Beilage Nr. 7.

Die Aufgabe, deren Lösung uns durch den Beschluß der Herren Stände vom 9ten und 10ten December vorigen Jahres übertragen wurde, hat sich bloß auf den Vorschlag jener Rechtsmittel zu beschränken, durch welche die Stände ihre wohlhergebrachten Rechte und Privilegien, deren Integrität sie durch die allerhöchste Entschließung vom 18ten Juli v. J. in Frage gestellt erachten, auf eine zwar ehrerbietige, jedoch wirksame Weise zu schützen vermöchten.

Der Inhalt sowohl, als auch die Motivirung der uns dießfalls zugekommenen Weisung hat die Beantwortung der Vorfrage, ob die wohlhergebrachten Rechte und Privilegien der Herren Stände durch die Eingangs bezogene allerhöchste Entschließung wirklich und in jeder Beziehung gefährdet erscheinen, dem Gebiete unserer commissionellen Berathung entrückt, und diese Vorfrage als bereits erledigt hingestellt.

Ob es aber doch dem ohngeachtet nicht nothwendig sein wird, auch die Entscheidung dieser Vorfrage in den Bereich unserer Berathschlagungen zu ziehen, wird die nachstehende geschichtliche und juridische Darlegung der ständischen Rechte in Böhmen nachweisen.

Gleich beim ersten, durch einheimische Geschichtsquellen verbürgten Auftreten des monarchischen Principes auf dem Schauplatze unserer vaterländischen Geschichte erblicken wir das freie Volk Böhmens im vollen Genusse der politischen Freiheit, d. i. im Besitze des Mitregierungsrechtes, welches sich einerseits in der Theilnahme an der Gesetzgebung des Landes, anderseits in der Mitwirkung bei der Ausübung des Majestätsrechtes der Gerichtsbarkeit, und zwar in beiden Beziehungen nicht etwa Mit einer bloß berathenden, sondern mit einer wirklich entscheidenden Stimme kundgab.

Ebenso stehen die beiden Thatsachen fest, daß das älteste Volks- und Staatswesen der Böhmen, wie der Slaven überhaupt, in seinen Grundelementen demokratisch war, und daß das monarchische Prinzip in Böhmen in der Wahl des Landesfürsten seinen Ursprung gefunden habe.

Bei dem Bestände dieser Thatsachen und in der Erwägung, daß sich nach der Natur der Sache zur Zeit der Demokratien die Souveränität bei dem Volke selbst befand, konnte wohl der Uebergang aus der Demokratie zur konstitutionellen Wahlmonarchie nicht anders vermittelt worden sein, als dadurch, daß das freie Volk Böhmens den Theil seiner demokratischen Souveränitätsrechte dem gewählten Landesfürsten übertrug, der sich zur Creirung des monarchischen Prinzipes als wesentlich herausgestellt hat; den übrigen, dem Landesfürsten nicht übertragenen, und sonach vorbehaltenen Theil der demokratischen Souveränitätsrechte machte das freie Volk Böhmens bei dem Bestände des ins Leben gerufenen monarchischen Principes als bloßes Mitregierungsrecht, durch die Theilnahme an der Landesgesetzgebung und Volksjustiz geltend.

Die Monarchie in Böhmen war gleich in ihrem ersten Ursprunge rein konstitutionell, das dem Volke, d. i. den, die Landesgemeine bildenden freien Grundbesitzern zuständige Recht der Theilnahme an der Landesgesetzgebung und Volksjustiz, war kein bloßer Beirath, sondern ein wirkliches Mitregierungsrecht, und gründete sich nicht etwa auf eine landesfürstliche Verleihung oder Begnadigung, sondern fußte in den ursprünglichen demokratischen, dem Landesfürsten niemals übertragenen Rechten des böhmischen Volkes.

Dieses Mitregierungsrecht des böhmischen Volkes bildet den eigentlichen Stock und Stamm der ständischen Berechtigung im Königreiche Böhmen.

Die böhmischen Herren und Ritter sind nach den neuesten Forschungen im Gebiete unserer vaterländischen Geschichte und des altböhmischen Rechtes aus dem Volke selbst hervorgangen, sie sind die Nachkommen jener freien Grundbesitzer, welche zusammen die böhmische Landesgemeine gebildet, und ihre ursprünglichen politischen Rechte in den Stürmen der Zeit aufrecht zu erhalten wußten, ja es sind die Stammrechte der böhmischen Herren und Ritter im Wesentlichen dieselben, die ursprünglich einem jeden freien Grundbesitzer ohne allen Unterschied bloß Kraft seines Grundbesitzes zukamen.

Zu diesen Stammrechten der böhmischen Stände gesellten sich in der Folge wohl auch noch andere Rechte hinzu, deren Rechtstitel in der landesfürstlichen Verleihung zu suchen ist, und die in ihrem Bestände nach Maßgabe ihrer ursprünglichen Verleihung mehr oder weniger prekär erscheinen. Wenn nun auch das Recht der Theilnahme an der Volksjustiz den Ständen Böhmens entwunden erscheint, und wir im fünfzehnten Jahrhundert Personen des Herren- und Ritterstandes auf den Gerichtsbänken des böhmischen Landrechts nicht mehr Kraft ihres Grundbesitzes, wie vordem, sondern nur in Folge der landesfürstlichen Ernennung, sonach als bloße Beamte sitzen sehen, wenn wir weiters das früher dem Landtage zugestandene Recht der Bischofswahl in ein landesfürstliches Ernennungsrecht umgewandelt erblicken, und die ursprüngliche, bei dem Ableben eines jeden einzelnen Regenten eingetretene Wahl des Landesfürsten bis zum Aussterben des ganzen Herrscherstammes vertagt wahrnehmen, so gewährt dagegen die Wahrnehmung eine besondere Befriedigung, daß die böhmischen Stände das wichtigste Kleinod der konstitutionellen Monarchie - die Theilnahme an der Landesgesetzgebung mit entscheidender Stimme - in den heftigsten Stürmen der Zeit, welche jemals unser Vaterland heimsuchten, unversehrt zu erhalten gewußt haben.

Nicht dem Landesfürsten, sondern den Ständen Böhmens verdanken wir unsere erste Landesordnung vom Jahre 1500, die Grundlage aller spätern Landesordnungen.

Diesem wichtigen Werke, welches unter der Redaktion des Herrn Peter von Sternberg auf Listna, und des Herrn Zdenko von Sternberg auf Zbirow, beiden aus dem Herrenstande, dann des Kammerprokurators Herrn Albrecht Bendl von Ausawa aus dem Ritterstande zu Stande gebracht wurde, haben die Stände Böhmens, im vollen Bewußtsein, daß das ihnen zustehende Recht der Theilnahme an der Landesgesetzgebung ein ursprüngliches, auf keiner landesfürstlichen Verleihung beruhendes und keinem Widerrufe unterworfenes Volksrecht sei, nachstehende merkwürdige Rechtsverwahrung beigerückt.

"Es wurde überhaupt zu Recht erkannt, daß die Herren und Ritter, was in diesen Büchern oben geschrieben steht, als Gesetz anerkannt und bestätigt haben, und daß daran von keinem Menschen ohne Zustimmung des Herren- und Ritterstandes nichts geändert werden solle. Denn der Herren- und Ritterstand hatte seit jeher die Macht und Freiheit, seine Gesetze zu mehren oder zu mindern. Und auch dermal behalten sich die beiden Stände diese Freiheit bevor. Es mögen sich die beiden Stände über was immer auf dem allgemeinen Landtage vereinbaren, so werden sie es kraft ihres Rechtes zu mehren oder zu mindern vermögen. Und ebenso auch in Betreff des Landesrechtes oder der andern Gerichtsstellen. Worüber sie sich vereinbaren würden, das könnten sie als Gesetz festsetzen, erweitern oder beschränken wie es von Alters her war. Was jedoch in den obigen Büchern geschrieben stände und den Bürgerstand betrafe und womit dieser bei manchem Artikel behilflich zu sein hätte, das solle ohne Zustimmung des dritten Standes nicht gemehrt und nicht gemindert werden [Wladislaw'sche Landesordnung v. J. 1550, pag. 296]."

Die nächstfolgende Landesordnung vom Jahre 1530 ist dagegen mit keinem derartigen Vorbehalte versehen jedoch nicht etwa aus dem Grunde, weil die böhmischen Stände inzwischen ihrer Autonomie verlustig geworden wären, sondern nur aus der Ursache, weil der am Mittwoch vor dem heil. Tiburtius abgehaltene allgemeine Landtag vom Jahre 1530 die Verhandlungen über diese Landesordnung nicht zum Abschlüsse gebracht und die Vollendung einem hiezu eigens vom Könige und den Ständen gewählten Comité übertragen hat. Dagegen vermissen wir bei den weiter folgenden Landesordnungen v. J. 1550 und 1564 derartige Verwahrungen nicht, und nehmen in denselben die inzwischen eingetretene Kräftigung des monarchischen Princips und die Abnahme des Einflusses der Städte auf dem Landtage wahr. Für uns ist die Verwahrung des Mitgesetzgebungsrechtes der Stände v. J. 1564 — d. i. die Verwahrung jener Landesordnung, welche der erneuerten Lanoesordnung zunächst und unmittelbar voranging, die wichtigste. Sie kömmt in der Landesordnung v. J. 1564 sub art. z. IV. vor, ist gleichlautend mit dem art. x. XVIII. der Landesordnung v. J. 1550, und enthält nachstehende Bestimmungen:

"Mit Sr. Majestät des Königs Einwilligung haben die Fürsten, Herren und Ritter auf einem allgemeinen Landtage das, was in dieser Landesordnung und der Landtafel geschrieben steht, als Gesetz anerkannt und bestätiget, - und es soll daran von keinem Menschen ohne Wissen Sr. königl. Majestät und ohne Zustimmung des Herren- und Ritterstandes etwas geändert werden. Denn der Herren- und Ritterstand hat von jeher die Macht und Freiheit gehabt, mit dem Willen Sr. Majestät des Königs auf allgemeinen Landtagen seine Gesetze zu erweitern oder zu beschränken. Und es behalten sich neuerdings auch dermal die beiden Stände die Freiheit bevor, die Gesetze, über die sie sich auf einem allgemeinen Landtage vereinbaren würden, mit Zustimmung Ihrer königl. Majestät zu erweitern und zu beschränken. In gleicher Art werden sie in Betreff des Landrechtes oder der andern Gerichtsstellen als Gesetz aufstellen können, worüber sie sich mit Einwilligung des Königs vereinigen würden."

Diese Rechtsverwahrung machte die Landesordnung v. J. 1564 zu einem zwischen dem Könige und den Ständen Böhmens abgeschlossenen Vertrage, von dem kein Theil ohne die gegentheilige Zustimmung abzugehen vermochte, und hätte sich ein Theil auch wirklich einen Vertragsbruch zu Schulden kommen lassen, so konnte er nichts desto weniger seiner Vertragsrechte nicht verlustig erklärt,   sondern nur zwangsweise zur Einhaltung des Vertrages verhalten werden, indem der Landesordnung v. J. 1564 keine kommissarische Klausel beigerückt, und sonach der Verlust des Vertragsrechtes auf den Vertragsbruch nicht als Präjudiz gesetzt worden war. Die, Beantwortung der sich hiebei aufdringenden Fragen, ob die erneuerte Landesordnung bei dem Bestände der Rechts Verwahrung v. J. 1564 ohne Zustimmung der Stand, gültig erlassen werden könnte? ob den böhmischen Ständen überhaupt, und insbesondere den treu gebliebenen katholischen Ständen Böhmens, die der Revolution v. J. 1618 ganz fremd geblieben und deren Nachkommen wir sind, die Rechte v. J. 1564 ohne ihre Einwilligung entzogen werden konnten? und ob endlich der Krieg nach Rechtsprincipien wirklich eine Erwerbungsart neuer Rechte und nicht etwa bloß eine Executionsart bereits erworbener, von Seite des Verpflichteten nicht, anerkannten oder vorenthaltener Rechte ist? und ob sonach Ferdinand II. durch die Schlacht am weißen Berge mehr Rechte erlangt haben konnte, als ihm kraft seiner Succession in das durch die Landesordnung v. J. 1564 näher bestimmten Souverainitätsrecht des Königreiches Böhmen zustanden? — die Beantwortung dieser Fragen wird mir die hochlöbliche Commission schenken, weil sie bei dem dermaligen Stande der Dinge ohne praktische Bedeutung wäre.

Die seit dem großen Wendepunkte in unserer Geschichte v. J. 1620 ins Leben getretenen, und auf die Verfassung der böhmischen Stände Einstuß nehmendes Thatsachen bestehen im Nachstehenden:

1) In der Erlassung der erneuerten Landesordnung vom 10ten Mai 1627, mittelst welcher sich der König von Böhmen im art. A. VIII. das Gesetzgebungsrecht vorbehielt, und in dessen Folge das Recht, die erneuerte Landesordnung zu mehren, zu mindern etc. für sich in Anspruch nahm. Durch die im art. A. XXII. der Landesordnung enthaltene Erklärung, daß sich Ferdinand II. über die ständischen Privilegien abgesondert aussprechen und resolviren werde, wurden die Privilegien aus dem Umfang der Landesordnung ausgeschieden, und bilden ein für sich bestehendes Ganze der ständischen Berechtigung.

2) Wurden die aus dem Gebiete der erneuerten Landesordnung  ausgeschiedenen Privilegien der Stände unterm 29sten Mai 1627 vom Kaiser Ferdinand II., insoweit sie dazumal mit der erneuerten Landesordnung nicht im Widerspruche waren, ohne allen weitern Vorbehalt bestätigt.

3) Im Jahre 1640 wurde den böhmischen Ständen durch die Nov. Decl. A. a. q. das Recht eingeräumt, Berathungen über Angelegenheiten zu pflegen, und Beschlüsse gegen nachherige landesfürstliche Genehmigung über Gegenstände zu fassen, welche die landesfürstlichen Hoheitsrechte nicht berühren.

4) Ferner wurde durch das Rescript vom 12ten August 1791 den Herren Ständen vom Kaiser Leopold die Zusicherung ertheilt, daß die Vernehmung der Stände Platz greifen werde, wenn es um die Festsetzung und Abänderung der Constitution oder solcher Gesetze zu thun ist, die das ganze Land betreffend   Schließlich werden

5) die Privilegien der böhmischen Stände bei jedem neuen Regierungsantritte nach ihrem Stande vom 29sten Mai 1627 neuerlich und zwar mittelst eines feierlichen Krönungseides bestätiget.

Aus diesen Thatsachen lassen sich mit logischer Evidenz und juridischer Consequenz nachstehende Grundsätze über den dermaligen Stand der ständischen Berechtigung in Böhmen ableiten.

1) Der König von Böhmen kann in den, außer dem Umfange der erneuerten Landesordnung liegenden Privilegien und Rechten der Herren Stände, einseitig und ohne deren Zustimmung keine, wie immer geartete Aenderung eintreten lassen, weil diese Privilegien und Rechte keinen Bestandtheil der Landesordnung, sondern ein von ihr ganz unabhängiges Ganze der ständischen Berechtigung bilden, auf die der im Kundmachungspatente der erneuerten Landesordnung vorkommende Vorbehalt, die Landesordnung zu mehren, zu mindern u. s. w. nicht die geringste Anwendung erleidet; weil ferner alle Privilegien und Rechte der Herren Stände, die am 29sten Mai 1627 der erneuerten Landesordnung nicht zuwider waren, nicht blos von Ferdinand II., sondern auch von den in Gott ruhenden Vorfahren Sr. Majestät, und selbst von Sr. dermal regierenden Majestät Ferdinand I., mittelst des Krönungseides, ohne den mindesten Vorbehalt bestätigt, d. i. für unverbrüchlich, unabänderlich und unwiderruflich erklärt worden sind, und weil endlich der Stock und Stamm der ständischen Berechtigung in Böhmen, seinem historischen und rechtlichen Ursprünge nach, nicht auf einer landesfürstlichen Verleihung oder Begnadigung beruht, sondern in den ursprünglichen, demokratischen, dem Landesfürsten niemals übertragenen Rechten des böhmischen Volkes fußet.

2) Kann selbst die erneuerte Landesordnung ungeachtet des erwähnten Vorbehaltes, zu mehren, zu mindern etc., in den Fällen nicht ohne Zustimmung der Herren Stände einer Veränderung unterzogen werden, wenn und in so fern sie durch irgend eine Abänderung in den geringsten Widerspruch mit den, am 29sten Mai 1627 bestandenen und bestätigten Privilegien und Rechten der Herren Stände geseht werden würde; weil die Privilegien und Rechten der Herren Stände, mit Rücksicht auf den, am 29sten Mai 1627 vorhandenen Stand der erneuerten Landesordnung bestätigt, und der dießfälligen Confirmation der ständischen Privilegien nicht der Vorbehalt beigerückt worden ist, daß sie sich in Zukunft dem jedesmaligen Stande der Landesordnung anzuschließen und zu akkomodiren haben. Die Generalis confirmatio privilegorum regni Bohomiae ist am 29sten Mai 1627, somit später als die am 10ten Mai 1627 erschienene erneuerte Landesordnung, erflossen, und es ist sonach der im Kundmachungspatent zur Landesordnung ausgesprochene Vorbehalt, zu mehren, zu mindern etc., nach dem Grundsatze lex posterior derogat priori, insoweit aufgehoben; als eine Abänderung der Landesordnung dieses Gesetz, mit den am 29sten Mai 1627 bestätigten Privilegien und Rechten der Herren Stände in Widerspruch bringen würde.

3) Außer den oben sub 1 und 2 angeführten Fällen, wo eine wirkliche Zustimmung der Herren Stände rechtlich erfordert wird, bedarf es der vorläufigen Einvernehmung der Herren Stände, wenn es sich um die Festsetzung oder Abänderung der Constitution, oder solcher Gesetze handelt, welche das ganze Land betreffen. Würde jedoch eine derartige Festsetzung oder Abänderung der Constitution, oder eines, das ganze Land betreffenden Gesetzes, die bestätigten Privilegien oder Rechte der Herren Stände im Mindesten berühren,  so würde nicht mehr eine bloße Einvernehmung der Herren Stände zureichen, sondern deren Zustimmung rechtlich nothwendig sein.

Nun sei es mir erlaubt, zur Würdigung jener Gründe überzugehen, aus denen die Herren Stände ihre wohlhergebrachten Rechte und Privilegien gefährdet erachten.

Die Herren Stände halten sich zunächst:

a) Durch die in der allerhöchsten Entschließung vom 18ten Juli v. J. vorkommende Hindeutung auf die erneuerte Landesordnung, und die ihr nachgefolgten landesfürstlichen Erlässe, als auf die einzigen Quellen ihrer ständischen Berechtigung, gekränkt. In dieser Hindeutung erblicke ich jedoch keine Gefahr für die mehrerwähnten Rechte und Privilegien; weil die, der erneuerten Landesordnung nachgefolgte Confirmation der ständischen Privilegien und Rechte vom 29sten Mai 1627 alle, außer dem Gebiete der erneuerten Landesordnung bestehenden Rechte und Privilegien, ohne Rücksicht, in welchem Jahrhundert und in welcher Art sie zur Existenz gelangt sind, umfaßt, wenn sie nur bis zum obigen Tage nicht erloschen, und an diesem Tage mit der erneuerten Landesordnung nicht im Widerspruche gewesen sind. Ich trage sonach an, das Gutachten über diesen Punkt an die Herren Stände dahin zu erstatten, daß die allerhöchste Entschließung in dieser Beziehung lediglich zur Wissenschaft zu nehmen wäre.

b) Der zweite Beschwerdepunkt umfaßt den, in der mehrerwähnten allerhöchsten Entschließung mit den ständischen Rechten und Privilegien in Verbindung gebrachten Vorbehalt. Vor allem Andern erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß Se. Majestät sich darüber nicht näher ausgesprochen haben, welchen speciellen Vorbehalt allerhöchst Dieselben damit meinen, weshalb die Ansicht, daß darunter der, in dem Kundmachungspatente zur erneuerten Landesordnung vorkommende Vorbehalt, die Landesordnung zu mehren, zu mindern etc., vor der Hand, und in so lange eine officiose Auslegung darüber nicht erscheint, lediglich auf einer Vermuthung beruht. Sollte jedoch wirklich Se. k. k. Majestät den Vorbehalt des Kundmachüngspatentes zur erneuerten Landesordnung bei der Erlassung der allerhöchsten Entschließung vom 18ten Juli v. J. im Sinne gehabt, und auf die sämmtlichen Rechte und Privilegien der Herren Stände ohne Unterschied bezogen haben, so kann nicht in Abrede gestellt werden, daß der dießfällige Ausspruch Sr. Majestät auf einer irrigen Grundlage beruht, nämlich auf der Voraussetzung, daß:

1) Die sämmtlichen Rechte der Herren Stände sich auf die landesfürstliche Verleihung gründen, obgleich geschichtlich erwiesen vorliegt, daß der eigentliche Stock und Stamm der ständischen Berechtigung in Böhmen in den ursprünglichen, demokratischen, dem Regenten von Böhmen niemals übertragenen Volksrechten, seinen wahren Grund hat, und sich sonach eines bei weitem höhern Alters erfreut, als das monarchische Princip in Böhmen; weshalb auch die Urrechte der böhmischen Stände unmöglich das Letztere zu ihrem Urheber haben können; - und auf der Annahme, daß

2) die ursprüngliche Verleihung der ständischen Rechte und Privilegien unter dem mehrerwähnten Vorbehalte erfolgt ist. Wenn es sich auch nicht läugnen läßt, daß es manche ständische Rechte und Privilegien geben mag, die unter dem Vorbehalte eines Widerrufes ursprünglich verliehen worden sind, so stehet doch die Ansicht, daß die sämmtlichen Rechte und Privilegien der Herren Stände unter einem derartigen Vorbehalte zur Existenz gelangt sind, mit der historischen Entwicklung der ständischen Berechtigung in Böhmen nicht im Einklänge; weil sich einerseits bei den meisten ständischen Rechten und Privilegien ein derartiger Vorbehalt historisch gar nicht nachweisen läßt, anderseits aber der ursprüngliche Vorbehalt des Widerrufes bei vielen ständischen Rechten und Privilegien durch nachfolgende Akte der königlichen Macht erloschen ist.

Dieß bewährt die Confirmation der ständischen Privilegien und Rechte vom 29sten Mai 1627. Durch diese Confirmation, welche die ständischen Rechte und Privilegien, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung aufrecht erhielt, wurden auch die vom 29sten Mai 1627 mit der erneuerten Landesordnung nicht im Widerspruch gestandenen, in der Landesordnung vom Jahre 1500, 1530, 1550 und 1564 gegründeten Rechte und Privilegien der Herren Stände mit bestätiget.

Die diesen Landesordnungen angehängten und oben wörtlich aufgeführten Rechtsverwahrungen liefern jedoch den klarsten Beweis, daß die erwähnten Rechte und Privilegien der böhmischen Stände der Disposition des Königs entzogen worden, daß sie ohne Zustimmung der Herren Stände weder abgeändert noch aufgehoben werden konnten, und daß sie auch dermal kraft der Confirmation vom 29sten Mai 1627, ohne Zustimmung der Herren Stände weder abgeändert noch aufgehoben werden können. Die theilweise Erlöschung des ursprünglichen Vorbehaltes, die in der erneuerten Landesordnung gegründeten ständischen Rechte abzuändern, zu beschränken und aufzuheben, trat, wie oben gezeigt wurde, durch die Confirmation vom 29sten Mai 1627 bei der erneuerten Landesordnung in jenen Punkten ein, deren Abänderung die erneuerte Landesordnung mit den confirmirten ständischen Rechten und Privilegien in Widerspruch bringen würde. Da sich vor der Hand, und so lange sich die Herren Stände nicht in dem Besitze einer erschöpfenden, auf authentische Quellen basirten, historisch juridischen Darstellung der ständischen Verfassung in Böhmen befinden werden, der Ursprung und die Biographie eines jeden einzelnen ständischen Rechtes nicht mit voller Zuverlässigkeit angeben läßt, eine Zurücknahme der allerhöchsten Entschließung im Punkte des mehrerwähnten Vorbehaltes, sich bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht erwarten läßt, und eine Reklamation gegen die allerhöchste Entschließung, bei der Mißstimmung gegen die böhmischen Stände hohen Orts leicht einen Ausspruch provociren würde, der durch eine bestimmtere Fassung der auf den mehr besprochenen Vorbehalt Bezug nehmenden Bestimmung der allerhöchsten Entschließung den ständischen Rechten und Privilegien eine unheilbare Wunde versetzen könnte, wo dagegen die vorliegende allerhöchste Entschließung den Herren Ständen noch immer die Untersuchung bei jedem einzelnen, von der Regierung in Frage gestellten ständischen Rechte und Privilegium frei laßt, ob das bestrittene Recht überhaupt auf einer landesfürstlichen Verleihung beruht, ob es mit oder ohne Vorbehalt koncedirt worden ist, worin der Vorbehalt bestehe, und ob er inzwischen nicht etwa rechtlich erloschen ist; so trage ich an, "daß die Herren Stände jenen Theil der allerhöchsten Entschließung, welcher den mehrbesagten Vorbehalt mit den wohlhergebrachten Rechten und Privilegien der Herren Stände in Verbindung bringt, zur Kenntniß nehmen, zugleich aber ihre Rechte und Privilegien ausdrücklich und feierlichst für den Fall verwahren, wenn die allerhöchste Entschließung dahin gemeint sein sollte: daß

1) die sämmtlichen Rechte und Privilegien der Herren Stände auf einer landesfürstlichen Verleihung beruhen, und daß

2) die sämmtlichen Rechte und Privilegien der Herren Stände überhaupt unter dem Vorbehalte einer einseitigen Abänderung oder Widerrufes von den Regenten Böhmens bestätigt worden seien."



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