Wir sehen und können immer wieder feststellen, daß
Sie sich zu einer solchen Umstellung nicht aufraffen können
und daß Sie immer wieder den Ausweg suchen, Scheinlösungen
zu treffen. Ich möchte hier nur in diesem Zusammenhang auf
die Erklärungen des Präsidenten Beneš hinweisen,
der in Reichenberg gesagt hat (ète):
"Ich weiß, daß unsere Deutschen praktische Beschwerden,
Wünsche und Forderungen haben. In den sprachlichen- und Schulsachen
sind das Dinge nicht grundsätzlicher Natur, welche sich durch
eine vernünftige Praxis leicht erledigen lassen. In den wirtschaftlichen
Fragen handelt es sich im Wesen ebenfalls um eine Frage der vernünftigen
Praxis. Ich trage kein Bedenken zu sagen, daß in diesen
Angelegenheiten Fehler geschehen sind, die sich nicht mehr wiederholen
sollten, z. B. dadurch, daß aus èechischen Gegenden
Arbeiter und Unternehmer in arbeitslose deutsche und gemischtsprachige
Gegenden gebracht wurden.
Die größten Schwierigkeiten ergeben sich bei den Fragen
der Beamten und Staatsangestellten. Eine Reihe von Wünschen
ist da gerechtfertigt."
Nun es kam dann zu dem berühmten 18. Feber. Eine Scheinlösung.
Was war der 18. Feber und was ist aus ihm geworden? Warum kam
es zu dieser Scheinlösung, müssen wir uns fragen. Was
zeigte uns denn die politische Entwicklung im letzten Jahrzehnt?
Die aktivistischen Splitterparteien hatten sich im Jahre 1926,
also zu einer Zeit, zu der sie noch über große Anhängermassen
verfügten und dementsprechend politische Bedeutung besaßen,
entschlossen, den bisherigen Weg zu verlassen und sich an der
èechoslovakischen Regierung zu beteiligen. Sie erklärten
damals, daß sie diesen Weg aus Verantwortungsbewußtsein
gehen müßten, um die Ansprüche und Interessen
des sudetendeutschen Volkes in der Regierung besser und erfolgreicher
vertreten und durchsetzen zu können. Was haben aber die aktivistischen
Parteien bisher, in diesem Jahrzehnt erreicht? Erstens: sie nahmen
durch ein volles Jahrzehnt an der Regierung teil, ohne daß
sich die Lage des Sudetendeutschtums auch nur in einem einzigen
Punkt zu seinen Gunsten verändert hätte. Zweitens: dagegen
verschlechterte sich innerhalb dieses Jahrzehntes die Lage des
Sudetendeutschtums immer mehr, sowohl in nationaler, wie in politischer,
wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Drittens: Die Stellung
der aktivistischen Splitterparteien in der Regierung wurde trotz
willfährigster Teilnahme immer schwächer und immer bedeutungsloser.
Nun die Wähler selbst: die sudetendeutschen schaffenden Menschen
haben am 19. Mai 1935 die Konsequenzen und Folgerungen daraus
gezogen. Die Verantwortlichen im èechoslovakischen Staate
vermochten das nicht. Das Angebot Konrad Henleins zur Mitarbeit
wurde abgelehnt, oder man ist überhaupt nicht darauf zurückgenommen.
Die Regierungsbeteiligung der deutschen Splitterparteien auch
nach der Niederlage vom 19. Mai war abgemachte Sache. Allerdings
mußten sich die aktivistischen deutschen Splitterparteien
mit einer noch bedeutungsloseren Rolle begnügen, als sie
schon vor dem 19. Mai 1935 inne hatten. Es stellte sich heraus,
daß man die deutschen aktivistiscchen Splitterparteien lediglich
als Atrappen benützt hat, daß ihre Lage immer unhaltbarer
wurde und daß man dann eben vor allen Dingen aus außenpolitischen
Rücksichten zu dieser Scheinlösung des 18. Feber gekommen
ist. Nun, ich will mich damit nicht solange aufhalten. Ich möchte
Ihnen nur noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, was der sudetendeutsche
Arbeiter, Angestellte, Bauer, Handwerker und Gewerbsmann von diesem
sogenannten Ausgleich zu spüren bekommen. Die aktivistischen
Parteien sind im Vorjahr, also in der Geburtsstunde dieser Mißgeburt,
hinaus gekommen und haben erklärt, dieser 18. Feber sei der
Abschluß eines 70jährigen nationalen Kampfes. Nun,
was spürt man von diesem Abschluß eines 70jährigen
nationalen Kampfes, was spürt davon der deutsche Arbeiter,
Bauer und Handwerker? Erstens, daß die ohnedies sehr bescheidenen
Versprechungen nicht erfüllt worden sind, zweitens, daß
dies selbst die aktivistischen Politiker, wie auch erste Staatsmänner
zugeben und zugeben mußten, es sei das angeblich Sabotage
und Nichtverständnis untergeordneter Behörden. Oben
aber sei der Wille zur Durchführung der Versprechungen des
18. Feber sehr "ehrlich", und drittens, daß sich
die Einstellung der Èechen zu den Sudetendeutschen um nichts,
aber auch um gar nichts geändert hat. Dasselbe absichtliche
Mißverstehen wollen - können wir heute feststellen
- geschieht ausschließlich, um uns besser an der Gurgel
würgen zu können, indem man uns fortwährend verdächtigt.
Viertens: daß immer mehr èechische Staatsangestellte
im deutschen Gebiet eingestellt werden, darüber werde ich
noch den Beweis zu führen haben. Fünftens, daß
die nationale, politische und wirtschaftliche Stellung des Sudetendeutschtums
im èechoslovakischen Staate um keinen Hauch besser geworden
ist.
Wir Sudetendeutschen ziehen aus diesen Tatsachen nur die Folgerungen:
1. daß die bedingungslose Teilnahme deutscher Parteien an
einer èechoslovakischen Regierung, die vom Geiste bisheriger
Regierungen beseelt ist, die Lage der Sudetendeutschen nicht gebessert,
sondern verschlechtert hat;
2. daß die Teilnahme deutscher Parteien an einer solchen
Regierung den èechischen Parteien die Aufrechterhaltung
des bisherigen politischen Systems ermöglicht und damit die
heute bestehende zweitrangige und ohnmächtige Stellung des
Sudetendeutschtums verewigen hilft oder wenigstens helfen will;
3. daß auch in rein sachlicher Hinsicht der Weg der aktivistischen
Splitterparteien zu keinem Erfolge für das Sudetendeutschtum
geführt hat und deshalb als gescheitert zu betrachten ist;
4. daß sich das Sudetendeutschtum seine großen Forderungen
nach Gleichberechtigung, Sicherung und freier Entfaltung weder
durch unverbindliche Versprechungen abkaufen, noch verfälschen
lassen darf.
Das Sudetendeutschtum kann daher in politischen Kampfe nur erfolgreich
den Weg weitergehen durch Zusammenfassung aller seiner Volkskräfte
und ihren geschlossenen und unnachgiebigen Einsatz jenes Recht
zum Leben zu erzwingen, das wir bisher weder durch Bitten, noch
durch bedingungslose Teilnahme an der Regierung zu erreichen vermochten.
Ich möchte, weil gerade in der letzten Zeit so viel von den
Erfolgen des 18. Feber gesprochen wurde, noch einige wenige Beispiele
anführen, die das genaue Gegenteil feststellen, nämlich,
daß es zu keiner Besserung, sondern zu einer Verschlechterung
gekommen ist. Ich muß sagen, daß diese kleine Mißgeburt
des 18. Feber sich inzwischen als Wechselbalg herausgestellt hat
und daß sich eigentlich niemand mehr gerne dazu bekennt,
außer den Kommunisten. Die haben jetzt zum 18. Feber 1938
auf einmal entdeckt, daß sie diese belanglose Versprechung
zu unterstützen haben. Nun, was hat der 18. Feber aber wirklich
bedeutet? Wir können feststellen, daß es nichts anderes
ist, als eine Schützenhilfe für die aktivistischen Splitterparteien.
Es haben sich die Hoffnungen, daß sich Vernunft und reale
Tatsachen bei den Verantwortlichen des Staates durchsetzen, nicht
erfüllt. Ich brauche nur einige Beispiele anzuführen:
Abg. Zischka hat bei den Beratungen im Budgetausschuß
wörtlich über die Einrichtung der Staatspolizei gesagt
(ète): "Die Staatspolizei mußte eingeführt
werden, damit man sich das Sudetendeutschtum nicht über den
Kopf wachsen läßt und damit die Regierungsparteien
gegen den Terror der Sudetendeutschen Partei geschützt werden,
weil sonst die deutschen Regierungsparteien auf den Scheiterhaufen
geführt würden und ihnen ein Strick um den Hals gelegt
werden würde." Nun, das war wohl der treffendste Ausspruch,
der dem Abg. Zischka so durchgerutscht ist. Es wird vom
Herrn Minister Zajièek immer besonders erklärt,
daß das Verhältnis der Beamtenschaft zugunsten der
Deutschen sich in diesem Jahre vom 18. Feber 1937 bis zum 18.
Feber 1938 gebessert hat. Ich bringe konkrete Zahlen aus dem Bezirk
Kaaden. Hier gab es am 18. Feber 1937 bei der politischen Behörde
24 Beamte, 8 Deutsche und 16 Èechen, am 18. Feber 1938
22 Beamte, 6 Deutsche und 16 Èechen; bei der Steueradministration
waren am 18. Feber 1937 12 Beamte, 5 Deutsche und 7 Èechen,
am 18. Feber 1938 8 Beamte, 3 Deutsche und 5 Èechen; beim
Steueramt 12 Be amte, davon 1 Deutscher und 11 Èechen,
am 18. Feber 1938 11 Beamte, kein Deutscher und 11 Èechen,
bei der Finanzkontrolle 3 Beamte, kein Deutscher und 3 Èechen
und am 18. Feber 1938 3 Beamte, 3 Èechen. So könnten
wir das Fall für Fall beweisen. Ich möchte noch auf
einen besonderen sozialdemokratischen Erfolg hinweisen. Ein Beamter
wurde von Aussig nach Prag versetzt und dann stellte sich heraus,
daß die Versetzung, die als großer Erfolg des 18.
Feber hingestellt wurde, einen großen Pferdefuß hatte,
anstelle des Beamten kam nach Aussig ein Èeche. Im Daubaer
Bezirk, einem rein deutschen Bezirk, haben wir bei den Behörden
im Staatsdienst 49 Èechen und nur 17 Deutsche. Auch die
deutschen Aktivisten, die sich dort beworben haben, wurden selbstverständlich
übergangen. Im Bezirk Deutsch-Gabel wurde der letzte deutsche
Eisenbahnbeamte versetzt und wir haben auf der Strecke von Brins
bis Kriesdorf, nach dem 18. Feber keinen einzigen deutschen Beamten
mehr. Im Bezirk Wegstädtl gibt es 75% Deutsche und in den
Staatsämtern 30 Èechen und 4 Deutsche, und in den
Gemeinden werden neue Èechen angestellt.
Ich möchte mit den nur wenigen Beispielen, die hier aufgezeigt
wurden, sagen, daß wir durch den 18. Feber um große
uns zustehende Rechte gebracht wurden. Durch diesen 18. Feber
sind aber auch noch andere Erscheinungen ausgelöst worden.
Z. B. die Schützenhilfe für die deutschen aktivistischen
Parteien geht so weit, daß die rote Wehr, die republikanische
Wehr, die Schutzgarde der sozialdemokratischen Partei, sich heute
im sudetendeutschen Gebiet unter der Aufsicht der Behörden
so benehmen kann, daß daraus eine gefährliche Bedrohung
für die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Leben
entstanden ist. Ich verweise auf die ungeheueren Prügeleien
in Niedergrund, ich verweise auf die Prügeleien in Aussig,
ich verweise auf die militärischen Übungen, die Tag
für Tag in Hirschberg im Ausbildungslager der republikanischen
Wehr gemacht werden. Jenes Ausbildungslager der republikanischen
Wehr soll wahrscheinlich noch geschützt werden durch eine
Mannschaft von 40 Staatspolizisten, die jetzt nach Hirschberg
und Thammühl gebracht werden sollen. lch möchte besonders
auf den empörenden Vorfall von Karlsbad hinweisen, wo Kreisleiter
Abg. Wollner von diesen roten Prügelbuben niedergeschlagen
worden ist. Die Polizei ist nicht sofort zur Verhaftung dieser
Prügel [] buben geschritten. Das sind Erscheinungen, die
wir niemals vergessen wollen. Ich möchte noch besonders darauf
hinweisen, daß aber auch die Staatspolizei, die wir heute
in vielen Orten haben, von Elementen gebildet wird, die keineswegs
als beispielgebend zu betrachten sind. Wir hatten mit der Gendarmerie
auch Verhältnisse, die für das Sudetendeutschtum demütigend
genug waren, aber wir können sagen, daß die Vorfälle,
die jetzt an der Tagesordnung sind, durch Elemente der Staatspolizei,
vor allem in der moralischen Führung, niemals bei der Gendarmerie
vorgekommen sind. Ich möchte nur zwei Protokolle vorlesen.
Es ist nicht unsere Art Menschen zu denunzieren, aber heute ist
es schon so, daß diese unmoralische Führung das öffentliche
Gespräch ausmacht. Man erlebt es, daß in den Versammlungen
ständig Zettel auf den Tisch kommen zu dem Redner: "Herr
Abgeordneter, nehmen Sie doch zu diesen Schweinereien endlich
Stellung". Ich möchte nur zwei Protokolle aus den letzten
Tagen vorlesen, und zwar auch deshalb, weil die betreffenden Vorfälle
zur Anzeige gebracht wurden und so sind, daß es nicht mehr
ruhig hingenommen werden kann. Zuerst eine Tatsachenschilderung
über das Verhalten des Kommissärs Ruth aus Warnsdorf.
Es ist der Mann, der schuld an der Saalschlacht in Niedergrund
ist, der sich hinter den Kulissen versteckt und die Gendarmerie
nicht rechtzeitig verständigt hat, als die rote Wehr unsere
Leute zusammenschlug. Dieser Herr hat sich in der Nacht vom 2.
zum 3. Feber folgendes geleistet: Nach einer Versammlung in Niederkreibitz,
die bis 3/412 Uhr gedauert hat, kehrte er mit 2 Begleitern
in einem Gasthause ein. Die Gendarmerie kam und gebot Sperrstunde.
Ihr wurde sofort stattgegeben. Die Gäste zahlten und die
drei Staatspolizisten zahlten auch, aber nur zum Schein, als würden
si weggehen. In Wirklichkeit fuhren Sie aber nicht weg. Sie haben
ihr Dienstauto auf eine Nebenstraße gestellt und unbeleuchtet
die ganze Nacht stehen gelassen. Und dann begann ein Treiben (ète):
"Zuhörer - das Gasthaus ist in einem ganz bewohnten
Ortsgebiet - konnten auf schon ziemlich weite Entfernung das Johlen
und Singen der drei Staatspolizisten hören. Man verstand
das Singen deutscher sowie èechischer Lieder und hörte
Exerzierkommandos. Dazwischen hinein hörte man auch das Kreischen
und Quieken der Kellnerin. Die Zuhörer hatten den Eindruck,
daß die Kellnerin sich zu Exerzierübungen hergeben
mußte, denn man verstand ganz deutlich die Kommandos "Pozor,
pøímo hleï!" usw. Deutlich zu hören
war während dieser Zeit auch ein Klatschen auf unbekleidete
Körperteile. Gegen Morgen wurde dieses Johlen und Singen
auch von einer größeren Zahl Arbeiter gehört,
die sich bereits auf dem Wege zur Arbeitsstätte befanden.
Das hat bis 7 Uhr früh gedauert. 10 Minuten vor 7 Uhr früh
kamen die drei Staatspolizisten in stark angeheitertem Zustande
- um den Ausdruck "besoffen" zu vermeiden - heraus,
und verließen das Gasthaus. Mit Hilfe des Gastwirtes wurde
das Auto auf der stark abfallenden glatten Straße in Gang
gebracht, doch blieb es nach einigen Metern wieder stehen. Nun
wollte Kommissär Ruth aus dem Wagen steigen, um mit anschieben
zu helfen, der Wirt rief ihm jedoch zu: "Bleib nur drin sitzen,
damit dich niemand sieht." Komissär Ruth hörte
jedoch nicht darauf und stieg mit Synovec - das ist ein Agent
- aus, um den Wagen anzuschieben. Wie Zuschauer um 7 Uhr früh
sehen konnten, fiel, nun jedenfalls infolge der Trunkenheit, der
Kommissär Ruth in seiner Uniform der Längelang in den
Straßenkot. Von Hausbewohnern, Filipp und Pege, wurde festgestellt,
daß sich die Klosettanlage und deren Wände durch Erbrechen
in einem so verunreinigten Zustand befanden, daß die Benützung
der Klosettanlage unmöglich war. Der Gastwirt Ant. Bennesch
erzählte nächsten Tags gesprächsweise dem Hausbewohner
Filipp, daß er die Zeche kreditieren mußte."
Der zweite Vorfall ist am 12. Feber passiert. In Deutsch Gabel
fand in der Turnhalle der Sokolball statt, und dem èechischen
Bahnkassier, der eine Österreicherin zur Frau hat, wurde
vom Staatspolizisten Rubeš vorgeworfen, daß er eine
deutsche Frau habe, worauf beide handgemein wurden und nur durch
das Dazwischentreten deutscher Aushilfskellner von einander getrennt
werden konnten. Die Schlägereien wurden daraufhin von dem
schweralkoholisierten Staatsbeamten unter wüstem Geschrei
in den Straßen der Stadt fortgesetzt, in deren Verlauf dem
Bahnkassier Kragen und Hemd zerrissen wurden. Sonntag, den 13.
Feber 1938, morgens gegen halb 7 Uhr klopfte der schwerbetrunkene
Staatspolizist Rubeš an die Tür des Gasthauses Prokop
in Deutsch Gabel und verlangte mit den Worten: "Aufmachen,
Staatspolizei!" energisch Einlaß. Die Frau des Gastwirtes,
auf das Klopfen und Rufen herbeigeeilt, gibt einen kleinen Spalt
der Tür frei, worauf Rubeš die Tür mit Gewalt aufdrückt,
die sich wehrende Frau packt und bis zur Gastzimmertür zerrt,
deren Öffnung er wiederum mit der Bemerkung "Staatspolizei"
energisch verlangt. Die Wirtin verweigerte die Öffnung des
Gastzimmers zu so früher Morgenstunde mit der Begründung,
daß drinnen geräumt werde. Daraufhin sprengt Rubeš
diese Tür mit einigen Fußtritten, sodaß der eiserne
Riegelhaken herausfliegt, und steht im Gastzimmer dem herbeigeeilten
und zum Fortgehen gerüsteten Gehilfen Bruno Steier gegenüber.
Dieser trägt eine blaue Schirmmütze, die ihm von Rubeš
mit den Worten: "Du Kerl, du trägst eine deutsche Mütze!"
vom Kopfe geschlagen wurde. Daraufhin verlangt Rubeš ein
Bier und fragt den Fleichergehilfen Steier, wohin er gehe. Steier
antwortete: "Schweineschlachten", worauf Rubeš
sagt: "Aha, du schlachtest so ein deutsches Schwein, wie
du selber eines bist!" Mit vieler Mühe konnte der schwer
betrunkene Staatsbeamte Rubeš aus dem Hause entfernt werden.
Bruno Steier erstattete bei der Gendarmerie und Staatspolizei
eine Anzeige, ebenso wurde auch vom hiesigen Bürgermeisteramt
eine Beschwerde eingebracht, es erfolgte eine Erhebung, die Bevölkerung
von Deutsch Gabel ist maßlos empört und verlangt die
Abberufung des Rubeš.
Ich könnte noch eine ganze Reihe Protokolle vorlesen, das
sind nur zwei aus den letzten Tagen, aber keine Einzelerscheinungen.
Hier könnten Sie Ordnung machen, damit die unmoralischen
Elemente, die das Ansehen des Staates beeinträchtigen und
das Zusammenleben unerträglich machen, nicht auf das Sudetendeutschtum
losgelassen werden. Wir haben aber auch andere Vorfälle genug.
Z. B. gegen einen Postboten wurden Anzeigen erstattet. Der Postbeamte
Krofta aus Wolfersdorf ist ständig betrunken, er beschimpft
und beleidigt und besudelt die Bevölkerung, er ist öfters
so besoffen, daß Wolfersdorf nicht die Post zugestellt bekommt.
Bis zum heutigen Tage übt er aber seinen Dienst in dieser
unzureichenden Weise aus. Das ist einfach ein beschämender
Zustand. Hier können Sie zeigen, was Disziplin ist. Dann
kommen wieder von den Staatspolizeiämtern Leute und sammeln
bei den Geschäftsleuten und sprechen unter dem notwendigen
Druck vor. Lassen Sie doch einmal ab von dem Spiel, das Sie mit
Denuntianten und unmoralischen Elementen treiben, wie es vielfach
mit den Agenten im sudetendeutschen Gebiet ist. Leute, die einen
solchen Lebenswandel führen, haben immer wieder das Bedürfnis,
als besonders forsch zu erscheinen und ihre Daseinsberechtigung
mit Denuntiationen gegen unschuldige Menschen zu beweisen.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen auch noch einige andere
Sachen zu sagen, die heute überall im Sudetendeutschtum als
Auswirkungen des 18. Feber bekannt geworden sind. Ich habe Ihnen
zu sagen, daß die Einrichtung des 18. Feber nicht nur, wie
Herr Min. Dérer denkt, dazu dienen soll, die Anhänger
der SdP, die angeblich dort zu viel sind, in die aktivistischen
Parteien zurückzuführen, sondern der 18. Feber wird
von den Regierungsparteien auch in einer Weise benützt, die
alles eher als aufbauend zu bezeichnen ist. Ich habe in meiner
Tätigkeit im vergangenen Jahre, also im Jahre nach dem 18.
Feber, bei manchen Behörden Anzeigen gesehen, die von Angehörigen
der deutschen Regierungsparteien gekommen sind, wo der èechische
Beamte dazu gesagt hat: "Die Beweggründe für die
Anzeigen sind mir verständlich." Ich erkenne gerne an,
daß es heute noch Staatsbeamte im sudetendeutschen Gebiete
gibt, die objektiv genug sind, diese Dinge zu durchschauen und
festzustellen, was an ihnen eigentlich ist. Ich möchte nur
einige kleine Kostproben bringen, es wird noch Gelegenheit geben,
im Laufe der Auseinandersetzungen darüber zu sprechen.
Ich habe hier Photos von Briefen, von echten Briefen, die Sie
noch Gelegenheit haben werden. zu überprüfen (Hluk.),
weil die Personen, die da in Frage stehen, so inter. essant
sind, daß Sie sich wahrscheinlich darum werden bemühen
müssen.
Sie wissen, vor kurzer Zeit wurde von der SdP das Manöver
um die Elbeversicherung aufgedeckt. Als diese Veröffentlichung
in der "Rundschau" kam, hat man sich von Seiten des
Bundes der Landwirte bemüht, festzustellen, daß diese
Maßnahmen für die Elbe ausschließlich im Volksinteresse
erfolgt sind. Ich möchte aus den Briefen Ihnen nachweisen,
wie das "Volksinteresse" aussieht, das hier der Bund
der Landwirte vorgibt.
Ein Brief des Herrn Min. Spina an Gustav Hacker, datiert
vom 11. November 1937. Der Brief beginnt mit der Überschrift
"Lieber Gustl!". Ich will nur den Punkt 3 aus dem Brief
verlesen: "3. müßte grundsätzlich die Zustimmung
bezüglich des Entgegenkommens gegenüber dem Bund der
Landwirte verlangt werden. Es müßten die Daumschrauben
angesetzt werden, daß unter geschickter Verschleierung die
Mittel für die Bestellung von 12-15 Kräften für
den Parteidienst jährlich sichergestellt werden. Also cca
Kè 150.000." (Výkøiky poslancù
strany sudetskonìmecké.) Am 20. November ein
neuer Brief des Herrn Minister Spina an den Parteivorsitzenden
Gustav Hacker: "Lieber Gustl! Also ich rufe in Erinnerung,
Dienstag 3/410 Uhr bei Èerný. Hoffentlich
pariert er nicht, wenn wir Tiefquart ziehen, mit Hakenquart und
erspart uns eine böse Entscheidung, die im Augenblick von
unabsehbaren Folgen auch für den Bestand der Partei ist.
Weiters mache ich Dich aufmerksam, daß das Versammlungsverbot,
wie Hodža will, bis Ende des Monates dauern soll,
im Dezember werden die Vers ammlungen freigegeben werden. Es empfiehlt
sich also dringend, Hohenelbe, das wir schwer auf eine §
2 Versammlung redressieren können, zu verschieben."
Darauf habe ich einen Brief Hackers an den Herrn Minister Èerný
zur Verfügung. Er stammt vom 24. Dezember 1937. Ich will
nur zwei Absätze vorlesen: "Sehr geehrter Herr Minister!
Wollen Sie noch einmal zur Kenntnis nehmen, daß mich die
Angelegenheit der Elbe nur insoferne berührt, als ich an
ihr und an jeder Angelegenheit das notwendige allgemeine Interesse
gezeigt habe." In einem weiteren Absatze heißt es:
"Es tut mir sehr leid, mitteilen zu müssen, daß
ich im anderen Falle unter Berücksichtigung der bekannten
Verhältnisse im deutschen Lager auch dann, wenn es mir sehr
schwer fallen würde, dem Bund der Landwirte erklären
müßte, daß ich nicht weiter in der Lage bin,
die Obmannstelle zu bekleiden." (Výkøiky
poslancù sudetskonìmecké strany. - Hluk.)
Das war die Tiefquart, die Hacker gezogen hat. (Hluk.)
Weiter: In der "Rundschau" vom vergangenen Samstag
wurden Stellen aus Briefen, deren Photographien ich ebenfalls
hier habe, veröffentlicht, die auf eine ähnliche Tätigkeit
Bezugnehmen [ ]. Diese Tatsachen wurden einfach zensuriert, und
man glaubt, es käme nicht an die Öffentlichkeit. (Hluk.)
Darüber wird noch ein Berufenerer von dieser Stelle aus
sprechen. Ich möchte nur besonders Herrn Minister Dérer,
der sich unser immer so annimmt, von dieser Stelle aus bitten,
daß er gelegentlich die Briefe in den Personalakten des
Kreisgerichtes Böhm. Leipa nachliest. Nun, ich möchte
Ihnen aus einem Brief verlesen: Ein Memorandum an den Justizminister
vom Bund der Landwirte geschrieben. "Betrifft: Berufungssenat
in Strafsachen beim Kreisgericht in Böhmisch Leipa. Schon
im Juni 1937 erlaubten wir uns, auf die Zusammensetzung des Berufungssenats
für Strafsachen beim Kreisgerichte Böhmisch Leipa aufmerksam
zu machen. Während Obergericht und Justizministerium die
Erkenntnissenate in Strafsachen und die Einzelrichter in Strafsachen
bei diesem Kreisgericht neu zusammengesetzt haben, u. zw. zweckentsprechend,
ist der Berufungssenat leider für 1938 in der alten Zusammensetzung
bestätigt worden. Vorsitzender Gerichtsrat Pierer, Beisitzer
Gerichtsrat Steiner und Langer. Dieser Senat gilt in eingeweihten
Kreisen seit zwei Jahren als der Henleinsenat, in dem der Henlein-Agrarier
und Advokat Dr. Kriegelstein der eigentliche Regent ist. Drei
Fehlurteile nach einander waren in politischen Prozessen erfolgt
und es besteht in gewissen Sachen leider keine Revision. Darauf
sündigen diese Herren. Außerdem sind sie schon alte
Diener usw. Gerichtsrat Pierer und Steiner müssen unbedingt
aus dem Berufungssenat, weil sonst die Vertreter der deutschen
Regierungsparteien in diesem Kreisgerichtssprengel vogelfrei sind.
(Výkøiky. - Hluk.)
Aus einem weiteren Schreiben vom 20. November an den Herrn Vizepräsidenten
Taub will ich nur eine einzige Stelle vorlesen, es betrifft
dieselbe Materie, Besetzung beim Kreisgericht in Böhmisch
Leipa. Es ist ein Brief vom 6. Dezember 1937, in dem es heißt
(ète): "Wir sind überzeugt, daß
Ihre Bezirksleitungen in Leitmeritz und Böhmisch Leipa unsere
Auffassungen bestätigen. Wir erblicken große Gefahren
für die kommende Zeit, wenn nicht die Leipaer Clique mit
Pech und Schwefel ausgeräuchert wird." (Výkøiky:
Pfui! - Hluk. - Posl. dr Neuwirth: Wo ist der Justizminister,
herbei mit ihm!).
Nun, das sind Dokumente, die wir in Händen haben und die
ungeheuere Versumpfung zeigen, die von gewissen Elementen nach
dem 18. Feber im sudetendeutschen Raum ruhig betrieben werden.
Wir können dazu nur sagen: Wir völkischen Sudetendeutschen
werden uns nicht verlumpen lassen. [ ]. Wer uns zum Vegetieren
zwingen will, ist unser Feind und er soll sich verrechnet haben.
Es muß wieder einmal ganz offen gesagt werden: Gewaltmaß
nahmen und Rechenkunststücke werden uns nicht abzwingen oder
ablisten, worauf wir einen natürlichen, einen sittlichen,
und einen von Gott gewollten Anspruch haben, nämlich als
Deutsche innerhalb unserer Art zu leben. Wir haben es des weiteren
satt, uns als schlechtere Bürger, als unverläßlich,
minderwertig, zurückgeblieben oder was sonst noch alles hinstellen
zu lassen, zu dem Zweck, damit man uns beherrsche. Hier hat niemand
zu herrschen, wo es um die Interessen der Völker geht. Selbst
der nüchternste Beobachter muß zugeben, daß wir
uns streng an die gegebene Ordnung gehalten haben. Wir sind keine
Aufrührer, keine Putschisten, wir konspirieren nicht, sondern
sind so gute Bürger des Staates, wie die Èechen. Wir
nützen den Staat nicht aus. Wir leisten, was er von uns fordert,
wir arbeiten und suchen mit den Schwierigkeiten selbst fertig
zu werden; man nenne uns eine einzige Volksgruppe, die uns in
dieser ruhigen und unendlich geduldigen Haltung übertrifft
oder übertroffen hätte. (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)
Místopøedseda Vávra (zvoní):
Upozoròuji pana øeèníka, že
øeènická lhùta uplynula.
Posl. May (pokraèuje): Aber wenn gewisse
èechische Gruppen glauben, daß es nur darauf ankommt,
uns eine Position nach der anderen zu nehmen [ ], so antworten
wir in ruhiger Gefaßtheit: Wir haben es satt, Objekt der
èechischen Politik zu sein. Wir wollen trotz unserer Oppositionsstellung
Subjekt der Staatspolitik sein, wie es unserer Stärke zukommt,
und wir werden alle Wege beschreiten, die gangbar sind, um dieses
Ziel zu erreichen.
Wir sind ein ruhiges und friedliebendes Volk. Wir haben es seit
1918 bewiesen. Eunuchen lassen wir aus uns nicht machen. Mit aller
Klarheit heben wir hervor, daß wir unsere souveränen
Volksrechte von niemandem bestreiten lassen. Wir bestehen auf
ihnen, weil eine Volksgruppe von mehr als 3 Millionen Menschen
auf die Organisation ihres Volkslebens nicht verzichten kann.
Davon abgesehen stellen wir noch fest, daß der Wortlaut
unserer Verfassung, insoweit er den Schutz der Minderheiten betrifft,
nicht mit den Friedensverträgen übereinstimmt. Die Berichtigung
bzw. Ergänzung dieser Stelle gehört zu den sudetendeutschen
Grundforderungen. Dabei verweisen wir auf den klaffenden Widerspruch,
der sich vor allen Dinge nach dem 18. Feber 1937 aufgezeigt hat,
zwischen den zwar kargen, aber klaren Bestimmungen der Friedensverträge
und der balkanischen Praxis, deren Opfer wir auf allen Gebieten
des Volkslebens geworden sind. Wir wissen, daß es im gegenwärtigen
Stande vor allem auf die Einsicht des èechischen Volkes
ankommt, das uns noch viel Leid zufügen könnte, wenn
es das für richtig hält. Aber wir gehen lieber zugrunde,
als auf die Pflege unserer deutschen Kultur und auf die Verwaltung
unserer eigenen Angelegenheiten zu verzichten, weil unsere Forderungen
tief sittlich begründet und natürlich sind. Über
unsere Stellung zum Staat entscheidet nicht der Wunsch. das Bedürfnis,
die Einstellung des èechischen Volkes, sondern die Notwendigkeit
unseres eigenen Daseins, nämlich unsere Aufgaben zu erfüllen
und unserer Pflicht zu leben. In der Hand des èechischen
Volkes liegt es, darüber zu entscheiden, ob wir friedlich
in gemeins amer Arbeit als Gleiche mit Gleichen zus ammenwirken
sollen. Es kann sein, daß die Leiden des Sudetendeutschtums
in den künftigen Jahren groß sein werden. Aber als
Sudetendeutsche fühlen wir, daß es wieder vorwärts
geht und daß die Zeit der hilflosen Ohnmacht zuende ist.
Unser Lebenswille ist wieder erwacht, keine Verfolgung, keine
Gewalt, keine Dragonade kann uns von unserem eisernen Willen abbringen,
wieder als freie Männer, welche mitreden. wo über sie
bestimmn+t wird, zu leben. Wir haben Sie schon wiederholt aufgefordert,
mutig herauszutreten, der Stimme Ihres innersten Gewissens zu
folgen und sich durch keine hergebrachten Ansichten oder gar Vorurteile
bestimmen zu lassen und jene dauerhafte Ordnung zu schaffen, die
ein friedliches Zus ammenleben ermöglicht. Jenen aber, denen
jeder Wille zum Verstehen und Vertragen fehlt, die den einzig
gangbaren Weg des èechischen Volkes darin sehen, uns Sudetendeuts
che zusammenzuknüppeln, die brutale Gewalt anwenden, um unsere
Lebensnotwendigkeiten zu beschneiden und uns um den ehrlichen
bürgerlichen Namen zu bringen, den wir uns durch Ruhe und
Ordnung redlich verdient haben, jenen, deren Staatsklugheit allein
darin besteht, sich sobald als möglich an unsere Stelle zu
setzen, denen rufen wir zu: Gebrauchet die Gewalt! Wo und wie
Ihr könnt! Aber die Folgen werden über Euch kommen,
über Euch und Euere Kinder! Heil Henlein! (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)