. Ich bin überzeugt, daß seine Rede eher für die Sache, als gegen die Sache war.
Meine Herren, ich habe geglaubt, daß es sich wirklich hier um eine formelle und um eine materielle Seite handelt. Ja leider, wir haben eine Geschäftsordnung (Murren); das ist das Formelle in der Sache. Es gibt aber auch eine materielle Seite, die ist jedoch etwas sehr stark materiell, sehr roh materiell. Diese materielle Seite ist der Bürgerkampf, der in Ungarn wütet. Diese Frage ist sehr einfach durch die folgende zu beantworten: Wollen wir uns an die formelle Seite halten, an die Geschäftsordnung, oder die materielle, den Bürgerkrieg berücksichtigen? Will die Versammlung, wollen die Vertreter des österreichischen Volkes hinschauen, was es denn für eine Bewandtniß habe mit dem Bürgerkrieg in Ungarn? Die Beantwortung wird sich, so glaube ich, jeder selbst geben, der nicht bloß mit kaltem Verstände (ich kann sie versichern, es weht mich eine Kälte an, die rein sibirischer Natur ist) (Heiterkeit), sondern nebst dem kalten Verstände auch das warme, menschlich fühlende Herz reden läßt. (Bravo.) Dabei darf man gar nicht fürchten, daß das Herz mit dem Verstände davon läuft; ich von meiner Seite fürchte es nicht.
Ein Beweis meine Herren, daß ich doch wenigstens für mich so unbescheiden bin, zu glauben, daß ich nebst dem Herz noch einen Kopf habe. Ich will meine Rede nicht auf den nationalen Boden hinüber wenden, ich will des Herrn Trojan heißen Wunsch nicht erfüllen, daß die Angelegenheit von Weißkirchen etwas genauer beleuchtet werde; das wäre ein fürchterliches Licht, ein sehr fahles Licht, hingeworfen auf die gebratenen Körper der Familie Legkamm; das meine Herren, wollen wir nicht sehen? nicht fragen, wie und wer unsere deutschen Brüder gemordet und gebraten hat? Ich will ferner nicht darauf antworten, welche Konsequenz darin liege, daß man in einem Atemzuge behauptet, bei der Anwendung der Geschäftsordnung keine Ausnahme zu machen, und gleichzeitig für sich selbst Ausnahmen beantragt. Ich bedauere sehr, daß die hohe Kammer diese Ausnahme nicht zugelassen hat, aber ich bedauere noch mehr, daß der Abg. Trojan seinen Antrag zurückgenommen hat. Denn allem Anscheine nach wäre er zugelassen worden, und wir würden dadurch bewiesen haben, daß von der Geschäftsordnung hinlänglich und genug Ausnahmen gemacht wurden, und meine Herren, auch gemacht werden. Ich will auch nicht untersuchen, wer eine Separation beabsichtiget hat; wir haben es den Herren dort drüben nicht vorgeworfen, es war daher auch nicht notwendig, sich weiter zu verteidigen. Daß wir dem Zufalle anheim fallen, wenn wir den sichern Leitfaden einer solchen Geschäftsordnung verlassen; was soll das bedeuten? etwa daß wir unfern Verstand ganz aufzugeben haben? Ich glaube, wir werden fest stehen und die Verhältnisse sicher beurteilen, wenn wir auch sagen, daß dieser Paragraph der Geschäftsordnung nicht auf diesen speziellen Fall Anwendung finde, das hängt von der Entscheidung der Kammer ab, und ich glaube, daß wir uns in keine Zufälle einlassen, daß wir ruhig und festen Schrittes vorwärts gehen werden; auch will ich ferner nicht fragen, ob die Montenegriner, die herüber nach Ungarn gekommen sind, Räuberhorden waren, oder ob sie in freundschaftlicher Absicht gekommen sind, um uns beizustehen. Ich will auch nicht auf die liebenswürdigen Konsequenzen hinweisen, wenn der Eine von der Gegenpartei behauptet, daß wir gar nicht wissen, was die ungarische Deputation eigentlich will, da das abgegebene Kreditiv sehr wenig sagend, und mysteriös gehalten sei, während ein anderer Redner derselben Partei alle Sünden der Ungarn haarklein aufzählt, und schon im Voraus weiß, was sie wollen, was sie wünschen, und auf Grundlage dieser Kenntniß, ihnen die Türe vor der Nase zuschlagen will. Die Herren der Gegenpartei haben heute die Ungarn Fremdlinge genannt, und sonderbar, dieselben Herren werden in der Konstitution gewiß diesen Grundsatz nicht geltend machen. Die Ungarn, als ein Teil der österreichischen Monarchie, haben aber meine Herren, auch ein Recht, hier Gehör zu fordern, sie sind als Gesandte einer gleich berechtigten Nation, und als Bittsteller da.
Meine Herren! ich bin daher für den ersten Antrag so gut wie für den zweiten, man hat auf das Ministerium hingewiesen, ich will damit durchaus der Exekutivgewalt auf keine Weise vorgreifen, ich werde eben so gut wie irgend Einer in der Konstitution den Grundsatz festzuhalten suchen, daß ein für allemal in einem geregelten konstitutionellen Staate die Gewalten getrennt sein müssen, daß die eine nicht Übergriffe machen dürfe in das Gebiet einer anderen.