Meine Herren! Zum drittenmale beteiligt sich
unsere Partei an den Arbeiten dieses Staatshaushaltes. Mit Befriedigung
müssen wir feststellen, daß, seitdem die gegenwärtige
Koalition besteht, die Staatswirtschaft einer Besserung zugeführt
worden ist. Vom Jahre 1919 bis 1926 schließt die gesamte
Staatswirtschaft alljährlich mit einem Abgang von
2 bis 5 Milliarden Kè. Neben der etatsmäßigen
Gebahrung stand eine außeretatsmäßige noch viel
größeren Umfangs, welche die Staatswirtschaft noch
anders gestaltete, als das Budget vorsah. War diese unsichere
und die Gesamtheit bedrückende Bilanz
den Sturm- und Drangjahren der jungen Republik zuzuschreiben oder
war es vielleicht die Machtlosigkeit der entsprechenden Behörden
gegenüber den damals am Staatsruder stehenden politischen
Parteien, die oft unberechtigte Sonderausgaben bewilligten, was
letzteres wohl vorwiegend der Fall gewesen sein dürfte -
wir, die wir seit dieser Zeit der Schuldenwirtschaft im Rahmen
der gegenwärtigen Koalition mit an der Sanierung gearbeitet
haben, blicken mit Befriedigung darauf zurück, daß
wir den dem Versinken nahen Staatskarren, in dem wir Deutsche
uns mitbefinden, wieder in ein nur halbwegs annehmbares finanzielles
Geleise gebracht haben. Diese unsere Mitarbeit berechtigt uns
umso mehr, immer wieder auf alle die bestehenden Übelstände
in diesem Staate in sozialer, nationaler, kultureller und wirtschaftlicher
Hinsicht hinzuweisen.
Sowie wir bereits im Budgetausschuß den
Herren Ministern gegenüber die für unseren kleinen Staat
zu großen Militärausgaben und die zu großen Auslagen
der Auslandspropaganda eingehend besprochen haben, so müssen
wir diese Kritik auch heute vor dem Forum dieses Hauses neuerdings
wiederholen und mit allem Nachdruck verlangen, daß diese
Ausgaben dem Verhältnis zu den anderen Staaten und der Größe
dieses Staates entsprechend angepaßt werden. Denn
es geht nicht an, daß wir für das Heer dieses Staates
immer noch 1400 Mill. Kè verausgaben, hingegen für
die Volksbildung, also für den Aufbau des Volkes, nur 923.9
Mill. Kè zur Verwendung gelangen.
Ich weise neuerdings auf die Post "Minderheitsschulen"
mit 88 Mill. Kè hin, welche um 13 Mill. Kè höher
ist als im Vorjahr, obwohl selbst èechische Zeitungen den
Abbau der Minderheitsschulen verlangt haben. Von diesem Betrag
wird nur eine verschwindend geringe Summe für solche Schulen
deutscher Nationalität verwendet. Sonst könnte
es nicht vorkommen, daß man den berechtigten Wünschen
und Forderungen des Hulèiner Landes, wo die Kinder von
7707 deutschen Einwohnern nur über 3 deutsche Schulen verfügen
und die Kinder von 5000 deutschen Einwohnern
entweder stundenweit bis Troppau in die deutsche Schule fahren
müssen oder den kostspieligen Privatunterricht benützen
müssen, um in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden.
Ich verweise neuerdings darauf, daß bei der Errichtung von
èechischen Minderheitsschulen
oft ganz gegen den Willen des Gesetzgebers vorgegangen wird, wie
sich dies z. B. bei der Errichtung der èechischen Minderheitsschule
in Benisch in Schlesien ereignet hat. Im Juni d. J. kam in diese
Stadt ein èechischer Lehrer und begann dort
seine Werbearbeit zu Gunsten einer zu errichtenden èechischen
Schule. Unter Assistenz eines Gendarmen wurden die Bewohner, hauptsächlich
Staatsangestellte, selbst in der Nacht zwischen 10 und 11 Uhr
aus ihrem Bette geholt, und obwohl den Gendarmen bekannt
war, daß sie es mit deutschen Beamten zu tun haben, unter
Drohungen zur Unterschrift für die Einsehreibung ihrer Kinder
in die èechische Schule genötigt. (Hört!
Hört!) Bei Eröffnung dieser
Schulen stellte es sieh heraus, daß von den 13 Schulkindern
10 deutsch waren, welche der èechischen Sprache
überhaupt nicht mächtig sind. Wir müssen verlangen,
daß dieser Fall untersucht und analog den Zusagen des Herrn
Unterrichtsministers diese Kinder wieder in die deutsche Schule
zurückversetzt werden.
Eines unserer wichtigsten Kapitel ist
die soziale Fürsorge, ganz besonders was die Versorgung der
Kriegsbeschädigten anlangt. Daß hier die Èechoslovakei
bezüglich der Höhe der Rentenbezüge fast an letzter
Stelle steht, ist bekannt. Die Erhöhung der Renten der Schwerinvaliden
und erwerbsunfähigen Kriegswitwen ist eine dringende Forderung.
Die 4. Jahresversammlung der internationalen Arbeitsgemeinschaft
dieser Kriegsopfer, welche am 9., 10. und 11. August d. J. in
Berlin tagte, mußte mit Bedauern feststellen, daß
die èechoslovakische Regierung nicht
nur die Zuschriften der internationalen Arbeitsgemeinschaft unbeantwortet
ließ, sondern auch nichts unternommen hat, um die Versorgung
zu verbessern. Wenn der Herr Minister für soziale Fürsorge
im Ausschuß erklärt hat, daß die Anmeldefrist
für Kriegsbeschädigte aus prinzipiellen Gründen
nicht verlängert werden kann. (Posl. Heeger: Ihr habt
doch gegen unseren darauf abzielenden Antrag gestimmt!) Wenn
wir für alles hätten stimmen wollen, was Ihr verlangt,
hätte das Budget nicht 13, sondern 26 Milliarden ausgemacht.
Wenn der Herr Minister dies erklärt hat, so verweise ich
auf die vom Hause angenommene Resolution, welche in berücksichtigungswürdigen
Fällen eine verspätete Anmeldung zuläßt.
Es wäre doch menschlich gehandelt, wenn das Ministerium wenigstens
jene Anmeldungen einer wohlwollenden Behandlung unterzöge,
welche bis jetzt eingebracht worden sind, von den Landesämtern
abgewiesen wurden und erst im Rekursweg einer Behandlung zugeführt
werden. Die bisher vorliegenden Anmeldungen sollte das Ministerium
überprüfen und bei unverschuldeter Fristversäumnis
berücksichtigen. Es wäre dies auch für diese unglücklichen
Opfer eine Jubiläumsgabe, wie selbe vielleicht kaum humanitärer
anzuwenden ist. (Posl. Heeger: Ihr braucht doch nur dafür
zu stimmen!) Ich komme schon darauf. Unter diesen verspäteten
Anmeldungen befinden sich auch eine Anzahl solcher, die der Vormund
für seine Mündel, also Waisen, aus Unkenntnis nicht
rechtzeitig eingebracht hat. Hier müßte ganz besonders
aus sozialen und humanitären Gründen möglichste
Nachsicht obwalten, umso mehr, als das Ministerium ein Ministerium
für soziale Fürsorge ist. (Posl. Heeger: Sein soll.)
Sein soll! Die Forderungen unserer Kriegsbeschädigten
sind allen bekannt. Sie werden verdolmetscht durch die berufenen
Stellvertreter dieser Opfer, durch die Kriegsbeschädigtenorganisationen.
Es ist begreiflich, daß diese Organisationen, welche Tausende
von Kriegsopfern umfassen, in der entschiedensten Weise dafür
eintreten, daß den Kriegsbeschädigten das zuteil werde,
was ihnen gebührt. Ist es doch ihre Pflicht, dies zu tun.
Es muß anerkannt werden, daß die Interessenvertretung
der deutschen Kriegsbeschädigten, der Bund der Kriegsverletzten,
bisher seine Mitglieder in maßvoller und sachlicher Weise
vertreten hat. Schon deshalb ist es dringend zu empfehlen, daß
diese Organisation nicht zu ignorieren und deren Wünsche
und Forderungen anzunehmen und zu verhandeln sind. Es besteht
auch beim Ministerium für soziale Fürsorge ein sog.
Beirat, dem auch Mitglieder der Organisationen angehören.
Leider scheint man an diese sicher gutgemeinte Institution vergessen
zuhaben, da dieser Beirat überhaupt nicht zu Rate gezogen
wird. Wir müssen auch darauf verweisen, daß die èechoslovakischen
Kriegsopfer, welche im Auslande wohnen, eine
ganz unzureichende Versorgung genießen und daß auch
die gesamte Heilfürsorge der Kriegsopfer, obwohl in den letzten
Jahren große Ersparnisse bei dieser Ausgabspost erzielt
worden sind, immer noch sehr ungenügend ist. Meine Partei
ist als Regierungspartei bemüht, die Forderungen der unglücklichen
Kriegsopfer zu unterstützen, und wenn wir auch nicht das
erreichen, was wir verlangen, und unsere Tätigkeit gegenüber
diesen Unglücklichen vielleicht mancher Kritik unterzogen
wird so verweise ich nur auf die ersten acht Jahre des Bestandes
dieses Staates, während welcher Zeit das Ministerium für
soziale Fürsorge ausschließlich in sozialistischen
Händen war, aus welcher Zeit die mangelhaften Kriegsopferfürsorgegesetze
datieren.
Ein weiteres wichtiges Kapitel der sozialen
Fürsorge ist die Wohnungsfürsorge. Nicht allein durch
Bauförderung oder Mieterschutzabbau kann derselben gesteuert
werden, sondern nur durch planmäßige Förderung
dieser beiden Maßnahmen läßt sich dieser Übelstand
mildern. Der Mieterschutz muß allmählich abgebaut werden
und die Bauförderung, sei es durch Staatsgarantie für
Bauwerte oder durch weitere Steuerfreiheit für Neubauten
behoben werden. Für das Gewerbe verlangen wir die Änderung
der Gewerbeordnung, so daß sie den gegenwärtigen Verhältnissen
entspricht. Da dies jedoch noch längere Zeit beanspruchen
dürfte, ist eine teilweise Verbesserung vorzunehmen, so z.
B. ist der Befähigungsnachweis für sämtliche Handelsgewerbe
einzuführen mit Ausnahme der Eigenerzeugung land- und forstwirtschaftlicher
Produkte. Wenn das beliebte Schlagwort der Gewerbegegner zu behaupten
trachtet, die Entwicklung des Standes komme nur aus der Gewerbefreiheit,
so ist das unrichtig, da gerade die Gewerbefreiheit des Jahres
1859 eine Zügellosigkeit im Gewerbe, besonders aber im Handelsgewerbe
zur Folge hatte, wodurch sowohl kaufmännische wie auch Konsumenteninteressen
benachteiligt werden. Auch ist dem seit dem Umsturze schwer bedrängten
Schuhmachergewerbe ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Es geht
nicht an, daß 10.000 Schuhmacherfamilien durch das Großkapital
dem Ruin zugeführt werden. Wenn durch die Bodenreform Großgrundbesitz
an kleine Unternehmer zu Existenzgründungen aufgeteilt werden
soll, so muß auch den Kleingewernetreibenden geholfen werden,
sei es dadurch, daß endlich der § 38 und 38 a der Gewerbeordnung
dahin abgeändert wird, daß Verkaufsfilialen der Großindustrie
in der Bekleidungsbranche nur in jenem Maßstabe an den verschiedenen
Orten errichtet werden dürfen, wie sie die Gemeinde nach
Anhörung der zuständigen Genossenschaft als zulässig
anerkennt, um die einheimischen bodenständigen Kleingewerbetreibenden
vor dem Ruin zu schützen und die bestehenden in befristeter
Zeit auf dieses Ausmaß zurückzuführen, sei es,
daß durch entsprechende Subventionierung der kleingewerblichen
Körperschaften und Organisationen die Existenz dieser bedrängten
Berufe gehoben wird. Ganz besonders aber sind Reparaturwerkstätten
der Großindustrie in der Bekleidungsbranche aufzuheben.
Auch ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß
in den Strafanstalten nicht Massenartikel erzeugt werden, welche
dem Kleingewerbe Konkurrenz bieten. Ebenso beanspruchen wir, daß
auch das deutsche Gewerbe bei der Vergebung von staatlichen Lieferungen
entsprechend berücksichtigt werde. Die Tätigkeit der
Konsumvereine hat sich lediglich auf Konsumartikel zu beschränken
und den Handel mit Galanterie- und Bekleidungswaren und dergleichen
auszuschalten.
Der einheimischen Industrie ist durch Gewährung
von Ausfuhrprämien und Frachtenermäßigung die
Konkurrenz auf dem Weltmarkte zu sichern. Ein besonderes Augenmerk
ist dem bei der Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg geschaffenen
Forschungsinstitut durch entsprechende Subventionierung zu widmen,
da ein ähnliches Institut für die Textilbranche in diesem
Staate noch nicht besteht, obwohl solche in Amerika, England und
Deutschland schon Jahre lang für die Textilbranche nutzbringend
arbeiten.
Zu unserem Verkehrswesen muß ich neuerdings
auf die Wünsche und Beschwerden der deutschen Bevölkerung
in sprachlicher Hinsicht verweisen und mit allem Nachdruck das
Ersuchen stellen, daß Bahn und Post im Verkehr mit den deutschen
Parteien zumindest zweisprachige Drucksorten benützen und
auf deutsche brauchbare Beamte und Angestellte im Interesse des
Unternehmens und der Bevölkerung Rücksicht nehmen. Ganz
besonders verweise ich wieder auf den Ausbau der Bahnstrecken
Olbersdorf - Zuckmantel, Bautsch-Hof und Benisch-Freudenthal in
Schlesien, auf den Ausbau des Hauptbahnhofes in Gablonz a. N.,
Aussig und Nieder-Lindewiese, da diese Bahnhofsanlagen den Verkehr
hindernd beeinträchtigen. Auch wäre es an der Zeit,
daß endlich einmal der Betrieb auf den Lokalbahnstrecken
Zauchtel-Bautsch und Kriegsdorf-Römerstadt in Mähren
einer Modernisierung unterzogen wird, wo der Personenverkehr immer
noch 15 bis 20 km pro Stunde beträgt.
Im Staatsvoranschlag weist den größten
Reinertrag die Tabakregie auf. Und es ist deshalb recht und billig,
daß wir den berechtigten Forderungen der Angestellten in
diesem Unternehmen möglichst Rechnung tragen. Ich habe bereits
im Budgetausschuß auf einige dieser Forderungen hingewiesen,
muß jedoch noch ganz besonders auf die Übelstände
der Werkmeisterfrage sowie auf Gewährung einer Teuerungsaushilfe
für die aktive Arbeiterschaft, Erhöhung der Gnadenpensionen,
Gleichstellung der Alt- und Neupensionisten sowie Einführung
von Wirtschaftsprämien auf Grund des Reingewinnes hinweisen.
Auch ist bei Anstellung von Arbeitern auf solche deutscher Nationalität
Rücksicht zu nehmen. Endlich verweise ich auf die berechtigte
Gleichstellung der staatlichen Alt- und Neupensionisten.
Das Budget weist u. a. eine Ausgabepost von 280 Mill. Kè
für Gendarmerie und 150 Mill. Kè für Polizei
aus. Wir sind nicht Gegner der Verstaatlichung der Polizei, da
hierdurch einerseits die Gemeinden entlastet werden sollen
und andererseits die Autorität und Objektivität dieses
Standes gefördert werden soll. Wir verlangen aber auch hier
mit allem Nachdruck, daß deutschen Angestellten und deutschen
Bewerbern um eine Anstellung volle Gleichberechtigung gewährleistet
wird. Die Gendarmerie ist auf ihren Vorkriegsstand herabzusetzen,
da es nicht angeht, daß, ganz besonders in der Provinz,
an Orten, wo früher zwei bis drei Mann den Sicherheitsdienst
zur größten Zufriedenheit versehen haben, heute 10
bis 12 Mann den Dienst verrichten. Diese Herabsetzung ist umso
berechtigter, da dies die Sicherheit des Staates wohl nicht beeinträchtigen
dürfte. Die dadurch überzählige Mannschaft kann
dem Militärstand zugeführt werden, wodurch eher die
nötige Anzahl der Unteroffiziere erreicht wird, welche zur
Herabsetzung der Militärdienst zeit erforderlich ist. Der
verbleibende Gendarmeriekörper soll jedoch in einer Weise
besoldet werden, daß er sich sowohl hinsichtlich der Besoldung
als auch betreffs der Vorrückung nicht benachteiligt fühlt,
wodurch dieser Stand wieder auf eine Höhe gelangen wird,
wie er dies als Elitetruppe in der Vorkriegszeit war.
Die Beratungen des Staatsjausjaltes sowohl
im Ausschuß wie auch im Hause nehmen leider einen oft recht
unsachlichen Charakter an, und müssen wir feststellen, daß
die Aussprache besonders einiger deutscher oppositioneller Parteien
hauptsächlich in Angriffe gegen die deutschen Christlichsozialen
ausgeartet ist. Verwaltungsreform und Gemeindefinanzgesetz werden
dazu benützt, um bereits hier eine Wahlpropaganda gegen die
deutschen Christlichsozialen zu entfalten, obwohl das Parlament
nicht der richtige Ort hierzu zu sein scheint. Wir deutsche Christlichsoziale
müssen mit allem Nachdruck feststellen, daß wir es
gewesen sind, die durch unsere Mitarbeit am Gesetze über
die Verwaltungsreform darauf hingewirkt haben, daß der ursprüngliche
Gesetzentwurf in einer Weise abgeändert worden ist, derzufolge
das gegenwärtige Gesetz, wenn wir auch nicht vollinhaltlich
damit einverstanden sind, den demokratischen Grundsätzen
und Interessen der Bevölkerung mehr entspricht, als es die
schon im Jahre 1920 beschschlossene Gauverfassung bietet. Wenn
man uns den Vorwurf macht, daß wir Schlesien verraten haben,
so hat sich dieser Vorwurf selbst als Demagogie bestraft, da wir
schon vor drei Viertel Jahren dieselben Forderungen in das Gesetz
hereingebracht haben, welche heute von den Verteidigern Schlesiens
öffentlich verlangt werden (Výkøiky
posl. Heegera.), die Schaffung einer Expositur
für Schlesien und Beibehaltung aller jener Ämter und
Behörden, welche mit der politischen Verwaltung nicht verbunden
sind. Der Ernst dieser Kampfweise erhellt schon daraus, daß
ein und dieselben Verfechter der Verwaltungsreform gegen dieselbe
Stellung nehmen und gleichzeitig über die gegenwärtigen
unhaltbaren Verhältnisse Klagge führen und die Durchführung
der Neuwahlen verlangen.
Wir halten es für selbstverständlich,
daß seitens der Regierung dem Wortlaute des Gesetzes sowie
allen gemachten Zusicherungen Rechnung getragen wird und rechnen
mit Bestimmtheit damit, daß auch die zweite Präsidentenstelle
des Landes Mähren und Schlesien mit einem deutschen Schlesier
besetzt wird.
Wir haben uns an den Arbeiten am Staatshaushalt
beteiligt und werden auch für den Staatsvoranschlag stimmen
in der Voraussetzung, daß durch unsere Mitarbeit ein weiterer
Schritt zur Völkerverständigung geschaffen ist und rechnen
mit Bestimmtheit damit, daß auch die anderen Nationen diese
Mitarbeit in ihrem eigenen Interesse, wie im Interesse der gesamten
Volkswirtschaft, die berechtigten Forderungen und Wünsche
der Deutschen zu würdigen wissen. (Potlesk poslancù
nìm. køes. soc. strany lidové.)
Hohes Haus! Die kurze Redezeit, die für
die Budgetdebatte zur Verfügung gestellt wurde, macht es
unmöglich, sich mit den einzelnen Ziffern des Voranschlages,
besonders der politischen Kapitel, ausführlich zu beschäftigen.
Es bleibt daher nichts übrig, als einige politische Betrachtungen
anzustellen, die jetzt wohl von besonderer Bedeutung sind, weil
alle die Herren von der Regierungskoalition im zehnten Jahr der
Republik soviel von der Konsolidierung und den demokratischen
Einrichtungen in diesem Staate zu erzählen wußten.
Der Herr Außenminister Dr Beneš hat vor einigen
Tagen in einer Legionärversammlung einen Vortrag gehalten
und darin u. a. festgestellt, daß die Washingtoner Deklaration
nicht bloß eine feierliche Kundgebung sei, sondern ein festes
Programm, nach welchem sich die Grundsätze der Verfassung
richten und die gesetzestechnische Tätigkeit in diesem Staate
abspielen sollen. Und Herr Dr Viškovský hat
in seiner gestrigen Rede über die zehn Jahre demokratischen
Regimes in diesem Staate festgestellt, daß die Èechoslovakische
Republik ein Nationalitäten-Locarno geworden ist. Wenn wir
nun einigige Betrachtungen darüber anstellen, was sich von
den Grundsätzen der Washingtoner Deklaration
verwirklicht hat, können wir das Gegenteil dessen feststellen,
was dort steht: Volle Freiheit des Gewissens, Freiheit der Presse,
Freiheit der Versammlungen, Gleichberechtigung der nationalen
Minderheiten, Trennung der Kirche vom Staate, Umwandlung der Heeresorganisation
in eine Volksmiliz. Innerhalb dieser zehn Jahre hat sich nicht
das Geringste von diesen Grundsätzen verwirklicht. Die Freiheit
in Wort und Schrift ist ein Märchen, nicht einmal auf parlamentarischem
Boden gilt diese Freiheit. Hier wird die Redefreiheit gedrosselt
und wenn es der parlamentarischen Mehrheit nicht genehm ist, sogar
Streichungen der Abgeordnetenreden vorgenommen, sicherlich eine
Tätigkeit, die mit der Freiheit des Wortes wahrlich nicht
in Einklang gebracht werden kann. Freiheit der Presse - darüber
ließe sich vieles sagen. Das geschriebene Wort ist gedrosselt
durch das Preßgesetz und das, was noch übrig bleibt,
wird im Konfiskationswege unmöglich gemacht. In keinem Staat
haben sich die Konfiskationen so vermehrt, wie gerade gegenwärtig
in der Èechoslovakei, und noch dazu unter der Leitung eines
deutschen Justizministers. Was nun weiter die Freiheit der Versammlungen
anbetrifft, so gibt es wohl keinen demokratischen Staat, der Kundgebungen
mit den lächerlichsten Begründungen
verbietet; es gibt wohl keinen Staat, der auf Demokratie Anspruch
erheben kann, wo die Versammlungen unter ein derartiges Überwachungssystem
gestellt werden, wie es hier der Fall ist. Sogar in Versammlungen,
die gar keinen politischen Charakter tragen, sogar in Zusammenkünften
von Betriebsarbeitern werden bis in die entlegensten Dörfer
Regierungsbeamte, Staatspolizisten und Spitzel geschickt und all
das nennt man dann Versammlungsfreiheit, was zur Folge hat, daß
auf Grund dieses Spitzelwesens eine Reihe von Anklagen nach den
Bestimmungen des Schutzgesetzes erhoben werden. Besonders in Schlesien
ist die Zahl der Verurteilungen überaus reich.
Und dann noch ein Wort zu den allgemeinen politischen
Kapiteln. Wenn wir unsere Verwaltung betrachten, eine Bürokratisierung
der Verwaltung, die den Machteinfluß der hohen Bürokratie
steigert und die, soweit die strafrechtliche Seite in Betracht
kommt, den letzten Rest der bürgerlichen Freiheit aufgehoben
und den Staatsbürger vollständig unter die Aufsicht
der Staatspolizei gestellt hat, dann kommen wir zu anderen Urteilen
über diesen Staat, als die Mehrheitsparteien. Soweit es sich
um die autonome Verwaltung handelt, hat gerade die Verwaltungsreform
gezeigt, daß das bißchen Autonomie, das vorhanden
war, restlos geraubt und die ganze Verwaltung unter die Aufsicht
der staatlichen Bürokratie gestellt wird. Es haben sich alle
die gemachten Zusagen und Versprechungen nicht erfüllt. Gerade
heute sprach vor mir ein Vertreter der Mehrheitsparteien, noch
dazu ein Schlesier, ich meine nicht den Koll. Špaèek,
sondern vor ihm den Koll. Kunz, der sich dazu verstieg,
die Behauptung aufzustellen, daß die deutschen Christlichsozialen
mit Befriedigung auf ihre bald dreijährige Mitarbeit innerhalb
der Koalition zurückblicken, weil sich die Wirtschaftsverhältnisse
dieses Staates durch ihre Mitarbeit bedeutend gebessert haben.
Derselbe Herr Kollege hat auch über die Art der Angriffe
der politischen Parteien gesprochen und gemeint, die Verwaltungsreform
sei gar nicht so schlecht, wie sie durch die Agitation der Oppositionsparteien
hingestellt werde. Und er hat die Kühnheit gehabt, die Behauptung
aufzustellen, er als Schlesier, daß das Land Schlesien ja
eigentlich nichts verloren habe, daß das Land Schlesien
eine Expositur bekomme, daß die Ämter in Schlesien
verbleiben und die, die wegkommen, durch technische Ämter
ersetzt werden sollen. Zufällig hat gestern abends in Troppau
eine große Kundgebung stattgefunden, an der sich auch christlichsoziale
Gewerbetreibende beteiligt haben, die dort protestierten, weil
sich keine der Zusagen, die Herr Dr Luschka ihnen gegenüber
gemacht hat, bis heute erfüllte. Nichts bekommt Schlesien,
weder eine Expositur, noch Ersatz für die Ämter, das
einzige, was ihnen verbleibt, ist der Adler, der historische Begriff,
und davon kann die Selbständigkeit Schlesiens wirklich nicht
leben.
Meine Herren, es ließe sich auch zu den
Kapiteln "Ministerium des Innern" und "Finanzgesetz"
vieles sagen, mit Rücksicht auf die Kürze der Redezeit
ist das aber unmöglich. Aber eines möchte ich doch feststellen.
Ich glaube, auch die Regierungskreise sind zu der Überzeugung
gekommen, daß die Auswirkung des Finanzgesetzes für
die ganze Wirtschaft der Gemeinden unerträglich ist, daß
die unsinnigsten Streichungen vorgenommen werden, ich will gar
nicht reden von der gehässigen Einstellung der Bürgerlichen
gegen alles Soziale, was in diesen Voranschlägen enthalten
ist. Dafür, daß die unsinnigsten Streichungen von den
Regierungsorganen vorgenommen werden, die die gesamte Regierung
und Verwaltung lächerlich machen, möchte ich
nur einen Fall herausgreifen. Da ist eine Gemeinde, die Schulgrundstücke
besitzt. Für diese Schulgrundstücke muß sie jährlich
800 Kè Steuern bezahlen. Dieser Betrag wird in den Gemeindevoranschlag
eingestellt, die Landesverwaltunggskommission streicht
die Post auf 400 Kè zusammen und erklärt: Ihr
dürft für die Grundstücke nur 400 Kè Steuern
bezahlen. Dieselbe Gemeinde hat einen Irren. Über Auftrag
der Landesverwaltungskommission muß der Irre in die Nervenheilanstalt
in Troppau überführt werden. Diese untersteht
der Verwaltung der schlesischen Landeskommission. Die Verwaltung
der Irrenanstalt schreibt der Gemeinde einen Betrag von 1800 Kè
vor, die Gemeinde setzt diesen Betrag in den Voranschlag ein und
verweist auf die Rechnung der Landesirrenananstalt und
der Landesverwaltungsbeamte streicht ihn bis auf die Hälfte
zusammen und sagt: Auch die Hälfte ist genügend bezahlt
für den Irren in der Nervenheilanstalt! So ließen sich
unzählige Beispiele anführen, die aufzeigen, wie widersinnig
Streichungen vorgenommen werden und daß das die Folgen der
Bürokratisierung des letzten Restes von Autonomie und Verwaltung
sind.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch
darauf verweisen, daß gerade jetzt vor mir der Herr Koll.
Špaèek aus
Mähr. Ostrau gesprochen hat. Die Einstellung dieses Herrn
ist sehr interessant. Aber festgehalten zu werden verdient, daß
derselbe Herr Koll. Špaèek,
der jetzt gerade das Loblied der deutschen aktivistischen Parteien
gesungen und erklärt hat, man sei ihnen zu Dank verpflichtet
dafür, daß sie für die Militärvorlagen, für
das Finanzgesetz und für alle diese unpopulären Dinge
gestimmt haben, trotzdem in der nächsten Minute eine ganze
Reihe von Unratkübeln auf diese aktivistischen Parteien ausgeschüttet
hat. Derselbe Herr Koll. Špaèek hat
auf die sog. nationalen Verhältnisse in Ostrau und Witkowitz
verwiesen und hat gemeint, daß dort noch immer die Deutschen
bevorzugt, daß mehr deutsche Arbeiter, als ihnen zusteht,
untergebracht werden, während die èechische Bevölkerung
von den leitenden Organen drangsaliert wird.
Der Herr Koll. Špaèek hat
schon öfter die Unwahrheit gesprochen und in der nationalen
Frage heute nicht das erstemal, das gerade Gegenteil ist der Fall.
Alle Arbeitsvermittlungsanstalten in Mähr. Ostrau und Witkowitz
versuchen über höheren Auftrag jeden Deutschen vom Arbeitsplatze
fernzuhalten. Es ließen sich unzählige Beispiele anführen,
die das Gegenteil von dem bestätigen, was Herr Koll. Špaèek
hier gesagt hat. Ich verweise nur auf die
Entlassung Tausender von deutschen Angestellten im Staatsdienste,
aber auch auf die ziffernmäßig festgehaltenen Entlassungen
einer großen Zahl deutscher Arbeiter gerade aus dem Ostrauer
und Witkowitzer Revier. Ich glaube also, mit dem nationalen Locarno
im èechoslovakischen Staate ist es trotz
der Jubiläumsbetrachtungen sehr schlecht gestellt.