Sobota 19. prosince 1931
Meine Damen und Herren! Die heutige Vorlage zum Steuergesetz vom Jahre 1927 versucht, dessen besondere Härte, die vor allem die Angestelltenschaft betrifft, vorübergehend aufzuheben. Die Vorlage befindet sich damit zweifellos in Übereinstimmung mit dem Motivenbericht zu diesem Steuergesetz, der zum § 341 erklärt, daß das Problem einer gerechten Aufteilung der Steuerlast nicht ohne sorgfältige Rücksichtnahme auf die Frage der sogenannten Steuerüberwälzung richtig gelöst werden kann. Dieser Ansicht muß ohne weiters beigepflichtet werden, denn sie ist durchaus richtig. Es ist nur bedauerlich, daß aus dieser Erkenntnis nicht auch die richtige Schlußfolgerung gezogen worden ist. Denn in krassem Widerspruch zu dieser Erkenntnis steht ganz zweifellos jene Bestimmung des Steuergesetzes, die ausdrücklich verbietet, daß eine direkte Steuer, die ein Steuerpflichtiger zu entrichten hat, auf eine andere Person übertragen wird. Vereinbarungen, die eine solche Steuerübertragung enthalten, sollten mit dieser Bestimmung ihrer rechtlichen Wirksamkeit entkleidet werden. Durch diese gesetzliche Festlegung wurden vor allem die Privatangestellten betroffen, weil sie solche Verträge in immer noch bedeutender Zahl aufzuweisen haben. Daß dem so ist, sagt das Gesetu in seinen weiteren Bestimmungen. Im § 17 des Gesetzes wird zum Ausdruck gebracht, daß vom Einkommen der Unternehmer nicht in Abzug gebracht werden können Beiträge an Kranken-, Unfalls-, Alters-, Invaliditäts-, Witwen-, Waisen- und Pensionskassen oder ähnliche Anstalten, soweit sie über den pflichtgemäßen Beitrag hinausgehen. Das Gleiche gilt auch bezüglich der für die Arbeitnehmer entrichteten Steuern und Abgaben. Das Gesetz bestimmt weiter, daß ein solcher Abzug vom Einkommen des Arbeitgebers auch dann nicht stattfinden darf, wenn die Zahlung der Steuer oder der sozialen Beiträge, soweit sie über das gesetzliche Ausmaß hinausgehen, übernommen worden ist. Eine Ausnahme hievon bilden einzig und allein die sogenannten Remunerationen, die die Angestellten zu Weihnachten oder aus einem besonderen Anlaß zum Teil noch erhalten.
Daß sich die Regierung damals schon, also zur Zeit der Gesetzwerdung, über die Schwierigkeiten der Durchführung gerade dieser Bestimmungen im klaren war, geht allein aus der Tatsache hervor, daß im Gesetz selbst eine Übergangszeit bis zum 1. Jänner 1932 vorgesehen wurde, in der diese genannten Beiträge des Arbeitgebers auch als Abzugspost vom Einkommen belassen wurden. Das Gesetz bestimmt dann weiter, daß Kollektivverträge, die eine Vereinbarung enthalten, daß Steuern oder soziale Beiträge über den gesetzlichen Anteil hinaus übernommen werden, bis zuu ihrem Ablauf aufrechtbleiben. So lange gelten derartige Zahlungen des Arbeitgebers auch als Abzugspost, immer unter der Voraussetzung, daß solche kollektive Arbeitsverträge bis zum 1. August 1927 zum Abschuß gekommen sind. Allerdings hatte diese Bestimmung eine wenig praktische Bedeutung, da die Zahl der kollektiven Arbeitsverträge der Privatangestellten keine sonderlich hohe mehr ist. Dazu kommt noch, daß die Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz ausdrücklich festlegte, daß verlängerte Verträge als neue Verträge angesehen werden, so daß in allen diesen Fällen die Angestellten den Anspruch auf Bezahlung der Einkommensteuer bzw. der sozialen Beiträge verlieren mußten. Einzeldienstverträge fallen unter diese Ausnahme nicht, so daß sie mit 1. Jänner 1932 durchwegs rechtsunwirksam geworden waren, so weit sie Bestimmungen über die Zahlung von Steuern oder sozialen Beiträgen enthalten.
Aus all dem Gesagten geht hervor, daß jene Unternehmer mit einer doppelten Besteuerung betraft werden sollten, die bereit sind, für ihre Angestellten Steuern oder soziale Beiträge über den gesetzlichen Anteil hinaus zu bezahlen. Es ist ganz klar, wohin eine solche gesetzliche Maßnahme führen müßte. Diese Unternehmer würden es größtenteils ablehnen, solche Beiträge zu Lasten ihres Privatkontos zu entrichten. Es ist deshalb verständlich, daß sich auch die Unternehmer gegen diese gesetzliche Bestimmung wandten und deren Aufhebung verlangten.
Die Angestelltengewerkschaften haben schon während der Verhandlung des Steuergesetzes auf dessen unsoziale Bestimmungen hingewiesen, die den größten Unwillen schon seinerzeit hervorgerufen haben. Auf diesen Einspruch ist es wohl auch zurückzuführen, daß der Artikel XVI des Gesetzes aufgenommen wurde, womit die Wirksamkeit des Gesetzes erst mit 1. Jänòer 1932 erfolgen sollte. Was das für viele Angestellte aber bedeuten würde, wenn diese Bestimmungen mit 1. Jänner 1932 in Kraft getreten wären, ist nicht schwer zu erraten. Vor allem eine weitere Herabsetzung ihrer Gehälter und das gerade in einer Zeit, in der die Gehälter der Angestellten in die allgemeine Lohnabbauwelle mit hineingeraten sind und vielfach stärker betroffen wurden als die Löhne der Arbeiter. Das ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Gehälter der Angestellten mangels eines Kollektivvertragsgesetzes zumeist nur durch Einzelverträge festgelegt werden, was den Unternehmern viel leichter als bei Kollektivverträgen ermöglicht, die Gehälter weit über das übliche Ausmaß herabzusetzen. Die wirtschaftliche Verelendung der Privatangestellten hat deshalb auch in der letzten Zeit außerordentliche Fortschritte gemacht. Diese Proletarisierung eines großen und zweifellos bedeutsamen Standes, der in der Volkswirtschaft eine sehr gewichtige Aufgabe zu erfüllen hat, ist sicherlich eine recht bedauerliche Erscheinung, die unter keinen Umständen noch weiter gefördert werden darf. Das würde aber sicherlich der Fall sein, wenn das Steuerüberwälzungsverbot aufrecht erhalten bleiben würde. Um das möglichst zu verhindern, habe ich unter Z. 1.444 am 24. Oktober d. J. eine dringliche Interpellation an die Gesamtregierung gerichtet, in der ich mit Nachdruck auf die großen Schäden hingewiesen habe, die bei der Wirksamkeit der § § 17 und 341 gerade für die Privatangestellten entstehen müßten. Vor allem betonte ich dabei, daß sehr zu befürchten ist, daß zahlreiche Unternehmungen die angeführten gesetzlichen Bestimmungen dazu benützen würden, um die Zahlung der Steuern und übergesetzlichen Anteile an den Versicherungsbeiträgen auf die Angestellten zu überwälzen. (Posl. Geyer: Das haben Sie schon heuer gemacht!) So ist es. Ihre Gehälter aber würden sie nicht entsprechend erhöhen. Aber selbst den günstigsten Fall angenommen, daß der Unternehmer die bisher übernommenen Steuern oder sozialen Beiträge dem Gehalte zuschlägt, bleibt der Angestellte noch immer geschädigt, weil er ja infolge der Erhöhung des Gehaltes mehr an Lohnsteuer zu entrichten hätte. Die Privatangestellten sind ja an und für sich schon doppelt besteuert und zwar durch die sogenannte Dienstvertragsgebühr, eine Extrasteuer, die keinerlei Berechtigung hat und deshalb beseitigt werden sollte. (Posl. Geyer: Das ist auch so ein alter chinesischer Zopf!) Auch das stimmt. Schon unser seeliger Patzel hat sich gerade in dieser Frage außerordentlich exponiert. Dieser berechtigten Forderung der Angestellten ist bisher seitens der Regierung nicht Rechnung getragen worden. Umsomehr müssen die Angestellten darauf bestehen, daß die unsozialen Bestimmungen aus dem Steuergesetz des Jahres 1927 eliminiert werden und zwar restlos.
Das vorliegende Gesetz bringt
wohl zunächst eine Erleichterung, bleibt aber doch ein Provisorium,
das sicherlich dauernd Unruhe in die Privatangestelltenschaft
bringen wird. Glauben Sie ja nicht, meine Herren, daß in zwei
Jahren die wirtschaftlichen Verhältnisse der Privatangestellten
wesentlich günstigere sein werden als heute. Auch dann werden
diese Bestimmungen, deren Inkraftsetzen sie auf zwei Jahre vertagen,
das gleiche Unrecht darstellen. Deshalb gibt es für uns nur eines:
endgültige Auflassung jener Bestimmungen des Steuergesetzes vom
Jahre 1927, deren unsozialer Charakter einwandfrei feststeht.
Das dem Hause vorgeschlagene Provisorium ist und bleibt ein Damoklesschwert,
das ständig über den Köpfen der Angestelltenschaft schwebt. Daß
es den Angestellten schweren Schaden zufügen wird, darüber besteht
für mich gar kein Zweifel. Deshalb wird das Provisorium bei den
Angestellten sicherlich nicht jene Befriedigung auslösen, wie
sie die Regierungsparteien scheinbar erwarten. Diese Befriedigung
wird erst eintreten, wenn an Stelle des Provisoriums ein Definitivum
tritt und der Rechtszustand wieder hergestellt wird, wie er vor
dem Inkrafttreten des Steuergesetzes vom Jahre 1927 bestanden
hat. (Potlesk.)