Berichterst. Ich glaube, daß dieses Recht dem Präsidenten eingeräumt ist. Damit aber demjenigen, dem das Wort entzogen wird, kein Unrecht geschieht, kann der Reichstag erklären, daß er ihn dennoch hören wolle.
Ein Abg. Also soll dann der Reichstag ihm das Wort entziehen?
Berichterst. Der Reichstag ist die Appellation, es ist die zweite Instanz. Abg. Klaudi. Ich glaube der §. 66 sollte unverändert bleiben, und im §. 69 die Sanction für den zur Sache Gerufenen aufgenommen werden, wenn er wiederholt in denselben Fehler verfällt. Ich würde im §. 69 sagen: (liest das Amendement.) Berichterst. Das ist dasselbe, nur complicirt durch die Textirung. Abg. Löhner. Ich erlaube mir den Antrag zu stellen, ohne ihn zu formuliren: es wolle der Reichstag belieben die §§. 68, 69, 70 zu einer neuen Schlußfassung der Commission zuzuweisen. Es ist hier der Präsident als Kammervorstand als erste, die Reichsversammlung als höchste Instanz bezeichnet. Es ist von verschiedenen Vergehungen gleichsam gegen die Disciplin die Rede. Es scheint mir die Auffassung noch nicht vollständig gewesen zu sein; es scheint, daß die verschiedenen Arten von Unzukömmlichkeiten der Redner nicht gehörig aufgenommen worden sind. Es scheinen mir drei verschiedene Unzukömmlichkeiten vorausgesetzt: Erstens das Vergehen der Abschweifung vom Gegenstande; das ist offenbar das leichtere Vergehen, denn es werden gewiß viele Menschen über die Frage nicht leicht mit andern übereinstimmen, ob eine Äußerung zur Sache gehört oder nicht; dann kann es in der Debatte zu Persönlichkeiten kommen, wo man den Angriff auf einen Gedanken, den einer ausgesprochen hat, als einen persönlichen Angriff versteht; endlich ist noch ein Fall vorgesehen, nämlich: die Störung der Verhandlung. Wir wollen dieß als einen unmöglichen Fall betrachten, aber wir haben doch schon Beispiele, daß er vorgekommen ist. In den amerikanischen Staaten, selbst in dem Lande der Constitution, in Frankreich unter Guizot, haben auch Störungen der Verhandlung in den Kammern stattgefunden. Der dritte ist der schwerste Grad, durch welchen einzelne Mitglieder gegen die Regelmäßigkeit der Verhandlung sich vergehen können, für diese muß aber die Kammer und der Präsident auch die Mittel haben, um sie hineinzuhalten; diese Mittel sind: der Ruf zur Sache, und der Ruf zur Ordn u n g. Der Ruf zur Ordnung setzt jedenfalls eine Störung voraus, und es muß für diese Störung im Wiederholungsfalle allerdings eine andere Strafe geben, wenn nämlich ein Redner hartnäckig auf seinem Vergehen beharrt, und das wäre das Entziehen des Wortes. Aus allen diesen Gründen bin ich der Meinung, daß es sehr zweckmäßig wäre, diese Paragraphe zu einer gründlichen Umschmelzung der Commission zurückzugeben.
Abg. Hauschild. Ich muß bemerken, daß hier nicht von einer strafenden Censur, sondern von der Entfernung von Unanständigkeiten die Rede ist; nicht davon wie sie zu bestrafen, als nur in welcher Weise sie am zweckmäßigsten zu beseitigen wäre. Wenn übrigens die Versammlung es so aufgefaßt hat, so dürfte der Vortag des Abg. Löhner genügend gewesen sein, um jetzt schon darüber abstimmen zu können, ohne die Verhandlung neuerdings zu verschieben.
Vicepräs. Es liegt ein Verbesserungsantrag des Abg. Neuwall vor. Es wird ein anderer Eingang zu §. 69 mit einer neuen Bestimmung in Antrag gebracht, welcher lautet: "Einem Redner, der wiederholt zur Sache gerufen worden ist, kann bei fortgesetztem Abschweifen von dem Gegenstande der Präsident das Wort entziehen, jedoch kann der Reichstag" Jetzt folgen die weiteren Bestimmungen des §. 69. Ich bitte den Antrag zu begründen.
Abg. Neuwall. Ich glaube, daß dieser Antrag keiner weiteren Begründung bedarf, es ist dasselbe, was die Herren Abg. Klaudi und Trojan gesprochen haben; ich habe nur geglaubt, es einfacher und klarer formuliren zu sollen.
Vicepräs. Der Antrag des Abg. Klaudi ist noch nicht unterstützt worden. Ich frage also, ob er unterstützt wird. (Wird unterstützt.)
Wünscht Jemand noch das Wort zu ergreifen? (Niemand erhebt sich.)
Wünscht der Berichterstalter das Wort?
Abg. L ö h n e r. Es ist über meinen Antrag noch nicht die Unterstützungsfrage gestellt worden.
Vicepräs. Der Antrag des Abg. Löhner geht dahin, daß die §§. 68, 69, 70 der Commission zu neuerlicher Begutachtung zugewiesen werden sollen. Ich frage, ob dieser Antrag unterstützt wird? (Wird unterstützt.) Abg. Mayer. Ich glaube, daß durch den Schlußsatz des §. 66 dasselbe erreicht wird. Den Herrn Abg. Löhner kann ich dahin verstehen, daß er die Gradationen der Rüge und Strafe in Erwägung gezogen hat; ich halte dafür, daß wenn noch einmal die ganze Sache zur Verhandlung kommen wird, wir schwerlich zum Resultate gelangen werden. Ich glaube auch, daß dieser Paragraph für unser parlamentarisches Leben genüge.
Vicepräs. Es liegen noch mehrere Anträge vor. Der entfernteste Antrag ist, der darauf losgeht, daß die Verhandlung über diesen Paragraph nicht mehr fortgesetzt, sondern derselbe der Commission neuerdings zur Begutachtung zugewiesen werde. Ich bringe diesen Antrag zur Unterstützung vor. (Wird zurückgenommen.) Nun dürfte der Antrag des Abg. Trojan, der, wie ich weiß, vom Berichterstatter angenommen ist, zur Abstimmung kommen. Abg. Trojan. Ich nehme ihn auch zurück.
Vicepräs. Der Unterschied ist der: sowohl Abg. Klauen, als auch Herr Trojan wünschen nur die Bestimmung, wenn wiederholt das Wort entzogen wird, auf welche Stelle diese Bestimmung zu setzen wäre, und welche Stelle das Prinzip dieser Bestimmung einzunehmen hätte.
(Neuwall und Trojan nehmen nach gegenseitiger Verständigung ihre Anträge zurück.)
Abg. Mayer. Der erste Theil ist bereits angenommen worden. Es kommt noch zu entscheiden, ob bei einem wiederholten Ruf zur Sache, der Präsident das Wort entziehen kann.
Vicepräs. Diejenigen Herren, welche für die Annahme des Zusatzes zum §. 66 sich aussprechen, mögen aufstehen. (Majorität.)
Nun handelt es sich noch um den §. 69, ob der Antrag des Herrn Abg. Goldmark, den §. 69 wegzulassen, angenommen wird.
Abg. Goldmark. Nachdem dieses Amendement bereits angenommen ist, so fällt mein Antrag von selbst weg.
Vicepräs. Ich bitte daher den Herrn Berichterstatter, den §. 69 vorzulesen. (Wird vorgelesen und angenommen. — Weiteres wird auf Antrag des Präsidenten der §. 70 vorgelesen, und nachdem Niemand hierüber eine Einwendung gemacht, angenommen. — §. 71 wird vorgelesen.)
Wünscht Jemand das Wort?
Abg. Goldmark. Hier wird das Wort Ordnung in dem §.71 in einem ändern Sinne genommen, als früher, indem hier vorausgesetzt wird, daß Störungen vorhanden sind, und ich glaube, diese Stelle würde folgender Maßen deutlicher lauten: "Wird die Verhandlung durch anhaltende Unruhen unterbrochen, und gelingt es dem Präsidenten nicht, eine Ordnung herzustellen, so hat u. s. w." — denn fönst wird der Ruf zur Ordnung, mit dem Rufe zur Sache verwechselt.
Abg. Mayer. Nur daß das Wort Ordnung in einem ändern Sinne genommen worden ist, als der Ruf zur Ordnung, die auch der Herr Präsident nach dem §. 71 nieder herzustellen sich bestrebt.
Ab3. Goldmark. Ich wollte nur deutlich das Wort O r d n u n g ausdrücken, übrigens bin ich vollkommen damit einverstanden.
Ich erlaube mir die Anfrage auf die Bemerkung, ob nämlich durch die augenblickliche Niedersetzung, nach dem Rufe zur Ordnung, dem Redner das Recht zu sprechen genommen ist, und bei dem Ruf zur Sache nicht, da es doch früher angenommen wurde, er verliere durch das Niedersitzen das Wort.
Abg. Lubomirski. Ich glaube, daß der Zusatz im §. 66, wo vom Rufe "zur Ordnung und zur Sache" die Rede ist — (Ruf: Nein, nein!) So lesen Sie doch den §. 66, er heißt: "Abschweifungen vom Gegenstande, ziehen den Ruf des Präsidenten zur Sache, Persönlichkeiten und Störungen der Verhandlung jenen zur Ordnung nach sich. "Es heißt also, daß nur der Redner bei dem Rufe zur Sache das Wort verliert, und es ist nicht gesagt, daß das Wort verloren ist durch den Ruf nach Ordnung; mir wenigstens scheint es so.
Berichterst. Mayer. Gerade das Gegentheil. Im §. 68 heißt es: Wer sich niedersetzt, verliert das Wort, und ich glaube auch, daß der Ruf "zur Ordnung" schwerer verpönt sein müsse, als der "zur Sache."
V i c e p r ä s. Ich glaube zur Feststellung der Tagesordnung schreiten zu müssen, damit das 9. Capitel ununterbrochen zur Berathung komme.
Ich ersuche die Mitglieder des Vorstandes und die Mitglieder der Rebaktion der stenographischen Protokolle, sich morgen um 9 Uhr Früh zu einer Sitzung zu versammeln.
Was die Tagesordnung anbelangt, dürfte für morgen, falls einige Wahlacte geprüft worden sind, und es einige Referate geben sollte, der Vortrag dieser Referate zuerst an der Tagesordnung sein dann zunächst die Fortsetzung der Berathung über die Geschäftsordnung.
Ich bitte auch diejenigen Herren, welche erst in neuester Zeit angekommen und noch keiner Abtheilung zugewiesen sind, nach der Sitzung hier zu verbleiben, damit diese Anweisung stattfinden könne.
Abg. Lubomirski. Ich bitte um das Wort. Die officiellen stenographischen Bericht: werden gedruckt, wir haben oder noch keine bekommen — nicht einmal zu kaufen.
Abg. Podlewski. Wir waren bis jetzt noch nicht im Stande, dieß zu bewerkstelligen, weil die Stenographen erst vor zwei Tagen vom Ministerium überkommen sind.
V i c e p r ä s. Ich bitte daher, sich auszusprechen, ob Sie für die morgige Tagesordnung stimmen. (Ja!)
Abg. Fürnkranz. Es ist bereits vor mehreren Tagen der Beschluß gefaßt worden, den Antrag des Abg.
K u d l i c h in Berathung zu ziehen, nämlich: die hohe Versammlung möge erklären: "Von nun an ist das Unterhängskeitverhältniß stammt allen Rechten und Pflichten aufgehoben, vorbehaltlich der Bestimmungen, ob, und welche Entschädigung zu leisten sei."
Ich finde diesen Antrag sehr dringlich, und spreche im Namen von 25 Deputirten Ober und Nieder Österreichs.
Es sind uns Zuschriften zugekommen, und sogar bedrohliche, man wolle einem Deputirten sein Haus, welches einschichtig steht, anzünden, wenn aus dem Reichstage nicht bald eine Stimme für das Landvolk gehört werde.
Wir haben uns Bisher stets enthalten, diese Sache zur Sprache zu bringen, weil wir den Herren, die bis jetzt das Wort führten, und sich in ihrem Elemente befanden, dieß überließen. Es durfte aber nun schon an der Zeit sein, daß für den Landmann etwas gethan werde. — Ich trage darauf an, wenn die Debatte über die Geschäftsordnung nicht geendet werden muß, gleich den Antrag des Abg. Herrn K u d l i c h in Berathung zu nehmen.
Abg. Kudlich. Es liegt ein Kammerbeschluß vor, daß er drei Tage nach der Motivirung zur Verhandlung kommen sollte; dann kam aber die Adressdebatte, dann wieder die Geschäftsordnung, deren Berathung aber noch lange zu dauern scheint.
Abg. Fürnkranz. Ich muß es wiederholen, in einem erhaltenen Briefe heißt es: "Lassen Sie uns nicht länger warten; wir haben versprochen ruhig zu sein, bis der Reichstag eröffnet ist. — Wir haben erwartet, daß die hohen Herrschaftsbesitzer herabsteigen werden, um ihren armen Unterthanen die Hand zu bieten; lassen Sie es nicht darauf ankommen, daß die Unterthanen zu ihnen hinaufsteigen, denn Gott weiß, was daraus entstehen könnte."
V i c e p r ä s. Ich erlaube mir zu bemerken, daß die Tagesordnung für morgen schon festgefetzt ist, und wenn ich auch die Dringlichkeit des Antrages des Abg. Küdlich nicht verleugnen kann, und er aus diesem Grunde jedenfalls sogleich nach der Berathung der Geschäftsordnung zur Discussion kommen wird, so dürfte es doch gefährlich sein, uns durch solche Einflüsse und Drohungen außerhalb unserer Kammer bestimmen zu lassen; denn sonst dürften wir uns Einflüssen hingeben, die mit der Souveränität der Kammer nicht im Einklänge stehen. Abg. Goldmark. Ich bemerke, daß wir schon einen Kammerbeschluß umgestoßen haben, nämlich den, daß drei Tage nach der Motivirung der Gegenstände diese zur Berathung kommen sollten.
Abg. Streit. Dieß wurde auch durch einen Beschluß umgestoßen; denn es ist ausdrücklich beschlossen, daß kein anderer Gegenstand vor der Geschäftsordnung durchdebattirt werden soll.
Übrigens ist im Bureau ausdrücklich vorgemerkt, daß der Kudlich's Antrag sogleich nach der Geschäftsordnung an die Tagesordnung komme.
Vicepräs. Ich erkläre die Sitzung für geschlossen. Die nächste ist morgen 10 Uhr. (Schluß der Sitzung um 2 1/4 Uhr )