Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Vierundzwanzigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 18. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 17.August 1848.
II. Berichte Aber Wahlacte.
III. Fortsetzung der Berathung über den K u d l i c h' s c h e n Antrag.
IV. Letzte Lesung der Geschäftsordnung.
V. Berathung über den Antrag des Abg. Strasser (ursprünglich des Abg. Selinger).
Vorsitzender: Präsident S t r o b a c h.
Anwesende Minister: Doblhoff, Krauß, Latour, Bach, Schwarzer, Hornbostel.
Anfang um 10 1/4 Uhr.
Präs. Die Anzahl der Mitglieder, die zur Eröffnung der Sitzung erforderlich, ist anwesend; ich ersuche daher den Herrn Schriftführer zur Lesung der beiden Protokolle vom gestrigen Tage zu schrei ten. (Schriftf. Zwickle liest die Protokolle.)
Die zur Schlußfassung erforderliche Anzahl ist vorhanden; ich erlaube mir die Frage, ob Jemand das Wort über die gelesenen Protokolle zu ergreifen wünscht. (Es meldet sich Niemand.) Falls die gelesenen Protokolle von der hohen Versammlung genehmigt werden sollen, wolle es durch Aufstehen geschehen. (Angenommen.) Nach dir Geschäftsordnung ist das Verzeichniß über die Eingaben vorzulesen. Ich ersuche daher den Herrn Schriftführer dasselbe vorzulesen. (Schriftf. Streit liest es vor.) Es sind einige Interpellationen angemeldet worden, dürften aber erst für den Augenblick vorzubehalten sein, wo die Herren Minister kommen und die Vorträge über die Wahlen beendet sein werden. Ich wurde vom Vorstande des Constitutionsausschusses angegangen, neuerdings die Herren Mitglieder dieses Ausschusses zu einer Sitzung heute Abends um 6 Uhr einzuladen. Ich habe gestern schon diese Einladung mitgetheilt, aber es waren bereits wenige Herren Mitglieder da, daher glaube ich diese Einladung heute erneuern zu müssen. An der Tagesordnung sind nun die Berichte über die Wahlen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter der I. Abtheilung zum Vortrage zu schreiten.
(Die I, III., IV., V., VI., VII., VIII. und IX. Abtheilung bringen keine Wahlacte zum Vorlag. — Abg. Pribyl, als Berichterstatter der II. Abtheilung, bringt die Wahl des Abg. Simon de M i c h e l i v i t t u r i für die Stadt S p a l a t o in Dalmatien zum Vortrag, welche Wahl bis auf den Umstand, daß bei der dritten Abstimmung mittelst Ballotage das Resultat erzielt wurde, sonst ganz vollkommen der Wahlordnung gemäß befunden wurde, daher der einstimmige Antrag der II. Abtheilung dahin geht, der hohe Reichstag möge diese Wahl als unbeanständet erklären. — Abg. Kobuzowski, ebenfalls als Berichterstatter der II. Abtheilung, bringt die Wahl des Abg. Marin, für den Wahlbezirk D y n o w in Galizien, zum Vortrag und den Antrag der II. Abtheilung, der einstimmig dahin geht, die hohe Reichsversammlung wolle diese Wahl als unbeanständet erklären. Beide Anträge werden über geschehene Anfrage zu Beschlüssen erhoben.)
Präs. Der Ausschuß für die Prüfung beanstandeter Wahlen hat ebenfalls keine Wahlen vorzulegen. Schriftf. Ullepitsch. Ich mache die Mittheilung, daß sich für die I., III., VI., VII., VIII. und IX. Abtheilung Wahlacten im Vorstandsbureau befinden, die noch nicht geprüft sind, und die daselbst in Empfang genommen werden können.
Präs. An der Tagesordnung ist die Berathung über den Antrag des Abg. Kudlich. Ich ersuche den Abg. H a w e l k a, da er an der Reihe steht, die Rednerbühne zu betreten.
Abg. Hawelka. Über den Kudlich'schen Antrag meine Herren, habe ich meine Ansicht schon so ziemlich deutlich ausgesprochen, damals da ich mein Amendement gestellt und begründet habe. Wenn ich jetzt das Wort ergreife, so geschieht es gewiß nicht, um vielleicht mit elektrischen Funken zu zünden oder eine Abhandlung anzutragen, aber ich wünsche diesen verwickelten Gegenstand auf seine ursprüngliche Einfachheit zurückzuführen, und ihn so praktisch, so schnell als möglich durchführbar zu machen. Wir sind alle gewiß einig, daß eine gewisse Eiskruste, die nicht schmelzen will, zerschlagen werden soll. Wir wollen einen Schlag führen, einen Schlag mit der frischen Kraft eines Mannes, aber meine Herren! auch mit der Nüchternheit eines Mannes; denn wir sind nicht an den Barrikaden, sondern in einer legislativen Versammlung, und wollen die Barrikaden unnöthig machen. Wie sind wir in die Schwierigkeit gerathen? Ich kann mir nicht helfen, ich sympathisire, der Antragsteller weiß es, daß ich sympathisire mit ihm und seinem Antrage, aber ich muß ihm doch die größte Schuld beimessen. Mutatur in horas, heißt es irgendwo, aber ich wünschte lieber sich nach dem Satze zu richten: Omisisse cavet, quod mox mutare laborat. Wovon gingen wir aus? Der Gegenstand hat eine persönliche und eine sachliche Seite. Es galt auszusprechen, daß die Freiheit zur Wahrheit werde, es galt am Anfange auszusprechen, so schnell als möglich, daß Adam keine Herren und keine Unterthanen gezeugt hat, sondern nur gleich berechtige Brüder; es galt auszusprechen, daß nicht Einige, sondern Alle nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen sind, und da finden wir das Obstaculum in der Unterthänigkeit. Worin liegt die Unterthänigkeit? Liegt die Unterthänigkeit darin, daß man von einem schuldigen Kapitale Zinsen zahlt? Das muß auch der freie Mann. Liegt die Unterthänigkeit darin, daß der Pächter den Pachtzins zahlt dem Verpächter? Das muß auch der freie Mann. Liegt die Unterthänigkeit in sonst ähnlichen Verhältnissen? Meine Herren! sie liegt anderswo. Die Unterthänigkeit liegt in der schmählichen Unterjochung, in der eines Menschen unwürdigen Unterjochung seiner Persönlichkeit, in der schmählichen Ansprache: "Du Karl! heute mußt du mir auf dem Felde arbeiten und morgen auf der Wiese, und übermorgen mußt du mir die Hasen jagen, und wenn du es nicht tust, so sperre ich dich ein, und dann darfst du erst recurriren, wenn du herauskömmst, und merke dies, du hängst von mir ab mit deinen 6 Kindern, und wenn du nichts zu essen hast mit deinen 6 Kindern und um Taglohn arbeiten willst, das darfst du nicht, sonst sperre ich dich nochmals ein, und wenn du noch nicht Ruhe gibst, dann jage ich dich fort aus deinem Eigenthum von Haus und Hof!" — Das ist die Unterthänigkeit, meine Herren. (Beifall.) Das ist keine Dichtung, das ist kein Drama, es ist die wahrhafte untertänige Idylle. Diese wollten wir so schnell als möglich aufheben. Wir waren doch Alle einig darüber, und doch ist es nicht geschehen. Darauf erstreckte sich unser Enthusiasmus. Aber da fiel es dem Antragsteller ein, neue Elemente aufzunehmen. Es lag uns daran, es lag mir persönlich daran, bloß deßhalb, weil es so wichtig ist für unser Volk, darum habe ich den Antrag lebhaft unterstützt. Ich hatte zugleich eine Erfahrung gemacht in meinem Vaterlande. Es gab eine Woche in Böhmen, eine wichtige Woche, man nennt sie die Pfingstwoche. In jener Woche sah man, wie bei jedem Kanonenschusse in Prag, der letzte Meierhofsknecht einige Zoll höher sein Haupt empor gehoben hat. Darum sagte ich, meine Herren! darum bat ich, darum wünschte ich, arbeiten Sie sich so schnell als möglich durch diese Amendements durch, um dem Volke das zu geben, was ihm gebührt. Nun, wir sind deshalb hereingekommen in diese Schwierigkeiten, weil der Antragsteller immer neue Elemente hineingenommen hat. Er hat uns gewarnt, nach bureaukratischer Weise zuviel an seinem Antrage zu mäkeln, aber er selbst hat an seinem Antrage gemäkelt, als er den neuesten gestellt hat. Er hat neue Elemente hinein genommen, ich werde nur eins derselben hervorheben. Wie kommt das Obereigenthum zur Unterthänigkeit? Was ist das Obereigenthum, was ist denn die Unterthänigkeit, was hat das Obereigenthum mit der Unterthänigkeit zu thun? Wenn ich eine Wohnung brauche, ich nehme sie vom Hausbesitzer auf. Wir machen aus, 100 fl. jährlichen Zins; ich zahle den Zins, ich bin Miethsmann; ich brauche eine Wohnung auf 50 Jahre, und bin also Miethsmann; ich brauche eine Wohnung auf 1000 Jahre, ich bin Miethsmann, ich brauche aber eine Wohnung auf immer, was bin ich dann? Ich bin auch Miethsmann. Nennen Sie es Dienstbarkeit, so meine Herren, find wir am rechten Puncte; nennen Sie es Eigenthum? Nennen Sie so die Emphyteusis? Wer hat ihnen aber gesagt, daß es ein Eigenthum ist? Das hat Ihnen gesagt das bürgerliche Gesetzbuch vom Jahre 1812. Aber meine Herren, es ist noch nicht in der bürgerlichen Gesellschaft so. Wissen Sie, meine Herren, daß die Emphyteusis eigentlich römischen Ursprunges ist? Wissen Sie, meine Herren, daß es selbst in der Wissenschaft noch nicht ausgemacht ist, ob die Emphyteusis eine Dienstbarkeil oder ein Eigenthum ist — daß darüber wenigstens sah judice lis est? Dienstbarkeiten wollen Sie hier ausgeschieden wissen, als etwas auf Privatrechtsverträge sich Gründendes, aber die Emphyteusis ist ja eigentlich nichts Anderes! Ich kann Beispiele nicht aus der Schule, sondern aus dem Leben, ich kann Beispiele aus meinem Vaterlande anführen, dort gibt es Hauser, welche auf ewige Zeiten vermietet sind. Das sind Miethsleute. Wie das bürgerliche Gesetzbuch im Jahre 1812 sagen konnte, es sei ein solcher Miether ein Nutzungseigentümer, der einen Miethzins zahlt, das ist eine andere Frage; aber es ändert die Natur des Geschäftes doch nicht. Und wie ist denn die andere emphyteutische Eigenthumstheilung entstanden? Ein freiet Mann hat Eigenthum, Meldet, Haus und Hof. 3n der philanthropischen Zeit Kaiser Josephs sind moralische Personen, insbesondere Gemeinden, fromme Fonde, dahin vermocht worden, Anstellungen zu gründen. Man hat es gethan. Wie denn? Mm hat parzellirt, 80 Metzen, 80 Strich, noch weniger, auch mehr, und hat es verkauft. Und nicht allem der damalige von der Leibeigenschaft entlassene Mensch, sondern auch der freie Mensch, der freie Bürger hat sie gekauft. Nun hatten sie das Geld nicht um zu bezahlen, was that man? Man war philanthropisch, man hat gesagt: "Zahle mir nicht gleich, sondern ich lasse es bei dir versichert, zahle mir davon die Zinsen. "Meine Herren, wenn man bei gewissen Capitalien den Kaufschilling nicht der Ziffer nach angesetzt hat, so bleibt die Natur doch dieselbe. Das ist keine Unterthänigkeit, sondern ein Geschäft freier Menschen. Man sagt, die Völker haben Stufengrade der Gesittung: zu unterst sei der wilde Jäger, dann komme der nomadische Schäfer, und die wahre Gesittung fange «st dort an, wo die Menschen schon feste Wohnsitze einnehmen. Man sagt, die höchste Stufe, gewissermaßen der Ziergarten der Gesittung, ist ein wohlgeordneter Rechtszustand; nun! die schönste Blüthe desselben ist die Heiligachtung der Verträge. Wie kann der Antragsteller nun das Obereigenthum hineinmengen? Per parenthesin muß ich sagen, daß es sogar sprachlich unrichtig ist, "aus dem Obereigenthume," denn man müßte sonst auch sagen:,,0brigkeitsverbande." Die Lasten kommen aus dem Nutzungseigenthums, das Obereigenthum hat ganz andere Lasten, wenigstens jene nicht, die der Antragsteller vermeinte. Der Antragsteller wollte seine früheren Anträge wahrscheinlich vervollständigen; ich zweifle gar nicht, daß sie vervollständigt werden konnten. Habe ich doch selbst damals gesagt: man sagt, die Arbeit sei unvollständig, ich habe damals gesagt: nicht warten, sondern geben wir lieber sogleich den Unterthanen etwas, als gar nicht. Ich verstehe zu vervollständigen, aber es fehlt noch außerordentlich viel zur Vervollständigung. Wo ist denn der Bierzwang? Ist das nicht Unterthänigkeit, nun so ist es der nächste Bruder der Unterthänigkeit. Meine Herren! 6 Tage arbeitet der Arbeiter, er verdient sich wenige Groschen, am 7. Tage möchte er seinen Leib stärken. Wir wissen, daß nach den climatischen Verhältnissen überall gewisse Getränke über das Wasser hinaus — ohne Maß zwar zum Verderben, mit Maß aber zum Nutzen der Menschheit — genossen werden. Wenn er nun in meinem Vaterlande ein Glas Bier trinken will, was bekommt er da? Erlauben Sie mir den unästhetischen Ausdruck "Geläuf" — ein Gift desto schneller wirkend, je mehr es betäubend wirkt, um gut zu scheinen. Und wie kann dieß abgeschafft werden? Keine Polizei wirkt da; ich habe selbst die Ehre, in einem Amtsverhältnisse zu stehen, wo ich auch solchen Sachen abhelfen sollte, abhelfen wollte.
Meine Herren! es liegt nicht in der menschlichen Gewalt, auch nicht in der Möglichkeit zu beweisen, daß es ein Gift ist, welches man auf der Stelle vertilgen soll. Ärzte kommen zusammen und sagen s sei kein Gift, die Pharmaceuten reagiren und sagen, s ist kein Gift, ja es ist eine vortreffliche Mischung gemäß der Laxica für Bierbrauerei, und dennoch wissen alle Biertrinker, daß es ein Gift ist. Dem ist nicht anders abzuhelfen, als durch eine freie Concurenz. Aber ist es nur das, was dem gemeinen Manne schadet, daß es ein schlechtes Bier ist? Nein, es ist auch zugleich ein teures Bier. Denn will der Arbeiter einen ordentlichen Trunk machen, so muß er wohl den Verdienst einer ganzen Woche hingeben; denn Diejenigen, die das Bier machen, bestimmen den Preis, und wenn sie sagen, meine Herren, 20 fl. für ein Seite, so sind sie in ihrem Rechte. Dieß Verhältniß wurde in den Zwanzigerjahren zur Verhandlung gezogen; man wies nach, daß der Grundsatz schlecht sei, und nicht bestehen könne, Zwang anzulegen, daß Jemand Feilschaften nicht wo er will, abnehmen müßte. Dabei hat man — was man immer sagen mag — bei der Bureaukratie, bei den Behörden Schutz gefunden. Die Bureaukratie, wenn es ist so taufen wollen, die Behörden waren so weise, und haben gesagt, vom politischen Standpunct aus gebe es keinen Bierzwang — Vertrage aber gab es keine. Da sind denn alle damaligen Beschwerdeführer frei geworden. Aber da wurde vor 11 —13 Jahren die unglückselige Gepflogenheit eingeführt, und ist so ein Wirrsal darin, daß einige Bezirke den Bierzwang haben, andere wieder frei sind. Nun diesen Bierzwang aufzuheben, bedarf es doch keines weiteren Grundes? Aber der Herr Antragsteller hat ihn in seinen Verbesserungs- und Vervollständigungsantrag nicht aufgenommen. Andere Regalien gibt es eben so, die auf gar keine juridische Grundlage, auf gar keine Verträge, auf gar nichts sich fußen, als auf die ursprüngliche Gewalt. Min hat gesagt, wir dürfen solche Regalien, wir dürfen solche Rechte nicht schnurstracks aufheben, weil man dadurch die Rechtsunsicherheit herbeiführt. Wenn das wahr wäre, meine Herren, so müßte ich der erste sein, der sagen möchte, heben wir sie nicht auf, denn den Rechtspunct wollen wir doch stets achtend im Auge behalten; aber ist denn das wahr? Es hat ein eher werter Herr Redner gesagt, ich trage eine Granatennadel—"her damit!' Wenn ich den Besitz des Rechtes auf einem fremden Felde nicht anerkenne, so könne ich nicht erwarten, daß man meinen Besitz anerkennen wird. Aber ich glaube, das wäre ein schlechter Schutz für die Granaten auf meiner Brust; dieses wirb erst dann und besser geschehen, wenn wir aus dem menschlichen Gedächtniß verschwinden machen, daß es ein Recht geben kann, auf fremdem Boden Steine zu suchen, die Werth haben, dann wird man einsehen, daß man kein Recht haben kann, Steine auf meiner Brust zu suchen. (Heiterkeit). Man hat mir sogar — ich möchte sagen horribile dictu Jesuitismus vorgeworfen, als wenn ich irgend je Veranlassung gegeben hätte Zur Meinung, ich könnte ein schlechtes, böses Mittel zu irgend einem vermeintlich guten Zwecke billigen. Nun ich komme aus dem Lande, meine Herren, aus dem Lande des Hussitismus. Kennen Sie den Hussitismus? Da ist kein Gespenst, es ist der Freund der Wahrheit, des Lichtes und des Rechtes; er ist ein edler Demokrat, wenn auch im geistlichen Gewande. Ich komme aus diesem Lande, ich habe gewissermaßen die Vermuthung für mich, daß ich nicht dem Jesuitismus huldige. Woher ich solches verschuldet habe? Ich denke keine andere Veranlassung gegeben zu haben, als was ich bei der Begründung meines Amendements gesagt habe, daß ich jenen Satz verwais, welchen Lessing Nathan dem Weisen in den Mund legte: "Wenn an das Gute, was ich thun will, allzunahe ein Böses grenzt, thue ich lieber das Gute nicht;" daß ich diesen Satz für falsch erklärt habe, — wenn das Jesuitismus sein soll, erkläre ich mich für einen Jesuiten. In dem Satze ist nichts von Mitteln gesagt, sondern von Folgen, die man unmöglich gerechten und voraussehen kann. Soll die demokratische Blume nicht erblühen, weil irgend eine, wenn nicht aristokratische, doch antidemokratische Wespe den Saft herausziehen und in Gift verwandeln kann? Ich glaube, ich habe den Vorwurf nicht verdient, wenigstens weise ich ihn zurück. Die zweite Seite des Unterthansverhältnisses ist fachlich, und da kommen wir auf die Entschädigungsfrage. Als ich den ursprünglichen Antrag des Abg. Kudlich unterstützt habe, habe ich doch wohl gesehen, daß er 3 von einer anzuhoffenden Entschädigung spricht, und darum sagte ich, sich nicht daran zu kehren, §. 1 und 2 zu genehmigen, indem ja die Frage der Entschädigung vorbehalten sei.
Meine Herren! was die Verträge anbelangt, um auf die Emphyteusis noch einmal zurückzukommen, erkenne ich keine Entschädigung, sondern nur eine Ablösung an, und niemals werde ich mein Wort dafür geben, daß etwas Anderes stattfinden könnte, als eine Ablösung. Ich bin auch durchdrungen, daß es höchst wünschenswerth wäre, wenn die Emphyteusis — vielleicht auch noch mit anderen Sachen — geregelt, geordnet, auf andere Grund lagen umgebaut würde, aber das kann nur mit Schonung, nur mit vollkommener Anerkennung zwei seiniger verbindlicher Acte, zweiseitiger Rechte, zueisseitiger Pflichten geschehen. Ich werde daher, in wiefern das geteilte Eigenthum in den Antrag des Abg. Kudlich hineingemengt ist, dagegen stimmen; ich will das geteilte Eigenthum und auch die Lehen (denn sie sind nichts Anderes, als geteiltes Eigenthum) ausgeschieden wissen; sie mögen durch meinen wohldurchdachten Antrag, der gar nicht lange auf sich warten zu lassen braucht, der hohen Kammer vorgelegt, und dann erst nach Ordnung und Gebühr behandelt werden. Um nun auf die Entschädigung zu kommen, so glaube ich: ein Sclave kann nicht zahlen, in wie fern die persönliche Freiheit mit Füßen getreten war. Meine Herren, verlangen Sie doch kein Geld von ihm, woher soll er es denn haben? aus einem Nebenverdienste? Man sagt, in anderen Ländern sei es abgelöst worden; man hätte sich aber aussprechen sollen, ob denn in anderen Ländern die Sclaven gezahlt haben. Wir haben bei uns schon unter dem alten Regime ein Gesetz gehabt, das der fremde Sclave durch den Eintritt auf unsern Boden und unsere Schiffe frei wird, ohne Zahlung, und unsere Sclaven sollen zahlen? Das wäre doch ungerecht. (Beifall.)
Aber meine Herren, nicht der ganze Unterthänigseinsverband mit allen seinen Anhängseln, ist eine persönliche Sclaverei; blicken wir nur näher, es sind auch eigentliche Reallasten. Ich sehe sehr wohl ein, daß z. B. ein Taglöhner für seine 13tägige Robot auch nicht einen Groschen bezahlen kann. Ein Amtmann oder so Jemand hat irgendwo einem Tagöhner einmal gesagt, er könne seine 13 tätige Robot ablösen mit l Gulden 30 Kreuzer, der Taglöhner sagte aber: Wenn 1 Gulden 30 Kreuzer eine billige Ablösung sind, wenn das ein billiger Preis ist, für Die 13tägige Robot, so geben Sie mir diesen Gulden 30 Kreuzer, und ich werde 13 Tage dafür arbeiten. Das war ein natürlicher Sinn, und so richtig, wie Gesetzbücher nur in der Welt sein können. Aber wie ich gesagt habe, ich sehe diese Sache an, nicht als eine pure persönliche Sclaverei, sondern als Reallasten; wie weit die Grenze geht, läßt sich nicht mit ein paar Worten aussprechen, das ist eine Sache, die reiflich erwogen werden will. Ich kenne keine fachliche Sclaverei, daher kann ich auch keine aufheben wollen umsonst. Es gibt einen andern Standpunct, meine Herren, woher man die Sache ansehen kann. Die Gestaltung der Zukunft hat ihre unabweislichen Vorbedingungen in der Vergangenheit und in den Verhältnissen der Gegenwart. Nun ich gebe zu, die Selbstsucht und Herrschsucht mag der ursprüngliche Erwerbungsgrund, der titulus der Erwerbung der Rechte gegen die Unterthanen gewesen sein; denn man sieht diese beiden Kräfte in der Schöpfung überall wirken: das Streben, sein Ich zu erheben, Selbstsucht — das Streben, Andere sich zu unterjochen, Herrschsucht; was diese erringen, ist ihre Errungenschaft, und so lange ihnen kein Hinderniß in den Weg gelegt wird, werden sie ihre Errungenschaft fort zu vermehren trachten. Nun die menschliche Gesellschaft, die staatliche Gesellschaft hat jedenfalls das Recht, diesen Kräften die Errungenschaften zu beschränken, ihnen zu sagen: "Bis hierher und nicht weiter." Denn diese beiden Dämonen sind es eigentlich, denen wir alle Differenzen zwischen der idealen und wirklichen Welt zuzuschreiben haben. Wenn die staatliche Gesellschaft aber einmal ausgesprochen hat: "Bis hierher, diese Errungenschaften sollen dir bleiben" — wenn die staatliche Gesellschaft ja ausgesprochen hat über Anfrage eines Dritten: "Erkennst du diese Errungenschaften an?" und die staatliche Gesellschaft spricht aus; "Ich erkläre sie für einen Verkehrsgegenstand," dann verlange ich, sie soll Gewähr leisten, denn Das ist würdig eines freien Mannes, würdig der Freiheit, daß man das, was man heute spricht, morgen auch vertrete, Gewähr leiste —Man sagt: Wofür denn Gewährleistung? Bis zu den Barrikaden war eine andere Staatsgesellschaft, jetzt ist auch eine andere. —Meine Herren, das ginge wohlübler Ihre Absicht. Wollen Sie alles Frühere annulliren? Man hat auf den Namen der Völker Schulden gemacht, wollen sie das auch annulliren? ist das auch nichts? dauert auch das nur bis zu den Barrikaden? Verhältnisse der Gegenwart und Vergangenheit sind Bedingungen zur Gestaltung der Zukunft. Man ist gereizt, man ist böse, man ist aufgebracht gegen gewisse Classen, die man als antidemokratisch betrachtet; trahit sua quornque voluptas, Meine Herren, aber im gereizten Zustande, wer als Vater, wer als Gatte oder als Bruder oder sonst in irgend einer anderen Art gereizt ist, nicht löblich ist es, in einem solchen Zustande ein Bombardement zu eröffnen gegen Diejenigen, durch die man gereizt ist. Führen wir alle Parteien unter den Ölzweig des Friedens, warum soll gerade Eine Classe blutig getroffen werden? Es ist möglich, daß die Italiener gewisse Beschwerdepuncte von uns abwenden, aber konnte es einen Menschen auf der Welt geben, der es entschuldigen, zugeben, rechtfertigen konnte, daß die Italiener nach Freiheit streben, während wir verbluten sollen? Es ist eine Frage von größter Wichtigkeit. Man malt in der Regel an den italienischen Landschaften den Himmel ganz rein, wie wenn es gar keine Wolken auf der Welt gebe Ich glaube der Himmel über Osterreich ist nicht so rein. Wir behandeln die gegenwärtige Frage, eine große Frage, eine Frage von der großen Wichtigkeit, eine Frage, die einen der ersten Platze in der Reihe der Fragen einnimmt, die in constitutionellen Ländern eine Ministerialfrage zu sein pflegt, und ich verhehle auch nicht, und wünschte es vielmehr außerordentlich, wenn auch von unserer Ministerbank dießfalls eine Erklärung gefallen wäre, oder noch fallen möchte. Darum, meine Herren, Weisheit! Gebt dem Volke das Recht, aber seid billig; gebt ihm das, was ihm vor Gott und den Menschen gebührt, denn darin liegt die Weisheit. (Beifall)
Präs. Es ist noch eine Interpellation angemeldet worden. Nach der Geschäftsordnung ist zwar eine Verhandlung im Zuge, doch wurde das letzte Mal von mehreren Seiten der Wunsch ausgesprochen, daß in dieser Beziehung für die Interpellation eine Ausnahme, wenigstens bei der vorliegenden Verhandlung, stattzufinden hätte, weil das Recht der Interpellationen sonst so ziemlich eludirt erscheinen würde. Es liegt eine Interpellation des Abg. Schuselka vor.
Abg. Schuselka. Ich bin in die traurige Nothwendigkeit versetzt, den Herren Ministern des Innern und der Justiz gegenüber, aber auch vor diesem gesamten Hause, einen Vorfall zur Sprache zubringen, der sich in Böhmen zugetragen hat, und der leider in einem äußerst betrübenden Gegensatze zu der Brüderlichkeit steht, in der alle Völker Österreichs hier versammelt sind, zur Brüderlichkeit, die erst gestern von unserem Herrn Präsidenten mit unverkennbarer Herzlichkeit ausgesprochen wurde, welcher Eindruck, ich sage es offen, auch auf die Herzen Derjenigen überging, welche nicht für unsern Herrn Präsidenten gestimmt haben Der Vorfall, den ich erwähnen will, ist folgender Der Schriftsteller Kuranda, dessen Name gewiß keinem Österreicher unbekannt ist, reiste nach Kolin in Böhmen, um sich dort zu vermahlen. Weil er die traurige Überzeugung hatte, daß in jüngster Zeit die beiden Völker, die Böhmen bewohnen, die sich früher durch viele Jahre geliebt hatten, jetzt in Spaltung zerrissen sind, so vermied er es, irgend ein Aufsehen zu veranlassen. Er reiste deßhalb, wie man zu sagen pflegt, incognito, und Beschluß, die Stadt Kolin gar nicht zu betreten, sondern lieber im Gasthause zu verbleiben, und dort sollte auch die Tränung vollzogen werden Dessen ungeachtet hatte man in der Stadt Kunde von seiner Anwesenheit bekommen, und kaum war die Familie aus Prag angelangt und im Gasthofe versammelt, so versammelte sich auch schon eine große Menge vor dem Hanfe, sing die bekannten Spottlieder zu singen an, und mit ungeheuerem Geschrei dem Kuranda ein Pereat zu bringen Sie geben gewiß zu, daß dieß eine betrübende Störung am Vorabende eines Familienfestes, einer Hochzeit ist (Gelachter auf der Rechten.) Die betroffene Familie tröstete sich inzwischen mit der Hoffnung, daß die Feinde Kuranda's sich mit dieser Demonstration begnügen würden, und es schien auch dieß der Fall zu sein. Am andern Morgen ging die Trauung ungestört vor sich und unmittelbar darauf Beschluß die Familie, die Rückreise anzutreten, der eine Theil nach Prag, der andere nach Wien. Als aber der Abend herannahte, versammelte sich eine noch größere Menge Menschen mit Gebrüll vor dem Hause, die bekannten Spottlieder wurden wiederholt, und die gefährlichsten Drohungen ausgestoßen. Man drang in das Haus, besetzte die Treppen, und es hatte den Anschein, daß man Thätichkeiten beabsichtige, im Falle die Familie das Haus verlassen sollte. Der Wirth war in Verzweiflung, weil er seine Gaste nicht schützen konnte; man lief hin und her, man biete der Familie, voraus auf die nächste Station zu fahren, man Beschluß jedoch, den anderen Zur abzuwarten, weil man hoffte, daß in den späten Abendstunden dieß leichter sein durfte, daß ein Theil nach Prag, der andere nach Wien rasen konnte. Allein es gelang nicht, ohne daß die Frauen, darunter die Braut und die hochbetagte blinde Mutter Kuranda's, von dem herandrängenden Volkshausen beschimpft, und einem Bruder Kuranda's mit Thätlichkeiten zugesetzt, und ihm dir Hat vom Kopfe geschlagen wurde. Nur, als plötzlich, wahrscheinlich durch einen Mann, der die Familie schützen wollte, sich der Ruf erhob: "Er ist es ja nicht, er ist noch im Gasthause!" nur diesem Scheinrufe gelang es, dem Hausen vom Wagen wegessenden, und die Eisenbahnbeamten benützten diesen Augenblick, schnell mit den beiden Zügen abzureisen. Ich bin allerdings nicht gewillt, die Gefühle zu schildern, welche diese Familie haben mochte, als einem Tage, welcher für sie ein Freudentag sein sollte. (Geräusch) Ich bin durchaus nicht Willens, Sie aufzufordern, ein Urtheil zu spielten über dieses Verfahren gegen eine Familie in einem Lebensacte, der für Jeden schon etwas heiliges ist. (Beifall) Ich bin überzeugt, daß die Versammlung nicht hier sitzt, um moralische Urtheile auszusprechen, ich überlasse dieß dem Urtheile, der Ansicht der gebildeten Welt. Ich habe dieß nur darum zur Sprache bringen wollen, weil dieser Vorfall eine politische Bedeutung hat. Ich will nicht hinweisen, daß Kuranda damals, wo Viele roch stumm waren, schon für die allgemeine Freiheit, und auch für die Freiheit, welche Böhmen genieren sollte, gekämpft hat. Ich will nicht hinweisen, daß der Name Kuranda in ganz Böhmen ein gefeierter gewesen war (Beifall); ich will nicht hervorheben, daß ihn dieses jetzt einigermaßen beschützen soll; aber Kuranda ist Abgeordneter der constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt, die Regierung, unter welcher wir leben, und unter welcher die Böhmen mit uns vereiniget sind, und bereiniget sein wollen, hat diese Wahl angeordnet, und eine Stadt Böhmens, welche keineswegs die schlechteste ist, Toplitz nämlich, hat Kuranda in freier Wahl zum Abgeordneten gewählt. Ich frage Sie, wenn auf diese Weise ein Mann lediglich deßwegen, weil er dein Rufe der Regierung, weil er dem Rufe seiner Landeleute gefolgt hat, weil er seine eigene Überzeugung aussprach, wenn er auf diese Weise deswegen in der Heimat mißhandelt, als Frankfurter Deputirter beschimpft und bedroht wurde, wie steht es da mit unserer Freiheit? wie steht es mit der Freiheit der Discussion, mit der Freiheit, als ehrlicher Mann seine politische Meinung offen auszusprechen? Wenn keiner der Deputirten (es sind ihrer viele), weil er diese Wahl angenommen, in seine Heimat zurückkehren kann, frage ich, ob Böhmen ein freies Land ist, ob dann die Freiheit in Böhmen etwa von den Deutschen angedroht wurde? Wir Alle waren über einen ähnlichen Vorfall in Wien import, und in der Abwesenheit vernahm ich, das, als ein czechischen Deputirter beschimpft und bedroht wurde, sich das Ministerium veranlaßt gefunden hat, ein Gesetz zu entwerfen, welches die Unverletzlichkeit jedes Deputirten ausspricht, und auch verbietet, die czechischen Deputirten zu bedrohen, die hier mit uns vereiniget sind. Ich beantrage daher, daß diese Unverletzlichkeit auch für die deutschen Deputirten in Frankfurt angesprochen werde Ich fordere das Ministerium, und namentlich das Justizministerium auf, und frage, ob es nicht gewillt sei, aus Anlaß dieses höchst betrübenden Vorfalles ein Gesetz vorzuschlagen, welches die Frankfurter Deputirten ebenso unverletzlich macht für ihre Äußerungen, wie wir für unsere politischen Äußerungen unverletzlich sind, in Bezug auf ihr Vaterland, wenn die Frankfurter Deputirten, welche dem Rufe der Regierung gefolgt sind, zurückkehren, damit sie nicht dafür, daß sie ihre Pflicht erfüllen, in ihrer eigenen Heimat Mißhandlungen ausgesetzt werden können. (Beifall von der Linken.) Justizminister Bach. Meine Herren! Gewiß beklagt Niemand mehr als wir Alle eine solche unwürdige Manifestation, man muß sie um so mehr beklagen, weil, wenn politische Meinungen auf diesem Wege Ausdruck finden sollen, wir es als Entwürdigung Derjenigen betrachten müssen, die ein solches Mittel dazu wählen. Wir glauben, so bedauernswerth der hier erzählte Vorfall ist, es der Ehre unserer Nation, der Ehre Böhmens schuldig zu sein, die Voraussetzung auszusprechen, daß dieses Factum auch nur von Einzelnen ausgegangen, aber nicht der Ausdruck des Willens, der politischen Anschauung der Bewohner Böhmens sei (Beifall von der Recht n) — es morgen dieselben deutsch oder czechisch sprechen (Beifall rechts). Meine Herren! die Unverletzlichkeit eines Volksvertreters ist das Grundprincip einer jeden Verfassung, und ich zweifle nicht, daß auch die deutsche Verfassung dieses Princip rücksichtlich der deutschen Volksvertreter aussprechen und in der Verfassungsurkunde sanctioniren wird. Dort ist der Ort, wo diese principielle Frage ihre Erledigung finden muß (Beifall von der Rechten.) Der erzählte Vorfall gibt nur in zwei Beziehungen zu einer weiteren Erörterung Veranlassung. Die eine ist die principielle, welche ich so eben zu besprechen die Ehre hatte, und in dieser Beziehung kann ich mich aus dem eben entwickelten Gesichtspuncte nicht für die Erlassung eines Gesetzes aussprechen, abgesehen davon, daß ich in einem vereinzelten Vorfalle nicht den genügenden Grund zu einer solchen Maßregel erkennen kann. (Beifall von der Rechten) Ich hoffe, daß der gesunde Sinn des Volkes, He Überzeugung, daß man eben durch Gründe, eben durch das Gewicht der Debatte und nicht durch die rohe