Hohes Haus! Vom Standpunkt der deutschen sozialdemokratischen
Arbeiterpartei und des deutschen Arbeiters begrüßen
wir selbstverständlich jeden Fortschritt in der Rechtsangleichung,
wenn er auch, wie das bei der gegenständlichen Vorlage der
Fall ist, in hohem Maße zunächst der slovakischen und
ungarischen Bevölkerung zugute kommt, für sie ein wesentlicher
Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustand ist. Wir begrüßen
diesen Fortschritt deshalb, weil er ein Bestandteil des allgemeinen
Fortschrittes ist, den wir wollen und der in unserem kulturellen
und sozialen Lebensinteresse gelegen ist. Dieses kulturelle Lebensinteresse
ist die Basis, auf der die Verständigung der Völker
in der Èechoslovakischen Republik erfolgen muß, die
diese Verständigung wesentlich erleichtert. Wir begrüßen
es aber auch deshalb, weil es sich hiebei um deutliche Beweise
des kulturellen Aufstieges der Arbeiterklasse handelt, der die
Voraussetzung dafür ist, daß die Schwierigkeiten, die
der engstirnige und rückfällige Nationalismus in einem
Staate, der von mehreren Nationen bewohnt wird, immer wieder herbeiführt,
überwunden werden, weil schließlich und endlich die
Lösung der großen Kulturfragen doch nur von einem kulturreifen
Europäertum kommen kann.
So notwendig und unbestreitbar das Bedürfnis nach Unifizierung
des bürgerlichen Rechtes ist, so ist doch die Zeit für
eine organische Fortentwicklung des bürgerlichen Rechtes
jetzt nicht besonders günstig. Vom grundsätzlichen Standpunkte
der deutschen Sozialdemokratie aus geht es nicht nur um die Unifizierung
oder um die Schöpfung neuer authentischer Texte, sondern
um die Bedachtnahme auf die großen Veränderungen, die
die wirtschaftliche und soziale Ordnung im Verlaufe der Jahrzehnte
durchgemacht hat, die dann wieder ihren Niederschlag finden müssen
in einer mode rnen Gesetzgebung. Die Veränderungen am sozialen
Körper haben auch das bürgerliche Recht geändert.
Es konnte ja die Entwicklung von mehr als einem Jahrhundert auch
am bürgerlichen Recht nicht spurlos vorübergehen. Das
derzeit geltende bürgerliche Recht wurde geschöpft gewissermaßen
in der historischen Geburtszeit unserer bürgerlichen Gesellschaft
überhaupt. Es ist richtig, daß es ein monumentales
Werk der bürgerlichen Rechtsschöpfung ist, daß
seine Fundamente unerschütterlich geblieben sind durch länger
als ein Jahrhundert und einige Revolutionen überdauert haben.
Die Schöpfer dieses Gesetzes konnten selbstverständlich
eine bestimmte Entwicklung nicht voraussehen. Die vorliegende
Novelle baut auf dem alten Bürgerlichen Gesetzbuch auf. Nach
unserer grundsätzlichen Einstellung sollen bei jeder Neuschöpfung
des Rechtes die großen und einschneidenden Veränderungen,
die sich im wirtschaftlichen und sozialen Leben vollziehen, ihren
Niederschlag finden. Allerdings ist unsere schwierige Zeit mit
ihren politischen Erschütterungen, mit ihren wirtschaftlichen
Umwälzungen, mit ihren Spannungen in internationaler, nationaler
und konfessioneller Hinsicht, mit ihrem Kampf um Kulturwerte kaum
dazu angetan, eine Rechtsschöpfung zustande zu bringen, von
der man sagen kann, daß sie ein halbes Jahrhundert im voraus
die Beziehungen der Menschen zu einander und das Recht der Menschen
zu regeln vermag.
In wesentlichen Teilen ist das derzeit geltende bürgerliche
Recht im Laufe seiner Geltung und Entwicklung Einschränkungen
unterworfen worden. Ich denke nur an das Privatrecht, an die handels-
und gewerberechtlichen Best immungen, an die Fülle wirtschaftlicher
Gesetze, die notwendig gewesen sind, um auf die allgemeine Entwicklung
Rücksicht zu nel en, an die große Zahl moderner arbeitsrechtlicher
Spezialgesetze, die den Einklang zu suchen haben zur Entwicklung
des modernen Individualismus und des Finanzkapitalismus. Die teilweisen
Novellierungen, die das bürgerliche Recht erlebt hat, waren
ja nichts anderes als der Versuch, dieser Entwicklung gerecht
zu werden.
Die Èechoslovakische Republik unternimmt die Unifizierung
des Bürgerlichen Rechtes und die Novellierung der Zivilprozeßordnung
inmitten einer im Umbruch befindlichen Welt, inmitten von Spannungen,
aber auch von Systemen, die mehrfach den Beweis dafür erbracht
haben, daß sie nicht willens sind, das geschriebene Recht,
das persönliche Recht zu respektieren, die die Verträge
zerreißen und das Rechtsbewußtsein und die Rechtlichkeit
untergraben. Deshalb kommt der Unifizierung des Bürgerlichen
Rechtes in der Èechoslovakei der Ch arakter einer geschichtlich
bedeutsamen Demonstration und eines Bekenntnisses zur Rechtsstaatlichkeit,
zum Recht überhaupt zu. Wir sind der Auffassung, daß
die Demokratie im gegenwärtigen Zeitpunkt sich selbst keinen
besseren Dienst zu erweisen vermag, als wenn sie in dieser Weise
vor aller Welt die Tatsache demonstriert, daß sie auf der
Rechtsauffassung fußt und dieser Entwicklung treu bleiben
will.
So sehr die Neukodifizierung selbstverständlich begrüßt
werden muß, so bedauerlich ist es, daß das Familienrecht
im vorliegenden Entwurf keine Aufnahme gefunden hat. Dadurch entsteht
eine bedauerliche Lücke im Entwurf, die aus Gründen
des Systems und wegen der engen Verwobenheit der familienrechtlichen
Bestimmungen mit dem übrigen Inhalt des Gesetzes zu vermeiden
gewesen wäre. Wir geben aber der Erwartung Ausdruck, daß
das Parlament hier doch noch einen Weg finden wird, um diese Lücke
auszugleichen. Selbst wenn man der Meinung ist, daß weltanschauliche
Gründe die Aufnahme des Eherechtes nicht opportun erscheinen
lassen, so ist doch nicht zu erklären, warum nicht jener
Teil des Familienrechtes in die Vorlage aufgenommen wurde, der
die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, als besonderes Recht
die Fragen der unehelichen Kinder und Pflegebefohlenen regelt.
Es bleibt auf diesem Gebiet bei der bisherigen Regelung und es
kommt dabei leider auch nicht zur Unifizierung.
Soweit das Arbeitsrecht in Frage kommt, tritt das Bürgerliche
Gesetzbuch in den Hintergrund. Es ist zu bedauern, daß das
Arbeitsrecht keine selbständige zusammenfassende Kodifikation
erfahren hat. Auf diese Weise bleibt der heutige Zustand, daß
die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in einer großen Zahl
von Gesetzen unübersichtlich zersplittert und zerstreut sind.
Die Widerstände dürften vorne hmlich auf politischem
Gebiet zu suchen sein, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß
bedeutsame sachliche Schwierigkeiten, vor allem die Rücksicht
auf die Vielgestaltigkeit der Arbeitsverhältnisse, einen
Behinderungsgrund darstellen. Aber in diesem Zusammenhang darf
darauf verwiesen werden, daß die formelle Geltung des Dienstbotenrechtes
einen Anachronismus darstellt, dessen Beseitigung unbedingt notwendig
ist. Vom materiellen Inhalt der veralteten Dienstbotenordnung
ist an sich nicht mehr allzu viel übrig. Das Dienstbotenbuch
ist abgeschafft, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unbestreitbar
für das Dienstverhältnis der Dienstboten gegeben. Die
arbeitsrechtlichen Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs könnten
ganz gut auf die Rechtsverhältnisse der Hausgehilfinnen angewendet
werden. Andere Staaten sind hierin auch in Sondergesetzen schon
vorausgegangen. Ich erinnere an das Hausgehilfinnengesetz in Österreich
und an die Landarbeiterordnungen, die allerdings eine landesgesetzliche
Regelung darstellen. Nach meiner Auffassung ist es hoch an der
Zeit, daß auch bei uns der Versuch gemacht wird, den Anachronismus
zu überwinden und für eine Modernisierung Platz zu schaffen.
Das vorliegende Gesetzgebungswerk, was in einer allgemeinen Beurteilung
gesagt werden kann, unstreitig auf anerkannter wissenschaftlicher
Höhe. Es bemüht sich um eine klare, oft im besten Sinne
volkstümliche Sprache. Es wird aber eine hervorragende Aufgabe
der Justizverwaltung bleiben, für eine mustergiltige sprachliche,
schöne und im Ausdruck klare Übersetzung in die Minderheitssprachen
vorzusorgen.
Grundsätzlich sprechen wir aus, daß die Vorlage neben
ihren Vorzügen allerdings auch Mängel aufweist, vor
allem das sie sich unbeschränkt und grundsätzlich auf
den Standpunkt der gegebenen gesellschaftlichen Tatsachen stellt.
Dem entspricht der Grundsatz des unbeschränkten Privateigentums,
der unbeschränkten Testierfreiheit und der Aufrechterhaltung
des gesetzlichen Erbrechtes, so wie es bisher bestanden hat, im
bisherigen Ausmaße. Der neue § 144 der Vorlage steht
wie sein Vorbild, der § 365 des alten Gesetzes, hinsichtlich
des Schutzes des Privateigentums weitaus orthodoxer da, als die
Bestimmungen des § 109 der Verfassungsurkunde, in der es
heißt, daß eine Enteignung nur gegen Entschädigung
möglich ist, soweit nicht durch ein Gesetz festgesetzt ist
oder werden wird, daß keine Entschädigung zu leisten
ist. Die Fiktion, daß jeder das Gesetz kennt, resp. zu kennen
hat, hält der Entwurf aufrecht. Das ist, wie wir hervorheben
müssen, eine antisoziale Norm, solange vor allem der ärmeren
Bevölkerung nicht hinreichend die Möglichkeit geboten
ist, von staatswegen Informationen und Aufklärungen über
Gesetze in weitreichendem Maße zu erlangen. Soweit das internationale
Privatrecht in Frage kommt, erscheint ein Vorbehalt im Interesse
des sogenannten Ordre publique dringend geboten, da die Èechoslovakische
Republik sich unmöglich der Gefahr aussetzen kann, daß
auf dem Wege über das internationale Privatrecht im Inland
No rmen zur Anwendung kommen, die den Grundsätzen der Èechoslovakischen
Republik als eines demokratischen Rechtsstaates widersprechen
und mit ihnen unvereinbar sind. Man denke beispielsweise an die
Nü rnberger Rassengesetze, die nach dem vorliegenden Entwurf
vorbehaltslos zu respektieren wären.
Auf dem Gebiete des Erbrechtes hält die Vorlage an der bisherigen
Ausschließung der unehelichen Kinder vom gesetzlichen Erbrecht
und demgemäß auch vom Pflichtteilsrecht gegenüber
dem unehelichen Vater und der Familie des Vaters fest. Die Bestimmungen
des Hauptstückes 34 über den Arbeitsvertrag befriedigen
uns nicht. Abgesehen davon, daß das Verhältnis zwischen
den arbeitsrechtlichen Sondergesetzen und den Normen des bürgerlichen
Gesetzbuches weder hier, noch im Einführungsgesetz klar geregelt
ist, muß insbesondere in der Art und Weise der Behandlung
der Kollektivverträge die entsprechende Rechtssicherheit
geboten werden. Mit der bloßen Definition des Kollektivvertrags
ist nichts gewonnen. Bei der Tatsache, daß auf Grund der
Verordnung Nr. 89/1935 über eine Million Staatsbürger
in ihrem Arbeitsverhältnis der Verbindlichkeit der Kollektivverträge
unterliegt, kann es das neue bürgerliche Gesetzbuch nicht
bei einer bloßen Verbeugung von der Institution der Kollektivverträge
bewenden lassen. Ja, die Bestimmung des § 982 ist geradezu
eine Gefahr für den Bestand der Kollektivverträge und
kollektivverträglichen Regelungen. Wir sprechen hier insbesondere
unsere Bedenken aus, daß unter schriftlicher Form das Erfordernis
der Unterschrift der Parteien zu verstehen ist. Es gelten heute
eine Unzahl von kollektivvertragsartigen Bestimmungen, Dienstordnungen,
Dienstpragmatiken, die nicht schriftlich in diesem Sinne abgeschlossen
wurden, die aus Gedenkprotokollen, Aktennotizen oder mündlichen
Vereinbarungen hervorgehen. Wenn darin ein formeller Mangel bestünde,
dann wären die Dienstverträge für Hunderttausende
in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit gefährdet. Der Entwurf
sieht leider auch die Unabdingbarkeit der Kollektivverträge
nicht vor. Das ist ein Rückschritt gegenüber der Norm
des § 4 der Verordnung Nr. 89/1935, deren ausdrückliche
Weitergeltung im Motivenbericht, nicht aber im Einführungsgesetz
statuiert ist. Auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechtes
sei darauf hingewiesen, daß die bekämpfte Rechtsvermutung
des § 1237 des ABGB abgeschafft wird, wonach im Zweifel der
Erwerb vom Manne herrührt. Die Vorlage ersetzt diese Rechtsve
rmutung durch die Präsumption, daß das, was während
der Ehe erworben worden ist, von beiden Ehegatten zu gleichen
Teilen erworben wurde. Es wird wahrscheinlich unsere Finanzbehörden
noch beschäftigen, um zu prüfen, welche Wirkung diese
Norm auf die Eingänge aus der Erbschaftssteuer haben wird.
Wenn, was noch statistisch zu prüfen ist, die Frau den Mann
in der Regel überlebt, würde die neue Bestimmung besagen,
daß ein großer Teil der erbgebührenpflichtigen
Übertragungen des Vermögens des Mannes auf die Witwe
von todeswegen der Besteuerung entgehen wird.
Bei den Beratungen im Verfassungsausschusse wird, soweit das Hauptstück
über den Schadenersatz in Frage kommt, im Interesse der unbemittelten
Volksschichten noch mancher Verbesserungsantrag zu stellen sein.
Wir streben an, daß die Bestimmungen über den Schadenersatz
für körperliche Beschädigungen verschärft
werden, damit derjenige, der mit seiner Familie auf seine Arbeitskraft
angewiesen ist, bei Schädigung oder Vernichtung seiner Arbeitskraft
wirklich volle Genugtuung erlangt, ohne im Beweisnotstand zu geraten.
Es ist trotz den Belehrungen im Motivenberichte nicht verständlich,
warum für solche Schadenersatzansprüche, die auf Grund
der §§ 1152 und 1153 entstanden sind, einen Anspruch
auf Schmerzensgeld im Gegensatz zu allen anderen Bestimmungen
nicht besteht. Schließlich sei noch darauf hingewiesen,
daß es zweckmäßig erscheint - was im Gesetze
nicht geschieht - die Zuständigkeit der Bezirksgerichte bei
vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 10.000 Kè
zu erweitern. Der Motivenbericht wendet dagegen ein, daß
die Bezirksgerichte überlastet sind. Hier ist die Frage aufzuwerfen,
ob nicht die Kreisgerichte zu entlasten sind und den Bezirksgerichten
mehr Richter zugewiesen werden sollten. Vom Standpunkte des rechtsuchenden
Menschen ist es sicher besser, wenn er in Streitigkeiten bis 10.000
Kè bei dem näheren Bezirksgerichte, das eine gründliche
Behandlung garantiert, sein Recht finden kann. Schließlich
kommt hinzu, daß auch der Wert des Geldes durch die Devalvation
herabgesetzt wurde, sodaß ein Betrag von 10.000 Kè
noch kein Streitobjekt sein muß, welches die Rechtssprechung
durch einen Gerichtshof unbedingt rechtfertigen würde.
Vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit wäre zu erwägen,
ob nicht die noch dringlichere Modernisierung des materiellen
Strafrechtes und des Strafprozeßrechtes zeitlich vor der
Einführung eines neuen Zivilgesetzrechtes in die Wege zu
leiten wäre. ImGegensatze zum Bürgerlichen Recht ist
das Strafrecht, insbesondere das materielle Strafrecht, inhaltlich
unzeitgemäß, äußerlich zersplittert und
unübersichtlich geregelt. Während bei dem bürgerlichen
Rechte in erster Linie das Streben nach Unifizierung und nach
einem authentischen èechischen Texte zutage tritt, tritt
im Strafrechte auch seine inhaltliche Unhaltbarkeit, Veraltung
und mangelhafte Übereinstimmung mit dem zeitgewäßen
Rechtsbegriffen hervor. Durch die Verhandlung des neuen Zivilgesetzbuches
und Zivilprozeßgesetzes ist die dringende Reform des des
Strafgesetzes wahrscheinlich aufgeschoben. Dies ist zu bedauern.
Es wäre daher trotz der erhöhten Schwierigkeit, die
für die Rechtspraxis entsteht, vielleicht in Erwägung
zu ziehen, ob nicht gleichzeitig mit dem vorliegenden Gesetzgebungswerk
auch das neue Strafgesetz in Kraft treten soll, zumal die Zivil-
und die Strafgesetzgebung in vieler Hinsicht zusammnmenhängen
und das eine Rechtsgebiet mit den Begriffen des anderen zu arbeiten
gezwungen ist.
Der vorliegende Entwurf ist das Werk gründlicher Arbeit hervorragender
Juristen, sowohl èechischer wie deutscher. Seine außerordentliche
Bedeutung ist schon daraus ersichtlich, daß das Parlament
ein besonderes Verfahren durch einen gemeinsamen Ausschuß
geschaffen hat und zum erstenmal vor der Ausschußberatung
eine allgemeine Aussprache im Plenum des Hauses stattfindet. Es
ist nur zu wünschen, daß sich unser parlamentarisches
System dieser Aufgabe mit der notwendigen Bewährung unterzieht.
Wir teilen nicht die juristische Illusion, daß die Gesellschaft
auf dem Gesetze beruht, weil wir wissen, daß das Recht nur
zum Überbau der ökonomischen Grundlagen der Gesellschaftsordnung
gehört. Worauf es aber ankommt ist, daß es sich hier
um einen justizpolitischen Fortschritt handelt, um die Vertiefung
des Rechtsgefühls, um die Stärkung der Demomokratie.
Es ist das Rechtsgefühl, das heute insbesondére in
deutschsprachigen Gebieten beinahe dauernd Verletzungen unterworfen
ist. (Posl. dr Neuwirth: Bravo!) Ja, ich denke nur daran,
was sich gestern abend in einer Versammlung in Nie dergrund bei
Warnsdorf ereignet hat, an die Tatsache, daß ein Volksvertreter,
ein Parlamentarier, an der Spitze von Ordnern in eine sozialdemokratische
Vers ammlung eindringt und sich nicht geniert, Kräfte auszulösen,
die mit gefüllten Biergläsern und Bierflaschen gegen
eine wehrlose Frau, eine Parlamentarierin, auf der Tribüne
losgehen. (Posl. dr Neuwirth: Ich werde eine Gegendarstellung
geben!) Wir verstehen, daß Sie das aufregt. Aber ritterlich
ist es nicht. (Posl. Birke: Ihr könnt von Ritterlichkeit
reden!) Es hat den Anschein, als ob die Nervosität, die
die Herren von der Sudetendeutsche Partei ergriffen hat (Výkøiky
poslancù sudetskonìmecké strany.), darauf
zurückzuführen ist, daß sie mit allen Mitteln
verhindern wollen, daß die deutsche Öffentlichkeit,
daß ihre Wähler die Wahrheit über die Möglichkeit
und die Wege der Verständigung der Nationen in diesem Staate
hören. Sie wollen verhindern, daß die Wahrheit ins
Volk dringt, daß irregeleitete Arbeiter, Bürger und
Bauern ihren verhängnisvollen Irrtum einsehen und erkennen,
zur Überlegung und Besinnung kommen, die gleichbedeutend
mit der Verurteilung ihrer Bewegung und der Abkehr von ihr ist.
Was wir wünschen, das ist die Achtung vor den Gesetzen und
vor den Spielregeln der Demokratie. Der neue Radikalismus, den
die Sudetendeutsche Partei entwickelt, ist ja allzu durchsichtig.
Er soll die Tatsache der Erfolglosigkeit Ihrer Politik verdecken,
meine Herren. (Výkøiky poslancù sudetskonìmecké
strany.) Schließlich liefert man dadurch wieder Stoff
für den Leipziger Sender, der von Unruhen im deutschen Siedlungsgebiete
der Èechoslovakischen Republik spricht. Aber die Organe
der demokratischen Republik werden gut tun, und sie werden das
wahrscheinlich auch besorgen, daß der friedliche unnd ordentliche
Gang der Entwicklung gesichert bleibt. Die sozialdemokratische
Arbeiterschaft wird ihre Kraft dafür einsetzen, daß
dieser Zustand der Rechtsverletzungen, die sich in der letzten
Zeit geradezu systematisch wiederholt hat, aufhört.
Die Leistung unseres Parlamentes kann in dem neuen Gesetzgebungswerke
für die Zukunft durchaus denkwürdig gestaltet werden,
womit es sich - und damit möchte ich schließen - wohltuend
in der gegenwärtigen schwierigen Zeit vom fascistischen Scheinparlamentarismus
anderer Länder abheben wird. (Potlesk.)