Úterý 21. ledna 1936
Hohes Haus! Wir haben in diesem Hause schon mehreremale auf die
unerträglichen Verhältnisse hingewiesen, die sich in
den deutschen Gebieten durch die Arbeitslosigkeit ergeben. Wir
haben wiederholt darauf hingewiesen, daß die staatliche
Arbeitslosenfürsorge so große Mängel hat, daß
wir sagen können: die Verhältnisse sind ganz einfach
unerträglich geworden. Wir haben bei vielen Gelegenheiten
darauf aufmerksam gemacht, daß unbedingt eine Neuordnung
des ganzen staatlichen Unterstützungswesens für Arbeitslose
platzgreifen muß. Wir haben dargelegt, daß man doch
nicht zwei oder drei Gattungen von Arbeitslosen nebeneinander
führen kann, vor denen die einen kaum soviel haben, daß
sie leben können, während die anderen so gestellt sind,
daß sie verhungern können und die dritten ganz einfach
verhungern müssen.
Sie haben uns im Herbst versprochen, daß für die Notstandsgebiete
besondere Hilfsmaßnahmen werden ergriffen werden. Sie haben
uns versprochen, daß vom November bis Feber in diesem Winter
neben den Czech-Karten und neben den kleinen Unterstützungen
nach dem Genter System für 600.000 Arbeitslose in den Notstandsgebieten
besondere Hilfsmaßnahmen erfolgen werden. Sie haben uns
versprochen, daß monatlich für jeden Erwachsenen über
14 Jahre 1 kg Kunstfett gegeben wird und für jede Person
unter 14 Jahren monatlich 1/2 kg Kunstfett. Während des ganzen
Hilfswerkes hatten Sie uns versprochen, daß jedem Erwachsenen
10 kg Weizenmehl und jedem Nichterwachsenen 5 kg gegeben werden.
Weiters sollte jeder Arbeitslose 1 Meterzentner Kartoffel bekommen
und 5 kg Gerstenmehl für Erwachsene und 3 kg für Jugendliche,
weiters 3 kg Zucker für Erwachsene, 2 kg für Jugendliche,
schließlich 2 kg Gerstenkaffee für Eewachsene
und 1 kg für Jugendliche.
Sie werden selbst ganz genau wissen, was von diesen versprochenen
Dingen bisher an die Arbeitslosen gegeben wurde. Etwas ist allerdings
gekommen - wir stehen nicht an, das hier öffentlich zu sagen
- die Arbeitslosen haben einmal zu Weihnachten Fett und Mehl bekommen,
aber inzwischen sind die Verhältnisse so schlimm geworden,
daß ich heute nur wiederholen kann, was wir schon hundertmal
gesagt haben: Unsere Arbeitslosen pfeifen auf diesen Bettel. Gehen
Sie doch endlich daran, ihnen statt dessen Arbeit zu geben! (Potlesk
sudetskonìmeckých poslancù.)
Ich brauche über diese Dinge nicht zu sprechen. Heute will
ich nur vier dringendste Forderungen, die die Arbeitslosen an
Sie zu stellen haben, vorbringen, vier Forderungen, die die primitivsten
Dinge darstellen, und ich sage Ihnen: Sie müssen diese Dinge
erfüllen, denn sonst weiß keiner mehr, was da draußen
aus diesen Arbeitslosen werden soll.
Die erste Forderung: Sie wissen sehr gut, daß dieser Nachweis
der dreimonatigen zusammenhängenden Arbeit zur Erreichung
der staatlichen Ernährungsaktion geradezu zu einer Unmenschlichkeit
sich ausgewachsen hat. Drei Monate soll jeder Arbeitslose ausweisen
nach der Regierungsverordnung, drei Monate zusammenhängender
Arbeitszeit, und dann kann er erst im Sinne dieser Verordnung
Arbeitsloser sein und dann kann er erst 10 Kè wöchentlich
bekommen, damit er nicht ganz verhungern muß. Nun, Sie wissen
genau, wie die Praxis draußen geführt wird. Wenn einem
nur zwei Tage fehlen zu diesem dreimonatigen zusammn enhängenden
Arbeitsnachweis, so kann er nie und nimmer in den Genuß
der Ernährungsaktion kommen und was das bedeutet, heute,
wo wir eine Arbeitslosigkeit hiaben, die schon seit 1927 währt,
was das beudeutet heute, wo so und so viele tausende Jugendlicher
nachgerückt sind, die noch nie das Glück hatten und
denen Sie noch keine Möglichkeit gegeben haben, durch Ihrer
Hände Arbeit das Brot zu verdienen, das wissen Sie selber
genau. Es ist höchste Zeit, daß diese unmenschliche
Verordnung des dreimonatigen Arbeitsnachweises, aber sofort, aufgehoben
wird. (Potlesk sudetskonìmeckých poslancù.)
Wie die Verhältnisse sind, will ich Ihnen an zwei Beispielen
zeigen. Wir haben im nördlichsten Böhmen oben zwei Industriegemeinden
knapp nebenêinander liegen. Georgswalde unnd Phiilippsdorf,
bêide haben zusammen ungefähr 10.000 Einwohner. 1928
waren in diesen beiden Orten 4700 Arbeitnehmer, heute zählen
wir in Georgswalde und Philippsdorf 3100 gemeldete Arbeitslose,
in einem Gebiet von ungefähr 10.000 Einwohnern! Dazu kommt
noch eine Zahl von Menschen, die sich nicht als arbeitslos melden,
ganz einfach, weil sie die Hoffnungslosigkeit dieser Meldung einsehen.
Und zum anderen kommen dazu noch 230 Jugendliche, die dieser Zahl
noch zugerechnet werden müssen. Von diesen 3100 Menschen
stehen im Genusse der Gewerkschaftsunterstützung 860 Personen,
die Czech-Karten beziehen 1570 Personen; also gibt es in
dem Ort allein 670 Arbeitslose, die ohne jegliche Unterstützung
sind, 670 Personen, die bei jehrelangem Zuwarten bis zum heutigen
Tage ohne jede Unterstützung vom Staate geblieben sind. (Rùzné
výkøiky.)
Jahrelang warten die Leute darauf, nur weil Sie eine Regierungsverordnung
da haben, die den Menschen und den Behörden unbedingt die
Verpflichtung auferlegt, nur den als Arbeitslosen anzuerkennen,
der drei Monate zusammenhängend seit 1929 gearbeitet hat.
Ein anderes Beisppiel. Zwickau, ein Ort von nicht ganz 5000 Einwohnern,
4800 und etliche. Dieser Ort zählt heute 2440 Arbeitslose
bei nicht ganz 5000 Einwohnern, und von diesen 2440 Arbeitslosen
beziehen 600-700 Czech-Karten und nicht ganze 600 stehen
in der Gewerk schaftsunterstützung. Also 1200 Personen von
den 2400 Arbeitslosen werden irgendwie unterstützt, während
1200 Personen in dem Ort da sind, die jeglicher Unterstützung
entbehren müssen. Ich sage Ihnen, das ist auf die Dauer unmöglich!
Seit 1927 wütet in Zwickau die Arbeitslosigkeit. Nichts ist
geschehen, um dieser zusammenbrechenden Industrie dort irgend
welche neuen Arbeitsmöglichkeiten zu geben, kein einziger
Staatsauftrag ist nach Zwickau gekommen. Ich sage Ihnen noch einmal,
es ist unmöglich, daß auf die Dauer das gut ausgehen
kann, wenn Sie diese Dinge weiter belassen. (Výkøiky
poslancù sudetskonìmecké strany.)
Ich sage Ihnen, die Zuweisungen der Lebensmittelkarten sind eben
derart unzureichend, daß wir nicht einmal 50% Arbeitsloser
in vielen Orten erfassen können, und weiters mußten
wir in den letzten Monaten erleben, trotz der vielen Erklärungen,
die hier in diesem Hause abgegeben wurden, daß die angeforderten
Czech-Karten, die von den Sozialkommissionen über
die Bezirksbehörden in den Bezirken angefordert wurden, den
Behörden nicht zugewiesen wurden, (Výkøiky
poslancù sudetskonìmecké strany.) damit
die Karten den Arbeitslosen gegeben werden. Wir können feststellen,
daß 15 bis 35, ja bis 40% der Karten, die von den Sozialkommissionen
angefordert wurden, ganz einfach nicht weitergegeben wurden, ganz
einfach nicht an die Arbeitslosen und die Behörden zugewiesen
wurden, daß es immer so war, daß in jedem Bezirk 200
oder 300 Leute ganz einfach keine Karten bekommen haben, die sogar
die staatliche und die gesetzliche Anerkennung erhalten hatten.
Da frage ich Sie: Ist das angängig in dieser unerhört
tragischen Zeit? Ich wiederhole es noch einmal, der dreimonatige
Arbeitsnachweis ist als eine Unmenschlichkeit zu kennzeichnen.
Die Lebensmittelkarten werden in unzureichender Weise zugewendet,
von den Fürsorgekommissionen auch unzureichend angesprochen
und von den angesprochenen Karten streichen Sie oben, in Ihrem
Prag bei den Zentralämtern, Monat für Monat 10 bis 35
% noch weg. Und Sie meinen, draußen die Leute werden sich
schon irgendwie kümmern können.
Diese ganzen Dinge wären viel einfacher, wenn Sie endlich
einmal den Mut hätten, die sozialen Kommissionen in den Organisationen
draußen, in den Körperschaften, neu zu bilden und neu
zu ernennen. Drauß en sitzen vielfach in den sozialen Kommissionen
Leute, die überhaupt kein Interesse mehr haben, wie es den
Menschen geht und welche Bezüge die Arbeitslosen draußen
erhalten.
Da ist die vierte Forderung, die wir haben. Wir haben seit einem
halben Jahr an die Bezirksbehörden Vorschläge für
die Ernennungen in die sozialen Kommissionen von den verschiedenen
Gewerkschaften gemacht. Bis heute sind vielleicht zwei Bezirksbehörden
die sen Vorschlägen nachgekommen und haben es der Mühe
wert gehalten, hier überhaupt eine Ernennung vorzunehmen.
Wenn wir hinaus kommen und bei den Behörden intervenieren,
so sagt man uns: Das liegt nicht an uns, sondern an der Landesbehörde!
Kommen wir auf die Landesbehörde, heißt es, es ist
der Auftrag vom Fürsorgeministerium da, daß Mitglieder
staatsfeindlich er Parteien nicht ernannt werden dürfen.
Es wäre höchste Zeit, daß Sie diese Einteilung
einmal aufheben würden, die Sie aus irgend welchen Gründen
heraus getroffen haben.
Da sind èechische Männer hinausgefahren, hatten den
Mut, einmal die sudetendeutschen Gebiete zu besuchen und die Verhältnisse
festzustellen. Hat denn all das, was Ihnen da erzählt und
was Ihnen da berichtet wurde, nur dazu gedient, damit Sie die
Not und das Elend und den Hunger registrieren können? Hat
das alles nur dazu gedient, daß Sie hier von der verantwortlichen
Stelle aus sagen konnten: "Jawohl, es stimmt? Es sind draußen
in den Notgebieten 70 % der Kinder unterernährt." Ja,
hat das nur dazu gedient, damit Sie das hier sagen können,
damit Sie heute dem ganzen Ausland sagen können; die Regierungsstellen
selbst geben die unerhörte Not in den Randgebieten, in den
deutschen Gebieten, zu, ohne daß Sie aber Maßnahmen
ergreifen würden, um eine entsprechende Abhilfe zu schaffen?
Sollen denn wirklich die Arbeitslosen Recht behalten, die heute
sagen: Die Regierung will uns verhungern lassen, sie kann uns
nicht mehr brauchen, weil sie sich keinen Rat mehr mit diesen
Arbeitslosen weiß! Sollen diese Menschen Recht behalten,
frage ich hier?
Ich habe nichts mehr dazu zu sagen. Erfüllen Sie heute diese
primitivsten Forderungen, die wir im Namen der Arbeitslosen zu
stellen haben, helfen Sie, aber helfen Sie rasch, damit Ihnen
der Fluch erspart bleibt, den heute die Arbeitslosen drauß
en auf den Lippen führen. [ ]. (Potlesk sudetskonìmeckých
poslancù.)