Úterý 25. èervence 1848

Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweite Sitzung des constituirenden Reichstages, am 25. Juli 1848.

Tagesordnung. 

I. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 24. Juli 1848.

II. Ankündigungen:

A. Der Eingaben, 

1. des Deputaten Johann Umlauft, betreffend die Zurücklegung der Wahl für Tulln und Annahme jener für Loitmeritz;

2. Gesuch des Studentenausschusses um Eintrittkarten zu den Reichstagssitzungen;

3. Vorschlag des Eduard Chornitzer für die Geschäftsordnung.

B. Antrage:

1. des Herrn Abg. Andreas Gredler wegen Unverantwortlichkeit der Abgeordneten;

2. des Herrn Abg. Ladislaus Sierakowski: der Reichstag habe den Zustand der Provinzen in Erwägung zu ziehen;

3. desselben wegen Verantwortlichkeit der Minister;

4. des Herrn Abg. Selinger wegen Anerkennung der Verdienstlichkeit der Armee in Italien;

5. des Herrn Abg. Alois Fischer wegen vollständiger Mitteilung der Tabellen über den Staatshaushalt von Seite des Finanzministeriums.

III. Ausschussberichte über die Prüfung der Wahlen.

IV. Verhandlung über die Geschäftsordnung. Hofloge leer.

Vorsitzen: Hr. Präsident Schmitt.

Auf der Ministerbank: Doblhoff, Krauß, Bach, Schwarzer.

Anfang um 1/2 11 Uhr.

Präs. Nach der Mitteilung des Herrn Sekretärs ist die erforderliche Anzahl der Herren Abgeordneten sowohl zur Eröffnung der Sitzung als zur Schlussfassung vorhanden, es ist somit die Sitzung eröffnet. Ich ersuche den Herrn Sekretär Ullepitsch, das Protokoll der gestrigen Sitzung vorzulesen. (Dieß geschieht). Ist eine Erinnerung gegen die Fassung des Protokolls zu machen, so ersuche ich jene Herren, die eine solche beabsichtigen, das Wort zu ergreifen.

Abg. Borrosch. Einen sprachlichen Ausdruck erlaube ich mir nur zu berichtigen; es heißt wegen des Antrages des Abgeordneten Straffer: "in Verstoß gerathen." Ich glaube: "vorläufig zuruckgelegten", wenn ich recht verstanden habe?

Sekretär. Verlegten.

Abg. Borrosch. Wie Sie wollen, aber "in Verstoß gerathenen" so kann es nicht bleiben. "Vorläufig zurückgelegten" oder "verlegt gewesenen".

Min. Bach. Ich bitte ums Wort. Aus Anlaß des stenographischen Berichtes in der Wiener Zeitung über die gestrige Sitzung und über die Äußerungen, die von mir gemacht worden sind, erlaube ich mir, obwohl es mir nicht bekannt ist, ob die gegenwärtigen stenographischen Berichte schon als offizielle der hohen Versammlung zu gelten haben, doch zur Vermeidung jedes Mißverständnisses eine Berichtigung in Antrag zu bringen. Es wird hier angeführt, das ich auf die 1. Frage, welche rücksichtlich der Verhaftung des Abg. Brauner an mich gestellt wurde, die Antwort gegeben habe (sie aus dem Zeitungsblatte lesend), Abg. Brauner sei noch in Untersuchung, und noch nicht das schuldig, oder nicht schuldig ausgesprochen, daß aber seine Verhaftung eine gesetzmäßige fei. Ich war nicht in der Lage, diesen Ausspruch zu thun, weil eben jene Acten nicht vorliegen, welche mir darüber ein vollkommen gegründetes Urtheil erlauben. Ich habe mich gestern bloß dahin ausgesprochen, daß ich voraussetzen muß, daß die Behörden mit Fug und Recht die Verhaftung vorgenommen haben. Ich bitte, daß diese Berichtigung von der hohen Versammlung anerkannt, und daß darnach das heutige Protokoll redigiert werde.

Präs. Wenn die Berichtigung als angenommen zu betrachten ist, bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Allgemein angenommen). Auf die erste Bemerkung des Herrn Justizministers, auf seine Anfrage, ob die stenographischen Berichte, die die Wiener Zeitung bringt, als offizielle Berichte der Versammlung anzusehen feien, muß ich bemerken, daß dieß bis jetzt noch nicht der Fall sei, und zwar am folgenden Ursachen der Vorstand hat bereits das An suchen ans Ministerium gestellt, die Stenographen die ursprünglich vom hohen Ministerium aufgenommen sind, und unter der Aufnahmscommission gestanden haben, nunmehr beim Reichstage zuzuweisen um die Unterstellung derselben unter den Reichstag veranlassen zu können, und so hin auch jene Vorschriften in Vollzug zu setzen, die rücksichtlich der stenographischen Berichte in der Geschäftsordnung in Antrag gebracht worden sind. Dieses Ansuchen ans hohe Ministerium ist bis jetzt noch nicht erledigt, und ich erlaube mir das Ersuchen ans hohe Ministerium um schleunige Erledigung desselben zu stellen. Ein an derer Grund, warum gegenwärtig noch nicht vorgegangen werden könne mit jener Ordnung, die in der Geschäftsordnung vorgesehen, ist der, daß auch heute noch nicht die Localitäten des Vorstandsbureaus vollständig geordnet sind, jene Räumlichkeiten, die ihm zugewiesen worden sind, sind noch nicht geräumt von den Abtheilungen, welche sie bisher inne gehabt haben. Ich erlaube mir, dem hohen Ministerium, dem Herrn Hofbaurath Sprenger, den wir seit gestern und heute nicht gesehen haben, sich mit der Herstellung der Localitäten zu befassen, und das Werk sobald als möglich zu beschleunigen, weil ohne diese Räumlichkeiten auf eine Geschäftsordnung nicht zu denken ist.

Min. Bach. Statt des abwesenden Ministers des Innern erlaube ich mir die Versicherung zu geben, daß das Ministerium es sich zur Aufgabe machen wird, diesem Wunsche sogleich zu entsprechen, und ich stelle die Bitte an das Vorstandsbureau, alle diese Anstände auf kurzem Wege im Einverständniß mit dem Ministerium abzumachen. (Beifall).

Präs. In Beziehung auf das vorgelesene Protokoll würde ein Protest von mehreren Herrn Abgeordneten Böhmens so eben überbracht, um dessen Vorlesung gebeten wird. Nachdem es der hohen Versammlung zusteht, die Vorlesung von Actenstücken zu bewilligen, so frage ich, ob die Versammlung die Vorlesung des Protestes verlangt, um im Falle (all gemein angenommen. Alles steht auf, ohne den Präsidenten ausreden zu lassen) der Gegenstand, den das Ansuchen betrifft, ist die Interpellation des Hrn. Abgeordneten Rieger an den Hrn. Justizminister und den Herrn Minister des Innern, ich habe den Inhalt nicht eingesehen, und sehe nur aus dem Kopfe, daß es diesen Gegenstand betrifft.

Abg. Hagenauer. Ich glaube, als Herr Präsident uns aufforderte, unsere Meinung zu sagen, wäre es an der Zeit gewesen, entweder das Wort zu begehren oder den Protest anzukündigen, wir haben jetzt schon abgestimmt, ein nachträglicher Protest wird für die Folge nach meiner Ansicht nicht zulässig sein, der Ordnung wegen.

Präs. Die Abstimmung ist noch nicht erfolgt, weil die Bemerkung des Herrn Justizministers vor der Abstimmung eingereicht worden.

Abg. Löhner. Ich habe nur darauf Eins zu erwidern, daß es sich nicht um einen Protest gegen die richtige Ausfassung des Protokolls, sondern um einen Protest gegen gewisse gestern von einer Seite vorgebrachte Thatsachen, nämlich respektive deren Wahrheit handelt. Solche wird die hohe Versammlung nicht annehmen, da was dem Einen recht ist, dem Andern billig sein muß.

Abg. R i e g e r. Ich glaube, gegen Thatsachen gibt es gar keine Proteste, es gibt nur Berichtigungen und habe ich etwas Falsches angegeben, so bitte ich, wollen sie mich berichtigen. Gestern war die Zeit, mich zu verbessern, der Unrichtigkeiten meiner Angaben bin ich mir nicht bewußt.

Abg. D o tz a u e r. Der Belagerungszustand erstreckte sich allerdings nicht auf alle Kreise, wenigstens nicht auf die deutschen Gegenden. Ich erkläre ihn daher auf dem Lande für faktisch unwahr; denn in deutschen Gegenden wurde die Ruhe nicht gestört. Wir haben nur mit großer Spannung entgegen gesehen, weil von Prag aus 10—12 Tage gar keine Post eingelangt ist.

Abg. R i e g e r. Das hat hier gar nichts zu sagen. (Stimmen: O ja, der Protest soll vorgelesen werden).

Präs. Der vorliegende Gegenstand ist aber die Genehmigung des Protestes. Nachdem aber nur eine einzige Bemerkung vorgebracht worden ist, nämlich die Verbesserung eines einzigen Ausdruckes, so glaube ich, daß die abermalige Verlesung des Protokolls nicht erforderlich sein wird.

Ein Abg. Das ist nicht angefochten worden, wir können nur die Hauptpunkte, welche gestern gestellt wurden, hiervon anführen, durch deren Berichtigung der Protest angenommen worden ist. (Mehrere Stimmen: Vorlesen).

Präs. Ich bitte, meine Herren, wenn das Protokoll als berichtigt angenommen werden soll, es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Stimmen: den Protest vorlesen, wird vorgelesen).

Ein Abg. Meine Herren, ich bin ein Südslawe und bitte mir im Interesse meines Landes hier das Wort zu lassen. (Unterbrochen durch Abg. Borrosch, welcher, nachdem er den Sekretär gebeten, ihm sein Recht zu verschaffen, Folgendes spricht:)

Abg. Borrosch. Ich hoffe, meine Herren, sie werden es an meiner zitternden Stimme erkennen, daß mein Herz tief bewegt ist und daß mich der Wünsch bestimmte, das Wort zuerst zu verlangen und daß mich der Wunsch beseelt, die Verhandlungen augenblicklich abzuschreiben, da dieser Antrag den Frieden, die Eintracht und das Wirken dieser hohen Versammlung bedroht. Meine Herren, es handelt sich hier bloß um Mißverständnisse, das Wort der Herren, die das Protokoll unterzeichneten, in allen Ehren so wie auch das Wort des gestern hier anwesenden Redners möge vollkommen im Rechte verbleiben. Ein Belagerungszustand kann nicht für ein ganzes Land, sondern nur für eine einzige Stadt stattfinden, es müßte nur ein Ausnahmegesetz zwischen dem Civile und Militär darunter verstanden sein; den Kreishauptleuten war das Recht ertheilt worden, das Standrecht sofort zu publizieren, wofern irgend ein Aufstand drohe. Ich glaube, es ist dieses ein exzeptionelles Gesetz, es steht dem Gesetze wohl an und für sich die Verkündigung des Standrechtes zu. Ein Standrecht findet aber nicht im gewöhnlichen Laufe Statt; denn viele Gegenden sind natürlich durchaus nicht getroffen worden, namentlich die deutschen und der Stadtdurchzug des Militärs fand nur darum Statt, theils um Verhaftungen vorzunehmen, theils um sonst den Frieden wieder herzustellen und ich glaube, daß das, was die einen betrifft und auf die andern keinen Bezug hat, auf einer falschen Schlußfolge beruhe und daher über diesen Gegenstand zur Tagesordnung zu übergeben fei. (Dieser Antrag wird unterstützt).

Präs. Wenn die Herren für den Übergang zur Tagesordnung sich einigen, so bitte ich aufzustehen, (Majorität).

P r ä s. Es liegt mir nun ob, die Eingaben zu eröffnen, 1. Deputierter Joh. Umlauft erstattet die Anzeige von der Zurücklegung der Wahl im Wahlbezirke Tulln und von der Option für Leitmeritz (die Anzeige wird vorgelesen). Ist dagegen etwas zu erklären? (Nein!) 2. Der Ausschuß der Studierenden Wiens hat ein Gesuch um Ertheilung einiger Eintrittskarten auf die Zuhörergalerie des Reichstages eingereicht. (Wird vorgelesen). Dieses ist ein Gegenstand, der die Herren Ordner betrifft, welche darüber Bericht zu erstatten haben. 3. Ebuard Chornitzer, der in dem Verzeichnisse noch nicht als Abgeordneter erscheint, bringt mit Hinweisung auf die §§ 2, 36, 37 und 38 der Geschäftsordnung einen Vorschlag betreffs einer ändern Geschäftsbeurteilung ein. Ich glaube, daß dieser Vorschlag der noch bestehenden Commission für die Geschäftsordnung zu Handeln des Berichterstatters übergeben werde.

Abg. Streit. Ich erlaube mir den Antrag zu stellen, daß dieser Vorschlag angenommen werde, weil er gerade die Paragraphen betrifft, die heute zur Discussion kommen.

P r ä s. Ist die Versammlung damit einverstanden?

Abg. T r o j a n. Ich erlaube mir früher die Frage zu stellen, ob die Eingabe von einem Mitgliede herrühre?

Präs. Er hat sich nicht als Mitglied bezeichnet und ist auch nicht im Verzeichnisse der Deputierten angeführt; es ist also ein fremder Antrag.

Abg. Mayer. Ist so hin sein Mitglied des Reichstages, und ich erlaube mir den Antrag zu stellen, diesen Vorschlag ad acta zu legen.

Präs. Ist die hohe Versammlung damit einverstanden, so bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird einstimmig angenommen, diesen Vorschlag ad acta zu legen). Ich erlaube mir zu bemerken, daß mehrere Eingaben, welche sich jedoch als Petitionen darstellen, dem Vorstande vorliegen; nachdem der Petitionsausschuss noch nicht gebildet ist, so dürfe die Vorlesung derselben nur einen Zeitverlust herbeiführen. Ich glaube, es würde dem Zwecke förderlich sein, wenn nach geschehener Wahl des Ausschusses diese Eingaben kundgemacht und dem Ausschusse sogleich zugewiesen würden. (Ja!)

Es sind nun mehrere andere Anträge zu verkünden, deren Drucklegung gestern veranlasst wurde, und zwar: 1. der Antrag des Abg. G r e l e r  betreffend die Unverletzbarkeit der Reichstagsabgeordneten. (Wird verlesen). Dem Herrn Antragsteller Gredler steht nach § 47 das Recht einer kurzen Begründung seines Antrages zu.

Abg. Gredler. Zu dieser Antragstellung bewog mich das exzeptionelle Verhältniß, in welchem sich der österreichische Reichstag dermalen befindet. In allen bestehenden constitutionellen Staaten ist schon in der Constitutionsurkunde verstanden, und der Grundsatz aufgenommen, daß die Deputierten über ihre Äußerung, über ihre Entwicklung der Rechtsund politischen Ansichten, ob sie diese nun in der Versammlung selbst oder außerhalb derselben in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete vorbringen, von Niemanden zur Verantwortung, von Niemanden zur Untersuchung, nicht mir während der Dauer der Versammlung, sondern in ihrem ganzen Leben wegen dieser Ansichten zur Rechenschaft, am allerwenigsten zur Ahndung oder Strafe gezogen werden dürfen. Ich bin überzeugt, daß ein solcher Grundsatz in unserer constitutionellen Ehrte, welche wir verfassen werden, Platz greifen wird und muß; allein da bis jetzt keine solche Charte besteht, denn die  Verfassungsurkunde vom 25. April wurde zurückgenommen, so stehen wir unbeschützt mit unseren Ansichten und Äußerungen gegen eine mögliche Untersuchung und Verantwortung für den Fall, den wir uns als möglich denken können, als durch den Lauf der Zeit, vielleicht vor Ausnahmetribunalen und Parteikämpfen u s. w. ihre Wirksamkeit auf die Verfolgung der geäußerten Meinung der Abgeordneten ausdehnen dürfte. Es sind feit den Märztagen inhaltsschwere Thaten geschehen, und es hat sich eine Weltgeschichte vor unseren Augen abgerollt; mit dem Resultate dieser Tage, mit dem Erfolge ist man vielleicht größtentheils und allseitig einverstanden, mit der Art und Weise, wie diese Thaten vor sich gegangen sind, durften wir jedoch verschiedene Wahrheiten gegenseitig noch zu vernehmen haben. Denn nicht Alles, was geschah, noch weniger wie es geschah, hat gleiche Anerkennung, gleiche Sympathien, und zwar vorzüglich in den Provinzen für sich gehabt. Wenn wie nun unter diesem beklemmenden Einflusse einer solchen möglichen Untersuchung oder Verantwortlichmachung zu diesen Berathungen, diesen Äußerungen selbst gehen sollen, so fühlen wir dabei eine beängstigende Last, die uns früher oder später zur Einschüchterung, zur Zurückhaltung, zu einer Unterdrückung unserer freien Meinungen bestimmen könnte. Dieser Unterdruckung unserer Äußerungen wollte ich vorbeugen, weil ich den Grundsatz habe, daß für das pro und contra Jeder sich frei und offen aussprechen solle, wie er die vorgekommenen Facta betrachte, denn frei wie der Gedanke muß das parlamentarische Wort sein, frei die Debatte. Das veranlaßt mich, den Antrag zu dem Provisorium eines Gesetzes, wie es bei jeder Constitution besteht, zustellen, um uns nicht früher oder später einer Gefahr auszusetzen, weil man nicht weiß, ob wir auf dem vulkanischen Boden, auf dem wir denn noch stehen, ohne ein solches schützendes Gesetz nicht über unsere Meinungsäußerung zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Präs. Diejenigen Abgeordneten, welche diesen Antrag unterstützen, wollen aufstehen. (Der Antrag wird zahlreich unterstützt).

Justizmin. Bach. Der Antrag, welcher von der hohen Versammlung so lebhaft unterstützt wird, trifft zusammen mit einem Gesetzentwurf, welchen das Ministerium der hohen Versammlung vorzulegen im Begriffe ist. Der Gesetzentwurf ist im Ministerrathe angenommen und wird heute noch dem Präsidium übergeben werden; das Ministerium ist ebenfalls der Ansicht, daß volle Unverletzlichkeit, volle Unverantwortlichkeit für jedes Mitglied der Versammlung auf constitutionelle Weise gewahrt werden müsse. Für jedes Wort, jede Meinungsäußerung, welche in der hohen Versammlung oder in einem Comités fällt, kurz in einem Körper, in welchem der Reichstagsabgeordnete thätig ist, muß er hinlänglich geschützt und von Niemanden angegriffen weiden. Das Ministerium muß wünschen, daß die Regierung keinen wie immer geartet störenden Einfluß auf irgend eine Weise auf die Berathung, auf die volle freie Meinungsäußerung üben könne. Es muß auch die volle Beruhigung gegeben werden, welche für die volle Freiheit und für die Unabhängigkeit nöthig ist. In diesem Geiste hat das Ministerium die Aufgabe aufgefasst, in diesem Geiste ist der Gesetzentwurf, welcher diese zwei wesentlichen Bestimmungen der künftigen Constitutionsurkunde antizipiert, verfaßt, das Ministerium hat über dies die Notwendigkeit erkannt, die Integrität der Versammlung zu schützen und durch, das Gesetz eine Lücke auszufüllen, die in unsern bisherigen Gesetzen bestanden hat und wird dasselbe auch unter Einem der hohen Versammlung zur weiteren Berathung und Schlußfassung vorlegen.

Präs Der Hr. Abg. Gredler dürfte sich durch diese Äußerung des Hrn. Justizministers veranlaßt finden, seinen Antrag zurückzunehmen.

Abg. Gredler. Durch diese Mittheilungen ist der Zweck meines Antrages bereits der Erreichung nahe, und ich habe daher keine Ursache auf diesem meinem Antrage zu bestehen. Der Zweck ist der Schutz und die Unverantwortlichkeit für unsere Berathungen, dieß ist uns in Aussicht gestellt und ich bin damit zufrieden. Es wird mir bei der Berathung des Gesetzentwurfes Gelegenheit ohnehin werden, meine Ansichten darüber darzulegen, falls ich es nöthig finde.

Präs. Es liegt nun ein Antrag des Hrn. Sierakowski vor.

Schriftführer (liest den Antrag).

Präs. Dem Hrn. Antragsteller steht das Recht einer kurzen Begründung seines Antrages zu.

Abg. Sierakowski. Meine Herren, der Reichstag ist constituirt, und die hart bedrückten Provinzen haben auf Euch ihre Augen gerichtet, von welchen sie eine Linderung ihrer Leiden erwarten. Wien, das heroische Wien, hat in den denkwürdigen Tagen des März und Mai für sich und für die Provinzen, die Freiheit mit einer Aufopferung, von welcher die Geschichte kaum ein Beispiel aufzuweisen hat, errungen, aber es lag außer dem Bereich der Möglichkeit, dieselbe in den Provinzen zu verbreiten, wie es im Gedanken und Willen dieses großen Volkes lag. (Bravo, bravo!) An Euch, meine Herren, ist es nun, dieses von der großen Stadt so ruhmvoll angefangene Werk zu Stande zu bringen. Wie unerhört grausam es seit der Zeit in den Provinzen zugegangen ist und noch zugeht, wie das Eigenthum bedroht und die persönliche Sicherheit gefährdet, darüber will ich vor der Hand den Schleier noch nicht lüften; ich glaube, es wäre an der Zeit, Anträge zu machen, wie diesem Zustande abzuhelfen sei, und ich lege es der Weisheit der hohen Versammlung anheim, das Weitere zu verfügen, ob mittelst einer dazu besonders bestimmten Commission oder durch Absendung von Reichstagsabgeordneten, welche sich an Ort und Stelle von dem Stand der Dinge überzeugen können. Ich hoffe, daß dieser Antrag Unterstützung finden werde.

Präs. Ich bitte diejenigen Herren, welche den Antrag unterstützen, aufzustehen. (Allgemein unterstützt). Der Antrag ist unterstutzt. Es hat so hin die hohe Versammlung nach § 48 zu entscheiden, ob derselbe an die Abtheilungen zu verweisen sei oder sogleich zur vollen Berathung zu gelangen habe. Ich stelle die Frage, ob der Antrag an die Abtheilung gewiesen werden soll, und wer damit einverstanden ist, bitte ich durch Ausstehen zu erklären. (Angenommen. Die Versammlung beschließt die Zuweisung des Antrages an die Abtheilung). Von eben denselben Abgeordneten liegt ein Antrag vor wegen Verantwortlichkeit des Ministeriums.

Schriftführer (liest den Antrag).

Präs. Ist es dem Antragsteller gefällig, eine kurze Begründung seines Antrages vorzutragen.

Abg. S i e r a k o w s k i. Die Reichsversammlung ist eröffnet, das Ministerium gebildet, und nirgends ist ein Wort von dessen Verantwortlichkeit ausgesprochen, eine Reichsversammlung neben einem unverantwortlichen Ministerium kann nicht bestehen, und ich glaube, daß es an der Zeit sei, einen solchen Antrag zu machen, daß sich die hohe Versammlung in dieser Sache aussprechen möchte.

Präs. Wenn der Antrag unterstützt wird, so bitte ich es durch Aufstehen zu erklären. (Wird von der ganzen Versammlung unterstützt).

Abg. Gschnitzer, Ich erlaube mir die Bemerkung, daß dieser Antrag als Paragraph der Constitution in der Verfassungsurkunde sich später wahrscheinlich realisieren werde.

P r ä s. Es ist keine Debatte zulässig. (Mehrere: keine Debatte!) Ich stelle den Antrag, daß dieser zweite Antrag in Betreff der Verantwortlichkeit des Ministeriums der Abtheilung zuzuweisen sei.

Abg. H a g e n a u e r. Ich glaube nicht, daß es an der Zeit ist, diesen Antrag an die Abtheilung zu verweisen. Es hat Jemand vor mir die Bemerkung gemacht, daß dieser Antrag in der Constitution erledigt werden muß, ich glaube daher, daß derselbe geradezu an den Ausschuß oder die Commission, welche mit der Entwerfung der Constitutionsurkunde beschäftigt sein wird, gelangen muß, und nicht an eine Abtheilung.

P r ä s. Eine Discussion ist nicht zulässig, es wir d Sache der Abtheilung sein, dieses zu berichten, ob der Antrag vielleicht der Commission, welche mit der Abfassung der Constitution  Urkunde beschäftigt sein wird, zuzuweisen sei.

Abg. Ha gen au er. Es werden überhaupt mehrere Anträge vorkommen, welche zur Constitution gehören, und wenn wir solche einzelne Anträge aus dem Ganzen herausreißen und darüber debattieren, so würde dieses die Ausarbeitung der Constitutionsurkunde verzögern und erschweren, ich glaube, wir sollen vereinzelte Arbeiten durchaus nicht früher aufnehmen, das würde den Körper zerreißen, das ist z. B. eine Frage, und ein paar andere ebenfalls. Ich glaube übrigens, daß die Verantwortlichkeit des Ministeriums nicht so wie der Hr. Antragsteller sagt, noch gar nicht ausgesprochen ist, sondern sie ist ausgesprochen, schon am 14. März durch ein eigenes Decret. Das jetzige und das frühere Ministerium hat diese Verantwortlichkeit, ich glaube am 10, Mai auf sich genommen, es hat erklärt, daß es die Portefeuilles mit Verantwortlichkeit führe, daher ist der Antrag jetzt nicht dringend, wir betrachten das Ministerium als verantwortlich.

Justizmin. Bach. Ich unterstütze den Antrag des Herrn Abgeordneten von Triest, daß dieser Antrag an den Ausschuß zum Entwurfe der Verfassung zu verweisen sei. — Ich glaube, wir stehen auf dem Boden der Geschäftsordnung, die prov. in Wirksamkeit getreten ist; für das Verfassungswerk ist ein besonderer permanenter Ausschuß vorgesehen worden, und die Angelegenheiten, welche die Verfassung betreffen, gehören vor diesen Ausschuß, da es wohl keinem Zweifel unterliegen dürfte, daß die Feststellung der ministeriellen Verantwortlichkeit ein Bestandteil des Verfassungswerkes ist. Die materielle Frage kann das Ministerium nur dahin beantworten, daß das Ministerium nicht bloß staatsrechtlich, sondern auch durch spezielle Bestimmungen, welche am 14. März, am 18. Mai im Geiste der Verantwortlichkeit des Ministeriums ergangen sind, sich als ein verantwortliches Ministerium betrachte, als ein Ministerium, welches gerade dem Reichstage gegenüber verantwortlich ist, dem Reichstage, in dessen Majorität allein es den constitutionellen Halt für sein Mandat erkennen kann. Durch seine Acte das Vertrauen der Majorität des Reichsparlaments zu gewinnen wird seine hälftigste politische Pflicht sein. (Großer Beifall).

Abg. Sierakowski. Ich erlaube mir die Frage an die hohe Versammlung, ob sie auch damit einverstanden ist, ob das vorige Ministerium verantwortlich gewesen ist. (Ruf: sein Zweifel).

Min. Pillersdorff. Da der jetzige Aufruf an das vorige Ministerium geht, und insofern ich Mitglied des Kabinetts war, kann ich es in Kürze beantworten und mich darauf beziehen, was der gegenwärtige Herr Justizminister so bündig, so wahr und so richtig dargestellt hat. Jedes Ministerium in einem constitutionellen Staate kann nur verantwortlich sein, und der Begriff der Verantwortlichkeit liegt darin, daß jede seiner Handlungen vor einen ordentlichen Richter gestellt werden kann, und das ist der Reichstag. — Der Reichstag erkennt, ob diese Handlung gesetzlich ist, ob das Ministerium ein Vorwurf trifft oder nicht. Ich habe bereits bemerkt, daß mit dem Beginne der ersten Freiheiten künftig nur ein verantwortliches Ministerium bestehen kann, und daß jedes Mitglied des Ministeriums sich dieser Verantwortlichkeit nicht entziehen kann. — Insofern der Herr Abgeordnete von Galizien noch einen Zweifel darüber hat, ob auch die abgetretenen Mitglieder des Ministeriums diese Verantwortlichkeit übernehmen und nicht scheuen, so nehme ich keinen Anstand, in meinem Namen zu erklären, daß ich die Verantwortlichkeit für jeden Act, an dem ich Theil genommen, übernehme und mit Vergnügen werde ich darüber jederzeit zur Rede stehen. (Beifall).

Abg. Sierakowski. Ich erkläre demnach, daß ich gesonnen bin, nächste Tage eine Anklage Acte gegen das vorige Ministerium vorzubringen, und dasselbe in Anklagestand zu versetzen.

Präs. Es ist ein Anstand gemacht worden über die Anwendbarkeit des § 48 auf den vorliegenden Antrag, und ich glaube, den Abgeordneten H a genauer dahin zu verstehen, daß er den § 48 durch den § 34 modifiziert erachte. Der § 34 sagt: daß der constituirende Reichstag durch Zusammensetzung des Ausschusses, welcher den Entwurf der Verfassung des Reiches, der Provinzen und der Gemeinden zu bestimmen hat, schreitet. Ich fetze dem nach voraus, daß dieser Paragraph schon den Vorschlag getroffen hat, daß alle, auf die Abfassung der Verfassung bezughabenden Anträge diesem von der hohen Reichsversammlung zu bildenden Ausschüsse zuständig seien. Nachdem jedoch diese Annahme nicht vollkommen klar sein wird, wir jedoch dadurch wieder in später nachfolgenden Verhandlungen über die Geschäftsordnung selbst wieder hineinkommen, so würde ich die Anfrage an den Abgeordneten Sierakowski stellen, ob er über die au ihn gelangte Erklärung zur Bearbeitung dieser Vorfrage, die eigentlich zur spätern Verhandlung über die Geschäftsordnung gehört, nicht geneigt sei, seinen Antrag zurückzuziehen, daß die hohe Reichsversammlung das Ministerium als verantwortlich erkläre.

Abg. Sierakowski. Nein, ich will ihn nicht zurück nehmen.

Abg. Rieger. Wie der Abgeordnete Pillersdorff bemerkt hat, so ist jedes Ministerium eines constitutionellen Staates verantwortlich, das ist die nothwendige Cohnsequenz des Begriffes eines constitulionellen Staates. Ich glaube, es kann darüber kein Zweifel sein.

Abg. Sierakowski. Ich bitte, ich habe nicht recht verstanden, ich nehme meinen Antrag für jetzt zurück.

Präs. Es liegt ein dritter Antrag des Abgeordneten Sierakowski vor.

Abg. Rieger (unterbrechend) Es ist ein An trag des Abgeordneten Hagenauer, der Herr Präsident haben so eben davon gesprochen, betreffend diesen Antrag.

Abg. Hagenauer Der Antragsteller hat aber seinen Antrag zurückgenommen, und so fallt die Debatte von selbst weg.

Abg Rieger. Insofern ich recht verstanden habe, hat der Abgeordnete H a g e n a u e r seinen Antrag dahin gestellt, daß alle Antrage, welche die Constitution betreffen, dem Verfassungsausschuß zuzuweisen seien, wir müssen erst über den Grund ganz einig werden.

Abg. Hagenauer. Haben wir gleich die Geschäftsordnung nicht durchgemacht, so ist es uns Allen klar, daß es heute oder morgen eine Petitionsdommisston und einen Verfassungsausschuss geben wird Ich glaube, dass kommen schon Antráe vor, die man gerade an diesen Ausschuß, wenn er auch heute nicht kreiert ist, verweisen kann, er wird morgen oder übermorgen sein. Ich glaube, es ist nöthig, alle Anträge in die Hand zu nehmen, denn alle fallen nicht in diese Kategorie. Es muß beschlossen werden, ob sie an den Petitions-  oder Verfassungsausschuss zu weisen seien.

Abg. Fischhof Ich erlaube mir zu bemerken, daß dieser Antrag, welcher sich auf einen Antrag stutzt, welcher zurückgenommen wurde, dadurch ein selbstständiger geworden ist, der in Druck gelegt und ausgetheilt werden muß.

Abg. Hagenauer. Ich  habe nur bemerkt, er fällt für heute.

Präs. Den dritten Antrag des Abg Sierakowski habe ich einstweilen zurückbehalten, weil durch den Beschluss des gestrigen Reichstages dem Herrn Arg Löhner für die von ihm am 19. Juli überreichten und mittlerweile verlegt gewesenen Anträge die Priorität zuerkannt ist, und weil er auch mit dem Antrage des Abg. Sierakowski weiter liegt ein Antrag des Abg. Seltnger vor (Diesen liest ein Herr Sekretär).

Abg. Selinger. Vor Allem muß ich bemerken, es sind zwei Worte durch Versehen des Abschreibers oder durch die Drückerei ausgelassen worden. (Eine Stimme: In der Druckerei nicht!) Es sind also zwei Worte ausgelassen, nämlich es soll heißen: "Der erste österreichische Reichstag schreitet gleich nach Beginne seines Wirkens zur Anerkennung der heldenmutigen Thaten, Verdienste und Aufopferungen, der Vaterlandsliebe und alles Desjenigen, wodurch die italienische Armee die Bewahrung der Bewunderung des unbefangenen Urtheiles in allen Gemüthern erregt" Bedarf ich zur Unterstützung dieses Antrages mehr als dankbare Hinweisung auf die heil denmuthigen Thaten, welche die italienische Armee unter dem Einflusse der widerlichsten und entgegenstrebendsten Umstände vollbracht hat und noch gegengegenwärtig vollbringt? Bedarf ich einer Aufzählung oder Auseinandersetzung dieser Tugenden, durch welche die italienische Armee nicht nur vor jedem Einzelnen, sondern auch vor der ganzen Welt bewunderungswürdig erscheint? Ferner habe ich nöthig zu erinnern an die Schmähungen, welche trotz dieser Aufopferung diene Armee in manchen Organen der Presse erfahren muß Ich will kurz sein, meine Herren, und mich bloß auf die Stirn men der Patrioten berufen, diese Stimmen verlangen das laute anregende Wort, und dieses Wort, hervorgegangen aus dem Kongresse, wird auf den Schwingen Des Geistes gewiss auch seinen Weg über die Alpen finden und seinen wohlthätigen, belebenden Einfluß auf die Herzen jener Bewohner äußern. Ich bitte den Herrn Präsidenten, an die hohe Versammlung die Frage zu stellen, ob dieser Antrag eine Unterstützung finde.


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