Sobota 12. srpna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zwanzigste Sitzung des constituirenden Reichstages, am 12. August 1848.

Tagesordnung. 

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom II. August.

II. Berichterstattung über die geprüften Wählen.

III. Berathung über den Antrag des Abg. Kudlich.

IV. Letzte Lesung der Geschäftsordnung.

V. Berathung über den Antrag des Abg. Selinger.

Vorsitzender: Vicepräs. Strobach

Anwesende Minister: Bach, Krauß, Schwarzer.

Anfang um halb 10 Uhr.

Vicepräs. Nach der Zählung der Herren Schriftführer ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Zahl der Mitglieder bereits anwesend; ich erkläre demnach die Sitzung für eröffnet und ersuche den Herrn Schriftführer Streit zur Lesung des gestrigen Protokolls zu schreiten. (Schriftf. Streit liest das Protokoll vom 11. August vor welches von der Versammlung einstimmig angenommen wird.)

Vicepräs. Mir ist das Programm des Gemeindebausschusses der Stadt Wien für die Feier des Empfanges Sr. Majestät über geben worden; ich glaube, es wird nicht nöthig sein, dieses Programm dem vollen Inhalte nach zu lesen. Schon gestern kam hier zur Sprache, in welcher Art Se. Majestät von der Reichsversammlung zu empfanden sei. In der Voraussetzung, daß Se. Majestät frühzeitig nach Schönbrunn kommen werde, wurde beschlossen, um 1 Uhr die Sitzung aufzuheben und sich dann unmittelbar nach Schönbrunn zu begeben. Doch aus dem vorliegenden Programm ergibt sich, daß hier eine Änderung nöthig erscheinen dürfte. Se. Majestät wird um 3 Uhr in Nussdorf ankommen, dann geht der Zug unter Glockengeläute durch das Spalier der Nationalgarde von Nussdorf durch die Währingwergasse, das Schottenchor, über die Freiung, den Hof, Bognergasse, Graben, Stock am Eisen, in die Stepphanskirche, wo auf das ausdrückliche Verlangen Sr. Majestät ein feierliches Tedeum abgehalten werden wird, nach welchem der Zug über den Stepphansplatz, Graben, Kohlmarkt, Burgplatz, Mariahilfe nach dem kaiserl. Lustschlosse Schönbrunn, wo die Reichsversammlung Sr. Majestät erwartet, fortgefetzt wird. Es haben mehrere Mitglieder der Versammlung den Wunsch ausgesprochen, und ich, meiner subjektiven Ansicht nach, finde ihn begründet, daß es sehr zweckmäßig wäre, wenn der Reichstag selbst auch an dem Te Deumin der Stepphanskirche teilnehmen wollte. Ich würde in dieser Beziehung beantragen, daß wir uns um 3 Uhr hier versammeln, von da in corpore in die Stepphanskirche uns begeben, dort die für uns bestimmten Plätze einnehmen, und sogleich nach der Feier zuerst aus der Kirche uns entfernen, um mit den bereit stehenden Fiakern nach Schönbrunn zu fahren und uns dort geordnet zum Einfange Sr. Majestät aufzustellen. Ich glaube, der Reichstag hat durch die Absendung einer eigenen Deputation die Wichtigkeit der Rückkehr Sr. Majestät erkannt und ausgesprochen. Diesem Wunsche ist entsprochen worden, daher dürfte die Teilnahme an dem Te Deum im Einklange mit der Rückkehr Sr. Majestät stehen. Falls die hohe Reichsversammlung diesem Antrage in Betreff der Feier, und rücksichtlich des Empfanges Sr. Majestät, sich anzuschließen wünscht, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird einhellig angenommen.) Ich ersuche die Herren Abgeordneten um 3 Uhr hier zu erscheinen, das Weitere werden die Herren Ordner veranlassen.

Abg. Löhner. Ich erlaube mir eine Anfrage an den Herrn Vorsitzenden. Es ist besprochen worden, daß heute der hohe Reichstag in corpore Se. Majestät im Schönbrunner Schlosse zu bewillkommnen habe. Es versteht sich, daß bei dieser Gelegenheit eine Begrüßung im Namen des Reichstages vom Präsidenten ausgesprochen werden wird; es ist mir aber nicht bekannt, daß bisher über diese Begrüßungsrede eine Mittehellung gemacht worden wäre, und es scheint mir denn doch, nachdem jedes Wort, welches da gesprochen wird, vor den Völkern Europas gesprochen wird, nöthig, daß darüber an den Reichstag eine Mittheilung gemacht werden mochte, wenigstens in der Art, wie bei der Thronrede, so daß hier in diesem Saale gleichfalls im Voraus vom hohen Reichstage eine Ansicht ausgesprochen würde, in welcher Art diese Rede zu halten wäre.

Vicepräs Es ist gestern besprochen worden, daß der hohe Reichstag mit dem Präsidenten an der Spitze Se. Majestat empfangen soll. Es liegt in der Natur der Sache, daß Worte der Begrüßung ausgesprochen werden. Dieses übernimmt der Herr Präsident Schmitt, und hat auch schon im Vorstandsbureaus die Rede mitgetheilt Er glaubte die Rede nicht so wichtig zu finden, daß sie einen Gegenstand für einen eigenen Reichstagsbeschluß böte, und hat sich in derselben Sphäre bewegt, wie dazumal angedeutet wurde, als es sich um die Antwort auf die Thronrede handelte. Ich glaube, daß es bei dieser Beantwortung der Interpellation sein Bewenden haben durfte Sind die Herren damit einverstanden (Ja) Nach der Geschäftsordnung sind die Eingaben dem kurzen Inhalte nach mitzutheilen, wie sie eingelaufen sind Schriftf. Streit (verliest duselten sowie auch eine Eingabe des Burgerausschusses, welcher die hohe Reichsversammlung einlabet, einem feierlichen Dankopfer am Sonntage in der Stepphanskirche beizuwohnen) Vicepräs. Ich glaube, es wird diese Einladung zur Kenntniß zu nehmen sein, falls die Herren daran Theil nehmen wollen Schriftf Strett (verliest die Einladung der Doblinger Nationalgarde zur Fahnenweihe) Vicepräs Soeben ist mir mitgetheilt worden, daß sich für die Redaction der stenographischen Berichte eine Schwierigkeit für diese Woche ergibt es trifft der Dienst die Herren Podlewski, Borrosch und Fischer, und da Abg Fischer noch nicht zurückgekehrt ist, so wäre es zu wünschen, t a mit die Redaction nicht in Stockung gerathe, daß irgend ein Herr interveniere Die Schwierigkeit ist durch das Anerbieten des Herrn Abg. Ohéral gehoben, Der zweite Gegenstand der heutigen Tagesordnung betrifft die Wahlen. (Es liegen keine Wahlacte vor) Ich ersuche den Berichterstatter des Ausschusses zur Prüfung der angefochtenen Wahlen zum Vortrage schreiten zu wollen (Auch hier liegt nichts vor.) Der dritte Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist die Berathung über den Antrag des Abg. Kudlich Es liegen noch mehrere Anträge vor, zu deren Vortrag jetzt geschritten werden dürfte. Vom Herrn Abg. Streit ist ein Beisatz zu dem Amendement des Herrn Abg Ullepitsch beantragt worden, er geht dahin: — Wollen die Herren Abgeordneten selbst ihre Amendements vorlesen und begründen.

Abg. Streit. Um nicht weitlausig zu werden, schließe ich mich an die Worte des Abg. Ullepitsch an; der Abg. U l l e p i t s c h hat gestern folgenden Zusatz zu dem Antrage des Abg. Kudlich gestellt: "Die auf Grund und Boden haftenden, dem Privatrechte angehörigendienstbarweiten werden durch dieses Gesetz nicht aufgehoben, ihre rechtliche und staatswirtschaftliche Regulirung soll jedoch Gegenstand eines besondern Gesetzes sein "Dieser Begriff, nämlich die Beschränkung auf die Dienstbarkeit, scheint mir, mit Rucksicht auf die Verhältnisse Mähren?, viel zu eng, und deßhalb erlaube ich mir noch einen weitern Zusatz zu diesem Zusatze zu beantragen, nämlich"Dasselbe soll insbesondere und im Allgemeinen auch bezüglich derjenigen Rechte gelten, welche den Unterthanen bezüglich der Waldungen der Gutsherrschaften zustehen "In Mähren besteht nämlich das Recht der Unterthanen, das Holz zu klauben, und insbesondere zum Bezuge von Holz um geringere Beträge Die Verhältnisse bestehen zwar nicht allgemein, wohl aber in vielen Gegenden, besonders dort, wo es die Einwohner am nothigsten brauchen, in den Gebirgsgegenden, in jenem Theile unseres Vaterlandes, wo der Winter acht Monate dauert in j neu Theile, wo der Einwohner zunächst durch Spinnen sich das Nochtaste zu erwerben sucht, was aber bei den jetzigen kommerziellen Verhältnissen nicht möglich, wo die Noth am grüßten ist. Wurde meinem Antrage nicht Statt gegeben, würde die Beschränkung bloß aus Dienstbarkeiten beliebt werden, so murren die Bewohner jener Gegenden, der großen Noth und der Gefährdung ihrer Existenz Preis gegeben, weil die Rechte auf die gutsherrlichen Waldungen meist in dem Unterthansverhältnisse ihren Grund haben Es kann zwar eingewendet werden: die Gerechtigkeit erfordert die Entlastung des herrschaftlichen Bodens, dieß ist wichtig und deßhalb halte ich mich daher an den Antrag des Abg Ullepitsch, welcher will, daß rechtliche und staatswirtschaftliche Regulirung jener Verhältnisse Gegenstand eines besonderen Gesetzes feien. Es muß eine genügende Zeit verliefen, bevor jenes Recht der Unterthanen geregelt und die Aufhebung desselben möglich sein wird Man konnte mir einwenden, daß die Unterthanen durch die Aufhebung anderer Lasten ohnehin viel gewinnen, das ist aber in vielen Gegenden eine Tauschung, namentlich n jenen, wo die Armuth schon so groß ist; denn dort hat die Obrigkeit nur wenige Gaben erhalten können, dort hat insbesondere die Robot fast gar keinen Werth, weil der Taglohn niedrig ist, weil die Arbeit mangelt. Man konnte auch einwenden, das Gesetz müsse durchgreifen, aber kein Gesetz darf selbst gegen einen Theil unserer Mitbürger ungerecht sein, eine Unmöglichkeit enthalten. Wenn ich auch die Macht des hohen Reichstages anerkenne, so hat auch diese ihre Grenzen. Heben Sie heute die Rechte der Unterthanen in Bezug der obrigkeitlichen Waldungen auf, so wird dennoch der Fortbezug desselben fortdauern. Ich bitte also meinen Antrag aus Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu unterstützen.

Vicepräs. Wird dieser Antrag Unterstützt? (Wird unterstützt.) Ein weiterer Verbesserungsantrag ist der von den Herren Abgeordneten Löhner, Vacano, Hein, Umlauft, Kudlich. Er lautet:"Der Reichstag erklärt:"Erstens. Das Band der Untertänigkeit wird als eine die ursprünglichen Menschenrechte verletzende Einschränkung der persönlichen Freiheit für rechtswidrig erklärt, und auf ewige Zeiten aufgehoben."Zweitens. Alle Robot und jeder Zehent, so wie überhaupt alle aus dem Untertätigkeitsverbände, dem Obereigenthume, der Dorf und Schutzobrigkeit, aus dem (Wein) Bergrecht, der Vogteiherrlichkeit, dem bäuerlichen Lehenverbände entsprungenen oder ihnen ähnlichen Natural, Geld und Arbeitsleistungen des Haus und Grundbesitzes haben, einschließlich aller BesitzveränderungsGebühren, von nun an aufzuhören."Drittens. Zur Ausarbeitung des diese Bestimmungen bellessenden, alle provinziellen Verhältnisse erschöpfenden Gesetzentwurfes wird ein Ausschuß aus Reichstagsmitgliedern zusammengesetzt, welcher zugleich auszumitteln haben wird, ob und welche Entschätzung für die aufgegebenen Lasten zu leisten sei."Viertens. Das Ministerium wird aufgefordert, in der kürzesten Zeit einen Gesetzentwurf über die vorzunehmende Regelung dir gerichtlichen und administrativen Amtshandlungen vorzulegen, und ermächtiget, die dießfalls nöthigen Provisorien zu treffen."Fünftens. Darüber ist zur Beruhigung des Landvolkes eine feierliche Proclamation zu erlassen. "Wünscht Jemand von den hier genannten Herren den Antrag zu begründen, so fordere ich ihn dazu auf.

Abg. Vacano. Der Zweck dieses vereinten Amendements ist, viele der überreichten unnöthig zu machen oder wenigstens für die Zukunft aufzubehalten. Im ersten Puncte ist die Aufhebung der beschränkten persönlichen Freiheit, im zweiten Puncte die Aufhebung der Beschränkung hinsichtlich des Eigenthums, im dritten Puncte wird er sich auf einen Gesetzentwurf, welcher einer Commission übertragen werden soll, berufen. Diese Commission soll alle provinziellen Verhältnisse berücksichtigen, dadurch können viele der Amendementsteller sich beruhigen, welche einzelne kleine Abgaben eingesogen haben wellen. Im dritten Puncte ist die Entschädigungsfrage noch einein künftigen Antrag der Commission zugewiesen; es dürften daher Manche, die sich jetzt schon über die Entschädigung ausgesprochen wissen wollten, ihre Amendements verschieben bis zum Antrage, welchen die Commission stellen wird. Im vierten Puncte endlich sind mehrere Amendements zusammengefasst in einem allgemeinen Ausdrucke; die Reglung der gerichtlichen und administrativen Amtshandlung kann am besten dadurch geschehen, wenn das Ministerium einen Gesetzentwurf darüber vorlegt, eben so dürfte es am zweckmäßigsten sein, den Übergang der Patrimonial  Gerichtsbarkeit zur einfachen Gemeindeverfassung durch Provisorien, welche von dem das Vertrauen genießenden Ministerium ausgehen, regeln zu lassen. Es sind in diesem allgemeinen vierten Puncte wieder eine große Anzahl von Ansichten in den gestellten Amendements zusammengefasst; der fünfte fällt ohnedem mit den meisten zusammen. Ich glaube daher, man könnte bei der Abstimmung viele der Herren Amendementisteller auffordern, ob sie ihre Amendements als enthalten in diesem neuen Amendement entweder zurücknehmen wollten, oder wenigstens für den Antrag der Commission verschieben wollten. Dadurch könnten wir auf drei bis vier Amendements zurückkommen, dieß war der Grund, warum dieses Amendement neuerdings gestellt würde.

Vicepräs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Allgemein unterstützt.) Es liegen hier noch acht ungedruckte Verbesserungsanträge vor, die mir erst heute übergeben wurden; ich werde zur Vorlesung derselben schreiten Zunächst liegt vor der Antrag des Abg. Cerne, er betrifft die Hinweglassung einiger Worte aus dein dritten Absatze des verbesserten Antrages des Abg. Kudlich, und zwar wünscht der Herr Antragsteller, daß aus diesem dritten Absatze die Worte in der zweiten Zeile am Ende: "über die etwaige Entschädigung und" weggelassen" werden. Wünscht der Herr Abgeordnete zur Begründung zu schreiten?

Abg. Cerne. Es ist da hier in dieser hohen Versammlung, schon so viel und Treffliches gesagt worden in Bezug auf das bestehende Unterthansverhältniß, daß es beinahe anzunehmen ist, daß die ersten zwei Paragraphe des Antrages des Abg. Kudlich als angenommen anzusehen sein dürften, daß nämlich das Unterthansverhältniß im Allgemeinen aufzuhören habe, und daß auch alle Leistungen, als Robot, Zehent, Gelbleistungen, welche bisher, sei es den Unterthanen, Corporationen, sei es von Dörfern oder Städten an die Berechtigten überhaupt geleistet worden sind, aufzuhören hatten. Das Hinderniß, um dieses auszusprechen, scheint mir, liegt vorzüglich in der Entschädigungsfrage, und dann in dem Umstande der Beschwerlichkeit um die Gerichtsbarkeit, die Patrimonialgerichtsbarkeit von Seite des Staates zu übernehmen. Was also die Entschädigungsfrage betrifft, ist gesagt worden, daß diese von den Unterthanen schwerlich zu leisten sein dürfte, daß sie vielmehr vom Staate zu übernehmen wäre. Diese Ansicht scheint mir jedoch eine ungerechte zu sein. Denn erstens dürfte hier der Handelsstand, Bürgerstand und Gewerbstand ins Mitleid gezogen werden, und man würde ihnen Anlaß geben zu gerechten Beschwerden und zur Unordnung. Von der ändern Seite würde, wenn der Staat diese Entschädigung übernähme, dennoch beinahe Niemand anders als die gegenartigen Grundbesitzer diese Entschatigung leisten, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil der Grundbesitzer es ist, welcher mit den größten Rubriken für den Staatsschatz concurrirt. Es scheint mir von der größten Wichtigkeit die Frage zu sein: ob überhaupt den Berechtigten eine Entschädigung gebühre oder nicht? Es handelt sich hier um das Fonbestehen oder nicht mehr Fortbestehen eines Systems, dämlich des Feudalsystems und einer Kaste, nämlich der Aristokratiekaste. Auch hat es sich in den März und Maijagen gehandelt um das Bestehen eines Systems und um das Bestehen einer Kaste, dort hat es sich gehandelt um das Bestehen des Absolutismus, um das Bestehen der Bureaukratiekaste Bei diesem Umstande düngt sich mir eine besondere Erscheinung auf, diese nämlich die Aristokratenkaste. Die Bureaukratie und der Absolutismus waren zwei Tyrannen, welche gerichtet waren gegen den Geist und das Eigenthum der Menschheit, indem sie den Geist niederdrückten und das Eigenthum ausbeuteten. Die Aristokratie und das Feudalsystem sind auch zwei Tyrannen, welche ebenfalls gegen den Geist der Menschheit gerichtet sind, indem sie ihn niederdrückten, und gegen das Vermögen, indem sie es ausbeuteten, und auch gegen den Körper, den sie zur Sklaverei niederdrückten. Es fragt sich also: welche von diesen zwei Kasten oder vielmehr, welches von diesen zwei Systemen verwerflicher ist ? Es fragt sich: ob die Wiener, oder auch: ob überhaupt die Wiener Burger und Bewohner dieser Hauptstadt in ihrem Rechte waren, als sie die Bureaukratie gestürzt haben. (Heiterkeit. Stimme: zur Sache!)

Vicepräs. Ich erlaube mir zu bemerken, daß vielleicht diese Begründung vom eigentlichen Gegenstande etwas abgewichen sein dürfte, denn es handelt sich darum, ob die Worte: ,,etwaige Entschädigung" wegzulassen seien

Abg. Gerne. Ich glaube, das gehört hierher.

Vice Präs. Ich glaube, es ist etwas abgewichen.

Abg. Cerne. Wenn es also in Frage kommt, ob den Herrschaften überhaupt eine Entschädigung gebührt oder nicht, so muß natürlicher Weise auch in Betracht gezogen werden, wofür sie ihnen gebührt, und ob du Bezüge, welche sie bis jetzt beanspruchen, sich auf einen Rechtsgrund basieren. Ich bin der Meinung, daß dieß auf keinen Fall angenommen werden könne. Wir, meine Herren, haben ein eigenes Princip: wir stehen auf dem Principe der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, und wenn wir dieses Princip annehmen, so können wir uns, glaube ich, gar nicht in die Frage einlassen, ob den Herrschaften überhaupt eine Entschädigung gebührt, weil das im geraden Widerspruche wäre mit diesem Principe, auf welchem wir uns befinden. Es ist auch gesagt worden in dieser geehrten Versammlung, daß wir bei der Behandlung dieser Frage gerecht sein müssen, daß wir an dem Eigenthums nicht rütteln dürfen Ich, meine Herren, bin auch die sehr Ansicht, aber die strengste Gerechtigkeit muß uns hier leiten. Ich denke mir einen gerechten Richter auf dem Throne der Gerechtigkeit, und man denke sich also die Aristokratie seit ihrem Anbeginne in einer Person, und von der andern Seite auch die Verpflichteten in einer Person. Lassen wir die Aristokratie sprechen, und sie wird sagen: Man will, daß das bisherige System aufhöre, daß die Leistungen, welche ich bis jetzt bezogen, zu enden haben, ich will also eine Entschädigung dafür. Aber von der anderen Seite wird der Unterthan sagen: Mein Gegner hat mich bis jetzt geknechtet am Geiste, er hat mich tyrannisiert am Körper, er hat mich ausgeraubt an Vermögen, ich fordere Rückerstattung. Ihr, meine Herren, seid die Richter; ich habe bloß den summarischen Sachverhalt dargestellt. (Bravo !)

Vicepräs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird unterstützt.) Der Abg. Mofry hat nachstehenden Abänderungsantrag auf den Tisch des Hauses niedergelegt:"Die hohe Kammer beschließe. Es hat auch das sogenannte Canon und das Laudemium beim Einkaufe der Gemeindegrund Parzellen in den Städten, Markten und Dörfern, besonders in den Schutz und untertänigen, von nun an ohne weitere Entschädigung, als widerrechtliche Gebühr, alsogleich aufzuhören."

Abg. Mokry. Weil so viele Arten von Lasten und Beschränkungen durch die verschiedenen Amendements bezeichnet wurden, so habe ich geglaubt, die hohe Kammer auch auf diesen Gegenstand aufmerksam machen zu müssen, nämlich daß zu diesem Behufe bei Behebung dieser Lasten und Beschränkungen die aufzustellende Commission billige Rücksicht nehme, In Böhmen sind seit Kaiser Franzens Regierung die Gemeinden, Städte und Dörfer als moralische Personen unter den besondern Schutz des Staates gestellt, und dadurch der Staatsbürger von allem Einfluß aus die Gemeindeverwaltung ausgeschlossen worden. Seit dieser Zeit hat es die Staatsverwaltung für gut befunden, beim Verkaufe der Gemeindegrundparzellen Gebühren, diese sogenannten Canon und Laudemium, draufzulegen. Wiewohl diese Gebühren ganz widerrechtlich sind, so meine ich, daß bei der zu entwerfenden Gemeindeverfassung besondere Rücksicht darauf genommen werden solle, und daß diese Lasten ganz ohne alle Entschädigung abgeschafft werden sollen. Nur dieß wollte ich bemerken, damit die aufzustellende Commission darauf bei ihrer Ausarbeitung Rücksicht nehme.

V i c e  p r ä s. Wird dieser Antrag unterstützt ? (Unterstützt.) Der Abg. Schlegel hat mir diesen Verbesserungsantrag übergeben.

Abg. Schlegel. Ich ziehe ihn zurück, indem ich mich dem vereinten Antrage der Herren Löhner, Vacano anschließe und dieser eigentlich der Commission gehören wird.

Vicepräs. Nach dem Antrage des Abg. Johann Kapuszczak soll die hohe Reichsversammlung erklären und beschließen:"Daß durch Aufhebung des Unterethansverhältnisses und der demselben entfließenden und den Landmann beschwerenden Lasten und Giebligkeiten, das Recht der Gemeinden und Unterthanen zum Bezuge ihres Holzbedarfes, nicht nur zum eigenen Hausgebrauche, sondern auch zum Gemeindeerfordernisse in den Waldungen nicht aufgehoben, sondern aufrecht erhalten werden möge." Will der Herr Abgeordnete zur Motivirung schreiten ?

Abg. Kapuszczak. Im Namen der Bezirke, aus welchen ich gesandt bin, muß ich bemerken, daß wir meistens im Gebirge wohnen, wo auch durch acht Monate und noch länger die Winterszeit dauert, und wir vor alten Zeiten das Recht gehabt haben, für die Gemeinden and für allen Gebrauch das Holz aus den Dominicalwaldungen auszuführen. Daher bin ich der Meinung, daß wir nicht in den Zeiten das Recht verlieren, sondern von der hohen Reichsversammlung uns das Recht beibehalten werden soll.

Vicepräs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Es geschieht.)

Abg. Violand. Ich bitte um das Wort. Ich berufe mich auf den §. 53 der Geschäftsordnung. Wir haben schon so viele Amendements gehört, die Herren haben die Vorsprecher widerlegt, wir sind über den Gegenstand so ziemlich belehrt; wie haben noch acht Verbesserungsanträge vor uns, und es haben sich eine Menge Redner einschreiben lassen. Ich bitte daher, meine Herren, mich zu unterstützen in meinem jetzigen Begehren, darüber abstimmen zu lassen, ob der Schluß der Verhandlung stattfinden soll oder nicht. (Viele unterstützen den Antrag.)

Vicepräs. Es steht den Herren das Recht zu, aber ich müßte es sehr beklagen, wenn die hohe Versammlung über einen so hochwichtigen Gegenstand nicht erschöpfend debattiren würde. Die Unterstützung ist da, ich muß also zur Abstimmung schreiten. Ich fordere daher diejenigen Herren auf, welche sich für 

Abg. Szabel. Ich bitte um das Wort. Es handelt sich darum, die Debatte abzuschneiden. Aber es ist ja gegenwärtig noch keine Debatte. Wir haben bis jetzt ganz unparlamentarisch verfahren: man hat Anträge gestellt und sie derart motivirt, daß diese Motivirung gewisser Maßen einer Debatte ähnlich sah. Im Verlaufe der jetzt einzutretenden Debatte können sich Redner in dieser Angelegenheit melden, und können sich wiederholt Anträge, die zur Beschleunigung des Gegenstandes beitragen, ergeben. Darum könnte die Verhandlung jetzt durchaus nicht, weil sie noch nicht eingetreten ist, als geschlossen betrachtet, und zur Abstimmung gebracht werden.

Abg. Löhner. Ich erlaube mir zu bemerken, daß das wohl auf einem Mißverständnisse beruht, wenn man glaubt, so die Abstimmung herbeizuführen. Ich glaube der Abg. Violand hat ganz richtig in Auffassung der Geschäftsordnung seinen Antrag dahin gestellt, daß nunmehr die Zeit eingetreten sei, wo die bis jetzt eingereichten Amendements vorgelesen, sodann die bereits vorgemerkten Redner zum Sprechen kommen, wo aber ein Schluß zur Einreichung von Amendements stattfinden soll; die Redner sollen durchaus nicht ausgeschlossen werden. Es kann keine Abstimmung stattfinden, bis nicht nach dem Inhalte der Geschäftsordnung alle vorgemerkten Redner gehört und alle Amendements gestellt worden, demnach kann der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt werben, indem damit gesagt wird, daß von nun an keine Amendements gestellt werden dürfen.

Abg. Goldmark. In demselben Sinne wie der Abg. Löhner interpretiert, haben wir diesen Antrag unterstützt. Ich glaube, daß dadurch Niemand beeinträchtigt ist von den Herren, die vorgemerkt sind.

Vicepräs. Es geht daher die Abstimmungsfrage dahin —

Abg. Mayer. Ich bitte um das Wort. Wir haben gehört, daß noch mehrere Amendements vorliegen, die uns noch vorgelesen werden müssen. Wir kennen deren Inhalt noch nicht. Es ist möglich, daß diese Amendements die Ansichten noch berichtigen, daß sie uns  Einzelnen anders bestimmen. Ich sehe nicht ein, wie etwas abgebrochen werden soll, was noch gar nicht angefangen ist, nämlich die Debatte. Es ist Niemanden gestattet worden, über die eingebrachten Amendements auch nur ein Wort zu erinnern, sondern bloß dem Amendementsteller wurde gestattet, es zu begründen. Wir haben hier gehört und einstweilen überlegt, wir können aber erst dann, wenn wir Alle gehört haben, zu einem Beschlusse kommen; und ich glaube daher, daß es nicht an der Zeit sei, weder die Einbringung der Amendements abzubrechen, noch eine Debatte, die noch gar nicht begonnen hat, und es kann der Antrag auf Schluß der Verhandlung gar nicht gestellt werden. (Beifall von der Rechten.)

Abg. Brettel. Meine Herren! Ich glaube, ob der Antrag auf Schluß der Verhandlung gestellt werden könne oder nicht, darüber spricht sich die Geschäftsordnung klar und deutlich aus. Sie sagt: "In jedem Augenblicke der Verhandlung kann auf den Schluß der Verhandlung angetragen werden," Wir verhandeln, meine Herren, denn es ist heute der dritte Tag; was wir gehört haben, war nicht eine Begründung der einzelnen Amendements, es war eine vollkommene Discussion des Gegenstandes. (Nein, nein! von der Rechten und dem Zentrum.) Sie können Nein sagen. Ich weiß, der Form nach ist es nicht, aber der Sache nach. Diejenigen, welche die Begründung der einzelnen Amendements nicht gehört haben, mögen in den stenographischen Berichten nachsehen, und sie werden finden, daß es der Sache nach wirkliche Debatten waren, denn man ist auf frühere Amendements zurückgegangen, man hat frühere Amendements widerlegt. Ich glaube, in der Folge werden wir ohnehin von diesem Modus abgehen müssen. Übrigens mache ich darauf aufmerksam, daß mit dem Schlüsse der Debatte jetzt nach unserm Reglement die Möglichkeit gegeben ist, in drei oder vier Tagen mit der Sache fertig zu werden; denn wir wollen damit nichts Anderes, als nacktem wir bereits bei 12 bis 13 Redner eingeschrieben sind, wird die Discussion in einigen wenigen Tagen zu beendigen sein. Wir dürfen nie vergessen, daß wir eine Geschäftsordnung haben, welche sagt: "Wenn von der Versammlung der Schluß der Debatte bestimmt worden ist, so müssen noch alle übrigen Redner, die eingeschrieben sind, gehört werden." Alle Diejenigen, die Amendements gestellt haben, haben das Recht, ihre Amendements zu begründen; wir werden daher alle eingereichten Amendements noch verlesen hören, wir weiden alle begründen hören, und über alle zu urheilen im Stande sein. Wie haben vielleicht noch zwanzig Redner vor uns, wenn auch die Kammer den Schluß der Debatte bestimmt. Wenn wir aber dieses nicht thun, so werden wir zu den sechzig Amendements vielleicht noch dreißig oder sechzig andere hinzu bekommen, zu den eingeschriebenen Rednern werden sich vielleicht noch zwanzig neue einschreiben lassen, und wenn die Einzelnen nicht auf ihr Recht verzichten, so werden wir eine Debatte nicht von ein Paar Tagen, sondern von acht bis vierzehn Tagen haben, und der Gegenstand ist von der Art, daß wir zum Ziele kommen müssen. Daher muß ich darauf bestehen, daß nach der Geschäftsordnung der Schluß der Debatte beschlossen werde.

Abg. Doliak. Ich begreife nicht wie der Herr Abg. Brestel von einer Debatte reden kann, da man bisher noch nicht pro et contra gesprochen hat. Unter einer Debatte verstehe ich nur, wenn man über einen Gegenstand pro et contra gesprochen hat. Bisher hat jeder Antragsteller nur einfach seine Meinung begründet; eine Debatte würde es nur dann heißen, wenn man dagegen gesprochen hätte, denn nur auf diese Weise ist es möglich eine Debatte zu führen. Wenn Jeder nur von einem Gesichtspuncte, nämlich ton einem provinziellen Gesichtspuncte ausgeht, so würde man zu keinem Resultate gelangen, denn das pro et contra muß in jeder Debatte über das Ganze ausgesprochen werden. Denn viele Redner werden sich erst dann einschreiben lassen, wenn sie die Reden gehört haben. Ich glaube, daß daher von einer Debatte nicht die Rede sein kann. Ich unterstütze daher den Antrag des Abg. Maier: daß in der Verhandlung fortgefahren werde.

Abg. Helfert. Ich berufe mich auf das was der Herr Abg. Violand gesagt hat; er beruft sich auf den §. 67, ich berufe mich auch auf denselben: "Der Reichstag kann zu jeder Zeit die Verhandlung abbrechen." Wir haben aber bis jetzt noch keine Verhandlung, keine Debatte gehabt. Ich frage den Herrn Vorredner, ob nicht er selbst es war, der mir ausdrücklich in das Wort gefallen ist, mit der ausdrücklichen Hervorhebung, daß es hier noch keine Verhandlung sei. (Beifall.) Meine Herren! Ich bin ebenfalls der Ansicht, und habe sie gestern auch ausgesprochen, daß wir wie Jünglinge ans Werk schreiten sollen, aber ich bin nicht weniger der Ansicht, daß wir das Werk besonnen wie Männer ausführen müssen. Wozu haben wir vierzehn Tage über die Geschäftsordnung berathen, wenn wir bei diesem ersten und wichtigen Gesetze uns nicht daran halten wollen? Meine Herren! Jene ewig denkwürdige Nacht vom 4. August, wache auf den Geschichtsblättern des Jahres 1789 aufgezeichnet ist, darf uns nicht zum Beispiele, muß uns zur Warnung dienen. Die Männer von Frankreich haben jene Nacht in (einem politischen Nasche verbracht, und vielleicht die Hälfte von ihnen ist am andern Morgen mit einem politischen Katzenjammer aufgewacht, wie der große Mirabeau zu jener Zeit dasselbe Urtheil darüber ausgesprochen. (Ruf: zur Sache!) Befolgen Sie, meine Herren diesen meinen Vorschlag, so kann in vierzehn Tagen der Gegenstand vollkommen erledigt sein.

Abg. S z a b e l. Es wurde bereits von einem Abgeordneten ausgesprochen was ich selbst sagen wollte, daß wir vor der Hand keine Debatte haben, wohl aber eine unparlamentarische Form von Anträgen, deren Begründung so weit geht, daß sie in eine Art von Debatte übergegangen ist; aber es wurde die Debatte nicht geführt, indem sich Niemand als bloß die Herren Antragsteller geäußert haben. Es kann daher dem Antrage des Herrn Brestel, dem ich sonst gerne beistimme, nicht beigepflichtet werden. Es kann durchaus nicht von einer Unterbrechung der Debatte die Rede sein.

Vicepräs. Abg. Jonak hat das Wort.

Abg. Szabel. Ich habe noch etwas zu bemerken. Die Abschneidung der Amendements kann ich bei der Berücksichtigung der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht für rathsam halten, indem es der Sache förderlich ist, daß man jedem einzelnen Mitgliede der hohen Kammer gestatte, einen förderlichen Vorschlag zu machen. Wenn wir jetzt schon im vorhinein dieses Recht abschneiden, welches ein jedes Mitglied im Verlaufe der Debatte haben muß, um irgendeinen


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