Hohes Haus! Mit einem umfangreichen Exposé des Herrn Außenministers Dr Beneš hat die Regierung den Text der Haager und der Pariser Vereinbarungen dem Parlamente vorgelegt. Ich will mich nicht in eine Diskussion einlassen, ob die Vorlage der Verträge verfassungsmäßig notwendig war und ich will auch nicht darüber rechten, ob auch die übrigen vom Minister Beneš gefertigten Protokolle und Übereinkommen nicht dem Parlamente vorgelegt werden sollten. Ich will nur das selbstverständliche Prinzip festhalten, daß auch die Außenpolitik nicht hinter geschlossenen Türen geführt werden darf und die weiteste Einflußnahme des Parlamentes als dem eigentlichen Träger der Verantwortlichkeit gesichert bleiben muß. Die Èechoslovakei hat nur zu oft Außenpolitik als Geheimpolitik getrieben und insoweit die Vorlage des Wortlautes der Verträge und das umfangreiche erläuternde Exposé des Außenministers eine Abkehr von dem System der Geheimpolitik bedeutet, kann ich dies nur begrüßen.
Hohes Haus! Nach dem Abschluß der zweiten Haager Reparationskonferenz, die am 3. Jänner d. J. eröffnet und Ende Jänner geschlossen wurde, hat der Außenminister hier im Hause ein Exposé erstattet und in demselben seine Tätigkeit im Haag in ein helles Licht gerückt und dieselbe als eine im ganzen erfolgreiche hingestellt. In diesem Exposé hat der Herr Außenminister besonders die Bodenreform als einen Erfolg der Politik des Èechoslovakischen Staates und der Politik der Kleinen Entente gekennzeichnet und behauptet, daß von ihm bei der Reparationskonferenz im Haag im Kampfe um die Bodenreform ein glänzender Sieg in politischer und moralischer Hinsicht errungen worden wäre. Minister Beneš hat jetzt das zweite Exposé erstattet und in demselben mit dem Haager besonders das Pariser Abkommen erörtert. Bekanntlich sollte im Haag gleichzeitig mit den deutschen Reparationen auch das Reparationsproblem der mitteleuropäischen Staaten gelöst, die Frage der sogenannten Ostreparationen, das heißt der Reparationsverpflichtungen Österreichs, Ungarns und Bulgariens aus den verschiedenen Friedensverträgen endgültig geregelt werden. Infolge auftauchender Schwierigkeiten im Haag hinsichtlich der Ostreparationen, welche sich besonders auf die Probleme der Bodenreform in den drei Staaten der Kleinen Entente bezogen, mußte die endgültige Regelung der Details, besonders der Fonds A und B, der Pariser Konferenz übertragen werden, die am 27. April mit der Unterzeichnung von vier Abkommen ihren Abschluß gefunden hat.
Was das heutige Exposé des Herrn Außenministers anlangt, möchte ich sagen, daß dieses Exposé nach Abschluß der Pariser Konferenz vor allem eine Lobhymne auf die eigene Tätigkeit, auf die Arbeiten der èechoslovakischen Delegation in Verbindung mit dem Präsidenten des Bodenamtes Dr Voženílek, auf die èechoslovakische Bodenreform und auf die Kleine Entente ist, deren Solidarität sich angeblich bis zum äußersten bewährt haben soll. Minister Beneš vergißt dabei zu erwähnen, daß der èechoslovakische Staat bei der Pariser Konferenz seinen Kleinen Ententeverbündeten aus politischen Gründen große Opfer bringen mußte, da die Position der Ungarn auf der Pariser Konferenz sehr stark gewesen ist, denn sie konnten sich bekanntlich auf Art. 250 des Vertrages von Trianon stützen.
Der Geist einer unberechtigten Überhebung spricht schon, wenn ich etwas zurückblicke, aus dem Interview, welches der Außenminister vor seiner Abreise aus Paris dem Vertreter des èechoslovakischen Preßbureaus gewährte, dieser Geist spricht auch aus dem Berichte, welchen der bevollmächtigte Minister Dr Krofta im Auftrage des Herrn Außenministers im Außenausschusse des Senates am 29. April erstattete, und diesem Geist der Selbstverherrlichung und der Selbstbeschönigung begegnen wir wieder in diesem letzten Exposé des Herrn Außenministers.
Ganz anderes hören wir auf Seiten Ungarns. Ich schicke voraus, daß Ungarn bei der Pariser Konferenz finanziell und besonders diplomatisch sehr gut abgeschnitten hat und in vielen strittigen Punkten sehr schöne Erfolge erzielen konnte. Die Ungarn erlangten bei der Pariser Konferenz vor allem ihre finanzielle Souveränität und internationale Gleichberechtigung. Erst durch das Pariser Abkommen wird Ungarn sozusagen wieder ein freier Staat und ist nicht mehr der Willkür der Siegerstaaten und der Reparationskonferenz wie bisher ausgeliefert. Die Ungarn haben nunmehr die Möglichkeit der Aufnahme internationaler Anleihen, das Pfandrecht auf ihren Gütern und Ren ten sowie die Kontrolle hört auf. Einen sehr großen Erfolg von besonderer Bedeutung erzielten die Ungarn dadurch, daß die Wirksamkeit des § 250 des Trianoner Friedensvertrages, des bekannten Schiedsgerichtsparagraphen, unversehrt zu Recht besteht und falls er durch eine außerhalb des Rahmens dieser Vereinbarungen fallende Handlung verletzt würde, die Möglichkeit einer Abhilfe auf Grund dieses Paragraphen bestehen bleibt. Weitere Erfolge Ungarns waren, daß die ungarischen Großgrundbesitzer bei der Durchführung der Bodenreform für den übernommenen Boden mehr erhalten werden als unsere Staatsangehörigen und daß infolge der Pariser Abkommen Ungarn einen Ersatz für den Bolschewikeneinfall in die Slovakei im Jahre 1919 nicht zu leisten hat. Der Wesenskern der ganzen Frage liegt in der Regelung der Bodenreform der ungarischen Großgrundbesitzer in der Èechoslovakei. Als Ergebnis möchte ich da Folgendes feststellen: den ungarischen Großgrundbesitzern wird eine separate Entschädigung zugestanden, für die der sogenannte Agrarfond A aufzukommen hat, sie erhalten somit die gesetzliche Entschädigung wie die Inländer und hierzu eine Zusatzentschädigung aus dem Fonde A. Diese Entschädigung wird nach dem Durchschnittssatz von 226 Goldkronen pro Katastraljoch ermittelt. Es ist unverständlich, wie man bei Kenntnis dieser Tatsache behaupten kann, daß die ungarischen Großgrundbesitzer nicht anders, als die inländischen behandelt werden. Der Herr Präsident Voženílek hat als durchschnittlichen Entschädigungspreis für landwirtschaftliche Grundstücke 1900 Kè genannt. Diese durchschnittliche Entschädigungssumme bedeutet im wesentlichen die Entschädigung für die hochwertigen landwirtschaftlichen Grundstücke in den historischen Gebieten und rechnet man die niedrigere Entschädigung von Wald hinzu, so wird sich ein Entschädigungspreis ergeben, der die Zahl von 1400 Kè bestimmt nicht übersteigt. Die ungarischen Großgrundbesitzer erhalten hingegen für die minderwertigen Gründe in der Èechoslovakei bedeutend mehr pro Katastraljoch, etwa 226 Goldkronen, eine Summe, die ca. 3400 Kè pro Hektar entspricht. Keine Beschränkungs- und Beschönigungsversuche helfen darüber hinweg, daß tatsächlich die Ausländer besser als Inländer behandelt werden.
Der Herr Außenminister will diesen Einwand damit entkräften, daß das Geld in den Fond A nicht von der Èechoslovakei und den übrigen Staaten der Kleinen Entente, sondern von den Westmächten zum großen Teil aus den ungarischen Reparationen gezahlt wird. Es mutet aber da merkwürdig an, daß dieser Umstand als Beweis für die Anerkennung unserer Bodenreform durch die Weltöffentlichkeit ins Treffen geführt wird. Ich glaube hierin gerade das Gegenteil zu erblicken. Im Verzicht der Westmächte auf den Ertrag der ungarischen Reparationen, im Rückfließen der ungarischen Reparationsleistungen durch den Fonds A wieder nach Ungarn erblicke ich den sichersten Beweis, daß die Westmächte Ungarn für die ungerechtfertigte Schädigung durch die Bodenreform einen Ersatz bieten wollen. Die ganze Konstruktion der Agrarfonds ist ein Beweis für die Verurteilung unserer Bodenreform. Das, was meine Partei immer wieder betont hat, ihre ständigen Beschwerden über die völkische, soziale und privatrechtliche Ungerechtigkeit der Bodenreform ist durch das Pariser Abkommen indirekt anerkannt worden. Die Bodenreform hat sich hier erneuert als schwere Schädigung unseres Staates und dessen Ansehen in der Welt erwiesen. Der Grundsatz "Enteignung nur zum allgemeinen Wohle und gegen volle Entschädigung" darf jedoch nicht nur auf jene Fälle der Bodenreform angewendet werden, die Ausländer betreffen. Es ist selbstverständlich, wenn wir auch den Inländern gegenüber das gleiche Entgegenkommen verlangen und daß wir vom Bodenamt ein liberaleres Vorgehen in den noch offenen Entschädigungsfragen, sowie ein weites Entgegenkommen allen durch die Bodenreform geschädigten Beamten und Angestellten gegenüber verlangen und daß wir weiter die Forderung aufstellen, daß endlich mit den Enteignungsmaßregeln Schluß gemacht wird und daß auch bei uns der Schutz von Eigentum und Arbeitsplatz wieder zum allgemeinen herrschenden Rechtsgrundsatz werde.
Meine verehrten Herren! Sie sehen also, daß der Erfolg auf Seite der Ungarn ist; und die Ungarn konnten auch noch auf viele andere Erfolge hinweisen. Diese von mir zuvor erwähnten Erfolge konnte die ungarische Delegation unter Führung Koranyis von der Pariser Konferenz nach Hause bringen und trotzdem nannte Koranyi das Ergebnis der Pariser Konferenz nur eine moralische Genugtuung für Ungarn und vermied es, von einem Erfolg zu sprechen. In gleicher Weise - ich möchte sagen ebenso bescheiden äußerte sich bei der Behandlung des Gesetzentwurfes betreffend die Ratifizierung der Haager und Pariser-Abkommen Ministerpräsident Bethlen, der das Ergebnis der Haager und Pariser Konferenzen für Ungarn nicht als Sieg, sondern lediglich als Kompromiß bezeichnete und ganz richtig betonte, daß jede internationale Abmachung ein Kompromiß ist, der mit Opfern verbunden ist.
Ganz anderes hören wir bei uns in der Èechoslovakischen Republik, wo die maßgebenden Faktoren, allen voran der Herr Außenminister, das Bestreben an den Tag legen, das Ergebnis der Haager und Pariser Konferenzen als einen Erfolg, ja nicht nur das, als einen Sieg der Politik des èechoslovakischen Staates und der Politik der Kleinen Entente hinzustellen. Diesem Bestreben begegnen wir bei allen bisherigen Äußerungen der maßgebenden Faktoren, angefangen von dem ersten Interview nach Abschluß der Pariser Konferenz bis zum heutigen in Behandlung stehenden Exposé. Wir sind objektiv genug anzuerkennen, daß unsere Delegation besonders im Haag bemüht war, die Herabsetzung der sogenannten Befreiungstaxe von 750 Millionen Goldfranken auf 370 Millionen Goldmark oder rund 3 Milliarden Kè und ferner eine Ermäßigung der Kriegsschulden für die Ausrüstungskosten der seinerzeit in Frankreich und in Italien errichteten èechoslovakischen Legionen zu erreichen, was sicher eine Erleichterung unserer ohnedies daniederliegenden Volkswirtschaft bedeutet. Wir sind objektiv genug anzuerkennen, daß dieses Bemühen der èechoslovakischen Delegation im Haag einen wenn auch nicht gar so großen Erfolg zeitigte, denn wir wissen, daß die Befreiungstaxe den Nachfolgestaaten Jugoslavien, Rumänien und Polen vollkommen nachgelassen wurde und auch die übrigen Kriegsschulden dieser Staaten bedeutendere Abstriche erhalten haben. Daß bei der Haager Konferenz der Anspruch auf Bezahlung des Staatseigentums fallen gelassen worden ist und dadurch die Gefahr der Reparationszahlungen von über 24 Milliarden für die vom Staate übernommenen österreichisch-ungarischen staatlichen Güter beseitigt worden ist, hauptsächlich eine Folge der Reparationsbefreiung Österreichs, nehmen wir auch zur Kenntnis. Wir müssen aber auch konstatieren, daß den wenigen Aktivposten unserer Delegationen im Haag und Paris zahlreiche Passivposten besonders beim Pariser Abkommen gegenüberstehen, die beim Studium der Haager und Pariser Abkommen sehr deutlich in Erscheinung treten; Passivposten, die durch ein noch so schön gefärbtes und frisiertes Interview und Exposé nicht geleugnet und wegdisputiert werden können. Aus der Fülle der Passivposten möchte ich noch einige Fälle anführen, soweit ich nicht schon früher Passivposten der èechoslovakischen Delegation bei der Aufzählung der ungarischen Aktivposten im Haag und in Paris erwähnt habe.
So heißt es z. B. im Pariser Abkommen III, Art. 2: "Der Fonds A erhält seine Geldmittel abgesehen von den Zahlungen der drei Staaten der Kleinen Entente auf Grund ihrer eigenen Gesetzgebung aus folgenden Zahlungen." Und weiter heißt es im Abs. b) des Art. 2: "Der Fonds A erhält vom Jahre 1944 bis 1966 die Summe von 6·1 Millionen Goldkronen jährlich von Seiten der Gläubigerstaaten aus den ungarischen Zahlungen." Daraus ist doch ersichtlich, daß zur Schaffung des Fonds A die Èechoslovakische Republik ebenso wie Jugoslavien und Rumänien von den empfangenen Summen ab 1944 jährlich 6 1 Millionen Goldkronen einzuzahlen haben werden. Weiter heißt es im Art. 4: "Der Fonds besitzt einen Verwaltungsrat, der aus vier Mitgliedern, und zwar aus einem Ungarn und drei Vertretern der Mächte, zusammengesetzt ist." Auch hier sehen wir wieder, daß Ungarn durch einen Delegierten vertreten ist. Aus diesen zwei Beispielen geht ganz klar hervor, daß die Darstellung des Herrn Außenministers, als ob die Regelung des gewiß sehr schwierigen Fragenkomplexes der Ostreparationen mit den zwei Fonds A und B als ein besonderer Erfolg der Kleinen Entente anzusehen wäre, nicht zutreffend ist. Auch der Schiedsgerichtsgedanke ist nicht entkräftet, so sehr der Herr Außenminister bestrebt war, die Zuständigkeit der gemischten Schiedsgerichte für die Agrarprozesse zu bekämpfen. Die Agrarprozesse sind nicht aus der Welt geschafft, wenn sie auch von dem Gebiete der Rechtsstreitigkeiten auf ein anderes Gebiet hinübergeleitet, einer anderen Lösung zugeführt werden sollen.
Was den Fonds B anlangt, ist sein Zweck die Durchführung eventueller Urteile gegen die Staaten der Kleinen Entente aus anderen Rechtstiteln als jenem der Bodenreform. Es ist sicher, daß auch beim Fonds B die Kleine Entente keinen Erfolg erzielt hat, denn, wenn Fonds B mit seiner Dotation von 100 Millionen Goldkronen nicht ausreichen sollte, müssen die sachfälligen Nachfolgestaaten für das Plus aufkommen. Heute wissen wir noch nicht, wie die Prozesse der Erzherzoge, deren Güter von dem èechoslovakischen Staat ohne jegliche Entschädigung enteignet wurden, ausgehen werden. Daher kann man nicht voraussagen, wieviel der èechoslovakische Staat im Falle seiner Verurteilung zu zahlen hätte und was er aus dem Fonds B bekommen würde. Im großen und ganzen kann man sagen, daß die Schaffung der Fonds A und B kein Ideal darstellt und daß auch bezüglich der Fonds und Stiftungen seitens der èechoslovakisch en Delegation kein besonderer Erfolg erzielt wurde. Ich weise nur hin auf die Universitätsstiftung und auf die unerledigt gebliebene Frage des Kirchenvermögens.
W enn Ministerpräsident Bethlen das Pariser Abkommen, das doch Ungarn viele Vorteile brachte, nur ein Kompromiß nannte, um viel mehr ist das Pariser Abkommen auch für die Èechoslovakische Republik nur ein Kompromiß, das mit großen Opfern für dieselbe verbunden ist und nicht ein Erfolg der Politik des Èechoslovakischen Staates und der Kleinen Entente, wie es Herr Außenminister darzustellen beliebte. Wenn der Herr Außenminister Dr. Beneš den Wert der Pariser Konferenz einzig und allein nur darin erblickt, daß die Bodenreform nun jeglicher Gefahr entkleidet ist, neuerdings vor dem Weltforum angeschnitten zu werden, und meint, daß die eigentliche Bedeutung der Pariser Abkommen darin bestehe, daß die Bodenreform des èechoslovakischen Staates international voll respektiert werden wird, und daß dieses Ergebnis der Pariser Konferenz als ein großes zu bezeichnen wäre, erscheint uns dieses Ergebnis der Pariser Konferenz nicht als ein großes, sondern als ein kleines. Wir erwarteten ein günstigeres Ergebnis für die Èechoslovakei bei den Verhandlungen in Paris und können uns mit dem finanziellen Ergebnis derselben nicht zufrieden erklären, uns aber schon gar nicht mit dem angeblichen Erfolg in internationaler Hinsicht zufrieden geben, der darin bestehen soll, daß die èechoslovakische Bodenreform nunmehr international voll respektiert werde und die unfreundliche Auffassung ganz Westeuropas über die èechoslovakische Bodenreform geändert worden wäre. Nach unserer Meinung wird die èechoslovakische Agrarreform von allen rechtlich denkenden Völkern und Staaten nach wie vor ungünstig beurteilt werden. Das Ergebnis der Pariser Konferenz ist also für die Èechoslovakei ein mageres und alle Beteuerungen und Schachzüge des Herrn Außenministers in seinem Exposé machen das Pariser Abkommen für den èechoslovakischen Staat nicht verdaulicher. Wir können nur sagen, daß das Pariser Abkommen ein Erfolg Ungarns ist.
Erfreulich ist der freundliche Ton, den der Herr Außenminister Dr. Beneš der ungarischen Minderheit in der Èechoslovakei gegenüber gefunden hat. Ich hoffe, daß es hier bei der Regelung der Minderheitenfrage nicht nur bei Worten bleibt, sondern daß sich hier auch einmal Taten einstellen, und wir können mit Recht verlangen, daß die entgegenkommende Minderheitenpolitik sich auf alle Minderheiten des Staates, insbesondere auf die Deutschen erstrecke. Wie von dieser Tribüne schon oft gesagt wurde, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo einem außenpolitischen Haag und Paris ein innerpolitisches folgen soll. Diesem Zwecke dient der von allen deutschen Parteien gemeinsam beantragte Ausschuß zur Regelung der Minderheitenfrage. Genau, wie die Èechoslovakei in Verhandlungen die strittigen Fragen der Bodenreform und der Reparationen mit Ungarn halbwegs bereinigt hat, genau so müssen auch die Vertreter der Mehrheits- und Minderheitsvölker in der Republik zur Bereinigung ihrer strittigen Fragen zusammentreten, um auf dem Boden des Staates die Einigung und die Zufriedenheit aller Nationen zu erzielen. Wenn mit erfreulicher Energie daran gearbeitet wurde, die Mauern abzubrechen, die durch den Krieg und die Friedensverträge zwischen den Staaten aufgerichtet wurden, so ist es eine mindestens ebenso dringende Aufgabe, auch den Schutt im Inlande wegzuräumen und die Streitfragen zwischen den Nationen aus der Welt zu schaffen. Wenn die Herren auf der èechischen Seite eine Pazifizierung Europas nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat wünschen, so müssen sie sich ebenso bereitfinden, innerpolitisch das Nationalitätenproblem zu lösen, wie sie sich außenpolitisch zur Lösung der offenen Fragen zwischen den Staaten bereit finden mußten.
Das Problem des Zusammenlebens der Staaten untereinander und insbesondere der europäischen Staaten ist durch den neuen Vorstoß Briands in der Paneuropafrage aktueller denn je geworden. Wir haben es immer als einen der gröbsten Fehler der europäischen Politik bezeichnet, daß einheitliche große Gebilde auseinander gerissen wurden. Wir haben es als Fehler empfunden, in dem nach den heutigen Begriffen von Weltwirtschaft und Verkehr kleinen Europa noch unnötig viele Schranken aufzurichten und Staaten zu schaffen, die die Basis einer gesunden Entwicklung nicht in sich bergen. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß unsere mehr als 10 Jahre gleichgerichtete außenpolitische Einstellung in der letzten Zeit immer mehr Gemeingut Europas wird und daß Europa, von der Not gezwungen, heute den Zusammenschluß wieder sucht in der Form einer Zusammenarbeit, die eine kurzsichtige Politik zerschlagen hat. An dieser Einstellung war die von uns stets angefochtene Außenpolitik der Èechoslovakei nicht wenig schuld, und ich freue mich, aus dem Munde des Herrn Ministers Beneš zu hören, daß er sich grundsätzlich zu einer europäischen Union bekennt und jene Angriffe zurückweist, die in allem entgegenkommenden Verhandeln und freundschaftlichen Ausgleichsversuch mit den Nachbarländern einen Eingriff in die Souveränität der Èechoslovakei sehen wollen. Souveränität bedeutet nicht Willkür, und die Souveränität als das Recht auf selbständiges Leben und selbständiges Entfalten eines Staates erfordert ebenso Rücksichtnahme und verständnisvolles Entgegenkommen den übrigen Staaten gegenüber wie der einzelne Mensch trotz seiner grundsätzlichen Freiheit in deren Ausübung auch auf seine Mitmenschen Rücksicht nehmen muß und sich als Persönlichkeit in die Gesamtheit einzugliedern hat. Europa, zwischen der weltwirtschaftlichen Vormacht Amerikas und dem politischen Unruheherd Rußland gelagert, muß die einheitliche Form seines Zusammenlebens finden, wenn es nicht an gegenseitigen Reibungen zugrundegehen soll und sich selbst den Elementen der Zersetzung ausliefert.
Von diesen Gesichtspunkten aus
stehen wir der Paneuropafrage sympathisch gegenüber und ich hoffe,
daß den prinzipiell gezeigten Linien und den neuen besser klingenden
Worten in der èechoslovakischen Außenpolitik auch einmal die Tat
folgt und das Wort nicht nur Wort bleibt. Diesem auf Versöhnung
und Zusammenarbeit der Völker und Staaten eingestellten Programm
kann jedoch die Èechoslovakische Republik nur dann entsprechen,
wenn sie es versteht, das Werk der Versöhnung und der freundschaftlichen
Zusammenarbeit innerhalb der eigenen Grenzen zu lösen, wenn sie
es versteht, hier das Recht auf Selbsterhaltung und Selbstverwaltung
allen Völkern, die diesen Staat bewohnen, zuzuerkennen. Hier liegt
noch ein weites und leider fast vollständig ungepflegtes Arbeitsgebiet
vor uns, ein Gebiet, zu dessen ernsthafter verständnisvoller Bearbeitung
sich auf èechischer Seite leider noch niemand bereitgefunden hat.
Es ist illusorisch, von Ordnung nach Außen zu sprechen, wenn man
Ordnung Frieden und Eintracht im Staate selbst nicht herzustellen
versteht, wenn man nicht versteht, das Problem des nationalen
Zusammenlebens der Völker zu lösen und allen staatlichen Maßnahmen
politischer oder wirtschaftlicher Natur die Spitze gegen die sogenannten
Minderheiten dieses Staates zu nehmen. Es berührte uns also sympathisch,
daß in Paris zum erstenmale die Èechoslovakei und Ungarn gemeinsam
an die Beratung strittiger Fragen herantraten, mit dem festen
Willen, in friedlicher Zusammenarbeit und gegenseitiger Annäherung
die Haupthindernisse für ein friedliches Zusammenwirken aus dem
Wege zu räumen. In diesem Sinne könnte gewiß das Pariser Abkommen
als erster Schritt für ein weiteres friedliches Zusammenwirken
der beiden Staaten betrachtet werden. Dieses Ergebnis der Pariser
Konferenz scheint uns eigentlich das wichtigste zu sein und wahrlich
aller Beachtung wert. Wir wünschen gerade im Interesse des Friedens
ein gutnachbarliches Verhältnis auch mit Ungarn wie mit Österreich
und Deutschland und verurteilten und verurteilen eine Bündnispolitik,
die einseitig und kurzsichtig ist und uns in ständige Gefahr bringt,
mit unseren Nachbarn in einen Konflikt verwickelt zu werden. Das
gefühlsmäßige, ich möchte sagen starre Festhalten unseres Außenministers
an der Kleinen Entente als dem einzigen Bundesgenossen Frankreichs
läßt in uns leider nicht die Hoffnung aufkommen, daß der erste
Schritt bei der Pariser Konferenz nun rascher fortgesetzt werden
könnte zur Verwirklichung eines dauernden Friedens nach dem Weltkriege.
Eine diesbezügliche Gesinnungsänderung des Herrn Außenministers
würden wir begrüßen, können aber leider von einer solchen Änderung
noch nichts bemerken. Den schönen Worten des Herrn Außenministers
über loyale Zusammenarbeit mit Ungarn und den Nachbarstaaten über
das Bestreben, sich auszugleichen, die Vergangenheit und die Differenzen
zu vergessen und die Wege zu einem wirklichen Einvernehmen und
zur Versöhnung zu finden, sind eben leider Taten noch nicht gefolgt
und wenn diese Worte wahr sein sollen, so müssen ihnen eben auch
Taten folgen. Der Herr Außenminister muß den Beweis erbringen,
daß es ihm mit seinen schönen Worten wirklich ernst ist. Da eine
Gesinnungsänderung des Herrn Außenministers aus seinem Exposé
nicht ersichtlich ist, sind wir deutschen Christlichsozalen nicht
in der Lage, das Exposé des Herrn Ministers Dr. Beneš zur
Kenntnis zu nehmen. (Potlesk.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verhandlungen der Übereinkommen, die in Paris und im Haag geschlossen worden sind, im Parlament hat auch zur Aufrollung einer ganzen Reihe von verfassungsrechtlichen Fragen geführt. So verlockend es gerade für mich als einen Vertreter der Rechtswissenschaften wäre, zu diesem ganzen Fragenkomplex in eingehender Weise Stellung zu nehmen, so will ich doch nicht vergessen, daß ich mich hier auf einer parlamentarischen Tribüne befinde und nicht in einer Lehrstube oder in einem Vortragssaal, und auf Einzelheiten verzichten. Gewisse Dinge scheinen mir wohl von allem Anfang an unzweifelhaft festzustehen. Dazu gehört wohl vor allem die eine Tatsache, daß die Unterschrift des Präsidenten unter einen zustimmungsbedürftigen Vertrag, falls sie vor Zustimmung des Parlamentes geschieht, unter keinen Umständen die Bedeutung einer Ratifikationsunterschrift besitzt. Es scheint mir auch klar zu sein, daß der Zustimmung durch das Parlament alle Verträge bedürfen, die in irgend einer Weise, wenn auch nicht in direkter und unmittelbarer, Verpflichtungen des Staates und seiner Bürger begründen, und nicht deshalb allein, weil ein Vertrag eine Minderung bereits bestehender Verpflichtungen und Lasten enthält, kann er von vorneherein von der Prüfung seiner Zustimmungsbedürftigkeit ausgeschlossen werden. Denn in den meisten der Fälle, wo es sich um eine Herabsetzung von Verpflichtungen handelt, geschieht diese Herabsetzung von Verbindlichkeiten nicht ohne Kompensationen, und in diesen Kompensationen liegt eben eine Belastung und eine Verpflichtung des Staates, die den Vertrag zu einem zustimmungsbedürftigen Vertrag macht.
Es gab bezüglich der Übereinkommen von Haag und Paris gewisse Zweifel im Schoße des Ministerrates, ob sie zust immungsbedürftig und daher dem Parlamente zur Genehmigung vorzulegen sind oder nicht, und die Regierung hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß doch der richtigere Weg der sei, die Verträge zur Genehmigung vorzulegen, da Zweifel obwalten. Ich halte diesen Standpunkt der Regierung für richtig. Ich halte ihn aber nicht deshalb für richtig, weil ich der Auffassung bin, daß die Vorschrift des § 64 der Verfassungsurkunde, die für gewisse Verträge die Zustimmung durch das Parlament vorschreibt, eine extensive Interpretation erfordert. Sie erfordert keine extensive, sondern nur eine richtige Interpretation. Ich bin überhaupt ein Gegner von Behauptungen, als ob gewisse Normen einer extensiven Interpretation bedürfen. Die Pflicht der Regierung liegt darin, daß sie die Verfassungsgrundsätze einzuhalten hat, und in der Verfassung ist das Recht des Parlamentes ebenso verankert, wie die Prärogative des Präsidenten. Auch die Prärogative des Präsidenten zu wahren, ist Aufgabe einer verfassungsmäßigen Regierung.
Aus einem ganz anderen Grunde komme ich zur Überzeugung, daß im Zweifelsfalle Verträge der Zustimmung des Parlamentes zu unterwerfen sind, und zwar deshalb, weil es sich hier um Gültigkeitserfordernisse handelt und weil unter Umständen, wenn zu Ungunsten des parlamentarischen Zustimmungsrechtes falsch interpretiert wird, eine ungültige Ratifikation die Folge sein kann. Dieser Gefahr vorzubeugen, ist Pflicht der Regierung. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)
Im allgemeinen sind die Probleme, die hier aufgerollt wurden, eigentlich nicht so übermäßig schwer zu lösen, und es bedarf vielleicht gar nicht des Zusammentritts einer besonderen Fachmännerkommission. Allerdings ist der ganze § 64 und das Thema, das in ihm abgehandelt wird, reichlich problematisch, manche Fragen knüpfen sich an ihn, die unbedingt regelungsbedürftig sind. Die Abgrenzung der Verträge, die in der "Sammlung der Gesetze und Verordnungen" publiziert werden müssen, muß in klarer Weise erfolgen, in klarer Weise muß auch die Feststellung erfolgen, wodurch, in welcher Weise eine völkerrechtliche Vereinbarung innerstaatliche Wirksamkeit erlangt, und wie den Herren bekannt ist, ist auf meine Anregung über Beschluß des verfassungsrechtlichen Ausschusses eine Aktion in dieser Hinsicht im Zuge, die uns die notwendige Klärung bringen soll.
Alles in allem möchte ich feststellen, daß bei Vorlage der Übereinkommen von Paris und Haag die Regierung den Anfor derungen der Verfassung entsprochen hat. Trotzdem kann ich das Verhalten der Regierung in einer bestimmten Richtung nicht vollkommen billigen. Ich will nicht die Behauptung aufstellen, daß es hier eine Scheu vor dem Parlamentarismus gegeben hat, denn ich will ohneweiters anerkennen, daß gerade der Herr Minister des Äußern bei den Verhandlungen im Budgetausschuß und im Außenausschuß alle no twendigen Aufklärungen in vollstem Maße gegeben hat. Aber es scheint mir doch unrichtig zu sein, daß wir aus einem großen Vertragswerk nur gerade jene Abschnitte, die nach dem Wortlaut der Verfassung unserer Zustimmung unbedingt bedürfen, zur Kenntnis vorgelegt bekommen, während wir von den anderen überhaupt nichts erfahren. Das Haager Vertragswerk bildet eine Gesamth eit und die einzelnen Teile des Haager Vertragswerkes sind nicht verständlich, wenn man nicht das ganze Haager Vertragswer kennt. Ich glaube, es nicht nötig zu haben, Ihnen etwas anderes vor Augen zu führen, als einerseits dasjenige, was uns die Regierung vorlegt (ukazuje texty). Das sind die Texte, die wir genehmigen sollen, und diese - die kleiner gedruckten Texte - sind Texte des gesamten Haager Vertragswerkes. Das ist der englische und französische Text, das aber ist auch zweisprachig, nämlich französisch und èechisch. Ich glaube, daß diese quantitative Antithese genügt, um klarzumachen, daß wir von allem möglichen, was im Haag gemacht worden ist, keine unmittelbare Kenntnis erlangt haben.