Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Sechzehnte Sitzung des constituirenden Reichstages am 8. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungs Protokolles vom 7.August.
II. Berichte über die Wahlen.
III. Verhandlung über den Antrag des Abg. Johann Kudlich, wegen Aufhebung der Untertänigkeit.
IV. Verhandlung über den Antrag des Abg. Selinger wegen Anerkennung der Verdienstlichkeit der Armee.
V. Ankündigung von Anträgen.
Vorsitzender: Vicepräs. Strobach.
Anwesende Minister: Doblhoff, Bach, Schwarzer, Latour, Krauß.
Anfang um 1/4 auf 12 Uhr.
Vicepräs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist vorhanden. Ich erkläre hiermit die Sitzung für eröffnet. Ich will der hohen Kammer die sehr erfreuliche Nachricht über die Rückkunft Sr. Majestät des Kaisers nicht vorenthalten. Ich glaube, ein Act, der so wichtig ist, wird es entschuldigen, daß wir dieß mal von der gewöhnlichen Ordnung abweichen, und die mir zugekommenen Depeschen noch vor der Ablesung des Protokolls zur Kenntniß der Kammer bringen. Es liegen zwei Urkunden vor, und zwar: 1. ein Deputationsbericht, gefertigt von den Gliedern der Deputation, die nach Innsbruck abgesendet wurde, und dann 2. eine authentische Abschrift der von Sr. Majestät erteilten Antwort. Ich werde die erste der beiden Depeschen zuerst verlesen, und dann die zweite folgen lassen:
I.
"Hoher Reichstag!"
"Die Reichstagsdeputation zur Überbringung der Einladungsadresse an Se. Majestät den Kaiser kommt so eben vor der Audienz zurück und beeilt sich, den erfreulichen Entschluß Sr. Majestät, wie er in der beigefügten Adresse Beantwortung durch Se. Majestät höchst selbst den Deputaten huldvollst zugesichert würden, nachdem er bereits vor deren hierorts gestern Abends erfolgten Ankunft gefaßt worden war, unverzüglich zur Kenntnisnahme des hohen Reichstages zu bringen, damit die durch ihn repräsentierten Völker Österreichs auch nicht einen Augenblick langer in Ungewißheit bleiben. Die Deputation wird das Protokoll nachsenden und fühlt sich hochbeglückt, daß sie so schnell in den Stand gesetzt wurde, die Übermittlerin einer wahren Freudenbotschaft für die Wohlfahrt des Gesamtvaterlandes, für die Volksfreiheit und den constitutionellen Thron zu sein. Gott segne das diesem Ziele geweihte Wirken des Reichstages und vergönne der Deputation baldigst, sich diesem großen Ganzen als dienendes Glied wieder anschließen zu dürfen!"
"Innsbruck den 5. August 1848. Nachmittags 2 Uhr."
Folgen die Unterschriften.
II.
"Ich freue Mich, die Herren Abgeordneten des constituirenden Reichstages bei Mir zu empfangen. Stets nur das Beste Meiner Staaten wollend, werde ich unter den dargestellten Verhältnissen dem Wunsche Ihrer Committenten gern entsprechen und Mich in ihre Mitte begeben. Trotz Meiner noch nicht befestigten Gesundheit gedenke Ich Meine Rückreife nach Wien— zu Meinen getreuen Österreichern —in, durch Mein gegenwärtiges Befinden bedingten kleineren Tagreifen, am achten dieses Monates anzutreten: "Den Ausdruck Ihrer loyalen Gesinnungen nehme Ich mit Wohlgefallen auf."
(Großer Beifall.)
Ich halte es für ein glückliches Prognostition, daß der erste entschiedene Schritt des Reichstages mit einem so glücklichen Erfolge gefront wurde. Ich wiederhole meinen Glückwunsch zu künftigen gleichen Schritten. (Beifall.) Nun dürften wir zur Tagesordnung schreiten. Den eisten Punct bildet die Ablesung des Sitzungsprotokolles.
Schriftf. Wifer. (Liest das Protokoll der gestrigen Sitzung.)
V i c e p r ä s. Wünscht Jemand der Herren Abgeordneten das Wort zu ergreifen? (Zum Schriftführer Wifer gewendet:) Wenn ich nicht irre, so habe ich gestern auf eine neue Ausgabe der Geschäftsordnung angetragen. (Der Schriftführer notirt sich dieses.) Ich ersuche diejenigen Herren, welche das eben vorgelesene Protokoll annehmen wollen, dieses durch Aufstehen kund zu geben. (Majorität.) Ich ersuche, die Namen derjenigen Herren bekannt zu geben, welche in den Petitionsausschuss gewählt werden sind.
In den Petitionsausschuss Schriftf. Streit, sind gewählt worden:
In der 1. Abtheilung: Abg. Schnitzer,
" " 2 " " Tomjcek,
" " 3 " " Polaczek,
" " 4 " " Zajaczkowski,
" " 5 " " Faschank,
" " 6 " " Trojan,
" " 7 " " Forster,
" " 8 " " Placek,
" " 9 " " Pitteri.
Von den Gouvernementbezirken find die Auszeigen eingelaufen, nämlich:
Für Galizien: Abg. Pienczykowski,
" Illryrien: " Ullepitsch,
" Böhmen:,, Thiemann,
" Oberösterreich und Salzburg: Abg. Laffer, der aber in seiner Abtheilung auch gewählt worden ist.
(Nein, nein! bloß in die Finanzcommission gewählt.)
Für Tirol: Abg. Iagramm,
" Niederösterreich: Abg. Scherzer,
" Steiermark: Abg. Wojtech,
" Mähren: Abg. Mussil,
" Küstenland: Abg. Dolliak.
Vicepräs. Ich ersuche die Herren, welche in den Petitionsausschuss gewählt wurden, heute Abends um 6 Uhr im Commissionszimmer zusammenzukommen, um die Functionäre zu wählen. Es ist in der Ordnung, daß alle Petitionen mitgetheilt, und dem Petitionsausschuss zur Erledigung zugetheilt werten Ich ersuche daher den Herrn Schriftführer nach §. 36 der Geschäftsordnung, das Protokoll der bereits eingelangten Petitionen vorzulesen.
Schriftf. Streit (liest das Protokoll sämtlicher bis jetzt eingelangten Petitionen).
Abg. Hawlicek. Es ist unter den Bittschriften, wie ich bemerkte, eine des Abg. Gregor Lewicki vorgekommen, aus der ich entnehme, daß er noch keine Legitimationsurkunde habe; da ich vor einigen Tagen selbst, als Referent der Abtheilung, den Wahlact vorgetragen habe, und dieselbe als unbeanständet anerkannt wurde, so kann dieß nicht als eine Petition angesehen werden, und ich glaube, daß von Seite des Präsidiums Schritte gethan werden müssen, daß der Deputirte diese Legitimationsurkunde bekomme.
Schriftf. Streit. Detzivegen ist das Bittgesuch an den Petitionsausschuß verwiesen worden.
Abg. Hawlicek, Aber das ist ja keine Petition; es ist die Verpflichtung des Reichstages, dafür zu sorgen, daß seine Deputirten hier erscheinen; der Abg. Lewicki begehrt nur sein Recht.
Vicepräs. Es wird Alles veranlaßt werden, daß nicht wegen Abgang der Legitimation der Deputate gehindert werde, hier zu erscheinen. Ich ersuche den künftigen Herrn Schriftführer des Petitionsausschusses, wegen der Petitionen die erforderlichen Schritte dei dem Herrn Schriftführer Streit zu machen; ich bitte auch um die Bekanntsgebung derjenigen Herren, welche in die Finanzcommission gewählt wurden.
Schriftf. Streit (liest): Für die I. Abtheilung wurde noch Niemand gewählt:
für die 2, Abthl. Abg. Schmitt,
,,,, 3,, " Szabel,
" " 4.,, ,, noch Niemand,
,,,, 5.,, " Stark,
,,,, 6.,, " Skoda,
,, " 7.,, " Pillersdorff,
",, 8.,, " Läffer,,,
" 9,, " Herzig.
Vicepräs. Ich ersuche diejenigen Herren, die noch nicht in diese Commission gewählt haben, zur Berathung zu schreiten, und die Namen der gewählten Herren bekannt zu geben. Ich muß auch noch die Eröffnung machen, daß ein Mitglied dieser Kammer durch Krankheit verhindert ist, zu erscheinen. Es ist der Abg. Lubomirski, der an einer Rippenfellentzündung leidet. Ich glaube, daß dieß bloß zur Kenntniß der hohen Kammer zu bringen sei, da wegen Krankheit wohl kein Urlaub zu ertheilen wäre. — Wegen der Organisirung des stenographischen Institutes und des Redactions Bureaus würben mehrere Sitzungen im Vorstandsbureau abgefallen, und man ist so ziemlich einig geworden über den Grundsatz und über die Ordnung, die von Seite des Vorstehers des stenographischen Institutes und eine Redacteur und Correctors für die Buchdruckerei beobachtet werden soll. Es dürste aber wünschenswerth erscheinen, daß dieß zur Kenntniß er hoben Kammer gebracht werde, damit allfällige Wünsche auch noch vor dem Abschlusse der definitiven Verträge berücksichtigt werden können.
Schriftführer (liest dm Vertrag mit dem Vorsteher des stenographischen Institutes Prof. Heger, und mit dem Redacteur der Buchdruckerei, Rud. Weinberger.
Vicepräs. Es wurde so jeden der Entwurf zu drei abzuschließenden Verträgen Vorgattessen. Der Vorstand ist überzeugt, daß er kraft seiner Berechtigung nach §. 8 der Geschäftsordnung diese Verträge definitiv abschließen konnte; aber er glaubt daß es im Interesse der Kammer, die zunächst der dem Erscheinen der stenographischen Protokolle betheiligt ist, entsprechend sein dürfte, wenn diese Verträge zuerst der hohen Kammer mitgetheilt wer den, damit etwa noch Wünsche rege gemacht, und bei der definitiven Abschließung berücksichtigt werden könnten.
Abg. Zimmer. Ich habe zwar von den Verträgen bei sein Verlesen wenig verstanden, ich wundere mich aber, warum jetzt den Stenographen 3000 fl. gezahlt werden sollen, während früher vom Ministerium nur 1600 fl. monatlich gezahlt wurden.
Vicepräs. Der Grund davon liegt darin weil der frühere Contract abgeschlossen wurde, ohne daß eine Erfahrung, sowohl des Vorstandes als des Ministeriums zu Grunde lag, um das Bedürfnis der Arbeitskräfte im Vorhinein approximativ berechnen zu können. Der Vorstand hat es wohl gefühlt, daß diese Ausgabe bedeuten ist, aber er war nicht in der Lage, ein günstiges Resultat durch ein Unterhandlung zu erzielen, weil bis jetzt die Stenographie sich beinahe noch in der Kindheit befinden und eine Concurrenz in dieser Beziehung nicht vorbanden war. Es lag wohl ein Anerbieten eines Leipziger Stenographen vor, der bei der Germanistenversammlung mitgewirkt hat, allein dieses Anerbieten scheint nur auf seine Person berechnet gewesen zu sein. Damit war uns aber nicht geholfen und es mußte uns daran gelegen sein, den Contract mit Jemanden abzuschließen, der schon selbst die erforderlichen Kräfte sich verschafft und engagiert hatte. Wünscht noch Jemand darüber das Wort?
Ein Abg. Ich habe das Vorgelesene auch nicht recht verstanden. Ich ersuche um Aufklarung über den einen vorgelesenen Vertrag. Es heißt darin, daß der Reichstag für den Druck der stenographischen Protokolle monatlich 500 fl. an Rahmbach zahle; nun kann es sich aber treffen, daß in einer Woche nur eine Sitzung gehalten wird, und da bekommen wir monatlich 4 Bogen für diese 500 fl.
Vicepräs. Dieses ist ganz richtig, aber es ist auch umgekehrt möglich, daß täglich zwei Sitzungen gehalten werden, wie dieß schon wirklich der Fall war, und daß Sitzungen, wie am Montag, 7 Stunden dauern, und eben deßwegen wird die Bezahlung als Pauschale behandelt, und ich glaube, der Betrag dürfte nicht für übertrieben angenommen werden.
Sollte nichts weiter geäußert werden, so dürften wir weiter fortfahren. Es handelt sich um die endliche Organisirung der Registratur. Bisher sind etwa 150 geprüfte Wahlacte übergeben worden; die übrigen Wahlacte gehen noch immer ab, und es wäre zu wünschen, daß auch dieser Zweck unseres Bureaus seiner endlichen Organisirung zugeführt wurde. Ich sehe in dieser Beziehung seinen ändern Ausweg, als die Herren Schriftführer, welche früher bei den provisorisch ereilten Abteilungen gewählt worden waren, zu ersuchen, heute allenfalls um 7 Uhr Abends im Vorstandsbureau zu erscheinen, um über die Wahlacten dem Schriftführer Ullepitsch die erforderlichen Aufschlüsse zu ertheilen. Diese früheren Herren Schriftführer sind: Latzel, Kobuzowsi, Sturm, Langte, Demel, Wiesenauer, Fischer und Szaszkiewiecz.
Abg. Wiesenauer. Ich muß bemerken, daß ich meine Acten sogleich dem Vorstandsbureau übergeben habe.
Vicepräs. Darüber vermag ich keine Auskunft zu ertheilen, denn ich habe mich mit den Details nicht unmittelbar befaßt. Es liegt ein Urlaubsgesuch vor, und zwar das des Abg. Mitterndorfer, welcher um 6 Tage Urlaub ansucht; ich bitte den Herrn Schriftführer es vorzulesen.
Schriftf. Ullepitsch. Ehe ich zur Ablesung des Gesuches schreite, mache ich die Mittheilung, daß unter 351 Mitgliedern 13 auf Urlaub abwesend sind, (Liest das Urlaubsgesuch vor.)
Vicepräs. Ich bitte die Genehmigung des Urlaubsgesuches durch Aufstehen zu erkennen zu geben. Wünscht Jemand noch das Wort zu ergreifen? Die Herren, welche sich für die Bewilligung aussprechen, wollen sich erheben. (Majorität.) Abg. Slawik hat um einen Urlaub angesucht, und die Bewilligung auch erhalten, er verzichtet darauf. Ich bringe dieß zur Kenntniß der hohen Kammer. Ein weiterer Gegenstand ist die Auszahlung der Vorschüsse beireffend. Es ist nothwendig, daß einmal eine definitive Abrechnung über die gezahlten Vorschüsse und Gebühren an die Herren Deputaten gepflogen würde, um einmal zu einer Abrechnung kommen zu können. So glaube ich, ist es im Interesse der Ordnung, wenn ein Preclusionstermin zur Erhebung der Vorschüsse festgestellt wird; und ich bitte diejenigen Herren, welche noch einen Vorschuß erheben wollen, die Quittungen heute oder morgen längstens Abends im Vorstandsbureau abgeben zu wollen. Die näheren Bestimmungen sind im Protokolle enthalten. Sobald dieß geschehen sein wird, so wird die Berechnung in zwei Parten den Herren Abgeordneten mitgetheilt werden, damit sowohl diese Berechnung der Gebühren näher geprüft, als auch dann die erste Pari unterfertigt, und aß die zwei Parten in den Händen der Abgeordneten bleiben. Auf Grundtage der gefertigten Abrechnung wird dann das Hauptbuch verlegt werben, und sofort die Auszahlungen ordentlich für die Zukunft erfolgen. Dieses ist der Antrag, dessen Modalitäten mitzutheilen ich bereits die Ehre hatte, und die in einem gedruckten Protokolle mit aufgenommen sind. Es liegen hier drei Anmeldungen von Interpellationen vor; ich werde daher die Herren suchen, daß sie zur Realisirung dieser Anmeldungen schreiten. Zuvörderst ist die Anmeldung des Abg. Sturm, er meldet eine Interpellation an den Minister des Innern an.
Abg. Sturm. Ich erlaube mir, bei dem Herrn Minister des Innern anzufragen, welchen Erfolg die versuchte Pacification des Erzherzogs Johann zwischen Ungarn und Croatien hatte. Weiteres, welche Stellung das Ministerium Ungarn und Croatien gegenüber hinzunehmen gedenkt. Weiteres, welche Maßregel das Ministerrium getroffen hat, um künftighin steiermärkische Wahrenswerbungen nach Croatien und Slawonien vor ungarischer Confiscation zu wahren.
Minister Inn, Doblhoff, Ichwill zuerst die Frage beantworten, welche das Land Steiermark und seine industriellen Interessen besonders betrifft, nämlich die Beschlagnahme von zwei Schiffen auf der Drau, welche mit Eisenwaren geladen waren, welche gehörig verzollt wurden, und dann in der nächsten Station angehalten wurden. Diese Anhaltung ist dem Ministerium des Innern in den letzten Tagen des vorigen Monats durch das steiermärkische Gubernium bekannt gegeben worden, und sogleich noch im vorigen Monate hat sich das Ministerium an das ungarische Ministerium gewendet, unter Eröffnung aller Um stände, die dabei stattgefunden haben, mit dem Er suchen, daß diese angehaltenen Schiffe freigegeben werden, und daß die Verfügungen getroffen werten, welche ähnliche Vorfälle nicht mehr vorkommen lassen. Die bei weitem wichtigere Frage, die uns Alle betrifft, nämlich die über den Erfolg der in Wien stattgefundenen Verhandlungen zwischen den Vertretern von Ungarn und Croatien, und der Vermittlung Sr. Kaisern. Hoheit des Erzherzogs Johann muß ich wohl etwas weitläufiger mich aufsprechen. Ich habe vor einiger Zeit Gelegenheit gehabt, der hohen Versammlung mitzutheilen, daß eben der Erzherzog Johann, gegenwärtiger Reichsverweser, die Aufgabe übernommen hat, jene Zerwürfnisse, welche zwischen Ungarn und Croatien eingetreten sind, auf gütlichem Wege zu vermitteln, und daß zu diesem Behufe, sowohl Graf Bathyany als Baton Jellacic nach Wien gekommen sind, und daß dieß fällige Verhandlungen eingetreten sind. Über den Erfolg dieser Verhandlungen ist dem österreichischen Ministerium nichts bekannt gegeben worden. Bevor jedoch der Ministerpräsident Gras B a t h y a n y Wien verließ, hat er dem österreichischen Ministerium ein Statt zurückgelassen, in welcher er demselben folgend Fragen gestellt hat: 1. Ob das österreichische Ministerium der pragmatischen Sanction in Betreff der Integrität der in demselben begriffenen Länder voll Geltung angedeihen lassen wolle? 2. Ob das österreichische Ministerium in den gegenwärtigen Zerwürfnissen zwischen Ungarn und Croatien mit Rücksicht auf die Bestimmungen der pragmatischen Sanction die Rechte der Krone Ungarns unterstützen werde? — Auf diese Zuschrift hat das österreichische Ministerium in kurzem Auszuge Folgendes erwiedert: "Die pragmatische Sanction kann in ihrem ganzen Umfange von dem österreichischen Ministerium nie bezweifelt werden, fei entschlossen, die Geltung derselben in allen ihren Richtungen aufrecht zu erhalten". Rücksichtlich der weiten Frage hat das österreichische Ministerium auf einige Bemerkungen sich beschränken zu müssen rächtet, nämlich daß, soviel die Ansprüche der Croatien bekannt sind, dieselben keineswegs gesinnt sind, ich von der Krone Ungarns loszureißen, und daß sich eben die Croatien nicht minder als das ungarische Ministerium auf die pragmatische Sanction und ihre Bestimmungen rücksichtlich ihrer Forderungen berufen. Die Untersuchung, welcher von beiden Theilen die pragmatische Sanction richtig auffasst, erfordert gründliche Erörterungen über die staatsrechtlichen Verhältnisse und über die Thatsachen, welche gegenwärtig schon bezüglich der Zerwürfnisse vorgekommen sind. Bisher ist das österreichische Ministerium nicht in die Lage gesetzt worden, eine solche gründliche Erörterung vornehmen, und fei daher auch nicht in der Lage, darüber mit jener Bestimmtheit Antwort zu geben, wie sie verlangt wird. Das österreichische Ministerium könne unter diesen Verhältnissen wurden Wunsch festhalten, daß eine gütliche Vereinigung dieser Wirren stattfinde, daß Alles angewendet werde, den Bürgerkrieg zu hindern, und daß insbesondere Schritte hintergehalten werden, welche auch die Gesamtmonarchie gefährden könnten. Das österreichische Ministerium ginge überhaupt von dem Grundsatze aus, daß die Erhaltung des innern Friedens, die Einigung der Gemüther unter dem Schütze der pragmatischen Sanction, und daß die Gleichberechtigung aller Nationalitäten festzuhalten sei.
Auf diese Erwiderung hat das österreichische Ministerium bis jetzt keine Antwort erhalten, es wart denn, daß jene Reden, welche der ungarische Finanzminister in der Deputirtenkammer gehalten hat, und vorgestern durch die Zeitung hier bekannt geworden sind, als eine solche Antwort zu betrachten wären. Erwarten Sie nicht, meine Herren, daß wir den Handschuh, den uns der ungarische Finanzminister zu Budapest hingeworfen hat, aufnehmen werden. Wir sehen darin keine Ausforderung zu einem ritterlichen Kampfe; man will uns ein zweischneidiges Schwert in die Hände geben, mit welchem wir uns zuerst tödlich verwunden sollen, ehe wir den Gegner treffen. Allein die Beschuldigungen und die Verdächtigungen, die in diesen Reden gegen das österreichische Ministerium gemacht werden, gegen tiefe müssen wir uns verwahren. Es wird uns vor Allem Reaction vorgeworfen, eine Reaction, mit welcher wir die österreichischen Volker der Willkurherrschaft, dem Absolutißmus in die Arme werfen sollen.
Meine Herren, wenn Einer unter Ihnen auch nur die geringste Besorgniß in dieser Beziehung hegen sollte, so sind wir bereit, von dieser Stelle augenblicklich zu weichen. (Großer Beifall, Ruf: Nein, nein!)
Es ist uns ferner vorgeworfen worden, daß wir planlos, charakterlos, ohne Politik handeln. Ich will mich nicht über den Widerspruch äußern, der dahin mit der ersten Frage sich darstellt. Wollte ich mich in die Widersprüche einlassen, die in diesen Reden überhaupt enthalten sind, so würde ich heute nicht zu Ende kommen. Allein ich muß doch in Kurzem unsere Meinung, unsere Überzeugung darüber äußern, und die ist, daß in unsern Tagen die Politik nicht auf der Ministerbank, daß sie nicht auf der Rednerbühne gemacht wird. Die Politik hat einen höhern Standpunct erreicht: Der Weltgeist macht die Politik (Beifall). Er ruft den Völkern zu: Ihr seid frei! Ihr seid wieder in dem Besitze eurer angebornen Rechte! (Großer Beifall.) Ihr habt sie festzuhalten, wenn ihr nicht vernichtet sein wollt! (Beifall.)
Die Politik, die gemachte, sie wird nicht weit führen, eine Politik insbesondere, welche Bundesgenossen in der Ferne sucht, und die nächsten, natürlichen verläßt — eine Politik, welche einseitig, selbst süchtig, welche undankbar handelt, kann keine lange Dauer haben (großer Beifall), sie trägt den Keim des Todes in sich (Beifall).
Man hat uns endlich verdächtigen wollen, daß wir die deutsche Sache verraten. Meine Herren, wir müssen diesen Verdacht, die Anklage, diese Ansicht für eine Lüge erklären; wir sind Deutsche (Beifall). Wir sind durch und durch Deutsche, weil wir nicht bloß deutsch sind, sondern weil wir auch ehrlich und gerecht sind (Beifall). Wir sind gerecht, weil wir die angebornen Rechte eines jeden Volkes ehren (Beifall), weil wir keinen Vorzug, keine Suprematie bevorworfen (Beifall.) Wir streben nach einem Ziele, das ist die Einigung aller österreichischen Völker, wir streben nicht nach einer mit Gewalt erzwungenen Gleichheit, sondern wir streben nach einer durch die Geschichte, durch die Nothwendigkeit und durch das Gefühl gebotenen Brüderlichkeit (Allgemeiner Beifall). So lange diese Brüderlichkeit in diesem Haufe besteht, so lange der Abgeordnete von der Weichsel dem Abgeordneten vorn adriatischen Meere die Hand reicht, so lange, meine Herren, werden wir unerschrocken dastehen, so lange werden wir die Gewitterwolken, welche sich in Westen und Osten gegen uns turnen und Blitze gegen uns schleudern, nicht fürchten (Beifall).
In diesem Geiste, meine Herren, glauben wir auch der deutschen Sache die besten Dienste zu leisten (Beifall).
Erlauben Sie, meine Herren, nun noch zum Schlüsse Ihnen zu eröffnen, daß sich das Ministerium mit einer Staatsschrift befaßt und beschäftigt, welche alle zwischen Österreich und Ungarn schwebenden Fragen umfaßt, gründlich erörtert und auseinandersetzt, und dann Ihnen vorgelegt werden wird, damit dieses Verhältniß vollkommen geordnet werde (Großer, anhaltender Beifall).
Vicepräs. Es liegt eine weitere Anmeldung einer Interpellation vor, und zwar von dem Abg. Hein.
Abg. Hein. Ich habe vor einigen Tagen vom Herrn Finanzminister sehr freisinnige Grundsätze entwickeln gehört, welche er bei der Leitung des Finanzdepartements befolgen zu wollen sich erklärte. Ich bin weit entfernt, in diese Erklärungen irgend ein Mißtrauen zu setzen, und hege die Hoffnung, daß mir der Herr Finanzminister die befriedigendste Aufklärung über die Frage, die ich zu stellen nun im Begriffe bin, ertheilen wird. — Es stimmt mit der durch die Constitution in Aussicht gestellten Gleichberechtigung aller Staatsbürger sehr übel überein, daß noch mehrere Millionen Staatsbürger unter einem Ausnahmegesetze gedrückt leben, das an und für sich nicht nothwendig, ihrem Handels und Gewerbsbetriebe die hemmendsten Fesseln anlegt. und einem großen Theile des Landes jeden höhern Aufschwung des Handels und der Industrie fast unzugänglich macht. Ich meine die Gesetze, welche durch die Staats und Monopolsordnung und das dazu gehörige Strafgesetz in dem sogenannten Grenzbezirke eingeführt worden sind. Ich frage den Herrn Finanzminister, ob er die Fortdauer dieser Ausnahmegesetze beabsichtigt, oder ob er meine Ansicht theile, daß sie nicht mehr zeitgemäß seien, und was er im administrativen Wege, nachdem er dem Handel im Binnenlande bereits wesentliche Erleichterungen in der Staats und Monopolsordnung und den dazu gehörigen Strafgesetzen ertheilt hat, zur Erleichterung für die so sehr gedrückten Bewohner des Grenzbezirkes zu thun beabsichtige?
Finanzminister Krauß. Ich kann dem verehrten Interpellanten antworten, daß der Fortbestand des Grenzbezirkes mit der Beschaffenheit des bestehenden Zolltarifes innig zusammenhängt. Glauben Sie meine Herren, daß nur mit Widerstreben zur Einführung des Grunzbezirkes im Jahre 1836 geschritten worden ist. Wir hatten früher keinen Grunzbezirk, es ist eine Einrichtung, welche früher in den französischen, dann in den italienischen Gesetzen zu finden war, und endlich vorn Zollverein angenommen wurde. Die Erfahrung hat gezeigt, daß in der Nähe der Grenze die Freiheit zur Hereinführung fremder Waren sehr benützt worden ist, um nicht allein das Ärar zu bevortheilen, sondern selbst die Industrie in ihren Grundlagen zu erschüttern. Es war insbesondere nothwendig, in dem nördlichen Theile von Böhmen besondere Maßregeln zu ergreifen. — Höchst unangenehm ist es solche Maßregeln einführen zu müssen. Ich habe leider durch eine Reihe von Jahren viele Kräfte opfern müssen, um Tarifsätze und Verbote handhaben zu können, welche meiner Überzeugung nicht entsprechen. Ich erkläre, daß der Grenzbezirk wirb aufgehoben wer den können, besonders an dir Grenze gegen den Zollverein, wenn der Zolltarif umgestaltet sein wird Es hängt dieses eben mit demjenigen zusammen was ich die Ehre hafte der hohen Versammlung vorzutragen. Es ist als erster Schritt nöthig, daß der Zolltarif in allen Beziehungen, welche einen solchen geschärften Schutz an der Zollgrenze nothwendig machen, gemildert werde, ich bin auch beruhigt, daß bann diese Maßregeln nicht mehr so nothwendig sein werden, als es bisher Fall war, und daß die Industrie dann nicht daran ändert wird. Ich werde den Tag segnen, wo diejenigen Bestimmungen, welche in der Zoll und Staatsmonopolsordnung und im Strafgesetze noch für diese Falle enthalten sind, außer Wirksamkeit gesetzt werden können.
Abg. Hein. Ich finde mich zwar für die nächste Zukunft mit dieser Antwort nicht befriediget, verzichte aber auf eine weitere Einwendung, indem ich nun einen eigenen Antrag in dieser Beziehung vor die hohe Kammer bringen werde.
Finanzminister Krauß. Ich bitte, ich kann noch hinzufügen, daß ich auch bis dorthin alles Mögliche anwenden werde, um jede Erleichterung, besonders in Böhmen, in Bezug auf den Zollverein eintreten zu lassen, indem es sich mit dem, Schutze des Gewebefleißes vor der Hand schwer vereinigen läßt.
Vicepräs. Es liegt noch eine weitere Interpellation des Abg. Brazdil vor.
Abg. Brazdil. Ich erlaube mir, an das hohe Ministerium die Anfrage zu stellen, ob die den Deputirten zugestandene Portofreiheit sich bloß auf jene Briefe beschränke, welche die Deputirten in Wien empfangen, oder ob sie sich auch auf jene Briefe ausdehne, die sie in die Provinzen absenden.
Finanzminister Krauß. Soviel ich mich erinnere, sind in der Portofreiheit auch abgehende Briefe begriffen, nur muß auf der Adresse stehen s Von dem Abg. N. N., und sofort.
Abg. Brazdil. Ja wohl, nur muß ich bemerken, daß in Böhmen und mehreren andern großen Provinzen man diese Portofreiheit nicht anzuerkennen scheint. Es ist dieser Gegenstand zwar nicht von Wichtigkeit, aber es ist dieß ein Beweis, wie lau und langsam man in den Provinzen zu Werke geht, so daß ein energisches Einschreiten von Seite des Ministeriums sehr nöthig wäre.
Finanzminister Krauß. Ich bitte, mir diesen speciellen Fall mitzutheilen, und wenn es möglich ist, so werbe ich dafür sorgen, daß in dieser Sache eine allgemeine Verfügung getroffen werde, denn ich glaube, daß diese Portofreiheit in der größten Ausdehnung zu verstehen sei.
Kriegsminister Latour. Ich bin vor einigen Tagen interpellirt worden, ob die Beschuldigungen, die im Abendblatte der Wienerzeitung gemacht worden find, daß unsere Armee in Italien nicht hinlänglich mit Ärzten und ärztlichen Instrumenten versehen sei, auch gestündet sind. Ich habe seitdem alle Erhebungen gepflogen, und in Erfahrung gebracht, daß seit dem 1. Mai, wo ich die Ehre habe, dem Ministerium des Krieges vorzustehen, 167 Ärzte zur Armee geschickt, und daß seit der letzten Truppenverstaufung dieselbe noch um 107 Ärzte vermehrt worden, so, das im Ganzen 460 bei der Armee sich befinden. Es war in dem Militärsysteme bisher enthalten, daß jedes Regiment nur einen Instrumentenkasten hab. Nachdem aber bei der italienischen Armee viele einzelne Bataillons, besonders seit der letzten Verstauung, sowohl von der Landwehr als Granzbataillone hingesendet worden sind, welche mit seinem Instrumentenkasten versehen waren, so habe ich die Versuchung getroffen, daß alle diese wundarztlichten, Requisiten unter einer eigens dazu bestimmten Instrumentencommission bereinigt werden. Eine hinreichende Anzahl, nämlich 30, und bereits dahin geschickt worden, welche zu den gewöhnlichen Operationen hin eichen, und die übrigen werden nächtens abgeschickt werden.
(Bravo.)
Vicepräs. Den zweiten Gegenstand der heuten Tagesordnung bilden die Berathungen über die geprüften Wahlen. Ich ersuche daher den Herrn Berichterstatter (die I., II. und III. Abtheil. hat keine) der IV Abtheil. (Die vierte Abtheilung hat die Wahl des Ignaz Depil für Kaplitz in Böhmen geprüft).
Vicepräs. Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen? Falls Her Antrag des Berichterstatters zum Beschluß erwachsen soll, so bitte ich, dieses durch Aufstehen kund zu geben.
(In der V., VI. und VII. Abtheil, liegen keine geprüften Wahlen vor )
Berichterstatter der VIII. Abth. Es sind in der achten Abtheilung folgende Wahlacte geprüft worden, und es hat gegen die Förmlichkeiten kein Protest stattgefunden.
Die Abtheilung trägt an: die Wahl des Mathias Hawelka, Anton Mory, Leopold Schediwi, alle dm für Böhmen; die des Mathias Gratschitsch für Neustadt in Illgrien; dann die Wahlen des Zbrislaw Zamojski, Florian Ziemiaikowski, Marian Dylewski und Alex. Borkowski für gültig zu erklären.
Ich erlaube mir im Namen der achten Abtheilung den Antrag auszusprechen, die hohe Versammlung möge also diese Wahlen für gültig erklären.
Abg. Klaudi In Bezug auf die Wahlen für Lemberg, und zwar für den ersten Wahlbezirk, muß ich bemerken, daß an die Commission zur Prüfung er beanstandeten Wahlen ein Protest der Einwohnerschaft von Lemberg übergeben worden ist, in welchem gegen die Art der Eintheilung in Wahlbezirke Einsprache erhoben wird. Es wird also protestirt gegen dal allgemeine Verfahren der Wahlen,