Úterý 23. øíjna 1928

Nun will ich zu einigen Punkten der Außenpolitik sprechen. Die natürliche Einstellung der èechischen Außenpolitik wäre, wie das schon so oft von uns gesagt wurde, durch drei Faktoren gegeben, nämlich die geographische Lage, die nationale Zusammensetzung dieses Staates und wirtschaftliche Erwägungen. Diese drei Faktoren führen unserer Meinung nach geradezu zwangsläufig dahin, daß die èechoslovakische Außenpolitik ganz besonders gegenüber Deutschland freundlich eingestellt sein sollte. Es würde diese Einstellung gar manches auch im Innern erleichtern. Nach wie vor ist die Hauptfrage dieses Staates, wie es schon immer gewesen ist, die Frage des Verhältnisses zwischen Deutschen und Èechen, und durch die Einstellung der èechoslovakischen Außenpolitik könnte diese Frage ganz besonders und wesentlich erleichtert werden. Daß auch wirtschaftliche Erwägungen dafür sprechen, das zeigt ja jeder Ausweis über die wirtschaftliche Gebarung des Staates, der immer aufs neue den Beweis liefert: Deutschland ist jener Aufnahmeplatz für den èechoslovakischen Export, welcher für die Èechoslovakei geradezu eine erste Lebensnotwendigkeit vorstellt. Nun haben wir in der letzten Zeit, so oft der Herr Minister des Äußern im Außenausschuß seinen Überblick über die außenpolitische Lage gegeben hat, immer wieder hören können, daß die Beziehungen zu Deutschland korrekt, ja freundschaftlich seien. Wir haben das zur Kenntnis genommen. Wir müssen aber doch sagen, daß wir der Meinung sind, daß durchaus nicht alles geschehen ist, was hätte geschehen können, um diese höflichen und freundschaftlichen Worte durch die Tat zu beweisen. Wir sind nach wie vor der Meinung - und gerade die letzte Genfer Sitzung hat dies wieder bestätigt - daß, sooft sich dort die Frage so zugipfelte, daß die Scheidung der Geister nach dem Losungswort eintreten sollte: hie Frankreich, hie Deutschland, die Èechoslovakei a priori immer auf der Seite Frankreichs steht. So oft z. B. Deutschland die beiden allernatürlichsten Forderungen erhebt, zu denen es ja selbst nach den Friedensverträgen berechtigt ist, nämlich Rheinlandräumung und Wiederherstellung der Souverenitätsrechte in diesem Gebiete und dann die Abrüstung, ist die Èechoslovakei immer im gegnerischen Lager. Wir wissen doch alle, daß durch 100 Prüfungs- und Untersuchungskommissionen festgestellt ist, daß Deutschland die Bedingungen restlos erfüllt hat, welche als Voraussetzung für die Räumung und Abrüstung gestellt sind, und daß darum auf ganz natürlichem Wege und mit logischem Zwange jetzt von Seite der anderen die Antwort kommen sollte, ebenso vorbehaltslos die Abrüstung durchzuführen, wie Deutschland seine Verpflichtungen durchgeführt hat. Es muß aber jeder Beobachter, namentlich nach der letzten Genfer Sitzung, die Meinung gewinnen, als täte es der ehemaligen Entente, welche in die Friedensbestimmungen ja jenen Paragraphen aufgenommen hat, leid, diese Punkte überhaupt in das Friedensdiktat aufgenommen zu haben. Und weil es denn doch nicht geht, im Angesichte Europas und der ganzen Welt, über diese Dinge hinwegzu kommen oder gar sie zu eliminieren, so sucht man nahezu krampfhaft nach einem Auskunftsmittel, um dieselben herumzukommen. Der Sicherheitsausschuß im Völkerbund ist aus diesem Gedanken heraus geboren worden. Und ein Sicherheitsprogramm ist mit der Abrüstungsfrage und mit der Räumungsfrage in wesentliche Verbindung gebracht worden. Aber man muß sagen: Deutschland hat sich den Sicherheitsverpflichtungen nie entzogen. Dafür ist Locarno ein Beweis und so manches andere. Es muß festgestellt werden, daß kein Staat für die allgemeine Sicherheit der Welt so viel getan hat wie Deutschland, und daß es bei der völligen Wehrlosigkeit und Abrüstung Deutschlands bis zur Ohnmacht geradezu wie eine Heuchelei anmutet, wenn man immer noch davon redet, es wäre für die Sicherheit der anderen zu wenig von Deutschland aus geschehen. Frankreich ist es gelungen, tatsächlich ein Wort dafür zu finden, um die Abrüstung und Räumung vielleicht ad calendas graecas zu verschieben, wie es bestimmt in seiner Absicht liegt. Deutschland ist abgerüstet, aber es ist für den Krieg noch immer fähig. Seine Bevölkerungszahl sei die Gefahr, die Möglichkeit, seine ganze Industrie auf den Krieg umzustellen. Einige Blätter, auch èechische, haben z. B. von der Zeppelinfahrt, die die ganze Kulturwelt in Erstaunen gesetzt hat, nichts anderes zu berichten gewußt, als daß sie eine Gefahr für den Frieden sei und daß dieses Luftschiff im Augenblick in ein Kriegswerkzeug umgewandelt werden könnte. Auch unlängst wurde im Ausschuß von einem hervorragenden èechischen Politiker auf diesen Ast eingeschlagen, welche Gefahr von Deutschland immer noch drohe, da es ja leicht, trotzdem es abgerüstet sei, sich wieder rüsten könne. Und das, was wir heute in der Rede des Koll. Myslivec wieder vernommen haben, ist wohl der Gipfel dessen, was man bieten kann. Eine gewisse Kriegsfähigkeit wird jede Nation immer behaupten, solange es eine Männerwelt gibt und Deutschland wird in absehbarer Zeit, in nächster Zeit trotz der Verstümmelung wieder eine Bevölkerung von 70 Millionen haben. Das ist immerhin ein Faktor, über den man nicht hinweg kann. Daß Deutschland industriell unter den schwierigsten Verhältnissen im letzten Jahrzehnt bedeutende Fortschritte gemacht hat, wird niemand leugnen. Aber das in dem Sinne zu deuten, als wäre damit die Sicherheit der Welt aufs neue von Deutschland aus gefährdet, ist denn doch eine gewaltige Irreführung. Wenn sich die Situation so gestalten würde, als würde Deutschland tatsächlich einmal eine wirkliche Gefahr werden, Frankreich wäre imstande, den ersten Schritt Deutschlands in den ersten Tagen vollständig zu überrennen, während Deutschland wenigstens Monate brauchen würde, um nur halbwegs wiederum gerüstet zu erscheinen. Das Wort von der Fähigkeit zum Krieg ist tatsächlich nichts anderes als ein Versuch, die Räumung des Rheinlandes und die Abrüstung ad calendas graecas zu verschieben. Schöne Worte werden in Genf gesprochen, auch der Herr Minister hat in seinem Bericht über Genf sehr schöne Worte gesagt, über Frieden, Völkerversöhnung usw. Diese Worte hören wir jetzt schon, seitdem in Genf Tagungen stattfinden, seit Jahren, und ich muß sagen, sie wirken fast schon langweilig. Übrigens, wenn man das seinerzeit so berühmte Manifest des letzten Zaren von Rußland betrachtet, das er in der Sache des allgemeinen Friedens erlassen hat, so sind es fast dieselben Worte, und doch ist es bekannt, daß es kaum ein paar Wochen gedauert hat und er war in den Krieg mit Japan verflochten. Eigentlich sind die Kriegsverhältnisse auf der Welt seither nicht verschwunden. Man kann noch weitergehen. Was seinerzeit die Heilige Alliance nach den napoleonischen Kriegen an schönen Worten geleistet hat, ist genau dasselbe, was heute der Völkerbund an schönen Worten liefert. Aber der objektive Zuschauer muß auch heute noch vom Völkerbund den Eindruck haben: Hier wird noch immer ein Unterschied zwischen Siegern und Besiegten, ein Unterschied zwischen denen, welche die Macht haben und vergewaltigen, und denen, die wehrlos sind und vergewaltigt werden, gemacht, hier wird noch immer ein Unterschied zwischen denen gemacht, die stark sind gegen die Schwachen und die schwach, erbärmlich schwach sind gegen die Starken. Man spricht von Abrüstung und die Rüsung wird bis zur Überspannung getrieben. Der französische Kriegsminister hat sich erst vor einigen Wochen einen Kredit von sechs Milliarden Franken zur Befestigung der französischen Ostgrenze bewilligen lassen und es klingt fast wie ein Hohn, wenn er es damit begründet hat, dieses Werk wäre rein defensiv und sei weit entfernt, eine Kriegskundgebung oder gar Kriegsdrohung zu sein. Den Kelloggpakt unterzeichnet man, die Kriegsächtung beschließt man und in Wirklichkeit geht die ganze Einstellung doch auf den Krieg. Übrigens hat bloß Deutschland vorbehaltlos diesen Kelloggpakt unterzeichnet und wir wissen, mit welch süßsaurer Miene es schließlich die andern getan haben. Völkerversöhnung sagt man und daneben gibt es ein Separatbündnis neben dem andern, daß man die Zahl fast nicht mehr verfolgen kann. Gerade in dem Augenblicke, wo über den Kelloggpakt verhandelt wurde und er unterschrieben werden sollte, ist das Geheimnis über den Vertrag zerplatzt, der zwischen Frankreich und England geschlossen wurde und in dem sich diese beiden Mächte die dauernde Herrschaft über die Welt sichern wollen, England die Macht zur See und Frankreich die Macht zu Lande. Es ist einfach eine Binsenwahrheit, daß der Völkerbund und auch der Kelloggpakt das Ziel nicht erreichen können, wenn sich die Staaten durch die verschiedenen Verträge in verschiedene Gruppen spalten. Es muß vielmehr den Eindruck erwecken, als ob die Sicherheit eines Staates auf Kosten der Sicherheit eines anderen begründet wird, als ob das Ziel nicht die allgemeine Verständigung wäre, sondern die Verewigung bestimmter Machtpositionen, als ob nicht auf die Sicherheit des Friedens hin gearbeitet werden würde, sondern als ob es auf die unmittelbare Vorbereitung zum Kriege ankäme. Trotzdem sagt der Herr Minister, er blicke in dieser Hinsicht und namentlich in Bezug auf die Wirksamkeit des Völkerbundes mit Optimismus in die Zukunft, auch in die nächste Zukunft. Optimismus ist eine schöne Sache und wir wünschen natürlich auch, daß der Völkerbund über diese bloßen Worte zu einer Tatwirkung herauskommt. Bis jetzt ist alles, was wir erlebt haben, freilich - nach unserer Meinung - so eingestellt, daß es wenig Hoffnung gibt. Übrigens muß auf einen Widerspruch aufmerksam gemacht werden, der zwischen den Worten des Außenministers und denen des Ministers für Nationalverteidiguigung steht. Der Herr Außenminister hat die erfreuliche Botschaft mitgeteilt, daß für die Abrüstung in der Èechoslovakei alles vorbereitet sei, daß geradezu nur der Augenblick erwartet werde, wo sie in die Tat umgesetzt werden könne. Das ist gewiß sehr schön und erfreulich. Aber unverständlich ist es, wie in derselben Zeit der Minister für Nationalverteidigung erklärt, trotz des Riesenbudgets für die Heereserfordernisse, daß noch immer für das Heer zu wenig geschehen sei und er eigentlich mehr Forderungen erheben müsse.

Hohes Haus! Der Optimismus unserer Außenregierung sollte sich darin zeigen, daß sie den Ruf aufgreift, der vom deutschen Volk in die Welt hinausgeht: Wir haben abgerüstet, vollständig, bis zur Wehrlosigkeit und bis zur Ohnmacht, wir haben uns geradezu der Möglichkeit begeben, uns wieder zu bewaffnen, wir haben alle Sicherheit gegeben, die von uns die gewaltsamen Friedensdiktate gefordert haben, nun fordern wir die Wiederherstellung unserer Souveränität in den Rheinlanden durch Räumung der fremden Besatzung und Abrüstung auch der anderen, so wie die Verträge es uns zubilligen. Wenn das in der Tat von der èechoslovakischen Außenpolitik aufgegriffen würde, dann würde sie im wahren Sinne für die Völkerversöhnung, auch für das Beste dieses Staates arbeiten.

Ich möchte noch in Kürze drei Sachen erwähnen, die mit unserer außenpolitischen Lage wesentlich zusammenhängen. Das eine ist die Revision der Friedensverträge. Der Herr Minister hat schon so oft gesagt, daß er ein Gegner einer Revision sei, daß also diese Friedensverträge als etwas Unveränderliches, etwas Ewiges erscheinen sollen. Die Vergewaltigung, welche durch das Friedensdiktat dem deutschen Volke angetan wurde, soll mit der deutschen Kriegsschuld gewissermaßen eine moralische Begründung erhalten. Daß über die Frage der Kriegsschuld eine unparteiische Weltuntersuchung geführt werde, hat Deutschland mehr als einmal gefordert, es ist aber von Seite der Entente immer abgelehnt worden. Aber die Welt hat in dieser Hinsicht, wenn nicht alles trügt, schon eine Revision vollzogen und erkannt, daß die Schuld an diesem Kriege weit mehr im Lager der anderen zu suchen ist als in Deutschland. Damit schwindet auch der Schein einer moralischen Berechtigung jener Vergewaltigung, welche die Friedensdiktate Deutschland auferlegen und als Folge wäre eigentlich eine Revision so mancher Bestimmungen des Friedensdiktates einzuleiten. Wir erachten sie also keineswegs als etwas Ewiges. Wenn wir das sagen, so meinen wir natürlich nicht eine gewaltsame Änderung, etwa durch einen neuen blutigen Waffengang; aber daß gar manches korrekturbedürftig ist, weiß alle Welt und diese Korrektur auf friedlichem Wege, die wollen wir und streben wir an. Wir würden schon deshalb dem Völkerbunde jene Autorität wünschen, die er dazu braucht, daß er sich der bisher vergewaltigten Schwachen annehmen könne gegen die, welche bisher alle Stärke hatten.

Die zweite Sache ist die Anschlußfrage. Hierin hat sich der Herr Minister zuletzt in dem Sinne geäußert, es sei am besten, nicht davon zu reden. Wenn diese Worte so gemeint sind, daß man die Sache sich ruhig solle entwickeln lassen, so ist uns das nicht gerade unangenehm. Freilich hat der Herr Minister zu dieser Sache wiederholt schon anders gesprochen. Es ist der Ausspruch von ihm, daß Anschluß gleichbedeutend mit Krieg sei, nicht dementiert worden und in den Sitzungen des auswärtigen Ausschusses hat der Herr Minister den Eindruck erweckt, daß er ein unbedingter Gegner des Anschlusses sei, daß er geradezu die Seele dieser Gegnerschaft sei. Wenn das Wort vom Selbstbestimmungsrecht, auf dem insbesondere die Existenz der anderen Nachfolgestaaten begründet ist und auf das sie sich immer berufen, schließlich für alle gilt, dann wäre ich der Meinung, daß die Anschlußfrage ausschließlich eine Sache der beiden Faktoren sei, die dabei zunächst in Betracht kommen. Auch durch die Schwierigkeiten, die sich dem Hörensagen oder der Einbildung nach für andere einstellen sollen in Wirklichkeit sind solche Schwierigkeiten nicht vorhanden - dürfte die Sache nicht aufgehalten werden.

Das Dritte ist die Minderheitenfrage. Von dieser Minderheitenfrage ist die Èechoslovakei ganz besonders berührt. Wir Sudetendeutschen betrachten uns in diesem Staate natürlich nicht als Minderheit, wie etwa eine andere nationale Minderheit, die durch Zuwanderung unter Auswirkung der jetzigen Verkehrs- und Wirtschaftsverhältnisse in einem anderen Staate zustande gekommen ist. Wir sind hier zumindest so bodenständig wie andere. Die Regierungserklärung, die vor zwei Jahren durch den Ministerpräsidenten erflossen ist, hat das übrigens festgestellt, wenn auch in dem eigentümlichen Worte, das von der tausendjährigen Kultur der beiden Stämme sprach. Doch werden wir noch immer als eine Minderheit behandelt. Eine der Hauptschwächen des Völkerbundes, eine Angelegenheit, die er gar nicht gelöst hat, ist speziell diese Minderheitenfrage, und wenn diese Frage irgendwo sehr aktuell wurde, so daß der Völkerbund um sie nicht herum konnte, hat er seinen Delegierten in das betreffende Land geschickt. Aber es war auffallend, daß sich der Delegierte dort nicht mit der Minderheit ins Emvernehmen gesetzt hat, sondern mit der majorisierenden Mehrheit. Wir begreifen also, wenn auf der Minderheitskonferenz, die in den letzten Wochen stattgefunden hat, der Unwille darüber deutlich zum Ausdruck gekommen und wenn gefordert worden ist, es möge beim Völkerbund eine dauernde Kommission eingesetzt werden, die autorisiert und ermächtigt sein soll, im Namen des Völkerbundes die Minderheitsfragen, die vorgelegt werden, zu lösen. Das ist eine Sache, über die man nicht so ohne weiters weggehen kann. Auf dieser Minderheitskonferenz waren die Vertreter von 35 Mill. zugegen, welche Summe die Minderheiten in Europa betragen. Gerade weil die Èechoslovakei ein Minderheitenstaat ist im besonderen Sinne des Wortes, in dieser Hinsicht das getreue Abbild des alten Österreich, sollte ihr und ihrer Außenregierung daran liegen, daß diese Minderheitenfrage eine befriedigende Lösung erhalte, und wir können es darum nicht begreifen und müssen es als Unfreundlichkeit bezeichnen, wenn von der Èechoslovakei gegen die Errichtung einer dauernden Minderheitenkommission beim Völkerbund Stellung genommen wird.

Das sind einige Punkte, die ich zu dem in Behandlung stehenden Abschnitt vorbringen wollte. Im allgemeinen möchte ich noch einmal sagen, daß unsere Außenpolitik so geführt werde, wie ich es eingangs hervorgehoben habe, daß die Richtung durch die drei Faktoren gegeben ist, über die nichts hinwegkommen kann: Geographische Lage, nationale Zusammensetzung und Wirtschaft des Staates. Dann müßte sich das von selbst entwickeln, daß das Wort, das der Minister sprach, "die Beziehungen zu Deutschland seien freundlich und korrekt" in eine Tatfreundschaft übergehe, ohne daß die Beziehungen zu einem anderen Staate deshalb unfreundlich werden müßten. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany køes. sociální.)

4. Øeè posl. dr Koberga (viz str. 47 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Bei vierzehn Minuten Redezeit ist es selbstverständlich unmöglich, auch nur zu einem Kapitel des Staatsvoranschlages gründlich Stellung zu nehmen. Obendrein weiß man, daß auch die beste Rede nicht die geringste Änderung an diesem Staatsvoranschlage zu erzielen vermag. Deshalb will ich mich darauf beschränken, einiges Grundsätzliche zur Finanz- und Verwaltungsreform vom Standpunkte der Selbstverwaltung zu sagen. Denn dieser Gegenstand ist gegenwärtig im Vordergrunde des Interesses, da die Wahlen in die neuen Vertretungskörper für den 2. Dezember ausgeschrieben werden sollen, trotzdem sich nicht nur wir, sondern auch der Herr Finanzminister Engliš der Meinung angeschlossen haben, daß es besser wäre, zuerst die richtigen finanziellen Grundlagen für diese neuen Gebilde zu schaffen und dann erst an die Reform der Verwaltung zu schreiten. Die Koalition scheint aber den Ruhm für sich in Anspruch nehmen zu wollen, unbedingt noch im Jubiläumsjahre die größte politische Dummheit zu begehen, indem sie einesteils das Werk der Vernichtung der Selbstverwaltung zum Abschluß bringt, anderenteils sich aber selbst damit das Grab gräbt. (Posl. dr Schollich: Sie halten schöne Reden und hoffen damit, die Bevölkerung wieder einzuseifen!) Wir haben das sowohl von èechischer, wie zuvor von deutscher Seite gehört. (Posl. dr Schollich: Der Bund der Landwirte, die Christlichsozialen, werden auf einmal sehr energisch!) Lauter Wahlvorbereitungen und zum Teil, wie beim Koll. Myslivec, auch Vorbereitungen zum Staatsjubiläum. Wir müssen auch von unserem Standpinkte aus jener zehn Jahre gedenken, die wir als Vetreter der Selbstverwaltungskörper über uns hereinbrechen sahen. In diesen zehn Jahren hat man einen Teil der Selbstverwaltung nach dem anderen systematisch abgebaut und es werden bald tatsächlich zehn volle Jahre sein, seit die sog. Novelle zum Gemeindeordnungengesetz vom 7. Februar 1919 herauskam, die den ersten Eingriff in die örtliche Selbstverwaltung darstellte. Damals ist das Prinzip der Ernennung in diese Verwaltungskörper zum erstenmal durchgeführt worden, indem man Gemeindefinanzkommissionen schuf, die zur Hälfte aus ernannten Vertretern zu bestehen hatten. Damals hat man auch im § 20 dieser Novelle ausdrücklich das Programm für die jetzt zur Durchführung gelangende Verwaltungsreform aufgestellt, in dem dort gesagt wurde: Höhere Selbstverwaltungskörper, allenfalls der Staatsverwaltung, werden folgende Gebiete des bisherigen Wirkungskreises der Gemeinden übernehmen: "den sachlichen Aufwand für das Volksschulwesen, Sicherheits- und Flurpolizei, Gesundheits- und Sittenpolizei, Bau und Erhaltung von Straßen, Armenverwaltung und Wohltätigkeitsanstalten". Politische und nationale Motive waren es, die damals zu diesem Passus führten. Bisher wurde nur das Gesundheitswesen allgemein verstaatlicht und die Polizei da und dort. Man hätte es vielleicht schon weiter ausgedehnt, wenn die nötigen finanziellen Mittel vorhanden gewesen wären.

Inzwischen hat man an der wirtschaftlichen Verelendung der Selbstverwaltungen weiter gearbeitet, namentlich durch das Gesetz vom 12. August 1921 betreffend die vorübergehende Regelung der Gemeindewirtschaft, und durch das Gesetz vom 15. Juni 1927, betreffend die Neuregelung der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungsverbände. Nun ist der Erfolg dieser Gesetzgebung da. Man glaubt, daß die Selbstverwaltung sturmreif sei, man könne sie nun vollends umbringen. Deshalb soll am 2. Dezember anstelle der Selbstverwaltung die Staatsverwaltung treten, maskiert durch die Beteiligung von Staatsbürgern. Erst nachher, bis dieses Verwaltungsreformwerk durchgeführt ist, will man die unabweislich gewordene Novellierung des Finanzgesetzes für die Selbstverwaltungskörper durchführen. Wir haben erklärt, daß das vom Standpunkt einer geordneten Verwaltung grundverkehrt ist. Schon im Budgetausschuß habe ich nachgewiesen, daß es einfach unmöglich ist, auf der Grundlage des alten Finanzgesetzes für die Selbstverwaltung die neuen Gebilde auszubauen und sie mit allen diesen Aufgaben zu betrauen, die ihnen nach dem Gesetze zukommen sollen. Ich will heute nur ganz kurz die Beweise, die ich damals im Budgetausschusse dafür vorgebracht habe, durch einige andere Beispiele aus Schlesien ergänzen.

Bei uns in Schlesien ist die autonome Landesverwaltung schon im alten Österreich immer das Muster für die anderen Kronländer gewesen, sie hat tatsächlich in Bezug auf Leistungen und Sparsamkeit immer an der Spitze der gesamten Verwaltung gestanden und hat die Staatsverwaltung immer weit übertroffen. (Posl. dr Schollich: Daher wurde sie bestraft!) Sehr richtig, so wie in dem Staate immer das Gute bestraft und das Böse belohnt wird. Wir haben bei uns in Schlesien, das wissen alle Autofahrer, immer noch die besten, natürlich verhältnismäßig die besten Straßen, weit besser als in Böhmen und Mähren, wir haben vorbildliche Flußregulierungen, Wildbachverbauungen, überhaupt ordentliche Verhältnisse in jeder Hinsieht, soweit die jetzige Landesverwaltungskommission in Schlesien darauf Einfluß hat. Wir haben sogar die Voranschläge für die Bezirke und Gemeinden trotz der ungeheuren Erschwerungen durch das Gemeindefinanzgesetz bereits seit Monaten in Schlesien erledigt, was man von Böhmen und Mähren jedenfalls nicht behaupten kann. Wir haben ein Bezirksstraßennetz von ungefähr 1700 km. Zu diesem Straßennetz haben wir insgesamt zwei Ingenieure im Landesbauamt und einen Geometer, die nicht nur mit der Straßenerhaltung betraut sind, sondern auch große Arbeiten hinsichtlich Projektierungen für neue Straßen und die Bauaufsicht durchzuführen haben. Heuer z. B. waren es 100 km, die im Bau oder in Projektierung begriffen sind. Demgegenüber braucht - deshalb führe ich es an - die politische Landesverwaltung in Schlesien für die Erhaltung von nur 453 km Staatsstraßen in Schlesien sechs Ingenieure, also fast das Dreifache dessen, was für ungefähr 1700 km, die vom Lande betraut werden notwendig ist. Ganz ähnlich steht es hinsichtlich der Flußregulierungen. In zwei Jahren haben wir an der Biala 4.8 Mill. Kè verbaut und verausgabt, da hat ein einziger Ingenieur des Landesbauamtes die Arbeiten geleitet, der überdies gleichzeitig noch damit beschäftigt war, an der Olsa und anderswo eine Reihe von Projektierungen für Ostschlesien durchzuführen. Nun wird jetzt an der Ostravica die Regulierung vom Staate durchgeführt, der verbaut in einem Jahr bloß 1.2 Mill. Kè, braucht aber ständig dort unten zwei Ingenieure und einen Techniker. Wo bleiben also die Ersparungen, die angeblich aus der Verwaltungsreform hervorgehen sollen? Wenn es zur Zerreißung des schlesischen Landesbauamtes kommen wird, werden die den Bezirkshauptmannschaften zugeteilten Ingenieure selbstverständlich nicht in die Lage kommen, so wie jetzt für die Gemei.nden und Bezirke Projektierungen vorzunehmen, sie werden vielmehr mit Kommissionen und anderem Kleinkram derart überlastet sein, daß sie überhaupt keine Zeit zu anderen Arbeiten finden. Jetzt werden vom Landesbauamt in Schlesien den Gemeinden und Bezirken für sämtliche Projekte und Ausarbeitungen kostenlos unsere Ingenieure zur Verfügung gestellt, so daß den Gemeinden keine Auslagen erwachsen, künftig aber werden neue Ausgaben für Projektierung von Straßen, für Drainage, Regulierungen, Wasserleitungen, Schulbauten usw. entstehen, trotzdem die Gemeinden kaum mehr das notwendigste zum Leben haben. Das sind die Errungenschaften der Verwaltungsreform, wie sie deutlich schon jetzt uns in die Augen springen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Wie steht es nun mit den finanziellen Grundlagen für die neuen Bezirke? Ich habe einige Berechnungen angestellt, die ich vorbringen möchte, da sie deutlich beleuchten, wie unsinnig es ist, zunächst vom grünen Tisch aus ein Gesetz über die Verwaltungsreform zu schaffen, ohne sieh klar zu werden, wie man eigentlich die finanzielle Basis für diese neuen Gebilde schafft. Ich habe schon im Aussehuß auf den Bezirk Jägerndorf hingewiesen, der aus drei Straßenbezirken besteht. Die Bezirke Olbersdorf und Hotzenplotz haben nur ein kleines Straßennetz, brauchen für den Schuldendienst nur je 20.000 Kè, zusammen 40.000 Kè zur Tilgung und Verzinsung der aufgenommenen Darlehen. Der Bezirk Jägerndorf hingegen hat mehr gebaut, er braucht 440.000 Kè zu diesem Zwecke, zusammen also alle drei Bezirke 480.000 Kè. Die drei Bezirke haben zusammen 55 Angestellte, Straßenwärter, Einräumer usw., die zusammen eine halbe Mill. Kè kosten. Insgesamt macht also der Aufwand für Personal, Tilgung und Verzinsung der Schulden 1 Mill. Kè aus. Die Steuerbasis des neuen politischen Bezirkes Jägerndorf beträgt nicht einmal 1 Mill. Kè. Der Bezirk darf 110% Umlagen einheben, er muß also damit rechnen, daß er für alle sonstigen Ausgaben, für die Erhaltung von 300 km Bezirksstraßen insgesamt 100.000 Kè zur Verfügung haben wird, wenn es gut geht und die Steuereingänge so bleiben, wie sie jetzt sind. Damit ist selbstverständlich jedes Weiterwirtschaften im Bezirke unmöglich gemacht und ausgeschlossen. Ähnlich ergeht es auch anderen schlesischen Bezirken, die ich durchgerechnet habe. Freudenthal braucht für den Schuldendienst und das Personal zusammen 686.000 Kè, hat demgegenüber Einnahmen von höchstens 628.000 Kè, mithin 58.000 Kè Defizit, wovon 239 km Bezirksstraßen erhalten werden sollen, ganz abgesehen davon, daß der Bezirk ja auch auf kulturellem, wirtsehaftlichem und sozialem Gebiet eine ganze Menge neuer Aufgaben erhalten hat. Freiwaldau hat einen Bedarf von 837.000 Kè und Einnahmen von 838.000 Kè, mithin sind 1000 Kè vorhandel für die Erhaltung von 170 km Bezirksstraßen. Friedek hat einen Abgang von 70.000 Kè bei 116 km Bezirksstraßen. Troppau-Land braucht 1,165.000 Kè, hat höchstens eine Einnahme von 1,143.000 Kè zu erwarten, somit ein Defizit von 22.000 Kè, und hat ein Bezirksstraßennetz von 448 km zu erhalten. Wagstadt hat 1,166.000 Kè Bedarf und höchstens 735.000 Kè Einnahmen, somit einen Abgang von 431.000 Kè im Jahre, der vollständig ungedeckt ist und gar nicht bedeckt werden kann, und hat dabei 246 km Bezirksstraße zu erhalten. Es ist also bei dieser Konstruktion der Finanzverhältnisse ganz und gar ausgeschlossen, daß die Bezirke, wie sie jetzt gemacht werden sollen, auch nur zwei oder drei Monate wirtschaften oder existieren können. Sie müssen jede Tätigkeit in ganz kurzer Zeit einstellen, und so wird bei dieser Verwaltungsreform ein fürchterliches Debakel herauskommen, wenn man nicht vorher die finanziellen Grundlagen für die Durchführung eines anständigen Verwaltungsreformgesetzes schafft.

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