Støeda 27. èervna 1934

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 337. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 27. èervna 1934.

Øeè posl. dr Bachera (viz str. 13 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr geehrten Herren! Lloyd George hat im Laufe der Jahre seine Auffassung über die Schuld am Weltkrieg korrigiert und in einem seiner meist gelesenen Aufsätze beantwortete er die Frage nach der Schuld am Weltkriege dahin, daß die Nationen in den Krieg hineingeschliddert sind. Daran muß ich denken, wenn ich die Gesetzgebung der Republik in den letzten Jahren betrachte, die samt und sonders im Zeichen der demokratischen Entwicklung erfolgte und doch nichts anderes bedeutete als die geradezu systematische Demontierung, den systematischen Abbau der demokratischen Einrichtungen.

Es heißt immer: außerordentliche Verhältnisse, die Demokratie muß sich schützen. Sehr richtig! Die Demokratie hat durch die Verhältnisse in Italien, in Oesterreich, in Deutschland, in Polen, in Südslavien gelernt, daß sie auf der Hut sein und etwas unternehmen muß, um sich gegen jene Elemente zu schützen, welche die Argumente der Demokratie mißbrauchen, um sich selbst in den Sattel zu setzen und von da aus dann mit ihren Argumenten die Demokratie niederzukämpfen. Aber es bleibt die Frage offen: wie weit kann man in diesen Dingen gehen, wie weit kann man derartige Mittel benützen, wenn man nicht auf einem anderen Weg zu der Antidemokratie kommen will, die man zu bekämpfen meint oder vorgibt?

Meine sehr geehrten Herren! Wenn Sie mit solchen Mitteln die Demokratie verteidigen und ein Ermächtigungsgesetz und Schutzgesetz auf das andere häufen, so ist der größte Teil von Ihnen gewiß guten Glaubens, optima fide - das billige ich Ihnen zu - Sie haben sich eben schon derartig an das Plätschern in diesem antidemokratischen Gewässer gewöhnt, daß Sie es für selbstverständlich halten.

In der Verfassung ist der Grundsatz ausgesprochen: Die Freiheit der Presse ist gewährleistet. Wenn man die Überrülle der Gesetze, welche sich mit der Presse befassen, wirklich kennen will, ja wenn man sich darin nur auskennen will, so braucht man heute einen eigenen Hauslehrer, Lektionen muß man nehmen, um sich in den verschiedenen Beschränkungen und verschiedenen Fußangeln der Schutz- und Pressegesetzgebung überhaupt auszukennen. Es ist eine systematisch betriebene Bevormundung der Presse, die man hier, ohne daß auch eine Silbe der Verfassung geändert wird, vornimmt. Was ist, wenn wir uns auf Herz und Nieren prüfen, von der Freiheit der Presse, wie sie in der Verfassung enthalten ist, noch übrig? Und was bedeutet es: Sie ist gewährleistet? Wer gewährleistet denn noch die Freiheit der Presse, wer leistet diese Gewähr? Die oberste und letzte Instanz versagt in dieser Beziehung vollständig, das ist das Parlament. Wenn das Parlament den Sinn für den Wert der Preßfreiheit verliert, daß dann die Gerichte oder gar die Administra tivbehörden ihn behalten sollen, das ist allerdings zu viel verlangt. Die Wurzeldieses Verhaltens, der Wille dazu muß im gesetzgebenden Körper sein, der auch die Verwaltung kontrolliert, und dieser gesetzgebende Körper hat einfach den Willen und die Fähigkeit dazu, so scheint es, verloren.

Wenn ich von dem speziellen Gesetz sprechen soll, so sind zweifellos im Ausschuß Besserungen und Erleichterungen vorgenommen worden. Es ist immerhin erfreulich, wenn ein Ausschuß sich auf den Standp unkt stellt, daß er einen Text nicht in dem Wortlaut, wie er ihm von der Regierung präsentiert wird, schlucken muß, sondern wenn er sich herausnimmt, auch an diesem Text noch etwas zu ändern. Ich habe es erleben müssen, daß ich einmal, als ich in einem Ausschuß eine dringende Verbesserung an einem Gesetze verlangt habe, geradezu angefallen wurde, daß ich mir die Zumutung herausnehme, bei dem, was von der Regierung einmal schon einem Ausschuß vorzulegen beschlossen wurde, hier eine Änderung zu verlangen. Diesmal hat der Ausschuß Änderungen vorgenommen. Er hat einzelne Verbesserungen vorgenommen, für die ich ihm dankbar bin. Was ich mir nicht enibilde, ist, daß es einem der Pro- oder Kontraredner gelingen wird, von dieser Stelle aus, wo die Hauptdebatte über Wert und Unwert dieser Bestimmungen geführt werden sollte, auch nur die geringste Änderung herbeizuführen. Nichtsdestoweniger ist es vom praejudiziellen Standpunkte aus nicht unwichtig, über die Dinge zu sprechen, wenn schon aus keinem anderen Grunde, als daß einem nicht einmal der Vorwurf gemacht wird und werden kann, man habe in ernsten Zeiten Tendenzen gegenübergeschwiegen, die man nicht nur als nachteilig, sondern sogar als gefährlich hätte erkennen und bezeichnen müssen.

Heute ist es Mode, gegen die sog. liberalistischen Einrichtungen vom Leder zu ziehen. Man kämpft gegen den Liberalismus an, man kämpft gegen die liberalistischen Grundsätze an und weiß gar nicht, was die Welt diesem Liberalismus in politischer Beziehung zu verdanken hat. Man hat eben schon vergessen, was es bedeutet: Versammlungsfreiheit, was es bedeutet: Freizügigkeit, was es bedeutet: freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift. Der totale Staat, der jetzt Mode geworden ist, scheint alle diese Freiheiten fressen zu wollen, und wir in der Èechoslovakei, die wir uns so gerne als die Insel der Demokratie bezeichnen, wenn nach außen hin gesprochen wird, wissen gar nicht, daß unser Kahn schon flott und lustig in diesem Fahrwasser der totalen Staaten, der antidemokratischen und antiliberalen Strömungen, dahinsegelt. Was ist denn von der Versammlungsfreiheit geblieben? seien wir doch offen und ehrlich! Es wird alles danach bemessen, ob ein Vorgehen, eine Veranstaltung politischer Natur den Regierungsparteien angenehm oder unangenehm, bequem oder unbequem ist. Wenn eine Versammlung irgendwie unbequem zu werden scheint, so prüft man nicht erst lange, ob denn wirklich Ruhe und Ordnung gefährdet ist und ob dann nicht wirklich ein oder zwei Gendarmen oder Polizisten genügen würden, die Ordnung, wenn sie gestört werden sollte, herzustellen, sondern man erklärt ganz einfach, diese oder jene Tatsache, diese oder jene Veranstaltung wird die Ruhe und Ordnung stören und auf Grund einer derartigen Prophezeihung verbietet man darauf los. Niemand wird imstande sein, das, was ich hier sage zu widerlegen, weil ich das Gesagte nicht mit fünf, nicht mit zehn, sondern vielleicht mit hundert Beispielen, u. zw. aus den letzten Zeiten zu belegen vermag. Bitte schön, wollen wir keine Pressefreiheit, keine Versammlungsfreiheit: gut, so lassen wir es darauf ankommen, machen wir Wahlen, und wenn die Wahlen ein Parlament mit einer solchen Mehrheit zusammenbringen, welche sich gegen die Pressefreiheit, gegen die Versammlungsfreiheit entscheidet, nun gut, dann war es der Wille des Volkes. Aber im Namen der Demokratie immer wieder Abstriche machen an den Errungenschaften, die vom demokratischen Standpunkte als die höchsten zu bezeichnen sind, die dasjenige erhalten, was die demokratischen Staaten aus dem liberalen Gedankengut übernommen haben aus dem politisch-liberalen Gedankengut, halte ich für unstatthaft. Und das geschieht. Ich glaube, daß sich die meisten Menschen heute selbst betrügen, und gerade bei diesem Gesetz scheint es sich gezeigt zu haben; denn ein unmittelvarer Anlaß, das Gesetz zum Schutz der Republik und die preßgesetzlichen Bestimmungen zu verschärfen, war in der Èechoslovakei nicht vorhannnden. Auch der Herr Ministerpräsident - und zum Unterschied von vielen meiner Herren Abgeordnetenkollegen unterschreibe ich das Meiste, was der Herr Ministerpräsident im Verfassungsausschusse gesagt hat auch der Herr Ministerpräsident war nicht in der Lage, oder er hat es verschwiegen, einen unmittelbaren Anlaß anzugeben, weshalb heute in der Èechoslovakei die Schutzgesetzbestimmungen und die preßgesetzlichen Bestimmungen verschärft werden müssen.

Ich sehe eine Besserung darin, daß die ursprüngliche Bestimmung in den preßgesetzlichen Normen des Entwurfes, wonach die Bestimmung des älteren Gesetzes, auf ein Jahr seien die Einlschränkungen gedacht, jetzt hätte ersetzt werden slen durch "ewige Zeiten" - - weil die Einschränkung "auf 1 Jahr" hätte herausgenommen werden sollen - daß diese Art einer Korrektur wenigstens soweit abgeändert wurde, daß jetzt hineingesetzt worden ist: "für höchstens zwei Jahre". Aber auch das war durchaus unnötig. Länger als auf ein Jahr in Anbetracht der aufgeregten Verhältnisse die Ermächtigung der Regierung in dieser Beziehung auszudehnen. Und was an diesem Gesetz trotz der Verbesserungen, die der Ausschuß vorgenommen hat, in preßgesetzlicher Beziehung noch immer schwer zu beanständen ist, ist die Tatsache, daß der Redakteur für alles Mögliche zum Sündenbock gemacht wird und daß der Verleger die Kosten zu tragen hat für das, was die Regierung plakatiert wissen will.

Der Herr Berichterstatter hat einen Unterschied gemacht zwis chen "loyalen und nichtloyalen Blättern" und hat gemeint: "Loyal sind diejenigen Zeitungen, die das veröffentlichen, was ihnen die Regierung schickt, und illoyal sind die Blätter, die diese Veröffentlichung nicht vornehmen." Es wird also der Begriff der Loyalität und Illoyalität nicht vom Standpunkt des Staates genommen, sondern - was wir von Seite der Opposition immer beanständen - vom Standpunkt der jeweiligen Regierung. Loyal ist derjenige, der vor dem jeweiligen System, der jeweiligen Regierung sein Buckerl macht, illoyal ist derjenige, der dies unterläßt. Es ist für mich höchst charakteristisch, wenn ich betrachte, welche Parteien jetzt für diese Verschärfung und welche gegen diese Verschärfung des jetzigen Preßgesetzes auftreten. Dieselben Parteien, die, solange sie in der Regierung waren, solange sie also die schützende Decke derartiger Bestimmungen genieß en konnnnten, dieselben Parteien waren seinerzeit in den Jahren 1923/24 - ach Gott, wir haben ja dieser Schutz- und Preßgesetze, wie ich bereits gesagt habe, eine ganze Menge gehabt - ruhig für diese Gedankengänge zu haben! Kaum tritt aber eine solche Partei in die Opposition, so ändert sie ihren grundsätzlichen Standpunkt von einem Tag zum anndern. Das ist ein Moment, das eine Unehrlichkeit in die ganze Gesetzgebung hineinträgt. Die Parteien sagen nicht: "Das ist zweckmäßig und das ist unzweckmäßig, das ist grundsätzlich zulässig, das ist unzulässig", sondern sie ändern ihren prinzipiellen Standpunkt je nachdem, ob sie in der Regierung sind oder nicht, sie wechseln somit von einem Tag auf den anderen das Hemd ihrer Prinzipien. Und das ist eine Krankheit, die das Volk erkennen muß. So dumm sind die Menschen nicht, und wenn wir sie noch so sehr preßgesetzlich bevormunden. Das ist auch ein Grund, weshalb das Parlament von so vielen Menschen nicht mehr ernst genommen wird. Hören Sie doch die Leute draußen an: "Ach Gott, die Gesinnung dieses Mannes, dieses Poslanec, dieses Senators! Heute in der Regierung ist er für, morgen in der Opposition ist er gegen dieselbe Sache, für die er noch am Tage vorher war." Das hat sich wiederum bei der Behandlung dieses Gesetzes gezeigt, und ich bin überzeugt, daß so mancher der Herren Parlamentarier, die sich jetzt für dieses Gesetz aussprechen, wenn ihre Partei morgen in Opposition geht, den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen werden. (Zpravodaj posl. Richter: A ty oposièní strany, kdyby byly ve vládì, hlasovaly by pro!) In der Regierung sind sie dafür außerhalb der Regierung sind sie, weil es einne Beschränkung ihrer Freiheit bedeutet, dagegen. Das sind natürlich Verhältnisse, bezüglich deren man auch heute schon die breiten Massen der Bevölkerung, die soweit denkfähig ist, nicht mehr täuschen kann. Ich glaube, daß ein Staat, der auf die Firmatafel der Demokratie so große Stücke hält, sich sehr hüten müßte, bevor er mit solchen Gesetzen kommt. Ich bleibe dabei, daß angesichts der Unmasse von preßgesetzlichen Bestimmungen, wie heute jeder Redakteur, der das am eigenen Leibe erfahren hat, bezeugen kann, die vorgeschlagenen Paragraphen samt und sonders unnötig sind, es wäre denn, daß man gewisse Bestimmungen, die die Sittlichkeit betreffen, als angebracht hinnehmen kann, ebenso wie die Berechtigung einzelner Bestimmungen, die die Sensationslust und Sensationspresse behandeln, vom pädagogischen und volkserzieherischen Standpunkt allenfalls zugegeben werden kann.

Was den Zwang, Kundgebungen aufzunehmen betrifft, so läßt sich manches dazu sagen. Ich gebe zu und ich habe es auch immer zugegeben, nicht nur jetzt: es ist eine Misere der Presse, daß jeder Had erlump ein Blatt aufmachen und jeder hergelaufene Halderlump in eine Zeitung schreiben kann. Es ist nun einmal so. Das kann nur das zeitungskonssumierende Publikum ändern, wenn es seinen Geschmack danach einrichtet, wenn es eine schlechte Presse einfach zurückweist. Ob aber die Behörden dazu befugt sind, diese Pädagogik auszuüben, das ist eine sehr bestrittene Frage. Und ich wage auch die Frage aufzuwerfen, ob die Behörden geeignet sind, eine solche erzieherische Tätigkeit auszuüben, denn daß jemand schon damit, daß er seine juristischen Prüfungen gemacht hat, daß er in den Konzeptsdienst aufgenommen wurde, schon den Befähigungsnachweis erbringt, mit absoluter Gewalt darüber urteilen zu dürfen, was das Publikum les en und was es nicht lesen darf, ist jedenfalls eine, sagen wir problematische Frage. Schließlich stehen wir ja auf dem Standpunkt des allgemeinen Wahlrechtes, wir stehen auf dem Standpunkt, daß jeder, der das 21. Lebensjahr erreicht hat, zu einem hochbedeutsamen politischen Akt berufen wird, indem er auf die Gesetzgebung und Kontrolle der Verwaltung durch Abgabe seiner Stimme Einfluß nimmt. Und demselben Menschen lassen wir seine geistige Kost durch die Behören abzirkeln?

Ich könnte bei diesem Anlaß manches über die Zweckmäßigkeit der geistigen Absperrung der Reppublik von faszistischer, kommunistischer und undemokratischer Literatur sprechen. Vor einiger Zeit war es Herr Professor Rádl, der der Intelligenz den Vorwurf gemacht hat, daß sie sich um die nationalsozialistische Literatur nicht kümmere, daß sie also über Dinge urteilt, die sie nicht kennt. Ich werde gewiß nicht in den Geruch eines ex offo-Verteidigers einer nationalsozialisti schen oder kommunistischen Regierung kommen (Posl. Hadek: Das waren Sie bestimmt schon!) - Sie halten mich für einen Kommunisten? Sie irren, Herr Kollege wenn ich meinem Bedauern Ausdruck gebe, daß es einem so unendlich schwer gemacht wird, sich hier über diese Literaturen ein Bild zu machen. Die Sortimimenter dürfen diese Literatur nicht führen, sie dürfen sie nicht importieren. Nicht einmal mehr das Börsenblatt des Buchhandels kommt in die Èechoslovakische Republik. Tatsächlich gibt es viele gebildete Mensch en, die sich einfach mit diesen Gedankengängen nicht auseinandersetzen können, weil es ihnen durch die Maßnahmen der Verwaltung unmöglich gemacht wird. Wir sind heute sowohl in Österreich wie in Italien, wie in der Èechoslovakei und in Deutschland durch die Mauer, die die Administrative um das geistige Leben errichtet, abgesperrt, und die Folge ist, daß die Völker mit der Zeit von einander eigentlich nichts mehr wissen werden, außer gewissen offiziellen und Regierungskundgebungen, aber auch diese erfahren sie nur in jenem Ausmaß und durch jene Stellen, welche die betreffenden amtlichen Pressebureaus dem Zeitungsleser vorzusetzen für gut befinden. Für einen administrativen Beamten ist es ja wunderbar leicht, ein forscher, schneidiger Kerl zu sein. Wir haben ja kein Gesetz, wonach ein Beamter einen materiellen Schaden, den er verursacht, zu ersetzen hätte. Wenn er darauf loskonfisziert, nun Gott - hat er einen wohlwollenden Vorgesetzten, der ein Freund einer schneidigen Konfiskationspraxis ist, so wird er belobt; hat er ein bißchen zu viel konfisziert und so einem oder mehreren Verlegern einen Schaden von vielen Tausenden zugefügt, so sagt die vorgesetzte Behörde im besten Falle: "Nun, lieber junger Mann, nächstens müssen Sie nicht so scharf sein!" Damit ist für ihn die ganze Sache eigentlich erledigt.

Wie ist es denn mit unserer Judikatur in Preßangelegenheiten? Ich kann nur aus eigenen Erfahrungen sprechen und nur hinzufügen, daß meine Erfah rungen auch von anderen Kollegen aus der journalistischen Welt bestätigt werden. Wenn von der administrativen Behörde eine Konfi skation ausgesprochen wird und darauf ein gerichtliches Verfahren erfolgt, so kann man nicht 100:1, sondern 500:1 darauf wetten, daß diese Konfiskation von den Gerichten bestätigt wird. Woher dieser Wind seit Jahren weht, weiß ich nicht. Ob hier eine Weisung vorliegt, weiß ich nicht. Was ich weiß, ist die Tatsache, daß eine Konfiskation nach journalistischem Empfinden noch so ungerecht und widersinnig sein kann, es kann doch mit größter Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, daß die Gerichte die Bestätigung dieses Konfiskationserkenntnisses aussprechen werden. So ist heute die ganze Presse den Adminisistrativbehörden ausgeliefert und die Gesetzgebung schreitet nun, wie ich nochmals wiederhole, in diesem Falle ohne unmittelbare Veranlassung dazu, diese Tendenzen noch weiter zu verstärken.

Im verfassungsrechtlichen Ausschuß wurde davon gesprochen, daß unsere Presse nicht auf der Höhe ist, daß sie keineswegs im Gesamtdurchschnitt jenes Niveau aufweist, das man wünschen würde. Ich behaupte, daß die Presse in der Èechoslovakei keine ausgesprochen schlechte ist, wenn man sie mit der Presse anderer Länder vergleicht. Sie ist angesichts der Tatsache, daß wir in einem kleinen Mittelstaat leben, etwas engstirnig, sie befaßt sich weniger mit der großen Außenpolitik, sie hat, wenn ich als Journalist spreche, den großen Fehler, daß sie, wenn über parlamentarische Ereignisse berichtet wird, sich regelmäßig nur um die Reden der eigenen Richtung, der eigenen Partei kümmert, nicht um die Äußerungen anderer Parteien, so daß der Leser kein vollständiges, kein richtiges Bild bekommt. Aber ich muß etwas hinzufügen, und das ist gewiß nicht unwichtig, vom Standpunkt der Tendenz dieses Gesetzes. Eine gute Presse kostet sehr viel Geld. Warum? Weil sie eine gute ausländische und inländische Berichterstattung haben muß. Eine Reportage, ein verläßlicher Informationsdienst ist aber ungemein teuer. Nun frage ich Sie: Welcher Mensch wird sich bei dieser Gesetzgebung dazu bereit finden, eventuell Millionen in ein Zeitungsunternehmen hineinzustecken, wo er Gefahr läuft, daß die Konfiskations- und Gerichtspraxis diese Zeitung einfach ruiniert oder wenigstens mit ein paar Erkenntnissen ruinieren kann? Denn stellen Sie ein noch so gutes Blatt auf 6 Monate ein, so verlaufen sich die Abonennten und Inserenten und Sie können dann sehen, wo das in die Zeitung investierte Geld bleibt. Man kann sagen, daß das ein kapi talistischer Standpunkt ist. Ich antworte darauf: "Wer immer eine Zeitung macht, ob ein Privatm ann oder eine von ideellen Gesichtspunkten geleitete Gruppe, stets bleibt das Faktum bestehen, daß ohne Geld eine Zeitung icht zu machen ist." Sie verscheuchen das Kapital durch eine solche Gesetzgebunng naturgemäß von der Beteiligung an einer Zeitung. Was Sie also auf der einen Seite vielleicht durch Einschränkung der Sensationen usw. bessern, das nehmen Sie auf der andern Seite wieder weg, weil Sie den Leuten, welche eine Zeitung machen wollen, einfach die Lust dazu nehmen.

Wenn von der Gleichschaltung der Presse gesprochen wird - wir brauchen nicht immer so große Worte zu benützen, die die Begriffe nur verwirren, - aber wenn wir einmal dahin gelangen, daß jeder Minister seine Kundgebungen einem Blatt aufzwingen kann, sagen wir im Ausmaß von einer Spalte, so kommen wir doch diesem Begriff mehr oder weniger nahe. Das wird die Praxis sehr bald erweisen. Was erreicht man damit? Wenn die Regierung ihre Kundgebungen in die breiteste Öffentlichkeit bringen will, so hat sie die Möglichkeit, zu einem Mittel zu greifen, das sich in den Weststaaten ausgezeichnet bewährt hat, nämlich zur Plakatierung. Wenn sie überall eine Kundgebung plakatiert hat, so wird sie der größte Teil der Bevölkerung zweifellos zur Kenntnis nehmen. Natürlich kostet diese Plakatierung Geld. Was machen aber Sie? Sie legen dem Verleger die Pflicht auf, unentgeltlich solche Kundgebungen setzen und drucken zu lassen, sie legen sosomit den Zeitungsverlegern eine Sondersteuer auf, die andere Bevölkerungsgruppen nicht trifft. Ich halte von dieser Art der zwangsweisen Veröffentlichung sehr wenig. Die Regierung Brüning hat das versucht, sie hat damit kläglich Schiffbruch gelitten, aber wenn Sie meinen, daß das ein ausgezeichnetes Mittel ist, bitte, der Versuch wird ja zeigen, wohin wir damit kommen! Jeddenfalls wird die jeweilige Regierung außerordentlich damit zufrieden sein, wenn ihr einige hundert Exemplare überreicht werden, wo ihre Kundgebungen abgedruckt sind. Allerdings wäre zu fordern - und ich habe erwartet, daß wenigstens dies in das Gesetz aufgenommen werde - daß wenn einer Zeitung die Kundgebung einer Regierung übermittelt wird, die Sprache der betreffenden Zeitung soweit respektiert wird, daß dem Blatt nicht noch die Verpflichtung auferlegt wird, die Übersetzung dieser Erklärung oder Kundgebung selbst auf eigene Gefahr vorzunehmen. Diese Bestimmung fehlt in dem Gesetz; ich nehme freilich an, daß dies durch ein Versehen ausgelassen wurde.

Und nun lassen Sie mich auch noch etwas über den § 18 a) sprechen, wo die Rede davon ist, daß Mitteilungen aus vertraulichen Sitzungen nicht in die Presse gebracht werden dürfen. Ich sehe hier eine Unterscheidung zwischen Absatz 1 und Absatz 2. Im Absatz 2, wo die Rede davon ist, daß irgendeine Kundmachung fälschlich als Entschließung, Vorkehrung oder Kundgebung der angeführten Regierungsfaktoren hingestellt wird. Wenn sich herausstellt, daß die Behuptaung nicht wahr ist, so wird der Redakteur nur dann verfolgt, wenn bei ihm subjektives Verschulden vorliegt. Also im Gesetz steht ganz richtig: "aèkoliv vìdìl, že je zcela nebo z èásti nepravé, nebo mìl dostateèné dùvody za nepravé je pokládati". Dieses subjektive Verschulden ist nun im Absatz 1 nicht enthalten. Es kann sich also Folgendes ereignen: Es findet eine Ausschußsitzung statt. Der Ausschuß wird als vertraulich erklärt. Ein Abgeordneter oder ein Mitglied der Regierung kommt zu spät und hat also nichts gehört, daß die Sitzung als vertraulich erklärt wurde. Er geht während der Sitzung wieder hinaus, und draußen steht nun ein Journalist und er erzählt nun diesem Journalisten: "Hören Sie zu, was sich da im Ausschuß ereignet hat." Wir können aber auch annehmen, daß der betreffende Abgeordnete wußte, die Sitzung sei vertraulich und er hätte trotzdem dem Journalisten die Mitteilung gemacht. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.) Nun wird der Journalist - und das weist die ganze Tendenz dieser preßfeindlichen Gesetze, wie nicht leicht eine andere Bestimmung - nun wird dieser Journalist bestraft. Es wird also nicht etwa derjenige bestraft, der den Vertrauensbruch begangen hat, sondern ein Journalist, der weder wußte, noch wissen konnte, daß es sich um eine vertrauliche Mitteilung gehandelt hat. Warum? Weil im Absatz 1 des § 18 a) nicht wie im Absatz 2 gesagt ist "aèkoliv vìdìl, že je zcela nebo z èásti nepravé usw." Das ist entschieden ein Mangel des Gesetzes und wenn man es wirklich ehrlich mit dem Journalissten meint, so wäre noch in der letzten Stunde auf diesen Mangel nach dem Gesichtspunkt des subjektiven Verschuldens hin eine Korrektur vorzunehmen. Ich gebe mich allerdings in dieser Beziehung sehr wenig einer Hoffnung hin, halte es aber doch für erforderlich, auf diese Angelegenheit hinzuweisen. Eine Strafe - und das habe ich im Verfassungsausschuß, allerdings leider, wie ich sehe, ganz vergeblich - betont, daß eine Strafe bis zu 5000 Kè und drei Monaten viel zu hoch für einen Journalisten ist, der einer Berufsschicht angehört, die heute zu Gehalten - ich brauche ja nicht gerade an die Wolf-Presse mit dem Monatsgehalt von 500 Kè zu denken - von 800, 1100 und 1500 Kè monatlich arbeitet. Das ist doch eine ganz überflüssige Schärfe. Wenn Sie derartig hohe Strafen bei Menschen mit groß em Vermögen, mit großem Einkommen, statuieren, so mag das seine Berechtigung haben. Aber den kleinen Journalisten gegebenenfalls gleich bis zu 5000 Kè zu verurteilen, das ist zu hart, und das Gesetz hätte die gewollte abschrekkende Wirkung auch erzielt, wenn dort nicht 5000 Kè und 3 Monate stünden, sondern 3000 Kè und 2 oder 1 1/2 Monate. Aber der ganze vexatorische Zug in diesem Hause, doch nur immer im Journalisten den Sündenbock zu sehen und zu glauben, es müsse jedes Jahr ein neues Gesetz gegen die Presse erlassen werden, um die gerade am Ruder befindliche Majorität zu schützen, führt natürlich dann auch zu solchen Strafbestimmungen; und wenn jemand für die Absichten der Majorität, die Preßfreiheit abzuschnüren, einen Beweis sucht, so ist es diese Summe von 5000 Kè, die man hier den armen, zu 95% elend bezahlten Journalisten zugedacht hat. Ich habe im verfassungsrechtlich en Ausschuß einen Antrag eingebracht, diese Ziffer herabzusetzen, in der Meinung, es sei in der Eile, durch einen Irrtum, eine solche Summe angesetzt worden; es ist aber nichts dergleichen erfolgt und die 5000 Kè sind im Gesetz stehen geblieben. (Posl. dr Rosche: Sie sollten sich versichern lassen, Dr. Bacher!) Dann kommt doch sofort ein Gesetz gegen diese Versicherung!

Meine Herren! Es ließe sich in diesem Zusammenhange über das ganze Fahrwasser, in dem wir jetzt segeln, manches sagen. Aber es nützt nichts. Ich sehe, diese ganze Denkweise wird so lange anhalten, bis allen Menschen, nicht nur hier, sondern auch in Deutschland, in Österreich, in Italien, vor diesen totalen Staaten mit Maulkörben, mit ihrer Abschnürung jeder Freiheit des Denkens und Sprechens, bis zum Kotzen übel wird. Ich bin ganz überzeugt davon, daß diese Zeit kommen wird. Der popolitische Liberalismus wird wieder auferstehen! Die menschliche Natur wehrt sich doch dagegen, daß ihr immer, und noch dazu unter der Vorspiegelung einer neuheranbrechenden Zeit des Heiles, immer neue Schranken auferlegt werden, daß immer neue Stacheldrahtzäune um sie gelegt werden, daß ihr neue Knebel in den Mund gesteckt werden! Das wird vorübergehen. Und es wird eine andere Zeit kommen, und diese Preßgesetze werden ebenso verschwinden, wie sie gekommen sind. Das, was ich nur bedauere, ist, daß ich fürchten muß, daß unsere Generation diese bessere Zukunft nicht mehr erleben wird, daß sie vielleicht dazu verurteilt ist, noch neue Auflagen dieser Gesetze zu erleben, durch die die Demokratie so lange geschützt und gerettet wird, bis nichts von ihr mehr übrig bleibt.

Meine Herren! Das, was wir jetzt mitmachen, ist therapeutisch gesprochen eine Entziehungskur der Demokratie in einer Heilanstalt, die die Überschrift trägt: "Zum Demokraten". Und wir sehen, daß dieses Sanatorium vorläufig leider noch immer einen sehr ansehnlichen Zulauf hat. Ein Herr Støíbrný muß auftreten, um vor dem weiteren Betreten dieses Sanatoriums zu warnen; das erscheint mir einigermaß en paradox. Weil wir aber schon bei der Medizin sind, möchte ich damit schließ en, daß ich sage: Diese Art demokratischer Therapie erinnert mich an einen Chirurgen, dem es einmal passiert ist, daß er das Operationsmesser im Bauch eines Patienten vergessen hat. So kann es einmal uns ergehen, wenn wir in dieser Gesetzgebung fortfahren. (Potlesk.)

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