Meine Damen und Herren! Es steht zur Verhandlung ein Gesetzantrag, der sich mit den Grenzen dieses Staates befaßt. Es ist begreiflich, daß uns dies veranlaßt, dazu Stellung zu nehmen, indem wir auf die Friedensverträge, wie sie heißen, hinweisen, auf jene Epoche nach dem Kriegsschluß, in welcher man den Krieg mit anderen Mitteln gegen die Völker fortzusetzen beschloß. Wir müssen bei dieser Gelegenheit nach wie vor in feierlicher Weise erklären, daß die natürlichen Grenzen die Grenzen der Völker sind, und nicht die durch Gewalt und Willkür bestimmten Grenzen, die durch vergängliche Menschenhand geschaffen sind. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr Lukavský.) Jedes Volk hat das Recht auf sein Eigenleben und der höchste sittliche Ausdruck eines Volkes ist die Zusammenfassung dieses Volkes in einem Staat. Der Staat muß eine sittliche Gemeinschaft und eine Rechtsgemeinschaft sein und kann und darf nicht eine Zwangsgemeinschaft sein. Wir erheben bei diesem Anlaß wieder unsere Stimme und weisen darauf hin, daß wir fest daran glauben, daß auch dem deutschen Volke in der wei teren Entwicklung der Geschichte nicht vorenthalten werden kann, worum andere Völker erfolgreich gekämpft haben, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 8. kvìtna 1930 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 4 tìsnopisecké zprávy o 47. schùzi posl. snìmovny.)
Wenn ich dies sagte, so kommt damit auch eine tiefgehende Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen dieses Staates zum Ausdruck und gewissermaßen zur Begründung dieser Rechtsverwahrung will ich nur in das reiche Gebiet greifen, auf dem wir überall Beschwerden über Beschwerden vorzubringen haben. Um ganz konkret zu sein, werde ich aus dem täglichen Leben einige Beispiele herausnehmen, aus denen ersichtlich ist, daß wir trotz der sogenannten Friedensverträge noch weit entfernt sind von einem Frieden unter den Völkern. Ich behalte mir vor, in der nächsten Zeit über Schulfragen zu sprechen und werde in diesem Zusammenhange vor allem auf die vielgenannte Schulfrage von Albrechtsried zu sprech en kommen. Ich würde es nur begrüßen, wenn mir dies erspart bliebe, und dies wäre möglich, wenn man nach mehr als lojährigem Kampf endlich einsehen würde, daß es auf die Dauer ein Ding der Unmöglichkeit ist, daß man dort den derzeit nicht weniger als 45 deutschen Schulkindern die Schule mit allen Schikanen und Mitteln vorenthält, während man doch bekanntermaßen für 5, 4 und 3 Kinder und sogar für keine Kinder èechische Schulgründungen durchführt und deutsche Kinder zwingt, in diese Schulen zu gehen. Es würde zu weit führen, darüber ausführlich zu sprechen, aber ich werde noch darauf bei anderer Gelegenheit zurückkommen.
Ein zweiter Punkt, der unsere Aufmerksamkeit lebhaft in Anspruch nehmen muß und geeignet ist, die Atmosphäre, die man so sehr als gebessert bezeichnet, aufs neue auf das schwerste zu vergiften, ist ein neu vorbereiteter Einbruch in das deutsche Sprachgebiet durch den geplanten Sokolkongreß in Eger. Es ist vielleicht richtig, vorher zu diesen Dingen zu sprechen, um nachher nicht den Vorwurf einer Versäumnis über sich ergehen lassen zu müssen. Ich frage noch einmal hier die Herren von der èechischen Seite: Was wollen Sie denn eigentlich mit diesem Aufmarsch der Sokoln im deutschen Sprachgebiet? Ich selbst bin Turner und achte jede sportliche und turnerische Leistung. Aber es ist ein Unterschied, ob man ein Turnfest begeht, oder ob man diese Organisation zu politischer Demonstration mißbraucht. Es ist nichts anderes, als eine ungeheuerliche Provokation und ich muß dies aussprechen, weil es doch fast üblich wurde zu glauben, daß Deutsche in diesem Staate nicht mehr provoziert werden können, aus dem einfachen Grunde, weil man der Meinung ist, daß sie sich sowieso alles gefallen lassen müßten. Ich will darauf hinweisen, was geschehen würde, wenn deutsche Turner mit ihren Abzeichen und Farben in demselben Ausmaß, wie es schon wiederholt im deutschen Sprachgebiet gemacht wurde und wie es jetzt in Eger geplant ist, in einer èechischen Stadt, etwa in Tabor, aufziehen würden, um dort sozu sagen das Vorhandensein des deutschen Volkes in diesem Staate zu demonstrieren. Es ist doch ganz überflüssig, uns erst durch Sokolkongresse zum Bewußtsein zu bringen, wo wir sind. Es sind doch täglich Ereignisse übelster Art, die uns daran erinnern, so daß wir derartige Demonstrationszüge in unserem Sprachgebiet bei Gott nicht nötig haben, um uns der Fesseln bewußt zu werden, in die wir rücksichtslos geschlagen sind. Es ist bezeichnend, daß jetzt durch die èechischen Blätter erst kürzlich eine Nachricht gegangen ist, daß anläßlich des geplanten Sokolkongresses in Eger am 1. Juni 5000 Reichsdeutsche, bewaffnet mit Handgranaten und Revolvern, in Eger einziehen würden, um diesen Einbruch zurückzuweisen. Ich möchte denn doch fragen, ob man hier nicht das System der Vergiftung von vornherein pflegt und möchte vielleicht, wenn es auch nicht geschieht, empfehlen, daß man untersucht, ob die Gegenseite vielleicht mit versteckten Waffen in das deutsche Sprachgebiet einzieht, um dort Stimmung zu machen für ein deutsch-èechisches friedliches Zusammenleben. So lange Sie nicht gewillt sind, derartige Methoden zu ändern, so lange Sie nicht gewillt sind, uns in unserem Sprachgebiete Ruhe zu geben, so lange ist es nur Schaumschlägerei, mag sie von höchster oder von anderer Stelle kommen, wenn man hier immer wieder in schönen Reden vom Frieden spricht und versteckt Krieg führt mit dem sudetendeutschen Sprachgebiet.
Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist aber noch ein weiterer und weitgehender Punkt, den ich heute hier öffentlich zur Sprache bringen muß, und ich ersuche die deutsche und èechische Seite, sich wohl das zu überlegen, was ich im Folgenden auszuführen habe. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die bereits in der Presse zum Vorschein gekommen ist, eine Angelegenheit, die nach außenhin vielleicht als etwas kleinlich erscheint, weil es sich nur um ein Haus von vielen handelt, eine Angelegenheit, die aber von größter Bedeutung ist, weil an der Hand dieses Beispiels ein Zeichen für das System gesetzt wird, mit dem man hier vorzugehen in jüngster Zeit für richtig befunden hat. Es handelt sich um den Hauskauf des Hauses "Buen Retiro" in Marienbad. Wenn der Staat als Hauskäufer auftritt, muß er sich auch gefallen lassen, daß er von dieser Stätte aus in seinem Tun kritisiert wird, besonders dann, wenn man daran geht, mit staatlichen Mitteln, mit Steuergeldern, einzugreifen in private Rechtsverältnisse. Ich möchte grundsätzlich hiezu sagen: Die Steuergelder werden nicht zur Befriedigung sadistischer politischer Gelüste gezahlt. Die Steuergelder sind anvertrautes Gut und anvertrautes Gut ist von dem, der es inne hat, im Sinne jener zu verwenden, zu deren Zwecken es erhoben wurde. Die Steuergelder dieses Staates sind rund zur Hälfte deutsche Steuergelder. Es geht jetzt so weit, daß sich der Staat nicht nur mit seiner gesamten Verwaltungsmacht, sondern sogar mit der jedem Privatsäckel begreiflicherweise überlegenen Macht des Staatssäckels in den Dienst persönlichster Èechisierungsgelüste stellt. Es ist dieser Vorfall von der größten Bedeutung und ich muß in verschiedenen Punkten scharfe Beschwerde gegen das führen, was man sich auf diesem Gebiete erlaubt hat.
Das Haus "Buen Retiro" ist ein alter deutscher Familienbesitz der deutschen Familie Utschik. Die Nachkommen dieses Hauses leben heute noch und es hat sich das Schauspiel ereignet, daß diese deutsche Familie ihr Elternhaus gegen den Zugriff der Staatskassa zu verteidigen hatte. Es ist eine Schande, wenn man hingeht und sogar gegen eine Frau die Staatsmacht ausspielt. Es muß doch klar gesagt werden, daß es auch einen Mißbrauch der Staatsgewalt gibt. Es gibt einen Mißbrauch der Amtsgewalt, der die Möglichkeit gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen; es ist aber leider nicht in unserer Macht, sich gegen den Mißbrauch der Staatsgewalt zur Wehr zu setzen. Es ist auch leider keine Instanz einschließlich des Völkerbundes vorhanden, die dem Staat wehren würde, wenn er hergeht und seine Macht wie in diesem Falle mißbraucht und anvertraute Gelder, wie es öffentliche Gelder sind, dazu verwendet, um einen ungleichen Kampf gegen private Besitzer zu führen.
Meine Damen und Herren! Daß es den Betreffenden ernst darum zu tun ist, daß sie die größten Anstrengungen gemacht haben, ihr Hab und Gut vor diesen Einbrüchen zu retten, das sehen Sie daran, daß die Familie auf der Galerie oben sitzt, daß sie hereingekommen ist, um sich hier die Leichenrede für ihr Elternhaus, über den Skandal anzuhören, den man begangen hat.
Dieses Haus hat eine Geschichte für sich. Es spielt ein Name mit, der auch in der Auslandsvertretungsgeschichte dieses Staates nicht unbekannt ist. Ein Bruder des sattsam bekannten Gesandten Meèíø ist Mitbesitzer dieses Hauses. Gesandter Meèíø ist bekanntlich aus Brüssel in Damenbegleitung, soviel ich aus der Presse noch weiß, ausgerissen und die Frau Gesandtin hat, wenn die Zeitungsnachrichten richtig sind, die Staatsmöbel verklopft und ist auch ausgerissen. Momentan ist Meèíø wieder in Gnaden aufgenommen und vertritt den Staat erfolgreich in Athen. Ein Bruder von ihm sitzt heute in Marienbad und ist Mitbesitzer dieses Hauses. Auch er ist durch Monate, dreiviertel Jahre hindurch in Strafuntersuchung gewesen und es haben sich politische Einflüsse im Sinne seiner Befreiung von dieser Verfolgung geltend gemacht, die näher zu untersuchen ich mir heute versagen muß, die aber au ßerordentlich interessant sein werden, sie zu verfolgen.
Der Kampf, der dann dort geführt wurde, hat schon im Jänner dieses Jahres mit einer ersten Versteigerung begonnen und in dieser haben wir gesehen, daß ein Vertreter des Staates, Sektionsrat Dr. Makovec vom Arbeitsministerium gekommen ist, um in die Hausversteigerung einzugreifen. Ich möchte vor allem einmal fragen: Zu welchem Zwecke kauft der Staat dieses Haus? Dieses Haus ist durch den Streit, der seine Entwicklung Jahre hindurch behindert hat, so heruntergekommen, daß man heute bei einer ehrlichen Schätzung feststellen müßte, daß das Haus mehr oder weniger verwahrlost und verlottert ist. In einer Information, die ich darüber habe, heißt es: "Das Haus ist in sämtlichen Stockwerken von Ungeziefer, Wanzen durchsetzt - zu denen jetzt noch die neuesten Wanzen gekommen sind, die sich dort eingenistet haben. Eine gründliche Reinigung der Zimmer und Nebenräume, insbesondere auch der Wirtschaftsräume, hat seit Jahren nicht stattgefunden und insbesondere in den Betriebsräumen bestehen die schauderhaftesten Zustände, namentlich in hygienischer Beziehung, da alles voll Schmutz trieft."
Ich erwähne dabei, daß man dieses Haus dem Gesundheitsminister anhängen will, damit er vielleicht daraus ein Millionenfürsorgeheim machen soll. Fast kein Fenster schließt richtig, die allernotwendigsten Ausbesserungen der Malereien im Stiegenhaus, Vorplatz und in den Betriebsräumen sind nicht im geringsten durchgeführt, die Küchenöfen fallen fast zusammen und sind unsauber usw. Es wurde eine Schätzung dieses Hauses vorgenommen und man hat in der amtlichen Schätzung bereits bei der ersten Versteigerung festgestellt, daß das Haus nicht mehr als äußerstenfalls 4 bis 4 1/2 Millionen an Wert repräsentiert.
Bei der ersten Versteigerung hatte auch der Vertreter des Arbeitsministeriums einen ganz genau festgelegten Auftrag, er durfte nur bis zur Grenze von etwas über 5 Millionen gehen und mußte dann aus der Versteigerung ausscheiden. Diese erste Versteigerung ist dann angefochten worden, und es ist am verflossenen Samstag, den 3. Mai, zu einer neuerlichen Versteigerung gekommen. Obwohl man sich bemüht hat, zu verhindern, daß der Staat in diese Privatangelegenheit eingreift, ist neuerdings derselbe Sektionsrat Makovec erschienen und hat neuerdings mitgeboten. Ich möchte da etwas über die Zustände bei den Gerichten in Marienbad sagen.
Das Bild, das diese Versteigerung geboten hat, ist ein sinnfälliges Bild dafür, wie die Justiz in diesem Staate schon heruntergekommen ist, wie weit sie schon gefügig gemacht ist, um in den Diensten zu stehen, in denen auch Herr Makovec und seine Genossen gestanden sind. Es ist bezeichnend, daß während der ganzen Versteigerung der Strafrichter von Marienbad, Herr Divíšek, anwesend war, der ja dabei gar nichts zu suchen hatte und daß weiter diese Versteigerung sozusagen ein Gaudium für die ganze èechische Minderheit von Marienbad gewesen ist, die sich dort das Hängen und Rädern einer alten deutschen Familie als Schauspiel vorführen ließ. Es war auch der èechische Bezirkshauptmannstellvertreter Dr. Reif bei der Versteigerung anwesend, der èechische Oberkommissär Dr. Brabec, der èechische Baurat Filípek usw. Ich frage, ob diese Leute keine Amtsstunden haben und nichts anderes zu tun haben, als zu Gericht zu gehen, um gewaltsam den Deutschen ihr rechtes Besitztum abzujagen. Es wäre interessant zu sagen, wieso dieser Strafrichter am Vormittag zu diesem Zwecke nichts angeordnet hat, um frei zu sein und das Schauspiel der Versteigerung mit solchen Mitteln mit genießen und erleben zu können. Derselbe Strafrichter hat es genau eingerichtet, daß er am vorhergehenden Nachmittag die anwesende Frau Baumeister Gut vorgeladen und gegen sie eine Strafverhandlung durchgeführt hat; er hat sie in einer Ehrenbeleidigungssache zuerst zu 10.000 Kè für èechische Zwecke verurteilt, bis sie sich schließlich zur Zahlung von 1.000 Kè für èechische Zwecke bequemen mußte. Am Nachmittag vorher hat der Strafrichter noch diese moralische Ohrfeige den Deutschen zu versetzen versucht, um sie gefügig und willfährig zu machen, wenn es sich am nächsten Tage um den Raub dieses Hauses handeln sollte. Ich möchte ferner wissen, wieso die Beamten der Bezirkshauptmannschaft bei dieser Gelegenheit anwesend waren. Was muß es für einen Eindruck auf die Bevölkerung machen, wenn diese Leute dazu bestimmt sind, über die Bevölkerung als Gleiche unter Gleichen amtszuhandeln? Ist es ein Wunder, wenn man in diesem Strafrichter einen Scharfrichter und nicht einen Strafrichter sieht? Schade, daß der Justizminister nicht hier ist, ich würde ihm sehr empfehlen, diesen Mann in kürzester Zeit aus Marienbad verschwinden zu lassen, weil die Bevölkerung auch nicht das allermindeste Vertrauen zu einem solchen Gericht haben kann und weil sogar eine Bewegung im Gange ist, daß man sich behelfen wird, ohne die Mithilfe dieser staatlichen Ordnungsgewalt des Strafrichters in Anspruch zu nehmen.
Am selben Abend nach der Versteigerung hat eine Siegesfeier stattgefunden, in der man es gefeiert hat, daß wieder ein deutscher Besitz mit staatlichen Mitteln in èechische Hände überführt worden ist. (Posl. dr Schollich: Dabei waren alle staatlichen Organe wieder anwesend, wie es üblich ist!) Selbstverständlich! Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß bei der Versteigerung im Jänner ein Vertreter der Severoèeská Jednota mitgesteigert hat und das Haus zu erwerben trachtete.
Bei der zweiten Versteigerung war dieser Vertreter des Èechisierungsvereins nicht mehr anwesend, d. h. er war anwesend, hat aber nicht mehr mitgeboten; es wäre interessant zu wissen, warum er nicht mitgeboten hat, ob er vielleicht schon die Gewähr hatte, daß dieses Haus für èechische Zwecke gesichert ist. Es ist auch die Nachricht herausgekommen, daß vorher eine Abordnung der Jednota beim Ministerpräsidenten Udržal vorgesprochen hat und den Ankauf des Hauses durch den Staat durchgesetzt hat. Ich möchte den auf diesen gähnend leeren Bänken auch nicht anwesenden Herrn Ministerpräsidenten Udržal fragen, ob das wahr ist und ob er bereit ist, sich dazu zu äußern.
Es ist auch die Frage gewesen, ob dieser Ankauf den Ministerrat passiert hat. Ich erlaube mir, dem geschätzten Hause mitzuteilen - ich bitte es zu überprüfen und sich zu äußern, wenn es unrichtig ist - daß in ganz Westböhmen die Nachricht verbreitet ist, daß man genau am 1. Mai einen Ministerrat abgehalten hat, als nämlich die deutschen und èechischen sozialdemokratischen Minister zu den Maifeiern abgereist waren und der deutsche Minister Dr. Spina sich in Karlsbad auf dem Bädertag befand, so daß man also unter sich war und unter sich das bcschließen konnte, was in Wirklichkeit ein Faustschlag für jene ist, die man eigentlich unter solchen Umständen ja gar nicht mit zur Verantwortung ziehen kann. Es ist weiter notwendig aufzuklären, ob der Ministerpräsident tatsächlich dieser Abordnung ein solches Versprechen gegeben hat. Dann wäre der klarste Beweis erbracht, wie weit und bis zu welchen Stellen heute der klare Wille nicht der Objektivität, sondern des Kampfes gegen unser Besitztum in geistiger und wirtschaftlicher Beziehung gediehen ist.
Ich möchte weiter fragen: Was hat der Staat mit diesem Hause in Marienbad vor, wozu erwirbt er es? Hat der Staat vielleicht noch nicht genug daran, daß er das Hotel "Kasino" in Marienbad gekauft hat, in dem eine verlotterte Mißwirtschaft ein dauerndes Passivum für den Staatssäckel erzeugt? Hat man noch nicht genug an diesem Verlust und hat man genug Steuergelder, um 7 1/4 Millionen in ein deutsches Haus hineinzustecken, u. zw. zur selben Zeit, wo man die Bäder, die man durch die Bodenreform vom Stift Tepl beschlagnahmt hat, trotz aller Vorstellungen aller Kreise einschließlich der Ärztekreise von Marienbad verwahrlosen und verlottern läßt? Und doch wären zwei, drei Millionen eine ungeheure Wohltat, um Marienbad so weit instandzusetzen, wie es einem Weltkurort und seinem Rufe entspricht. Dazu sind keine 2 oder 3 Millionen vorhanden, aber 7 1/4 Millionen sind da, wenn es gilt, ein deutsches Haus gewaltsam in èechische Hände überzuführen, damit die ganze Regierung ein schönes Gesicht vor der Minderheit zeigen kann. Es ist denn doch bedauerlich, wenn die Männer nicht mehr Stärke in sich fühlen, wenn sie sich schon zu solchen Verbeugungen hergeben. Es wird so oft von Nebenregierungen gesprochen. Nein, die Hauptregierungen sind die, die Sie als Nebenregierungen bezeichnen, und die anderen haben sich, wenn diese Punkte richtig sind, als willfähriges Werkzeug dieser sogenannten Nebenregierungen gezeigt.
Ich muß noch fragen, aus welchen Mitteln der Arbeitsminister, der gleichfalls nicht hier ist, dieses Haus gekauft und zu welchem Zwecke er es erworben hat. Das Haus wurde von Sachverständigen auf 4 1/2 Millionen geschätzt. Das Haus wurde zum erstenmal bereits mit 6 Millionen der Familie selbst zugeschlagen. Der Abgesandte der Regierung, der Sektionsrat des Arbeitsministeriums Makovec, hatte den Auftrag, nur bis 5 1/2 Millionen zu gehen, d. h., daß der Staat selbst diesen Betrag als die Höchstgrenze des wirtschaftlichen Wertes des Hauses angesehen hat. Nun frage ich, wie es möglich ist, daß derselbe Staat bei der Gültigkeit dieser Schätzung bei dem zweiten Hausverkauf von 4 1/2, resp. 5 Millionen auf 7 1/4 Millionen gehen konnte? Ich stelle fest, daß mit diesem Hauskauf der Staat rund 3 Millionen für Èechisierungszwecke ausgegeben hat. Ich muß fragen, wo bleibt das "Gleiche unter Gleichen", wenn man mit zur Hälfte deutschen Steuergeldern so eine Ungeheurlichkeit aufführt? Nicht nur für die Deutschen, für alle Minderheitsvölker dieses Staates ist es von ungeheuerlicher Bedeutung, wenn man hier einen Einbruch in das Privatvermögen ausübt, wenn man an höchster Stelle zwischen Mein und Dein im Privatbesitz nicht mehr zu unterscheiden vermag.
Sie werden fragen, wieso es möglich ist, daß die Familie nur 10.000 Kè weniger geboten hat, wenn das Haus tatsächlich nicht mehr wert sein soll. Es ist ein Unterschied, ob man sein Jahrhunderte altes ererbtes Familienhaus verteidigt, oder ob man es mit leicht erworbenen Mitteln kauft. Es war der Familie Guth nur deshalb möglich soweit zu gehen, weil die Frau die Mitbesitzerin eines Viertels des Hauses ist und ihr Mann aus Entgegenkommen auf dieses Viertel verzichtet hat, weiter deshalb, weil er selbst Baumeister ist und die Möglichkeit hat, Investierungen vorzunehmen. Diese Wanzenbude, die dieser Staat mit 7 1/4 Millionen gekauft hat, wird noch weitere 3 Millionen verschlingen, bis sie so weit sein wird, ein Kurhaus zu sein. Dann haben Sie glücklich 10 bis 11 Millionen in das Gebäude hineingeschustert. Aber man hat damit allerdings eine Bresche geschlagen, und da muß ich etwas weiter schauen. Denn das Haus ist ein Symptom.
Es gehen Dinge vor, über die wir nicht ununterrichtet sind. Die Frage Marienbad ist nach wie vor ungelöst. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß man einfach zur Zeit, da der Kurbetrieb eingesetzt hat, immer noch im unklaren ist, wer in Zukunft Besitzer dieses Weltunternehmens sein wird und es ist begreiflich, daß es die Schuld des Staates ist, wenn man hier nicht Ordnung schafft, den Besitzer auch für die Zukunft nicht klar erkennt, so daß das Bad immer mehr herunterkommen muß.
Bei der Versteigerung ist weiters noch eine Unzahl von Verfahrensmängeln rein formal juristischer Natur festzustellen, so daß es selbstverständlich ist, daß gegen diesen Zuschlag seitens der Familie Guth die Berufung an das Kreisgericht in Eger eingebracht worden ist. Ich möchte schon hier sagen, daß man es unterlassen möchte - wir haben nicht das geringste Vertrauen zu einer solchen Justiz - in der oder jener Form Winke an das Kreisgericht Eger zu geben, daß vielleicht die Berufung abgewiesen werden solle. Die erste Berufung, die man gegen die Zuweisung des Familienbesitzes an die alte Familie gemacht hat, war lange nicht so stichhältig, aber man hat ihr Recht gegeben und hat es zur zweiten Versteigerung gebracht. Diesmal hat sich aber auch noch folgendes Schauspiel zugetragen: Der Vertreter des Arbeitsministeriums hatte die höchste Vollmacht. Er ging diesmal bis 7 Millionen, nur deshalb, weil er es nicht für möglich gehalten hat, daß ein Privater diese Riesenlast auf sich nehmen könne. Als trotzdem die Familie noch weitere 60.000 Kè dazuschlagen konnte, war dem Vertreter des Arbeitenministeriums der Atem ausgegangen. Er hat aber, trotzdem er keine Vollmacht mehr hatte, noch weiter gesteigert, also, was ja nicht überraschen kann, den Auftrag seines Ministeriums überschritten. Und warum konnte er es? Weil man wahrscheinlich inzwischen mit Herrn Meèíø und Genossen einen Rückversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, daß diese Mehrbietung, die das Ministerium nicht bewilligt hatte, seitens der interessierten èechischen Kreise Marienbads getragen werden wird. Wo kommen wir aber hin, wenn der Abgesandte eines Ministeriums sich in solche Praktiken überhaupt einläßt? Als dann noch weiter gesteigert wurde, war Herr Sektionsrat Makovec gezwungen, mit dem Ministerium in Verbindung zu treten und zu telephonieren. Es hat sich dann ein formaler Fehler nach dem anderen seitens des Gerichtes ereignet und es ist bedauerlich, daß der Richter nicht den Mut hatte, das durchzuführen, was seine Pflicht gewesen ist, sondern daß er mehrmals von 5 zu 5 Minuten entgegen den Versteigerungsbedingungen Verlänge-rungen erteilt hat, und als selbst das nichts half, sogar einem nicht Bevollmächtigten, dem Herrn Meèíø, der im Sinne seines Bruders und Gesandten in seiner Weise plötzlich wieder den Staat zu vertreten die Ehre hatte, diesem Herrn Meèíø resp. seinem Vertreter die Möglichkeit gegeben hat, neuerdings zuzuwarten, so daß jede Frist zur Versteigerung verstrichen war. Nun ist Berufung dagegen eingelegt worden, und ich nehme an, daß man hier in weiten Kreisen von diesen Vorgängen nichts gewußt hat. Wenn kein Einfluß geübt werden wird, muß dieser Berufung ganz klar aus formaljuristischen Gründen Rechnung getragen und Folge gegeben werden.
Es ist höchste Zeit, daß der Staat seine Finger von solchen Unternehmungen und Anschlägen auf den rechtmäßigen Besitzer läßt und nicht mehr versucht, in diese Versteigerung einzugreifen. Das sind Dinge, zu denen man nicht ruhig schweigen kann. Ich wäre in der Lage, Ihnen eine sonderbare Kurliste jener Personen zu zeigen, die in diesem Hause zu billigen und billigsten Preisen ein- und ausgehen und wir würden darunter Politiker auch mit guten Namen finden, (Hört! Hört!) die dort gelebt haben und ich würde sogar, wenn ich sehr kleinlich sein wollte, Ihnen erzählen können, daß derartige Leute selbst in die Küche gehen und sich dort den Schinken vorschneiden lassen, weil er nichts kostet, und dann mit ihm einen Ausflug auf den nächsten Berg machen, um dort leben zu können. Auf Kosten des Staates ist so mancher im Staatsauto herausgefahren, um dort im "Buen Retiro" billig oder um einen Pappenstiel leben zu können, und man hat auf kein Vergnügen verzichtet, das das menschliche Leben zu bieten vermag, und auch Champagner ist dort reichlich und nicht bezahlt geflossen. (Výkøiky.) Darunter war auch ein sehr bekannter Senator, ein gewesener Minister, den ich mit Namen nennen könnte. Ich will aber nicht indiskret sein, so lange noch die Hoffnung besteht, daß dieses Unrecht gutgemacht wird. Ich kündige aber an, daß ich im weitestgehenden Maße die sonderbare Kurliste dieses noch sonderbareren Hauses veröffentlichen und noch einiges dazu berichten werde, wenn man nicht die Einsicht hat und nach dieser Berufung den ungleichen Kampf nicht aufgibt, mit Staatsgeldern Familienbesitz erlangen zu wollen. Es ist einfach nicht anders denn als Skandal zu bezeichnen und ich möchte darauf hinweisen, daß wir in Westböhmen nicht gewillt sind, alles zu schlucken. Man hat uns viel zugemutet, aber man soll nicht darauf vergessen, daß es letzten Endes eine Gefahr ist, die Leute soweit zu bringen, daß sie das Gefühl haben, daß sie nichts mehr zu verlieren haben. Denn dann kann selbst der Langmütigste etwas unbequem und nicht nur ungeduldig, sondern auch gefährlich werden. Ich warne davor und weise darauf hin, daß es unsinnig ist, Friedensschalmeien zu blasen, wenn in der Praxis solche Dinge vor sich gehen. Ich nehme für mich in Anspruch und kann es wohl tun, daß ich hier in der verflossenen Zeit dieser dritten Wahlperiode bei mehrfachen Reden nicht in das heutige Horn geblasen habe, sondern - ich sage das, selbst wenn ich Vorwürfen ausgesetzt wäre - daß ich dafür gesprochen habe, einen Modus vivendi zwischen den Völkern zu finden. Auf diesem Wege aber werden Sie ihn nicht finden, auf diesem Wege werden Sie es dem Friedfertigsten unmöglich machen, zu warten, bis er von Haus und Hof vertrieben wird. Haben Sie denn nicht die Einsicht, daß Sie denn doch den Bogen überspannen? Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß eine maßlose Erregung ohne Unterschied der Partei in der gesamten Bevölkerung Westböhmens über diese Dinge um sich gegriffen hat, eine maßlose Erregung, über die Sie nicht lachen mögen, weil Sie es letzten Endes damit entscheidenderweise zu tun bekommen werden.
Es läge nahe, noch so Manches von diesen Dingen zu veröffentlichen, ich will es nicht tun, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, daß man einsehen werde, daß man hier einen Schritt zuweit gegangen ist, daß man einsehen werde, daß unrecht Gut auch dann nicht gedeiht, wenn man es mit leicht erworbenem Gelde erwirbt.
Ich schließe und will es nicht
anders tun, als indem ich Ihnen einen Ausspruch vor Augen halte,
nicht aus deutschen Kreisen, sondern aus èechischen Kreisen, einen
Ausspruch, den wir in Flammenschrift über das Haus schreiben werden,
weil Sie sich dort ein Denkmal gesetzt haben, an dem kein Fremder
vorbeigehen wird, ohne zur Kenntnis zu nehmen, auf welche Art
und Weise dieses Haus in den Besitz der Fremden gekommen ist.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß dieses Haus schon heute boykottiert
ist, und es wird soweit kommen, daß in diesem Haus nur die vorhin
erwähnten Bewohner wohnen werden und nicht Kurgäste in diesem
Hause verkehren werden. Der größte Teil der Besucher Marienbads
sind die aus finanziellen Gründen immer noch gern gesehenen reichsdeutschen
und sonstigen deutschen Besucher und wir sehen, daß die Gäste
einen Unterschied zu machen verstehen zwischen einer Stätte, wo
Friede wohnt und zwischen einer Stätte, die unehrlich erworben
wurde. Ich berufe mich auf ein Wort des èechischen Universitätsprofessors
Pekaø, der Ihnen Folgendes zu bedenken gegeben hat: "Ich
glaube nicht, daß wir unserer nationalen Sache dienen, wenn wir
uns im Wege eines wie immer gearteten Raubes oder eines Gewaltaktes
der wirtschaftlichen Güter bemächtigen, die bisher in den Händen
des nationalen Gegners waren." Meine Herren, etwas Deutlicheres
und etwas Schärferes vermag Ihnen wohl niemand mehr zu sagen.
Ich hoffe, daß man denn doch Einsicht finden wird, denn wir sind
nicht gewillt und auch ich bin nicht gewillt, meinen Wahlkreis
und unsere Heimat Westböhmen [Další slova byla usnesením predsednictva
posl. snìmovny ze dne 8. kvìtna 1930 podle §u 9, lit.
m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Wenn es nicht
möglich ist, hier eine Einsicht zu finden wollen Sie bedenken,
daß Sie rechtzeitig gewarnt wurden. (Potlesk.)