Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Vierundvierzigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 19. September 1848.
Tagesordnung:
1. Ablesung des Sitzungsprotokolle vom 16. September.
2. Berichte des Petitions- Ausschusses.
3. Bericht des Finanz Ausschusses über den Antrag des Abg. Borrosch.
Hofloge leer:
Vorsitzender: Präsident Strobach. Auf der Ministerbank: Doblhoff, Latour, Bach, Krauß, Schwarzer, Hornbostl.
Anfang um halb 11 Uhr.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Deputaten ist anwesend, ich erkläre die Sitzung für eröffnet und ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll über die letzte Sitzung vorzulesen. (Hauschild liest das Protokoll der Sitzung vom 16. September 1848, welches von der hohen Versammlung genehmigt wird.)
Nun wäre das Verzeichniß der eingelaufenen Eingaben abzulesen. (Secretär Streit liest Eingaben; unter denselben befindet sich eine Dankadresse der Committenten des Abg. Schneider von Bilitz, wegen Genehmigung der Wahl des Letztern, worauf der Herr Präsident den Abg. Schneider ersucht, diese Dankadresse sodann übernehmen zu wollen; ferner befinden sich unter den Eingaben die von dem Ministerium auf den Tisch des Hauses niedergelegten Acten betreffs der Recrutirung, der Abreise Sr. Majestät im Mai und der Darstellung der Landtagsbeschlüsse. Der Herr Präsident ersucht diejenigen Herren, welche von diesen Acten Einsicht nehmen wollen, sich an den Secretär Streit zu wenden.)
Es liegen einige Urlaubsgesuche vor; ich haben dem Abg. Trummer einen Urlaub auf drei Tage bewilligt, und bringe dieß zur Kenntniß der hohen Versammlung. Ferner liegen Urlaubsgesuche vor, welche die hohe Versammlung selbst zu erledigen haben wird.
Secretär Ullepitsch Laut des im Vorstandsbureaus geführten Ausweises sind von den bis zum heutigen Tage angemeldeten 375 Abgeordneten dermalen 26 auf Urlaub abwesend. Es liegen neuerlich 7 Urlaubsgesuche vor, und zwar das des Abg. Andreas Dominkusch auf 4 Wochen, vom 1. Oktober angefangen; das des Abg. Sterzen auf 14 Tage, vom 22. d. M.; das des Abg. Alexander Dziedusczycki, ebenfalls auf 14 Tage, vom 23. d. M.; das des Abg. Johann Plaß auf 14 Tage, vom 20. d. M.; das des Abg. Joseph Jabukowski auf 12 Tage; das des Abg. Ignaz Mascha auf 12 Tage, vom 21. d. M. und das des Abg. Georg Reichert auf 10 Tage, vom 25. d. M. (Sämmtliche Gesuche wurden bewilligt).
Präs. Ich habe auch zu melden, daß der Abg. Sitka einen Urlaub auf 3 Tage erhalten hat.
Ich erlaube mir hier auf einen Beschluß aufmerksam zu machen, der in Betreff der Übertragung der Gegenstände, Anträge u. s. w. dieses hohen Reichstages in anderen Sprachen als die deutsche gefaßt wurde. Es handelt sich nur um den Vollzug dieses Beschlusses. Insoweit dieser Beschluß die mündliche Übertragung der hier gehaltenen Reden oder gestellten Abstimmungsfragen betrifft, waltet darüber kein Anstand ob, da dießfalls gesagt wurde, daß diese Übertragung stets durch einen Herrn Abg. dieser Kammer laut zu geschehen habe. Was dagegen die schriftliche Übertragung anbelangt, nämlich den ersten Theil des Beschlusses über den Commissionsantrag: der Reichstag wolle beschließen, daß von allen Vorschlägen, Amendements, Berichten, Sitzungsprotokollen und Verhandlungen der Kammer im Auszuge und von der Geschäftsordnung Übersetzungen in die italienische Sprache veranlaßt, und in hinreichenden Exemplaren an die der deutschen Sprache nicht mächtigen Deputaten Dalmatiens, Istriens und Süd Tirols, ohne Verzug vertheilt werden, welcher Beschluß dann noch ausgedehnt wurde auf die Sprachen aller übrigen hier vertretenen Nationalitäten. Was nun diese Übersetzungen anbelangt, so sind sie von Seite des Vorstandsbureaus schwer zu exequiren, weil die Organe nicht angedeutet sind, welche diese Übersetzungen liefern sollen. Dazu ist nur ein doppelter Weg möglich, daß entweder Translatoren angenommen würden, welche als Beamte zu behandeln, und aus der Reichstags Kasse zu besolden wären, oder daß eine Kommission aus den Gliedern des Hauses zusammengestellt wird, welche beider Sprachen mächtig sind, und daher erlaube ich mir (falls die Herren, welche dieser Beschluß unmittelbar betrifft, nicht selbst Anträge zu stellen gedenken) vorzuschlagen, damit allenfalls die Petitions- Kommission dieß vielleicht tun würde, damit sie Anträge für den Vollzug stelle, denn so läßt sich der Beschluß vor der Hand nicht exequiren und das Vorstands Bureau ist nicht ermächtigt, eine Verfügung zu treffen. Das erlaubte ich mir vor allen ändern zur Kenntniß zu bringen.
Ferner muß ich auch zur Kenntniß bringen, daß mir von dem Deputationsmitgliedes der ungarischen Deputation, nämlich von Deák, ein Beglaubigungsschreiben der ungarischen National Versammlung, in Betreff der Ermächtigung der Deputation, die an den österreichischen Reichstag abgeordnet worden ist, übergeben wurde. Dieses Beglaubigungsschreiben wollen der Schriftführer Streit ablesen, bevor ich mir eine Bemerkung selbst über die Sache erlaube.
(Schriftführer Streit bemerkt, daß das Beglaubigungs- Schreiben auf der einen Seite in ungarischer, auf der ändern Seite in deutscher Sprache abgefaßt ist, und liest dasselbe unter gespannter Aufmerksamkeit des Hauses vor, wie folgt.)
Ich unterfertigter Präsident der ungarischen Nationalversammlung bezeuge, daß die ungarischen Volksvertreter Franz Deák, Joseph Eötvös, Johann Balogh, Franz Pulszky, Bartholomäus Szemere, Edmund Kállay, Paul Szirmayi, Daniel Irányi, Stephan Gorove, Dominik Teleky, Alois Raißig, Stephan Bezeredy, durch die ungarische NationalVersammlung zum vereinigten österreichischen Reichstage zu dem Endzweck entsendet worden sind, damit sie in dieser ihrer Entsendung, dem de Dato 15. September laufenden Jahres gebrachten und ihnen übergebenen Beschlüsse gemäß verfahren.
Gegeben aus der zu Pesth am 15. September 1848 abgehaltenen ungarischen Nationalversammlung.
Dionys Pázmandy, Präsident der ungarischen Nationalversammlung.
Präs. Es wurde das Ansuchen gestellt, damit die ungarische Deputation in den hohen Reichstag selbst eingeführt würde. Ich habe mich dießfalls gegen den Herrn Sprecher dieser Deputation ausgesprochen, und auf die Bestimmung des Reglements dieses hohen Hauses hingewiesen. Ich erlaube mir nochmals den betreffenden Absatz des Reglements vorzulesen.
"Deputationen werden weder in die Reichstagssitzungen, noch in die Abteilungen und Ausschüsse zugelassen. "
Ich glaube, es bedarf einer weitern Verhandlung nicht, sondern einfach der Berufung auf die Geschäftsordnung, daß die Zulassung der ungarischen Deputation in diesen Reichstag unzulässig sei; daher würde ich mir nur erlauben zu bemerken, daß ich das Beglaubigungs- Schreiben an die ungarische Deputation wieder zurückzustellen meine.
Abg. S i e r a k o w s k i. Herr Präsident, ich stelle den Antrag, daß man hier eine Ausnahme von der Geschäftsordnung mache. (Große Bewegung.)
Präs. Ich bitte die Redefreiheit zu wahren.
Abg. Sierakowski. Ich bitte Herr Präsident, mir das Recht zu sprechen zu wahren. Ich bitte also, daß man eine Ausnahme mache, man soll die Kammer darüber befragen, ob die ungarische Deputation vor die Schranken dieses Hauses vorgelassen werden soll.
Präs. Ich muß bitten, sich dießfalls nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu benehmen und mir den Antrag schriftlich vorzulegen.
Abg. Borrosch. Ich unterstütze den Antrag und bitte um das Wort, ihn begründen zu dürfen.
Präs. Ich glaube es ist kein Anstand, da sich kein anderer Redner gemeldet hat; ich bitte daher zur Begründung zu schreiten.
Borrosch. Eine aus vielen hier nicht vertretenen Völkern des Gesamt Vaterlandes bestehende Nation, die nach Osten hinschauende Hälfte des österreichischen Doppelpaares, pocht an die Pforten dieses Hauses. Die eine Hälfte des Reiches pocht an die Pforten dieses Hauses, wo die Volksvertreter der anderen Hälfte des Reiches ihrer erhabenen Aufgabe, eine neue Verfassung zu schassen, zur Wahrung der Rechte jeder Nationalität, zur Schlingung des Eintrachtbandes um die Volksfreiheit, nicht genügen könnte, wenn sie mit kürzsichtigem Auge ihre Blicke nicht auf das Gesamtvaterland, ja selbst hinaus über seine noch immer engen Grenzen richten dürfte, wenn sie Verhältnisse, die Lebensbedingungen für das der Volksfreiheit und dem erblichen Throne geweihte Verfassungswerk sind, durch eine Vexierbrille, geschliffen von einer missverstandenen Loyalität, betrachten sollte. Es wird uns die Geschäftsordnung entgegengestellt. Kürzlich sagte der Minister dieses Hauses: " nicht auf den Ministerbänken, sondern von dem Weltgeiste wird die Politik gemacht. " Wohlan, dieser Weltgeist pocht heute an die Pforten dieses Hauses, aber die Geschäftsordnung stellt sich als Pförtnerin hin, und diese Geschäftsordnung soll für die Gesetzgeber dieses Hauses eine Tyrannin sein? eine Tyrannin für die freien Völker, die eine Metternich'sche Geschäftsordnung brachen! Ist das Haus nicht autonom? hat es nicht oft schon die Geschäftsordnung, wenn es der Geist und nicht der Buchstaben erheischte, umgeändert? soll unter dem Worte "Deputation" ein damals in der Geschäftsordnung gar nicht vorhersehbarer Fall mit inbegriffen sein? eine internationale Deputation, eine Gesandtschaft des einen Reichstages zu dem ändern? Sollen wir hier Kindern gleichen, denen gestattet wird, am Meeresstrande mit bunten Kieseln und Muscheln zu spielen, während die Sturmflut heranbraust? Können wir Verfassungsgesetze berathen, beschließen, wenn rings um uns der entsetzliche Bürgerkrieg tobt und seine Brandfackel auch in unsere Länder zu schleudern droht? (Beifall von der Linken und von der Galerie.)
P r ä s. Ich ersuche die Galerie sich jedes Beifalles zu enthalten.
Borrosch. Jeder von uns hat wohl die Verhältnisse Ungarns und jener Länder, welche jetzt dort gegenseitig ihre Völker ausschicken, um sich zu morden, früher schon, als wir hier zusammentraten, mit aufmerksamem Blicke verfolgt. Aus Allem, was ich sprach und was ich schrieb, kann Niemand im Zweifel über meine Gesinnung sein; Niemand wird einen Zweifel darüber hegen, daß ich die von den Ungarn begangenen Fehler etwa verkenne, es passt aber ganz auf sie, das allbekannte Talleyrand'sche Wort: "es ist mehr als ein Verbrechen: es ist ein Fehler, " denn die Verbrechen werden von dem berechnenden Verstande geschmiedet, die Fehler sind Ausbrüche des Naturelles, ein auf die Berechnung vergessendes Sichgehenlassen; sie sind weniger verantwortlich und wiegen vollends leicht in der einen Wagschale, wenn ein völkerrechtswidriges Verbrechen die andere Schale hinunter sinken macht.
Können wir unser Verfassungswerk, diesen Friedensvermittler zwischen dem Rechte, den Nationalitäten und der Völkerfreiheit auf der einen Seite, dem Staatsverbande und dem erblichen Throne auf der anderen Seite, glücklich zu Ende zu bringen hoffen, wenn die Kriegsfurie uns umraset? wissen wir, ob dann nicht dem Monarchen selbst die Gesetze in Wien datirt werden können? Sollen wir nicht unser Friedensmittleramt auch dahin ausdehnen, wenigstens das Empfangsorgan für die Wünsche der mit uns verbrüderten Völker zu werden, um sie vorzutragen an den Stufen des Thrones? Meine Herren! lassen Sie uns der Würde dieses Reichstages eingedenk sein, und gastfreundlich eine Nation empfangen, die vertrauend den hier vertretenen Völkern sich naht, und seien Sie überzeugt, daß das der erste Schritt ist zu einem alle Völker Österreichs umschlingenden Bruderbunde. Ich fordere Jeden auf, der hier ein Herz in seiner Brüst trägt, was menschlich fühlt, was einen Bürgerkrieg nicht dulden kann, der ein gesegnetes Land in das sechzehnte Jahrhundert wieder zurückstürzt, zurück in eine barbarische Verrohung, indem mit Verletzung alles Völkerrechtes, ohne daß unsererseits etwas dagegen gethan wurde, räuberische Horden über die Grenze gelassen werden, die man doch nicht als Bundesgenossen erklären wird.
Meine Herren: ich beschwöre Sie, geben Sie jetzt nur der Herzensstimme Gehör und glauben Sie, daß der politische Verstand in diesem Momente nicht weiser rechnen kann; stimmen Sie, unbekümmert um eine parlamentarische Niederlage, sie wird gewiß wenigstens keine moralische sein. (Beifall von der Linken. Zischen vom Centrum.)
Präs. Es ist mir noch ein weiterer Antrag in dieser Angelegenheit überreicht worden, und zwar vom Abg. Fedorowicz, er lautet: "Ich stelle den Antrag, eine Commission aus dem Reichstage zu wählen, damit dieselbe das Anliegen der ungarischen Deputirten vernehme und dem hohen Reichstage berichte; " es wurde an diesen Antrag auch sogleich ein Ansuchen wegen der Ordnung der Abstimmung geknüpft.
Ich bringe den Antrag mit der Bitte vor, daß er dann vorgenommen wird, falls der Antrag des Abg. Sierakowski fallen sollte.
Wünscht vielleicht der Herr Antragsteller zur Motivirung seines Antrages etwas vorzubringen.
Abg. Fedorowicz. Ja, da ich ihn jedoch eventuell gestellt habe, behalte ich mir das Recht vor, ihn dann zu motiviren, falls er zur Abstimmung kommt.
Präs. Ich glaube, es dürften die Abstimmungen in unmittelbarer Reihe auf einander folgen.
Abg. Fedorowicz. Also werde ich das Recht jetzt ausüben. Meine Herren! bis jetzt war es in Europa die Sitte, daß zwischen Völkern, welche einander bekriegten, Kabinette interveniren. Jetzt hat sich in Belgien ein Parlament gesammelt, von Männern aller Nationen, deren Aufgabe es sein sollte, die Fragen der Nationen auf friedlichem Wege zu lösen. Meine Herren! einige Brüder unseres Staates werden jetzt mit verheerendem Kriege überzogen. Was vom Theile gilt, muß auch vom Ganzen gelten; wir können nicht wissen, wo dieser Krieg, wenn er fortdauert, wo er hält. Es erscheint vor der hohen Kammer eine Deputation, nicht die Deputation eines Vereines, einer Innung, einer Kommune, nein, es ist die Deputation eines Volkes an die Vertreter der österreichischen Völker. Ich kann nicht der Ansicht sein, daß das Gesetz es ausdrücklich sagt, daß die Deputation nicht zugelassen werden soll, daß ich eine Ausnahme beantrage, denn als Wahrer der Gesetze muß ich vor Allem, für die unbedingte Achtung der Gesetze sein; aber ich halte es für meine Pflicht, die Sache selbst zu fördern, und die Sache wird eben auf diesem Wege, den ich vorgeschlagen habe, gefördert. Meine Herren, ich glaube, es wäre schon für einen Einzelnen ein Vorwurf, Jemanden abzufertigen, ohne ihn anzuhören; ein Volk wendet sich an uns, wir dürfen dessen Vertreter nicht von hier lassen, ohne ihre gerechten Wünsche, über die wir jetzt nicht entscheiden und bestimmen können, vorher angehört zu haben. (Bravo.) Ich will kurz sein, ich schließe mit der Bitte, damit mein Antrag unterstützt und angenommen werde. (Beifall.)
B r es t e l. Meine Herrn, man beruft sich um die Gesandtschaft nicht vorzulassen, die der Reichstag von Ungarn an den hiesigen Reichstag gesendet hat, auf einen Paragraph der Geschäftsordnung, bei dessen Abfassung wohl niemand an einen solchen Fall gedacht hat; denn es heißt dort, Deputationen empfängt der Reichstag nicht. Was habe ich, was haben alle bei dem Worte Deputation und bei dem hierauf festgesetzten Verbote gedacht? Wir dachten an Deputationen von Kommunen, von Vereinen und an alle, welche von Einzelnen der auf dem Reichstage vertretenen Provinzen an uns gesendet werden sollten.
Wir mußten diese Vorschrift der Geschäftsordnung festsetzen, weil wir sonst unendlich viele Zeit verloren hätten, weil wir zwischen diesen einzelnen Deputationen keinen Unterschied machen dürften, weil wenn wir heute eine Deputation der Stadt Ollmütz oder von der Stadt Linz empfangen hätten, wir dann eben so gut die Deputation aus irgend einem kleinen Dorfe den nächsten Tag hätten empfangen müssen. Es war daher der Zweck dieser Verordnung, dein Reichstage großen Zeitverlust zu ersparen. Es ist aber gegenwärtig eine Gesandtschaft, ich sage absichtlich Gesandtschaft und nicht Deputation des ungarischen Reichstages etwas ganz anderes, als was in die Geschäftsordnung unter dem Namen Deputation bezeichnet worden ist, es ist das eine Gesandtschaft, die nicht ausgeht von Einzelnen oder Körperschaften, die uns als ihre Autorität anzuerkennen haben, es ist dieß eine Gesandtschaft von Jemand, die unseres Gleichen ist, der mit uns auf demselben Standpuncte steht, es ist das die Deputation eines Reichstages, eines Theiles der österreichischen Völker an den Reichstag eines andern Theiles der österreichischen Völker, es ist daher im eigentlichen Sinne des Wortes eine Gesandtschaft. Um zu zeigen, wie sehr uns das Kleben an der Geschäftsordnung schadet, möchte ich Sie nur auf Ein Beispiel aufmerksam machen, das gerade hier vollkommen am Platze ist. Ich erinnere die Herren nur an Folgendes: Ich habe vor ungefähr 12 Tagen an die Kammer die Bitte gestellt, daß sie mir erlaube, einen Antrag zu motiviren auf die Niedersetzung einer Commission, welche mit der Regelung eben dieser Verhältnisse zwischen uns und Ungarn sich zu beschäftigen hat.
Dieser Antrag wurde als dringlich erkannt und mir die Motivirung auf den nächsten Tag gestattet. Es sind seit jener Zeit 12 Tage verstoßen und ich bin noch nicht zur Motivirung zugelassen worden. Wäre mein Antrag damals, nachdem er als dringlich erkannt wurde, gleich in der nächsten Sitzung zugelassen worden, so könnte die niedergesetzte Commission uns über diesen Punct schon einen motivierten Antrag stellen. Sie sehen daher, daß in manchen Fällen, namentlich in Fällen exceptioneller Art ein solches Hängen an der Geschäftsordnung nie zum Heile führen kann. Es wäre auch überflüssig, die Geschäftsordnung auf alle exzeptionelle Fälle auszudehnen; man müßte eine Geschäftsordnung nicht wie wir aus 80 sondern aus 6 bis 900 Paragraphen machen, wollte man für alle einzelnen exceptionellen Fälle vorsehen. Die Geschäftsordnung ist kein Gesetz, es ist nur eine Regel, nach der wir unsere Geschäfte regeln, und es steht immer bei uns, in einem exceptionellen Falle eine Ausnahme zu machen. Ja, wenn wir die exceptionellen Fälle nach allgemeinen Regeln behandeln würden, so würde das nicht viel von dem politischen Tact dieses Hauses zeigen. Aber meine Herren, es ist dieses eine Sache von der allergrößten Wichtigkeit, und ich kann nur den früher gestellten Antrag unterstützen, daß die vom ungarischen Reichstage an uns gesandte Gesandtschaft angenommen, ihrem Begehren willfahrt und sie vorgelassen werde. Meine Herren! wir handeln hier unter Gleichen, wir müssen die nöthige Rücksicht, die nöthige Achtung vor unseres Gleichen, wie vor uns selbst haben. Weisen wir diese Deputation zurück, so fetzen wir im ungarischen Reichstage uns selbst herab, und wir sind es uns selbst schuldig, daß wir diese Deputation an die Schranken dieses Hauses zu lassen. Alle diejenigen Gründe, die man gegen die Zulassung im Allgemeinen angeben kann, fallen hier weg, denn wir dürfen nicht fürchten, daß ein zweites und drittes Mal oder daß täglich ein solches Ereignis eintreten wird. Wir sind mit Ungarn in einem solchen wechselweise Verhältnisse, daß dieß ein vollkommen einzig dastehender Fall ist. Es ist darum eine Sache von der größten Wichtigkeit, weil es sich hier zugleich um unser eigenes Wohl handelt, unser Wohl ist mit dem Wohle von Ungarn in inniger Verbindung, denn es ist wesentlich davon bedingt und es ist so innig mit dem unsrigen verbunden, daß das Wohl Ungarns gleicherzeigt unser eigenes Wohl ist und auch umgekehrt.
Wir müssen daher aus Rücksicht für uns selbst das hören, was die ungarische Deputation uns sagen will. Ich weiß zwar, man wird sagen, der Reichstag habe als gesetzgebender Körper nicht mit auswärtigen Mächten zu verhandeln, es sei dieß Sache der executiven Gewalt. Meine Herren! ich würde das allerdings vollkommen zugeben, wenn es sich etwa um eine Deputation handeln würde, die von einer französischen, englischen oder schwedischen Reichsversammlung zu uns käme. In diesem Falle würde ich allerdings sagen, es ist die Sache der Exekutivgewalt. Dieses wäre der Fall in Beziehung auf auswärtige Mächte, es wäre dieß Sache des Monarchen, vertreten durch seine verantwortlichen Minister. Aber hier meine Herren, ist dieß der Fall nicht; es ist ein exceptioneller Fall, denn der Kaiser von Österreich ist zugleich König von Ungarn, er kann nicht selbst in seiner eigenen Sache handeln, er ist dieß seiner Würde, er ist dieß seiner Pflicht schuldig. Hier ist eine Verhandlung durch den Monarchen darum nicht möglich, weil er der Monarch beider Länder zugleich ist. Ich wollte bei der Begründung, zu welcher man mich aber nicht gelassen hat, eben sagen, wie nöthig in dieser Beziehung eine Verbindung zwischen den am Reichstage vertretenen und den Ländern der ungarischen Krone sei. Die Freiheit Ungarns ist mit der Freiheit der auf diesem Reichstage vertretenen Länder so innig verbunden, daß sie nicht in dem einen Lande unterliegen kann, ohne in dem andern der größten Gefahr des Unterliegens ausgesetzt zu sein. Aus diesem Grunde schließe ich mich dem Antrage an, daß die Deputation vorgelassen werde.
Brauner. Die hier zur Sprache gebrachte Sache hat offenbar eine formelle und eine materielle Seite. In formeller Beziehung stützt sie sich, wie bereits der Herr Präsident ausgesprochen hat, auf die Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung dürfte wohl auch in Betreff der vorliegenden Frage so lange aufrecht zu erhalten sein, als man in derselben ein Mittel findet, wie der Reichstag von allen ihm zur Kenntniß zu bringenden Angelegenheiten die Überzeugung und die Kenntniß erlangen könne. Nicht bloß der Paragraph, den uns der Herr Präs. vorgehalten hat, sondern auch noch ein anderer enthält eine solche Bestimmung, nämlich der §. 15, wo es heißt: "Der Präsident eröffnet alle an den Reichstag gelangenden Eingaben und ist das Organ der Reichsversammlung in allen ihren Beziehungen nach Außen. " Aus dem was wir über die ungarische Deputation durch die vorgelesene Legitimation derselben gehört haben, wissen wir noch nicht, um was es sich dabei im Wesen handelt. Nur Ein Redner hat vielleicht aus einer Privatnotiz das Wesen der Sache selbst berührt. Ich glaube nun, um was es sich immer handeln möge, so wie jeder andere, der mit dem Reichstage irgend korrespondieren will, hätten auch die Herrn Abg. aus Ungarn sich an den Reichstag formell nach der Vorschrift der Geschäftsordnung verwenden können, und wir würden dann wohl in der Lage sein, über die Sache selbst uns nach authentischer Vorlage aussprechen zu können.
Da es aber nach den Ereignissen, die uns alle bekannt sind, und nach demjenigen, was zwei Redner vor mir angedeutet haben, ziemlich klar sein dürfte, daß die ungarische Deputation jene Interessen hierher geführt haben, wegen welchen schon vor kurzer Zeit eine Deputation hier beim Könige von Ungarn war: so erlaube ich mir zu bemerken, daß der Reichstag durchaus nicht in der Lage ist, in diese Sache einzugehen, ohne einen andern großen Theil von Ungarn in seinem guten Rechte zu verletzen. Meine Herren! In Ungarn ist jetzt ein Kampf um die Nationalität, um die Gleichberechtigung; und diejenigen, die jetzt bewaffnet für ihr gutes Recht dort aufgestanden sind, sind in der Deputation nicht vertreten, in dieser Deputation ist nicht das ungarische Volk, sondern nur jener Theil, der sich Magyaren nennt, vertreten. Sollen wir nun deßhalb eine Ausnahme von unserem bisherigen Geschäftsgange annehmen, um zu manifestieren, daß wir uns nur für den einen und nicht auch für den anderen Theil interessieren wollen? Die Magyaren haben seit den Märztagen die Gelegenheit von sich gewiesen, mit dem freien Österreich verbrüdert und vereint zu sein, während eben ein großer Theil der ungarischen Nation, die Saven, die Wallachen, die Deutschen, die an der Angelegenheit der ungarischen Deputation keinen Antheil nehmen, darnach streben. Ich mache daher die hohe Versammlung nur darauf aufmerksam, daß nach der gegenwärtigen Lage der Sache in einen Beschluß wegen der Aufnahme der ungarischen Deputation einzugehen, so viel hieße, als für eine der streitenden Nationalparteien in Ungarn die Partei ergreifen, sich für dieselbe offen erklären.
Borrosch. Ich habe mit guter Absicht früher mich durchaus nicht in Einzelheiten eingelassen, sie würden nur zu unliebsamen Debatten führen, gehören auch durchaus nicht hierher; sondern in den Bereich der vor 8 Tagen vom Abg. Brettel angetragen gewesenen Internationalkommission, insofern sie die Völker des österreichischen Kaiserstaates betrifft. Der geehrte Herr Abg. vor mir meint, wir würden einem andern Theile der Bewohnerschaft Ungarns dadurch zu nahe treten, aber es sind nicht die Magyaren, die wir hier empfangen sollen, es könnte in diesem Momente auch eine kroatische, eine wallachische, eine slavonische Deputation vor der Pforte des Hauses stehen, und ich würde ganz genau dasselbe zu ihren Gunsten beantragen. Meine Herren, der Genius Ungarns ist es, der Genius des Friedens, der Gesittung, der Humanität, und der nur durch sie Wahrbahren Volksfreiheit ist es, der an uns sich gewendet hat. Es fällt mir nicht entfernt bei, dieses Haus hier irgend zu einem Exekutivorgan machen zu wollen. Ich wäre der Erste, der auf das Entschiedenste dagegen auftreten würde, wohl wissend, daß das Haus sich dann eine Diktatur anmaßte, die nach dem einen oder andern Extreme hin, ganz gewiß einen Diktator setzen würde. Allein ein Prüfungs- und ein Vermittelungsorgan zur Anbahnung des Friedens, ein treues Volksorgan, das können, das sollen, das müssen wir sein, wenn wir selber als Volksvertreter unfern Völkern gegenüber uns als das bewähren sollen, weßhalb sie uns hierher gesendet haben.
Überhaupt schlage ich vor, an einen bloß gastfreundlichen Empfang gar keine vorgreifende Debatte zu knüpfen; sie folge dem Commissionsbericht; für jetzt wünsche ich nur, was das Ehrgefühl, was das Gastrecht, was die Eingebung jedes edlen Herzens gebietet: die gastfreundliche Aufnahme dieser Gesandtschaft. (Beifall.)
R i e g e r. Meine Herren, der Herr Abg. von Prag weiß immer mit großer Beredsamkeit die Geschäftsordnung aufrecht zu erhalten, sobald er nach seiner Gesinnung deren Aufrechterhaltung für nothwendig hält. Wenn er aber nach seiner politischen Ansicht es bequemer findet, sie nicht zu halten, dann beruft er sich auf die Autonomie des Hauses und sagt: wir können die Geschäftsordnung stürzen und umändern so oft wir wollen. Meine Herren, allerdings können wir das, aber ich frage, ist es unserer Würde angemessen, daß, was wir heute beschlossen haben, im nächsten Augenblicke wieder umzustürzen? Haben wir einmal uns selbst ein Gesetz gegeben, so sind wir es auch unserer Würde schuldig, dieses Gesetz zu halten, und tun wir das nicht, können wir die Gesetze, die wir uns selbst gegeben haben nicht halten, dann frage ich, wie können wir von den Völkern, denen wir Gesetze geben, erwarten, daß sie diese Gesetze halten werden. Meine Herren, welchen Zweck kann es haben, eine Deputation vor die Schranken des Hauses vorzulassen und anzuhören.
Sind wir etwa da, um uns in diplomatische Geschäfte einzulassen? Ist eine konstituierende Reichsversammlung dazu geeignet? in ihrer ganzen Masse, in der ganzen Körperschaft mit der Gesandtschaft eines fremden Volkes zu verhandeln? Meine Herren, der Abg. von Prag hat vor dem gesagt, es wäre hier ein Teil des Gesamtvaterlandes, der an den Pforten dieses Hauses pocht?
Ich leugne das meine Herrn! Ungarn ist nicht mehr ein Teil dieses Gesamtvaterlandes, es bat sich losgerissen, es hat sich für selbständig erklärt, es hat erklärt, nicht mehr teilnehmen zu wollen an dem österreichischen Staatsverbande.
Der Herr Abg. von Prag hat selbst vor Kurzem erklärt, daß ein Teil des großen Körpers sich losgerissen habe, um als selbstständiger Komet seine eigenen Bahnen zu wandeln. (Beifall, Zischen.) Vergesse der Herr Abg. von Prag nicht, was er selbst vor Kurzem ausgesprochen hat, Ungarn ist seit den Märztagen ein eigener Staat, es hat die Verlegenheit, in denen damals die Regierung war, benützt, um sich von der Monarchie loszureißen, und sich selbstständig zu stellen. Es hat sein Ministerium des Auswärtigen verwendet, seine Agenten bei fremden Höfen, um nötigen Falls, wenn es zweckmäßig scheint, auch gegen das Interesse der Monarchie, gegen die Interessen der österreichischen Völker die in diesem Reichstage vertreten sind, zu wirken. Warum sind die Gesandten hergekommen? Sind sie etwa hergekommen, um zu erklären, daß sie neuerdings das Brüderband, welches sie zerrissen haben, schlingen wollen? nein, sie sind es nicht. Sind sie etwa hergekommen, um uns die Erklärung abzugeben, daß auch sie diesen gemeinsamen Reichstag der Monarchie beschicken wollen? nein, sie sind es nicht. Sind sie hergekommen, um uns die Versicherung abzugeben, daß sie allen Völkerschaften Ungarns den Deutschen, Slaven, die bisher in der ungarischen Monarchie von den Magyaren auf das fürchterlichste bedrückt waren (Große Bewegung), Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Sind sie herkommen um vor den Schranken dieses Hauses zu erklären, daß diese Völker von nun an volle Gleichberechtigung genießen sollen? Nein, sie sind es nicht. Sind sie etwa hergekommen, um uns zu erklären, daß sie von nun an einen Teil, den gebührenden Teil der Staatsschuld auf sich nehmen wollen, von der sie erklärt hatten, sie zahlen keinen Heller!? Nein, sie sind es nicht. Sind sie etwa hergekommen, um uns in ihren Verhältnissen als Schiedsrichter zwischen ihnen (Wird unterbrochen durch Borrosch: "es ist ja noch nicht" woraus ein anderer Abgeordneter erwidert, "bitte den Redner nicht zu unterbrechen".) Und wenn sie wirklich zu allem dem hergekommen sind, dann sage ich, wir sind keine Diplomaten in corpore, daß wir mit fremden Gesandten in eine Verhandlung eingehen können. Wo in der Welt hat eine Reichsversammlung, ein konstituierenden Reichstag sogar, eine direkte, diplomatische Geschäftsverbindung mit ändern Mächten angeknüpft, dieses ist immer und überall Recht und Pflicht der Exekutivgewalt, es ist eine Pflicht des Kaisers und des Ministeriums. Meine Herren glauben wir, daß unser Ministerium die Interessen der österreichischen Monarchie, das heißt der gegenwärtig hier vertretenen Länder schlecht vertritt, dann stürzen wir dieses unser Ministerium, denn es ist uns untreu geworden. Meine Herren, wollen Sie das, nun so erklären Sie es offen, aber warum wollen Sie es tun auf einem indirekten Wege. Ich kann dieß nicht gut heißen, und bin daher der Ansicht, daß dieses eine Angelegenheit ist zwischen zwei verschiedenen Staaten, und daß in dieser Beziehung unser Ministerium uns zu vertreten hat, daß wir als konstituierender Reichstag ganz und gar nicht berufen sind, uns in solche Angelegenheiten einzulassen, das Begehren der ungarischen Deputation möge übrigens sein wie es wolle! Meine Herren, man hat sich auf ihr Gefühl berufen, ich meine Herren berufe mich auf ihren Verstand. Ich berufe mich darauf, daß sie so bedacht, so vernünftig sein sollen, sich nichts anzumaßen, nichts tun zu wollen, was nicht in ihrer Mission, in ihrem Bereiche liegt. Das ist des Mannes würdig, das ist eines großen Reichstages würdig, zu wissen, in jedem Augenblicke zu wissen, was ihm zusteht, und nie die Grenzen seiner Befugnisse und seiner Mission zu übertreten. Meine Herren! man hat gesagt, es ist der Weltgeist, der uns hier anruft, mitzuwirken. Meine Herren, es ist auch der Weltgeist, der diesen Kampf in Ungarn hervorgerufen hat. Es ist der Weltgeist, es ist der Fortschritt der Zeit, der es nimmermehr dulden konnte, daß die unterdrückten Völkerschaften noch länger in diesem ihrem Zustande bleiben.
Meine Herren, es ist der Weltgeist, der mit gebieterischer Notwendigkeit fordert, daß auch diesen unterdrückten Völkern ihr Recht werde. Und nun meine Herren, wenn sie erklären, sie treten diesen