Sobota 2. prosince 1933
Hohes Haus! Wir sind heute in die Behandlung der wirtschaftlichen Kapitel des Budgets eingetreten. Die Republik steht in der Tat vor einer ganzen Reihe auß erordentlich schwieriger und dringlicher Fragen. Diese Fragen werden umso dringlicher und umso empfindlicher, je schwieriger sich die auß enpolitische Situation in Europa gestaltet. Eines wissen wir seit den Vorkommnissen in der letzten Zeit, daß die Republik schon lange nicht in einem so hohen Maße auf sich selbst gestellt war wie heute, wo der Völkerbund so schwere Stöße von verschiedenen Seiten erlitten hat. Soll die Republik in dieser außenpolitischen Situation dieser schwierigen Fragen Herr werden, so bedarf sie in erhöhtem Maße der Konsolidierung nach zwei Seiten hin, der wirtschaftlichen ebenso wie der politischen Konsolidierung. Weil wir uns im Rahmen der wirtschaftlichen Kapitel auch mit dem Ministerium für soziale Fürsorge zu befassen haben, müssen wir uns dessen bewußt sein, daß wir die sozialpolitischen Errungenschaften, auf die wir in diesem Staate mit Recht stolz sind - obzwar es auf diesem Gebiete noch sehr viel zu schaffen gibt - nur dann behaupten und weiter entwickeln können, wenn wir den Staat und seine Wirtschaft gesund erhalten. Denn auch sozialpolitisch kann eine Wirtschaft nicht mehr leisten, als ihre produktiven Komponenten gestatten.
Zu den dringlichsten Fragen gehört, wie mit Recht hervorgehoben wird, ein Einvernehmen zwischen Landwirtschaft und Industrie, wobei wir allerdings wünschen möchten, daß zu den Verhandlungen zwischen diesen beiden Gruppen, deren Ergebnis für unsere ganze Handelspolitik von so einschneidender Bedeutung ist, nicht allein die Großindustrie herangezogen wird, sondern auch gerade die in der letzten Zeit zu solcher Bedeutung gelangte mittlere Industrie, und daß die Verhandlungen nicht auf die Vertreter einer einzigen, der èechischen Nation beschränkt bleiben, sondern auch Vertreter der deutschen Industrie und Landwirtschaft zugezogen werden, die sich ja, was Qualität, Niveau dieser Berufszweige anlangt, vor den èechischen Repräsentanten keineswegs zu verstecken brauchen, so daß sie ein Anrecht haben, bei derart entscheidenden Entschließungen mitzuwirken.
Wir müssen auch wünschen, daß unsere Handelspolitik solche Wege einschlägt, daß sie nicht von anderen Staaten überholt wird. Meiner Ansicht nach war die Nichtanerkennung Sowjetrußlands ein Fehler, der uns viele Hunderte von Millionen gekostet hat. Es wäre zu wünschen, daß wir zu Sowjetrußland in ein ähnliches Verhältnis treten, wie es andere Staaten längst getan haben, das uns ermöglicht, an den Geschäften mit Sowjetrußland im Interesse unseres Exports entsprechend zu partizipieren und nicht davon ausgeschlossen zu werden. Denn wenn wir auch heute mit einer gewissen Befriedigung feststellen können, daß die Arbeitslosigkeit in den Herbstmonaten nicht weiter gewachsen ist, wie es sonst dieser Jahreszeit entsprechen würde, so ist doch die Zahl unserer Arbeitslosen so erschreckend groß, daß wir kein Mittel unversucht lassen dürfen, um den Menschen Arbeit und Brot zu geben.
Es wurde viel davon gesprochen, daß wir das letzte Deflationsbudget haben. Ich glaube, wir dürfen uns auf diesen Begriff nicht festlegen, sondern müssen den Mut haben, den Verhältnissen klar in die Augen zu schauen. Es ist für die èechoslovakische Wirtschaft eine ungemein schwere Aufgabe, folgenden Anforderungen gerecht zu werden: Auf der einen Seite die Stabilität der Krone zu erhalten, auf der anderen Seite auch für den Fall konkurrenzfähig zu bleiben, als andere Staaten - und ich denke hier vor allem an die Staaten des Pfundblocks, ferner an Nordamerika und an Japan - ihre Währungen weiter senken sollten. Denn wollen wir unsere Währung im Verhältnis zum Gold stabil erhalten und gleichzeitig mit den devalvierenden Staaten konkurrieren, so bleibt uns nichts anderes übrig, als billiger zu werden und dieses Billigerwerden heißt die Preise der Waren senken, bedeutet aber auch, die einzelnen Faktoren zu senken, welche die Kosten der Produktion dars tellen. Die Preise der Waren, die Gehälter und Löhne wie auch die Währung aufrecht zu erhalten und mit der Devalvierung zu konkurrieren, ist wohl unmöglich. Hier gibt es nur ein Entwederoder. Was die Währung selbst anlangt, so würde ich vor Devalvierungsexperimenten im Sinne des englischen Beispiels entschieden warnen, denn die èechoslovakische Krone ist meiner Ansicht nach doch noch eine viel zu junge und noch nicht tief genug eingewurzelte Währung, als daß man sich zu größeren Experimenten entschließen dürfte. Was aber ohne größeres Risiko gemacht werden kann, ist meiner Ansicht nach das Abgehen von der obligatorischen 35 %igen Golddeckung. Ich bin der Ansicht, daß der Glaube an die èechoslovakische Krone heute doch stark geung ist, daß - selbstverständlich bei entsprechender Vorbereitung und Informierung der Bevölkerung - die obligatorische 35%ige Golddeckung zugunsten einer niedrigeren, beispielsweise 25% igen Golddeckung verlassen werden könnte, ohne daß sich die Kaufkraft der Krone im Inland auch nur um das Geringste ändern würde. Außerdem werden wir nicht umhin können, neue Kreditmöglichkeiten zu schaffen, und ich habe zu meiner Befriedigung gehört, daß das Finanzministerium daran ist, derartige Wege zu prüfen.
Neben der wirtschaftlichen Konsolidierung, der wir durch das Zusammenfassen aller Kräfte und durch Verständigung der einzelnen Faktoren der Produktion zustreben müssen, ist aber auch die politische Konsolidierung des Staates eine unumgängliche Notwendigkeit, wenn wir uns in diesen schweren Zeiten anderen Staaten gegenüber behaupten wollen. In dieser Beziehung muß ich sagen, daß ich über die gestrige Rede des Herrn Abg. Hatina erstaunt bin. Ich bedauere diese Ausführungen des Herrn Koll. Hatina, die sich auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Èechen bezogen haben. Erstaunt bin ich deshalb, weil er ausdrücklich im Namen seiner Partei gesprochen hat, deren hervorragenste Exponenten wiederholt hervorgehoben haben, daß eine friedliche Zusammenarbeit der Völker eine Voraussetzung der gedeihlichen Entwicklung unseres Staates bildet. Ich bedauere seine Ausführungen, weil sie zu jenen Reden gehören, die jenen die Arbeit erschweren, die das Ziel verfolgen, eine Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens herbeizuführen.
Der Herr Abg. Hatina hat eine Reihe von konkreten Beschwerden über das Verhalten der deutschen Bevölkerung oder eines Teiles der deutschen Bevölkerung angeführt. Soweit er konkrete Fälle angeführt hat, handelt es sich darum, diese Fälle zu beweisen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Loyalität gegenüber unserem Staate eine Bürgerpflicht ist und daß zu diesen Bürgerpflichten au ch die Achtung voor den Symbolen des Staates gehört. Hat sich jemand dagegen vergangen, so soll die Gerechtigkeit ihres Amtes walten und wir dürfen es nur wünschen und begrüßen, wenn der Herr Innenminister Gelegenheit nähme, von dieser Stelle aus zu erklären, was bezüglich der Behauptungen des Abg. Hatina als richtig und was als unrichtig festgestellt wurde. Aber der Herr Abg. Hatina hat sich keineswegs auf die Darlegung von konkreten Beispielen beschränkt, sondern ist ins Allgemeine gegangen. Es tut mir außerordentlich leid, daß er gerade in der jetzigen Zeit, wo wir glaubten, daß sich ein besseres Verhältnis zwischen den beiden Nationen anbahne, zu dem Mittel der Pauschalverdächtigung gegriffen hat, die erfahrungsgemäß die geeignetste Methode ist, die Atmosphäre zu vergiften und dahin zu wirken, daß manches, was sich an gegenseitigem Verständnis anbahnt, wieder verschüttet und begraben wird. Er hat beispielsweise die gemischten Ehen der Staatsbeamten besprochen und dabei charakteristischerweise hervorgehoben, daß er es nicht nur als eine Gefahr ansieht, wenn der Finanzbeamte mit einer deutschen Ausländerin vermählt ist, sondern auch, wenn er mit einer deutschen Inländerin verheiratet ist. Ich glaube, daß von dieser Tribüne von einer Gefahr, wenn ein Staatsbeamter mit einer Deutschen vermählt ist, denn doch nie gesprochen werden dürfte und was die Ausländerinnen anbelangt, so ist mit der Tatsache, daß die Frau eines Staatsbeamten eine Reichsdeutsche ist - und nur eine solche kann unter der Ausländerin gemeint sein doch noch keineswegs gesagt, daß sie nicht eine ergebene Bürgerin unseres Staates sein könnte, oder gar daß sie in staatsbürgerlicher Beziehung einen ungünstigen Einfluß auf ihren Mann ausüben müßte.
Es wurde auch hervorgehoben, daß verboten werden sollte, daß die Frauen von Steuerbeamten über die Grenze hinüberfahren. Ja, kann man es denn einer Frau verargen, wenn sie zu ihren Angehörigen auf Besuch fährt? Die bloße reichsdeutsche Staatsbürgerschaft ist doch noch keinesfalls etwas, woraus hervorgeht, daß ihre Angehörigen unserem Staate feindlich gesinnt sein müssen? Ausführungen dieser Kategorie sind Musterbeispiele jener Pauschalverdächtigungen, die nur Verbitterung und Verärgerung hervorrufen müssen, die niemandem nützen und nur Schaden bringen.
Der Herr Abg. Hatina hat sich aber auch mit den deutschen Steuerbeamten befaßt und schwere Beschuldigungen pauschaliter gegen die deutschen Steuerbeamten erhoben. Ich hebe das hervor, weil ich immer auf dem Standpunkt stehe, daß dann, wenn eine konkrete Tatsache vorliegt, diese untersucht werden und daß dann das Ergebnis der Untersuchung entscheiden soll. Aber zu behaupten, daß die Steuerbeamten draußen in Deutschböhmen, Deutschmähren und Schlesien durch Abschreibungen den Staat um hunderte Millionen gebracht haben, nur um den Fiskus zu sabotieren, ist eine Verdächtigung, die mit der größten Entschiedenheit zurückgewiesen werden muß. Meine Herren, die Spatzen pfeifen ja das Gegenteil vom Dach. Wie ist es denn mit den deutschen Steuerbeamten draußen? Der Herr Finanzminister sitzt hier und wird sicherlich eher imstande sein, meine Ausführungen zu bestätigen als die des Herrn Abg. Hatina, selbst wenn ihm dieser parteipolitisch näher steht. Soweit schätze ich die Objektivität des Herrn Finanzministers. Wir wissen sehr gut, daß es keine strengeren Beamten in der Steuervorschreibung sowohl wie in der Steuereintreibung draußen gibt, als die Deutschen, und es ist mir nicht nur einmal sondern wiederholt vorgekommen, daß Industrielle und Kaufleute draußen sagten: "Uns wäre es eigentlich lieber, wenn wir einen èechischen Beamten hier hätten, weil sich der èechische Beamte vor seiner Behörde nicht so fürchtet und daher den tatsächlichen Bedürfnissen mehr Rechnung zu tragen bereit ist, als die deutschen Beamten, die am Buchstaben des Gesetzes und der Erlässe festhalten, weil sie jeden Tag vor einer Denuntiation zittern." So steht es mit den deutschen Steuerbeamten, und was die übrige deutsche Staatsbeamtenschaft anbelangt, so wurde wiederholt an den verschiedensten Stellen erklärt, daß die deutsche Beamtenschaft, namentlich auch in den Wirtschaftsbetrieben, ihre Pflicht vollauf erfüllt. Heute haben wir erst lesen können, daß Herr Minister Dr. Dérer den deutschen Lehrern und Lehrerinnen ebenso wie den èechischen Dank für die Mitarbeit an der Herstellung von Lehrbüchern ausspricht und gestern war der Herr Abg. V. Beneš so freimütig festzustellen, daß die deutschen Lehrpersonen ihre Pflicht, die Jugend zu treuen und vollwertigen Staatsbürgern zu erziehen, in vollem Maße erfüllt haben. Wenn derartige Äußerungen von èechischer Seite gemacht werden, so erfüllen sie uns deshalb mit Befriedigung, weil wir sehen, daß ungerechtfertigten Verdächtigungen doch auch an anderen Stellen das Bestreben gegenübersteht, uns Deutschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Ich habe im Budgetausschuß den Herrn Eisenbahnminister und den Herrn Postminister auf die Tatsache aufmerksam gemacht, daß die deutsche Beamtenschaft außerordentlich verletzt und beunruhigt ist. Es handelt sich um Folgendes: Es wurden eine Reihe von deutschen Eisenbahnbeamten in Pension geschickt. Es handelt sich um junge arbeitsfähige Leute, die auf Grund ihres politischen Verhaltens in den Ruhestand versetzt wurden. Ich wiederhole mich selbst, wenn ich immer wieder sage, daß dort, wo ein konkreter Tatbestand oder eine konkrete Vergehung vorliegt, die Sache geprüft und entsprechend abgeurteilt werden soll. Aber in den Fällen, die ich im Auge habe, dreht es sich darum, daß Personen, Staatsbeamte, Eisenbahnbeamte auf Grund ihres angeblich politisch nicht einwandfreien Verhaltens, ohne daß sie überhaupt angehört worden wären, in Pension geschickt wurden. Es wurde demnach der Grundsatz audiatur et altera pars verletzt und ich gebe mich der Erwartung hin, daß der Herr Eisenbahnminister ein neues Verfahren einleiten wird, um, wenn nichts anderes, so den in ihrer Existenz schwer geschädigten Beamten wenigstens Gelegenheit zu geben, sich gegen die Vorwürfe und Einwendungen, die ihnen vorgehalten werden, zu rechtfertigen.
Sehr verletzend für die deutschen Lehrpersonen ist es, wenn Herr Abg. Hatina angesichts der Bestätigung der einwandfreien Amtsführung deutscher Lehrpersonen durch die höchsten èechischen Vorgesetzten die Forderung aufstellt, daß die deutschen Schulen insgesamt unter èechische Inspektoren gestellt werden müssen. Das ist im Hinblick auf das Verhalten der deutschen Lehrer gewiß eine entwürdigende und demütigende Forderung, die von deutscher Seite entschieden zur ückgewiesen werden muß. Der Herr Abg. Hatina hat sich auch mit den Ausländern in der Republik befaßt und beanständet, daß Ausländer auch an höheren Stellen in gewissen Betrieben beschäftigt werden. Ich habe die Überzeugung, daß ein bestimmter sachlicher Grund besteht, wenn beispielsweise in der chemischen Industrie Reichsdeutsche an hervorragender Stelle beschäftigt werden. Der Grund dürfte darin liegen, daß sie über Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, über die die Inländer infolge der nicht soweit entwickelten chemischen Industrie nicht verfügen, kurz, daß diese Ausländer aus dem Grunde beschäftigt werden, weil sie eine Tätigkeit ausüben, die vorderhand Inländer mit demselben Erfolg auszuüben wohl nicht imstande sind. Aber abgesehen davon: Es gibt ja nicht nur Ausländer in der Èechoslovakei, sondern auch èechoslovakische Staatsbürger im Auslande in hervorragenden Posten, und wenn man sich auf den Standpunkt des Herrn Abg. Hatina stellen würde, daß man alle Ausländer einfach aus der Èechoslovakei herauswerfen sollte, wären wir über die Gegenwirkungen, die daraufhin im Auslande eintreten würden, sicher nicht erfreut. Es spricht von einer gewissen Kurzsichtigkeit, wenn solche Forderungen überhaupt und noch dazu in dem Tone vorgetragen werden, wie er es getan hat. Aber eine Pauschalverdächtigung, gegen die man auch Ausländer in Schutz nehmen muß, ist die: Man wird vielleicht einwenden, daß sich um Ausländer ausländis che Parlamentarier kümmern sollten. Ich glaube aber, wenn diese Menschen hier schon das Gastrecht genieß en, daß es auch unsere Sache ist, uns ihrer anzunehmen, wenn sie unter gewissen Voraussetzungen einer Unterstützung bedürfen. Ich sehe nun einen ganz ungerechtfertigten Angriff darin, wenn man alle Reichsdeutschen, die in der Èechoslovakei beschäftigt sind, einfach pauschaliter verdächtigt werden, daß sie nach dem III. Reich hin orientiert seien und daß sie durch die Bank mit politischen Organisatonen in Verbindung stehen, welche mit dem hitlerischen System übereinstimmen. Auch das sind Pauschalverdächtigungen, die nur geeignet sind, Verärgerung und Bitternis zu erregen. Wenn man Verdächtigungen ausspricht - das muß immer wieder betont werden - müssen sie auf die Person konkretisiert sein, auf den Gegenstand genau zurückgreifen und dürfen sich nicht darin gefallen, allgemeine Verdächtigungen und Beschuldigungen zu verbreiten, womit lediglich die Volkspsyche verhetzt und wodurch die nationalistischen Leidenschaften in einer Weise entzündet werden, wie wir es hier nicht brauchen können.
Es wurde viel vom 28. Oktober gesprochen. Den Erscheinungen am Staatsfeiertage hat sich auch der Abg. Beneš zugewendet und manches von dem, was der Herr Abg. Hatina vorgebracht hat, korrigiert. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß erst vor einigen Tagen das èechische Nationaltheater sein 50jähriges Jubiläum gefeiert hat und daß die deutschen künstlerisch interessierten Kreise die lebhafteste Anteilnahme für diese Ereignisse auf künstlerischem Gebiete an den Tag gelegt haben, Auf èechischer Seite wurde dieses Verständnis mit Recht durchaus nicht als eine bloße Geste ausgelegt, sondern es wurde der ernste Wille darin erkannt, gerade auf dem Gebiete der Kunst die so notwendige Brücke von Volk zu Volk zu schlagen. Wenn ich von der Mission des Theaters spreche, so bitte ich Sie aber, auch unseren deutschen Bühnen Ihre Aufmerks amkeit zuzuwenden. Unsere deutschen Theater, insbesondere aber auch unser, auf einer rühmlichen künstlerischen Höhe stehendes Deutsches Theater in Prag befindet sich in äußerst bedrängten Verhältnissen. Die Staatssubvention, die bei einem Theater eine entscheidende Rolle spielt, war für das Deutsche Theater in den Zeiten, als es uns gut ging, als wir die Kassen noch bis zum Rande voll hatten, gering; und wenn man fragte, warum gerade das Deutsche Theater so stiefmütterlich behandelt wird, so wurde geantwortet, daß mit der Zeit alles besser werden wird; man könne das nicht in einem Tage machen, die Subvention werde allmählich nach den gegebenen Möglichkeiten gesteigert werden. Inzwischen sind den sieben fetten Jahren die sieben mageren Jahre gefolgt und die Subvention des Deutschen Theaters, die an sich eigentlich schon auf magere Kost zugeschnitten war, ist noch weiter herabgesunken. Dadurch befindet sich unser deutsches Theaterwesen in einer nicht zu unterschätzenden Gefahr. Im vorigen Jahr wurde das Theater durch außerordentliche Anstrengungen von Kunstfreunden gerettet, die ihre Opferbereitschaft in anerkennenswerter Weise an den Tag gelegt haben. Jetzt haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder verschlechtert und es wird kaum mehr möglich sein, das Theater auf seiner Höhe aus privaten Mitteln über Wasser zu halten. Darum möchte ich Sie bitten, Sie, die ja auch vom Standpunkte der Repräsentation der Republik gewiß nicht ganz uninteressiert an der Frage sind, ob hier in der Èechoslovakei das Deutsche Theater weiter lebt oder zugrunde geht oder sich höchstens als kleinste Provinzbühne weiterfrettet, auch diesem Gegenstand Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und die Angelegenheit mit dem notwendigen Verständnis und Sinn für Gerechtigkeit zu behandeln.
Ich hätte noch einiges über aktuelle Fragen hinzuzufügen, die speziell die deutsche Wirtschaft unmittelbar, aber mittelbar auch die èechische Wirtschaft berühren. Ich meine die Lage unserer Geldinstitute und die Lage der Geldinsstitute, soweit sie mit den Verhältnissen bei der Zentralbank der deutschen Sparkassen zusammenhängt. Über die Zentralbank ist ein Moratorium verhängt worden u. zw. ein sehr scharfes Moratorium. Dadurch nun, daß die deutschen Sparkassen, oder wenigstens eine größere Anzahl, ihre Einlagen bei der Zentralbank deponiert hatten, wurden sie insofern in Mitleidenschaft gezogen, als auch sie nicht mehr in vollem Maße ihre Zahlungen an die Einleger bewerkstelligen konnten. Dieser Zustand hat nun dazu geführt, daß das Vertrauen zu den Sp arkassen draußen keineswegs gewachsen ist, sondern, daß im Gegenteil die Leute aus der Sparkasse möglichst viel herauszuziehen suchen, weil sie sich sagen: "Wir wissen ja nicht, ob diese Moratorien nicht noch verschärft werden". Bei einer Hilfe für die Sparkasse ist ja die Sache so: Wenn ich der Sparkasse sofort mit den entsprechenden Mitteln unter die Arme greife, so sagt sich der naive Mensch: Die Sparkasse zahlt die Einlagen voll aus, ich kann meine Einlagen beruhigt drinnen lassen, er geht sogar noch weiter, er verstärkt seine Einlage, trägt neues Geld in die Sparkassen und trägt so dazu bei, daß der Wirtschaft das Blut zugeführt wird, dessen sie bedarf. Wenn die Sparkassen verhalten werden, nur Teile der Einlagen sukzessive zurückzuzahlen, so ist die Folge eine wachsende Nervosität, obwohl sie nur in der mangelnden Liquidität der Sparkasse, aber durchaus nicht in ihrem Status begründet ist. Denn Status und Liquidität sind zwei verschiedene Dinge. Wäre man schon vor Monaten daran gegangen, die Zentralbank der deutschen Sparkassen in entsprechender Weise zu sanieren, so glaube ich, hätten wir uns viel Nervosität und viel Schaden und Verlust erspart. Auf der einen Seite kostet die Rettung der Wirtschaft viel Geld, auf der anderen Seite geht Geld dadurch verloren, daß man eine Hilfe, die hätte gleich gebracht werden sollen, viel zu spät bringt und sie hinauszieht. Die Angelegenheit der Zentralbank der deutschen Sparkassen sowie der mit ihr zusammenhängenden Institute, darunter der Karlsbader Vereinsbank, kann nur Schaden und keinen Nutzen bringen. Je rascher, je entschiedener, und ich möchte sagen je larger, je weitblickender hier geh andelt wird, desto besser für das Geldwesen, nicht nur für das deutsche, sondern auch für das Geldwesen der Republik.
Der Abg. Hatina hat sich auch mit der Arbeitslosigkeit befaßt und die Forderung aufgestellt, daß in den deutschen Randgebieten der èechische Arbeiter - wenn ich ihn richtig verstanden habe - unter einem besonderen Schutz stehen soll. Es ist gewiß bitter, wenn heute in dieser schweren Zeit ein Arbeiter entlassen wird. Im allgemeinen hat sich aber erfreulicherweise gezeigt, daß die Unternehmer die Arbeiterschaft vor der Not der Arbeitslosigkeit zu bewahren suchen. Aber der Hunger tut dem deutschen Arbeiter gewiß nicht minder weh als dem èechischen Arbeiter. Wenn nun gar verlangt wird, daß im èechischen Gebiet selbstverständlich von vornherein nur èechische Beamte und Arbeiter angestellt werden sollen, daß es dagegen im deutschen Gebiet, wenn schon Arbeiter und Beamte entlassen werden, immer nur deutsche Beamte und Arbeiter sein sollen, die man vor die Tür zu setzen habe, so ist dies ein außerordentlich hartes und vor allem ein höchst ungerechtes, dabei aber auch ein maßlos kurzsichtiges Verlangen. Wir wollen ausgehend von dem viel erwähnten 28. Oktober 1933 doch daran arbeiten, eine andere Atmosphäre, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen? Ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird dies jedoch nicht möglich sein. Was von deutscher Seite verlangt wird, ist ja nichts anderes als Objektivität, Verständnis für die deutschen Lebensbedingungen, und zwar Verständnis nicht nur für die kulturellen, sondern insbesondere auch für die wirtschaftlichen Lebensbedingungen, für die wirtschaftliche Entwicklung, für die wirtschaftliche Tradition des deutschen Volkes. Ich habe bereits von dieser Stelle aus einmal erklärt, daß wir wünschen müssen, daß der Deutsche in diesem Staat nicht nur auf dem Stück Boden wo er zu Hause ist, seine Heimat finde, sondern daß es auch darüber hinaus wünschenswert wäre, daß er in diesem Staate auch sein Vaterland erblicken würde. Dieser Begriff des Vaterlandes beinhaltet die Vorstellung einer Geborgenheit und die Vorstellung der Rechtssicherheit, er beinhaltet aber auch die Achtung vor seiner Nation.
Die Voraussetzzung des Verständnisses
der beiden Nationen für einander ist in erster Linie die, daß
die beiden Nationen sich kennen lernen, daß nicht jeder den andersnationalen
Menschen gewissermaß en als einen Menschen mit einem andern nationalen
Vorzeichen betrachtet, sondern daß eine Nation in die Lebensbedingungen,
Traditionen und Anschauungsweise der anderen Nation eindringt.
Aber es muß nicht nur da sein, es muß auch wachsen das Verständnis
für die Notwendigkeit der Freiheit des Individuums, denn ohne
ein bestimmtes Maß von Freiheit ist eine Demokratie einfach nicht
denkbar. Ohne ein gewisses Maß persönlicher Freiheit, aber auch
ohne die Gewährleistung des Postulats der Rechtssicherheit bliebe
der Begriff der Demokratie ein Phantom. (Potlesk.)