Nun will ich zu einigen Punkten der Außenpolitik sprechen.
Die natürliche Einstellung der èechischen Außenpolitik
wäre, wie das schon so oft von uns gesagt wurde, durch drei
Faktoren gegeben, nämlich die geographische Lage, die nationale
Zusammensetzung dieses Staates und wirtschaftliche Erwägungen.
Diese drei Faktoren führen unserer Meinung nach geradezu
zwangsläufig dahin, daß die èechoslovakische
Außenpolitik ganz besonders gegenüber Deutschland freundlich
eingestellt sein sollte. Es würde
diese Einstellung gar manches auch im Innern erleichtern. Nach
wie vor ist die Hauptfrage dieses Staates, wie es schon immer
gewesen ist, die Frage des Verhältnisses zwischen Deutschen
und Èechen, und durch die Einstellung der èechoslovakischen
Außenpolitik könnte diese Frage
ganz besonders und wesentlich erleichtert werden. Daß auch
wirtschaftliche Erwägungen dafür sprechen, das zeigt
ja jeder Ausweis über die wirtschaftliche Gebarung des Staates,
der immer aufs neue den Beweis liefert: Deutschland ist jener
Aufnahmeplatz für den èechoslovakischen Export, welcher
für die Èechoslovakei geradezu eine erste Lebensnotwendigkeit
vorstellt. Nun haben wir in der letzten Zeit, so oft der Herr
Minister des Äußern im Außenausschuß seinen
Überblick über die außenpolitische
Lage gegeben hat, immer wieder hören können, daß
die Beziehungen zu Deutschland korrekt, ja freundschaftlich seien.
Wir haben das zur Kenntnis genommen. Wir müssen aber doch
sagen, daß wir der Meinung sind, daß durchaus nicht
alles geschehen ist, was hätte geschehen können, um
diese höflichen und freundschaftlichen Worte durch die Tat
zu beweisen. Wir sind nach wie vor der Meinung - und gerade die
letzte Genfer Sitzung hat dies wieder bestätigt - daß,
sooft sich dort die Frage so zugipfelte, daß die
Scheidung der Geister nach dem Losungswort eintreten sollte: hie
Frankreich, hie Deutschland, die Èechoslovakei a priori
immer auf der Seite Frankreichs steht. So oft z. B. Deutschland
die beiden allernatürlichsten Forderungen erhebt, zu denen
es ja selbst nach den Friedensverträgen
berechtigt ist, nämlich Rheinlandräumung und Wiederherstellung
der Souverenitätsrechte in diesem Gebiete und dann die Abrüstung,
ist die Èechoslovakei immer im gegnerischen Lager. Wir
wissen doch alle, daß durch 100 Prüfungs- und
Untersuchungskommissionen festgestellt ist, daß Deutschland
die Bedingungen restlos erfüllt hat, welche als Voraussetzung
für die Räumung und Abrüstung gestellt sind, und
daß darum auf ganz natürlichem Wege und mit logischem
Zwange jetzt von Seite der anderen die Antwort kommen sollte,
ebenso vorbehaltslos die Abrüstung durchzuführen, wie
Deutschland seine Verpflichtungen durchgeführt hat. Es muß
aber jeder Beobachter, namentlich nach der letzten Genfer Sitzung,
die Meinung gewinnen, als täte es der ehemaligen Entente,
welche in die Friedensbestimmungen ja jenen Paragraphen aufgenommen
hat, leid, diese Punkte überhaupt in das Friedensdiktat aufgenommen
zu haben. Und weil es denn doch nicht geht, im Angesichte Europas
und der ganzen Welt, über diese Dinge hinwegzu kommen oder
gar sie zu eliminieren, so sucht man nahezu krampfhaft nach einem
Auskunftsmittel, um dieselben herumzukommen. Der Sicherheitsausschuß
im Völkerbund ist aus diesem Gedanken heraus geboren worden.
Und ein Sicherheitsprogramm ist mit der Abrüstungsfrage und
mit der Räumungsfrage in wesentliche Verbindung gebracht
worden. Aber man muß sagen: Deutschland hat sich den Sicherheitsverpflichtungen
nie entzogen. Dafür ist Locarno ein Beweis und so manches
andere. Es muß festgestellt werden, daß kein Staat
für die allgemeine Sicherheit der Welt so viel getan hat
wie Deutschland, und daß es bei der völligen Wehrlosigkeit
und Abrüstung Deutschlands bis zur Ohnmacht geradezu wie
eine Heuchelei anmutet, wenn man immer noch davon redet, es wäre
für die Sicherheit der anderen zu wenig von Deutschland aus
geschehen. Frankreich ist es gelungen, tatsächlich ein Wort
dafür zu finden, um die Abrüstung und Räumung vielleicht
ad calendas graecas zu verschieben, wie es bestimmt in seiner
Absicht liegt. Deutschland ist abgerüstet, aber es
ist für den Krieg noch immer fähig. Seine Bevölkerungszahl
sei die Gefahr, die Möglichkeit, seine ganze Industrie auf
den Krieg umzustellen. Einige Blätter, auch èechische,
haben z. B. von der Zeppelinfahrt, die die ganze Kulturwelt
in Erstaunen gesetzt hat, nichts anderes zu berichten gewußt,
als daß sie eine Gefahr für den Frieden sei und daß
dieses Luftschiff im Augenblick in ein Kriegswerkzeug umgewandelt
werden könnte. Auch unlängst wurde im Ausschuß
von einem hervorragenden èechischen Politiker auf
diesen Ast eingeschlagen, welche Gefahr von Deutschland immer
noch drohe, da es ja leicht, trotzdem es abgerüstet sei,
sich wieder rüsten könne. Und das, was wir heute in
der Rede des Koll. Myslivec wieder
vernommen haben, ist wohl der Gipfel dessen, was man bieten kann.
Eine gewisse Kriegsfähigkeit wird jede Nation immer behaupten,
solange es eine Männerwelt gibt und Deutschland wird in absehbarer
Zeit, in nächster Zeit trotz der Verstümmelung wieder
eine Bevölkerung von 70 Millionen haben. Das ist immerhin
ein Faktor, über den man nicht hinweg kann. Daß Deutschland
industriell unter den schwierigsten Verhältnissen im letzten
Jahrzehnt bedeutende Fortschritte gemacht hat, wird niemand leugnen.
Aber das in dem Sinne zu deuten, als wäre damit die Sicherheit
der Welt aufs neue von Deutschland aus gefährdet, ist denn
doch eine gewaltige Irreführung. Wenn sich die Situation
so gestalten würde, als würde Deutschland tatsächlich
einmal eine wirkliche Gefahr werden, Frankreich wäre imstande,
den ersten Schritt Deutschlands in den ersten Tagen vollständig
zu überrennen, während Deutschland wenigstens Monate
brauchen würde, um nur halbwegs wiederum gerüstet zu
erscheinen. Das Wort von der Fähigkeit zum Krieg ist tatsächlich
nichts anderes als ein Versuch, die Räumung des Rheinlandes
und die Abrüstung ad calendas graecas zu verschieben. Schöne
Worte werden in Genf gesprochen, auch der Herr Minister hat in
seinem Bericht über Genf sehr schöne Worte gesagt, über
Frieden, Völkerversöhnung usw. Diese Worte hören
wir jetzt schon, seitdem in Genf Tagungen stattfinden, seit Jahren,
und ich muß sagen, sie wirken fast schon langweilig. Übrigens,
wenn man das seinerzeit so berühmte Manifest des letzten
Zaren von Rußland betrachtet, das er in der Sache des allgemeinen
Friedens erlassen hat, so sind es fast dieselben Worte, und doch
ist es bekannt, daß es kaum ein paar Wochen gedauert hat
und er war in den Krieg mit Japan verflochten. Eigentlich sind
die Kriegsverhältnisse auf der Welt seither nicht verschwunden.
Man kann noch weitergehen. Was seinerzeit die Heilige Alliance
nach den napoleonischen Kriegen an schönen Worten geleistet
hat, ist genau dasselbe, was heute der Völkerbund an schönen
Worten liefert. Aber der objektive Zuschauer muß auch heute
noch vom Völkerbund den Eindruck haben: Hier wird noch immer
ein Unterschied zwischen Siegern und Besiegten, ein Unterschied
zwischen denen, welche die Macht haben und vergewaltigen, und
denen, die wehrlos sind und vergewaltigt werden, gemacht, hier
wird noch immer ein Unterschied zwischen denen gemacht, die stark
sind gegen die Schwachen und die schwach, erbärmlich schwach
sind gegen die Starken. Man spricht von Abrüstung und die
Rüsung wird bis zur Überspannung getrieben. Der französische
Kriegsminister hat sich erst vor einigen Wochen einen Kredit von
sechs Milliarden Franken zur Befestigung der französischen
Ostgrenze bewilligen lassen und es klingt fast wie ein Hohn, wenn
er es damit begründet hat, dieses Werk wäre rein defensiv
und sei weit entfernt, eine Kriegskundgebung oder gar Kriegsdrohung
zu sein. Den Kelloggpakt unterzeichnet man, die Kriegsächtung
beschließt man und in Wirklichkeit geht die ganze Einstellung
doch auf den Krieg. Übrigens hat bloß Deutschland vorbehaltlos
diesen Kelloggpakt unterzeichnet und wir wissen, mit welch süßsaurer
Miene es schließlich die andern getan haben. Völkerversöhnung
sagt man und daneben gibt es ein Separatbündnis neben dem
andern, daß man die Zahl fast nicht mehr verfolgen kann.
Gerade in dem Augenblicke, wo über den Kelloggpakt verhandelt
wurde und er unterschrieben werden sollte, ist das Geheimnis über
den Vertrag zerplatzt, der zwischen Frankreich und England geschlossen
wurde und in dem sich diese beiden Mächte die dauernde Herrschaft
über die Welt sichern wollen, England die Macht zur See und
Frankreich die Macht zu Lande. Es ist einfach eine Binsenwahrheit,
daß der Völkerbund und auch der Kelloggpakt das Ziel
nicht erreichen können, wenn sich die Staaten durch die verschiedenen
Verträge in verschiedene Gruppen spalten. Es muß vielmehr
den Eindruck erwecken, als ob die Sicherheit eines Staates auf
Kosten der Sicherheit eines anderen begründet wird, als ob
das Ziel nicht die allgemeine Verständigung wäre, sondern
die Verewigung bestimmter Machtpositionen, als ob nicht auf die
Sicherheit des Friedens hin gearbeitet werden würde, sondern
als ob es auf die unmittelbare Vorbereitung zum Kriege ankäme.
Trotzdem sagt der Herr Minister, er blicke in dieser Hinsicht
und namentlich in Bezug auf die Wirksamkeit des Völkerbundes
mit Optimismus in die Zukunft, auch in die nächste Zukunft.
Optimismus ist eine schöne Sache und wir wünschen natürlich
auch, daß der Völkerbund über diese bloßen
Worte zu einer Tatwirkung herauskommt. Bis jetzt ist alles, was
wir erlebt haben, freilich - nach unserer Meinung - so eingestellt,
daß es wenig Hoffnung gibt. Übrigens muß auf
einen Widerspruch aufmerksam gemacht werden, der zwischen den
Worten des Außenministers und denen des Ministers für
Nationalverteidiguigung steht. Der Herr Außenminister hat
die erfreuliche Botschaft mitgeteilt, daß für
die Abrüstung in der Èechoslovakei alles vorbereitet
sei, daß geradezu nur der Augenblick erwartet werde, wo
sie in die Tat umgesetzt werden könne. Das ist gewiß
sehr schön und erfreulich. Aber unverständlich ist es,
wie in derselben Zeit der Minister für Nationalverteidigung
erklärt, trotz des Riesenbudgets für die Heereserfordernisse,
daß noch immer für das Heer zu wenig geschehen sei
und er eigentlich mehr Forderungen erheben müsse.
Hohes Haus! Der Optimismus unserer Außenregierung
sollte sich darin zeigen, daß sie den Ruf aufgreift, der
vom deutschen Volk in die Welt hinausgeht: Wir haben abgerüstet,
vollständig, bis zur Wehrlosigkeit und bis zur Ohnmacht,
wir haben uns geradezu der Möglichkeit begeben, uns wieder
zu bewaffnen, wir haben alle Sicherheit gegeben, die von uns die
gewaltsamen Friedensdiktate gefordert haben, nun fordern wir die
Wiederherstellung unserer Souveränität in den Rheinlanden
durch Räumung der fremden Besatzung und Abrüstung auch
der anderen, so wie die Verträge es uns zubilligen.
Wenn das in der Tat von der èechoslovakischen Außenpolitik
aufgegriffen würde, dann würde sie im wahren Sinne für
die Völkerversöhnung, auch für das Beste dieses
Staates arbeiten.
Ich möchte noch in Kürze drei Sachen
erwähnen, die mit unserer außenpolitischen Lage wesentlich
zusammenhängen. Das eine ist die Revision der Friedensverträge.
Der Herr Minister hat schon so oft gesagt, daß er ein Gegner
einer Revision sei, daß also diese Friedensverträge
als etwas Unveränderliches, etwas Ewiges erscheinen sollen.
Die Vergewaltigung, welche durch das Friedensdiktat dem deutschen
Volke angetan wurde, soll mit der deutschen Kriegsschuld gewissermaßen
eine moralische Begründung erhalten. Daß über
die Frage der Kriegsschuld eine unparteiische Weltuntersuchung
geführt werde, hat Deutschland mehr als einmal gefordert,
es ist aber von Seite der Entente immer abgelehnt worden. Aber
die Welt hat in dieser Hinsicht, wenn nicht alles trügt,
schon eine Revision vollzogen und erkannt, daß die Schuld
an diesem Kriege weit mehr im Lager der anderen zu suchen ist
als in Deutschland. Damit schwindet auch der Schein einer moralischen
Berechtigung jener Vergewaltigung, welche die Friedensdiktate
Deutschland auferlegen und als Folge wäre eigentlich eine
Revision so mancher Bestimmungen des Friedensdiktates einzuleiten.
Wir erachten sie also keineswegs als etwas Ewiges. Wenn wir das
sagen, so meinen wir natürlich nicht eine gewaltsame Änderung,
etwa durch einen neuen blutigen Waffengang; aber daß gar
manches korrekturbedürftig ist, weiß alle Welt und
diese Korrektur auf friedlichem Wege, die wollen wir und streben
wir an. Wir würden schon deshalb dem Völkerbunde jene
Autorität wünschen, die er dazu braucht, daß er
sich der bisher vergewaltigten Schwachen annehmen könne gegen
die, welche bisher alle Stärke hatten.
Die zweite Sache ist die Anschlußfrage.
Hierin hat sich der Herr Minister zuletzt in dem Sinne geäußert,
es sei am besten, nicht davon zu reden. Wenn diese Worte so gemeint
sind, daß man die Sache sich ruhig solle entwickeln lassen,
so ist uns das nicht gerade unangenehm. Freilich hat der Herr
Minister zu dieser Sache wiederholt schon anders gesprochen. Es
ist der Ausspruch von ihm, daß Anschluß gleichbedeutend
mit Krieg sei, nicht dementiert worden und in den Sitzungen des
auswärtigen Ausschusses hat der Herr Minister den Eindruck
erweckt, daß er ein unbedingter Gegner des Anschlusses sei,
daß er geradezu die Seele dieser Gegnerschaft sei. Wenn
das Wort vom Selbstbestimmungsrecht, auf dem insbesondere die
Existenz der anderen Nachfolgestaaten begründet ist und auf
das sie sich immer berufen, schließlich für alle gilt,
dann wäre ich der Meinung, daß die Anschlußfrage
ausschließlich eine Sache der beiden Faktoren sei, die dabei
zunächst in Betracht kommen. Auch durch die Schwierigkeiten,
die sich dem Hörensagen oder der Einbildung nach für
andere einstellen sollen in Wirklichkeit sind solche Schwierigkeiten
nicht vorhanden - dürfte die Sache nicht aufgehalten werden.
Das Dritte ist die Minderheitenfrage.
Von dieser Minderheitenfrage ist die Èechoslovakei ganz
besonders berührt. Wir Sudetendeutschen betrachten uns in
diesem Staate natürlich nicht als Minderheit, wie etwa eine
andere nationale Minderheit, die durch Zuwanderung unter Auswirkung
der jetzigen Verkehrs- und Wirtschaftsverhältnisse
in einem anderen Staate zustande gekommen ist. Wir sind hier zumindest
so bodenständig wie andere. Die Regierungserklärung,
die vor zwei Jahren durch den Ministerpräsidenten erflossen
ist, hat das übrigens festgestellt, wenn auch in dem eigentümlichen
Worte, das von der tausendjährigen Kultur der beiden Stämme
sprach. Doch werden wir noch immer als eine Minderheit behandelt.
Eine der Hauptschwächen des Völkerbundes, eine Angelegenheit,
die er gar nicht gelöst hat, ist speziell diese Minderheitenfrage,
und wenn diese Frage irgendwo sehr aktuell wurde, so daß
der Völkerbund um sie nicht herum konnte, hat er seinen Delegierten
in das betreffende Land geschickt. Aber es war auffallend, daß
sich der Delegierte dort nicht mit der Minderheit ins Emvernehmen
gesetzt hat, sondern mit der majorisierenden Mehrheit. Wir begreifen
also, wenn auf der Minderheitskonferenz, die in den letzten Wochen
stattgefunden hat, der Unwille darüber deutlich zum Ausdruck
gekommen und wenn gefordert worden ist, es möge beim Völkerbund
eine dauernde Kommission eingesetzt werden, die autorisiert und
ermächtigt sein soll, im Namen des Völkerbundes die
Minderheitsfragen, die vorgelegt werden, zu lösen. Das ist
eine Sache, über die man nicht so ohne weiters weggehen
kann. Auf dieser Minderheitskonferenz waren die Vertreter von
35 Mill. zugegen, welche Summe die Minderheiten in Europa betragen.
Gerade weil die Èechoslovakei ein Minderheitenstaat ist
im besonderen Sinne des Wortes, in dieser Hinsicht
das getreue Abbild des alten Österreich, sollte ihr und ihrer
Außenregierung daran liegen, daß diese Minderheitenfrage
eine befriedigende Lösung erhalte, und wir können es
darum nicht begreifen und müssen es als Unfreundlichkeit
bezeichnen, wenn von der Èechoslovakei gegen die
Errichtung einer dauernden Minderheitenkommission beim Völkerbund
Stellung genommen wird.
Das sind einige Punkte, die ich zu dem in Behandlung
stehenden Abschnitt vorbringen wollte. Im allgemeinen möchte
ich noch einmal sagen, daß unsere Außenpolitik so
geführt werde, wie ich es eingangs hervorgehoben habe, daß
die Richtung durch die drei Faktoren gegeben ist, über die
nichts hinwegkommen kann: Geographische Lage, nationale Zusammensetzung
und Wirtschaft des Staates. Dann müßte sich das von
selbst entwickeln, daß das Wort, das der Minister sprach,
"die Beziehungen zu Deutschland seien freundlich und korrekt"
in eine Tatfreundschaft übergehe, ohne daß die Beziehungen
zu einem anderen Staate deshalb unfreundlich werden müßten.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany køes. sociální.)
Meine Damen und Herren! Bei vierzehn Minuten
Redezeit ist es selbstverständlich unmöglich, auch nur
zu einem Kapitel des Staatsvoranschlages gründlich Stellung
zu nehmen. Obendrein weiß man, daß auch die beste
Rede nicht die geringste Änderung an diesem Staatsvoranschlage
zu erzielen vermag. Deshalb will ich mich darauf beschränken,
einiges Grundsätzliche zur Finanz- und Verwaltungsreform
vom Standpunkte der Selbstverwaltung zu sagen. Denn dieser Gegenstand
ist gegenwärtig im Vordergrunde des Interesses, da die Wahlen
in die neuen Vertretungskörper für den 2. Dezember ausgeschrieben
werden sollen, trotzdem sich nicht nur wir, sondern auch der Herr
Finanzminister Engliš der Meinung angeschlossen haben,
daß es besser wäre, zuerst die richtigen finanziellen
Grundlagen für diese neuen Gebilde zu schaffen und dann erst
an die Reform der Verwaltung zu schreiten. Die Koalition scheint
aber den Ruhm für sich in Anspruch nehmen zu wollen, unbedingt
noch im Jubiläumsjahre die größte politische Dummheit
zu begehen, indem sie einesteils das Werk der Vernichtung der
Selbstverwaltung zum Abschluß bringt, anderenteils sich
aber selbst damit das Grab gräbt. (Posl. dr Schollich:
Sie halten schöne Reden und hoffen damit, die Bevölkerung
wieder einzuseifen!) Wir haben das sowohl von èechischer,
wie zuvor von deutscher Seite gehört. (Posl.
dr Schollich: Der Bund der Landwirte, die Christlichsozialen,
werden auf einmal sehr energisch!) Lauter
Wahlvorbereitungen und zum Teil, wie beim Koll. Myslivec,
auch Vorbereitungen zum Staatsjubiläum. Wir müssen auch
von unserem Standpinkte aus jener zehn Jahre gedenken, die wir
als Vetreter der Selbstverwaltungskörper über uns hereinbrechen
sahen. In diesen zehn Jahren hat man einen Teil der Selbstverwaltung
nach dem anderen systematisch abgebaut und es werden bald tatsächlich
zehn volle Jahre sein, seit die sog. Novelle zum Gemeindeordnungengesetz
vom 7. Februar 1919 herauskam, die den ersten Eingriff in die
örtliche Selbstverwaltung darstellte. Damals ist das Prinzip
der Ernennung in diese Verwaltungskörper zum erstenmal durchgeführt
worden, indem man Gemeindefinanzkommissionen schuf, die zur Hälfte
aus ernannten Vertretern zu bestehen hatten. Damals hat man auch
im § 20 dieser Novelle ausdrücklich das Programm für
die jetzt zur Durchführung gelangende Verwaltungsreform aufgestellt,
in dem dort gesagt wurde: Höhere Selbstverwaltungskörper,
allenfalls der Staatsverwaltung, werden folgende Gebiete des bisherigen
Wirkungskreises der Gemeinden übernehmen: "den sachlichen
Aufwand für das Volksschulwesen, Sicherheits- und Flurpolizei,
Gesundheits- und Sittenpolizei, Bau und Erhaltung von Straßen,
Armenverwaltung und Wohltätigkeitsanstalten". Politische
und nationale Motive waren es, die damals zu diesem Passus führten.
Bisher wurde nur das Gesundheitswesen allgemein verstaatlicht
und die Polizei da und dort. Man hätte es vielleicht schon
weiter ausgedehnt, wenn die nötigen finanziellen Mittel vorhanden
gewesen wären.
Inzwischen hat man an der wirtschaftlichen
Verelendung der Selbstverwaltungen weiter gearbeitet, namentlich
durch das Gesetz vom 12. August 1921 betreffend die vorübergehende
Regelung der Gemeindewirtschaft, und durch das Gesetz vom 15.
Juni 1927, betreffend die Neuregelung der Finanzwirtschaft der
territorialen Selbstverwaltungsverbände. Nun ist der Erfolg
dieser Gesetzgebung da. Man glaubt, daß die Selbstverwaltung
sturmreif sei, man könne sie nun vollends umbringen. Deshalb
soll am 2. Dezember anstelle der Selbstverwaltung die Staatsverwaltung
treten, maskiert durch die Beteiligung von Staatsbürgern.
Erst nachher, bis dieses Verwaltungsreformwerk durchgeführt
ist, will man die unabweislich gewordene Novellierung des Finanzgesetzes
für die Selbstverwaltungskörper durchführen. Wir
haben erklärt, daß das vom Standpunkt einer geordneten
Verwaltung grundverkehrt ist. Schon im Budgetausschuß habe
ich nachgewiesen, daß es einfach unmöglich ist, auf
der Grundlage des alten Finanzgesetzes für die Selbstverwaltung
die neuen Gebilde auszubauen und sie mit allen diesen Aufgaben
zu betrauen, die ihnen nach dem Gesetze zukommen sollen. Ich will
heute nur ganz kurz die Beweise, die ich damals im Budgetausschusse
dafür vorgebracht habe, durch einige andere Beispiele aus
Schlesien ergänzen.
Bei uns in Schlesien ist die autonome Landesverwaltung
schon im alten Österreich immer das Muster für die anderen
Kronländer gewesen, sie hat tatsächlich in Bezug auf
Leistungen und Sparsamkeit immer an der Spitze der gesamten Verwaltung
gestanden und hat die Staatsverwaltung immer weit übertroffen.
(Posl. dr Schollich: Daher wurde sie bestraft!) Sehr richtig,
so wie in dem Staate immer das Gute bestraft und das Böse
belohnt wird. Wir haben bei uns in Schlesien, das wissen alle
Autofahrer, immer noch die besten, natürlich verhältnismäßig
die besten Straßen, weit besser als in Böhmen und Mähren,
wir haben vorbildliche Flußregulierungen, Wildbachverbauungen,
überhaupt ordentliche Verhältnisse in jeder Hinsieht,
soweit die jetzige Landesverwaltungskommission in Schlesien darauf
Einfluß hat. Wir haben sogar die Voranschläge für
die Bezirke und Gemeinden trotz der ungeheuren Erschwerungen durch
das Gemeindefinanzgesetz bereits seit Monaten in Schlesien erledigt,
was man von Böhmen und Mähren jedenfalls nicht behaupten
kann. Wir haben ein Bezirksstraßennetz von ungefähr
1700 km. Zu diesem Straßennetz haben wir insgesamt zwei
Ingenieure im Landesbauamt und einen Geometer, die nicht nur mit
der Straßenerhaltung betraut sind, sondern auch große
Arbeiten hinsichtlich Projektierungen für neue Straßen
und die Bauaufsicht durchzuführen haben. Heuer z. B. waren
es 100 km, die im Bau oder in Projektierung begriffen sind. Demgegenüber
braucht - deshalb führe ich es an - die politische Landesverwaltung
in Schlesien für die Erhaltung von nur 453 km Staatsstraßen
in Schlesien sechs Ingenieure, also fast das Dreifache dessen,
was für ungefähr 1700 km, die vom Lande betraut werden
notwendig ist. Ganz ähnlich steht es hinsichtlich der Flußregulierungen.
In zwei Jahren haben wir an der Biala 4.8 Mill. Kè verbaut
und verausgabt, da hat ein einziger Ingenieur des Landesbauamtes
die Arbeiten geleitet, der überdies gleichzeitig noch damit
beschäftigt war, an der Olsa und anderswo eine Reihe von
Projektierungen für Ostschlesien durchzuführen.
Nun wird jetzt an der Ostravica die Regulierung vom Staate durchgeführt,
der verbaut in einem Jahr bloß 1.2 Mill. Kè, braucht
aber ständig dort unten zwei Ingenieure und einen Techniker.
Wo bleiben also die Ersparungen, die angeblich
aus der Verwaltungsreform hervorgehen sollen? Wenn es zur Zerreißung
des schlesischen Landesbauamtes kommen wird, werden die den Bezirkshauptmannschaften
zugeteilten Ingenieure selbstverständlich nicht in die Lage
kommen, so wie jetzt für die Gemei.nden und Bezirke Projektierungen
vorzunehmen, sie werden vielmehr mit Kommissionen und anderem
Kleinkram derart überlastet sein, daß sie überhaupt
keine Zeit zu anderen Arbeiten finden. Jetzt werden vom Landesbauamt
in Schlesien den Gemeinden und Bezirken für sämtliche
Projekte und Ausarbeitungen kostenlos unsere Ingenieure zur Verfügung
gestellt, so daß den Gemeinden keine Auslagen erwachsen,
künftig aber werden neue Ausgaben für Projektierung
von Straßen, für Drainage, Regulierungen, Wasserleitungen,
Schulbauten usw. entstehen, trotzdem die Gemeinden kaum mehr das
notwendigste zum Leben haben. Das sind die Errungenschaften der
Verwaltungsreform, wie sie deutlich schon jetzt uns in die Augen
springen. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Slavíèek.)
Wie steht es nun mit den finanziellen Grundlagen
für die neuen Bezirke? Ich habe einige Berechnungen angestellt,
die ich vorbringen möchte, da sie deutlich beleuchten, wie
unsinnig es ist, zunächst vom grünen Tisch aus ein Gesetz
über die Verwaltungsreform zu schaffen, ohne sieh klar zu
werden, wie man eigentlich die finanzielle Basis für diese
neuen Gebilde schafft. Ich habe schon im Aussehuß auf den
Bezirk Jägerndorf hingewiesen, der aus drei Straßenbezirken
besteht. Die Bezirke Olbersdorf und Hotzenplotz haben nur
ein kleines Straßennetz, brauchen für den Schuldendienst
nur je 20.000 Kè, zusammen 40.000 Kè zur Tilgung
und Verzinsung der aufgenommenen Darlehen. Der Bezirk Jägerndorf
hingegen hat mehr gebaut, er braucht 440.000 Kè zu diesem
Zwecke, zusammen also alle drei Bezirke
480.000 Kè. Die drei Bezirke haben zusammen 55 Angestellte,
Straßenwärter, Einräumer usw., die zusammen eine
halbe Mill. Kè kosten. Insgesamt macht also der Aufwand
für Personal, Tilgung und Verzinsung der Schulden 1 Mill.
Kè aus. Die Steuerbasis des neuen politischen Bezirkes
Jägerndorf beträgt nicht einmal 1 Mill. Kè. Der
Bezirk darf 110% Umlagen einheben, er muß also damit rechnen,
daß er für alle sonstigen Ausgaben, für die Erhaltung
von 300 km Bezirksstraßen insgesamt 100.000
Kè zur Verfügung haben wird, wenn es gut geht und
die Steuereingänge so bleiben, wie sie jetzt sind. Damit
ist selbstverständlich jedes Weiterwirtschaften im Bezirke
unmöglich gemacht und ausgeschlossen. Ähnlich ergeht
es auch anderen schlesischen Bezirken,
die ich durchgerechnet habe. Freudenthal braucht für den
Schuldendienst und das Personal zusammen 686.000 Kè, hat
demgegenüber Einnahmen von höchstens 628.000 Kè,
mithin 58.000 Kè Defizit, wovon 239 km Bezirksstraßen
erhalten werden sollen, ganz abgesehen
davon, daß der Bezirk ja auch auf kulturellem, wirtsehaftlichem
und sozialem Gebiet eine ganze Menge neuer Aufgaben erhalten hat.
Freiwaldau hat einen Bedarf von 837.000 Kè und Einnahmen
von 838.000 Kè, mithin sind 1000 Kè vorhandel für
die Erhaltung von 170 km Bezirksstraßen.
Friedek hat einen Abgang von 70.000 Kè bei 116 km Bezirksstraßen.
Troppau-Land braucht 1,165.000 Kè, hat höchstens eine
Einnahme von 1,143.000 Kè zu erwarten, somit ein Defizit
von 22.000 Kè, und hat ein Bezirksstraßennetz von
448 km zu erhalten. Wagstadt hat 1,166.000 Kè Bedarf
und höchstens 735.000 Kè Einnahmen, somit einen Abgang
von 431.000 Kè im Jahre, der vollständig ungedeckt
ist und gar nicht bedeckt werden kann, und hat dabei 246 km Bezirksstraße
zu erhalten. Es ist also bei dieser Konstruktion
der Finanzverhältnisse ganz und gar ausgeschlossen, daß
die Bezirke, wie sie jetzt gemacht werden sollen, auch nur zwei
oder drei Monate wirtschaften oder existieren können. Sie
müssen jede Tätigkeit in ganz kurzer Zeit einstellen,
und so wird bei dieser Verwaltungsreform ein fürchterliches
Debakel herauskommen, wenn man nicht vorher die finanziellen Grundlagen
für die Durchführung eines anständigen Verwaltungsreformgesetzes
schafft.