Ètvrtek 13. záøí 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 159. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 13. záøí 1928.

1. Øeè posl. Grünznera (viz str. 22 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die ganze Öffentlichkeit und nicht nur jene in der Èechoslovakei, sondern auch weit über die Grenzen unseres Staates hinaus, steht noch unter dem erschütternden Eindruck des ungeheueren Unglücks, das sich am Montag in Saitz ereignet hat. Die Öffentlichkeit verlangt nach einer gründlichen Aufklärung der Ursachen, die nur auf Grund einer Untersuchung gegeben werden kann, die nicht, wie uns das heute vom Herrn Eisenbahnminister vorgetragen wurde, durch die Eisenbahnverwaltung, sondern durch das Parlament geführt werden muß. Ich kündige namens meines Klubs einen Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses an und wir erwarten, daß auch die Mehrheit, die heute für die Eröffnung der Debatte über die Erklärung des Eisenbahnministers gestimmt hat, auch diesem Antrag ihre Zustimmung geben wird, wenn sie es mit einer gründlichen Untersuchung der Ursachen dieser Katastrofe ernst meint.

Nach den Zeitungsmeldungen ist bis heute ein klares Bild über diese Ursachen durchaus nicht festzustellen. Es verlautet in den Zeitungen, daß Bedienstete den Dienst auf Posten versehen haben, die eigentlich ihrem dienstlichen Charakter nach dazu nicht berufen waren, d. h. diesen Dienst nicht ständig zu verrichten hatten. Es gehen manche einander widersprechende Versionen um, und schon dieser Umstand allein fordert es, daß eine gründliche Untersuchung durchgeführt wird. Das offizielle Kommuniqué, das die Eisenbahnverwaltung am 11. September in die Blätter gegeben hat, entspricht nach dem, was die letzten Tage ergeben haben, nicht den Tatsachen. Der Herr Eisenbahnminister hat heute in seiner Erklärung auch gemeint, daß Eisenbahnkatastrofen sich nie werden verhindern lassen, und hat dabei auf die Katastrofen verwiesen, die auch in anderen Staaten zu verzeichnen sind. Es ist natürlich eine billige Ausrede, wenn man sich darauf beruft, daß auch anderwärts Eisenbahnkatastrofen vorkommen, wenn man Vorkehrungen hätte treffen können, die beispielweise dieses große Unglück, das heute zur Debatte steht, hätten verhindern können. Es ist auch jene große Eisenbahnkatastrofe vom 12. April 1927 in Brünn noch in frischer Erinnerung, die fünf Menschenleben gefordert und auch eine große Anzahl Schwerverletzter zu verzeichnen hatte. Ein Beweis, daß die Ursachen solcher Katastrofen im System liegen müssen. Das, was die Fachmänner in den letzten Tagen in den Zeitungen veröffentlicht haben, entspricht gleichfalls unserer Auffassung, daß das System schuld ist an den Eisenbahnunglücksfällen, die sich in der jüngsten Zeit ereignet haben, und deren Zahl sich immer mehr vergrößert. Auch damals, also im Vorjahre, war der Herr Eisenbahnminister Najmann in Brünn und hat ähnlich wie diesmal vorgesorgt, daß die Öffentlichkeit nicht zu rasch über die wahren Ursachen unterrichtet wird. Der Brünner Stadtrat hat damals dem Eisenbahnminister dringend nahegelegt, den längst erforderlichen Umbau und eine ausgiebige Erweiterung des Brünner Hauptbahnhofes zu beschleunigen. Dem Herrn Minister wurde damals auch eine Denkschrift überreicht und er hat auch Abhilfe versprochen. Versprochen hat der Herr Eisenbahnminister Najman schon sehr viel, er hat jedoch das Versprechen, das er dem Brünner Stadtrat im Vorjahr gegeben hat, ebensowenig gehalten, wie eine ganze Reihe anderer Versprechungen, die er während seiner Ministerschaft sowohl den offiziell gewählten Vertrauensmännern des Personals als auch den Vertretern von Organisationen gemacht hat. Die Pläne für den Ausbau der eingeleisigen Strecke von Brünn nach Lundenburg und für die Einrichtung moderner Sicherungsanlagen sind schon seit 5 oder 6 Jahren fertig. Sie wurden auch dem Eisenbahnministerium vorgelegt, aber die notwendigen Geldmittel, die man in der Èechoslovakei für unproduktive Zwecke immer übrig hat, hat man für solche Sicherungseinrichtungen eben nicht zur Verfügung und so konnten diese Pläne, die schon seit 5 Jahren in der Direktion ausgearbeitet fertiggestellt liegen, nicht durchgeführt werden. Wäre es zu dem Ausbau der eingeleisigen Strecke Brünn-Lundenburg zu einer zweigeleisigen gekommen, so kann wohl behauptet werden, daß das jetzige Unglück, das bereits 23 Menschenleben gefordert hat, verhütet worden wäre. Aber auch hier scheint ein Stück nationaler Politik mit vorzuwalten. Auf diesen Strecke wurden am letzten Sonntag nicht weniger als 180.000 Personen nach und von Brünn befördert. Die Strecke ist ungemein überlastet und man führt auf einer solchen unkultivierten Strecke Hunderttausende Menschen in eine Kulturausstellung, was gewiß bezeichnend ist für das herrschende Regierungs- und Verwaltungssystem dieses Staates.

Man läßt es sich gefallen, wenn schließlich auf einer minder wichtigen Strecke, einer Lokalbahn, wo allerdings in manchen Gebieten auch ein sehr dringendes Bedürfnis nach Ausbau von Strecken vorhanden ist, wenn dort der Ausbau in zweiter oder dritter Linie steht. Aber man hat in der Èechoslovakei Lokalbahnen in Gegenden ausgebaut, wo es nicht so dringend notwendig gewesen wäre. Aber die so stark frequentierte Strecke Brünn- Lundenburg, auf der Schnellzüge und internationale Züge verkehren - wir sehen ja dies auch daraus, daß bei dem Unglück zumeist Ausländer ums Leben gekommen sind - diese so schwer belastete Strecke hat man bis heute in dem veralteten Zustand belassen, in dem sie vor 50 Jahren erbaut wurde. (Výkøiky.) Im Budget sind wieder nur ganze 33 Millionen Kronen für den Ausbau zweigeleisiger Strekken eingestellt. Mit einer solchen Summe kann man im besten Falle eine Strecke von höchstens 50 km ausbauen. Es ist ganz ausgeschlossen, daß dieser Betrag ausreicht. Man sehe sich nur die zu den mangelhaften Eisenbahnstrecken gehörenden Bahnhöfe an. Ich will gar nicht von den Mausefallen, von Bahnhöfen sprechen, die wir oben in Nordböhmen haben, z. B. in Bodenbach, in Aussig, in Böhmisch Leipa usw., in welchen Orten ja auch schon eine ganze Reihe von Unglücksfällen zu verzeichnen waren und wo es nur der Gewissenhaftigkeit und Umsicht der Eisenbahnbediensteten zuzuschreiben ist, daß es nicht täglich dort zu Malheuren kommt. Wer dort durchfährt und sich diese Bahnhöfe ansieht, der wird mir zustimmen, daß der Ausdruck "Mausefallen" voll berechtigt ist. So dienen in Aussig zwei Geleise für den großen Personenverkehr und gleichzeitig für den Lastendurchschlupfverkehr, der auf die Elbe geht, sowie für den Güterverkehr nach drei Richtungen. Alles dies muß auf unzugänglichen Geleisen bewältigt werden. Wenn da die Beamten und die Verschubbediensteten, die Weichensteller und das Zugspersonal nicht ihre ganze physische und geistige Kraft aufbieten, die sie überhaupt aufbringen können, so ist es unmöglich, den Verkehr anstandslos ohne irgendwelche Katastrophe abzuwickeln.

Auch im Falle der Katastrophe in Saitz hat man, wie stets, nach einem Schuldigen, das heißt in diesem Falle nach zwei Schuldigen unter den -Eisenbahnern gesucht. Das ist ja bei der Eisenbahn immer so: Wenn irgendein Malheur geschieht, wird nach einem Schuldigen gesucht. Aber es wird nicht nach dem wirklichen, nach dem Hauptschuldigen gesucht, sondern man sucht den Schuldigen immer in den Kreisen der Bediensteten, um sich selber reinzuwaschen und die Hauptursache des Unglücks zu verdecken. Es ist doch allgemein bekannt, daß das Personal der èechoslovakischen Eisenbahnen bei der Restriktion am schwersten betroffen worden ist. Der 8stündige Arbeitstag steht für die Eisenbahner, soweit sie Verkehrsdienst leisten, schon längst nur mehr auf dem Papier, und der Zentralvertrauensmännerausschuß, der seinen Sitz beim Eisenbahnministerium hat, interveniert und interpelliert seit Jahren wegen einer Novellierung der Durchführungsvorschrift zum Achtstundengesetz auf den Eisenbahnen. Aber das Eisenbahnministerium hat bis heute keinen Finger gerührt, man ignoriert diese Vertretungskörperschaft des Personals und verschärft von Tag zu Tag die Dienstturnusse immer mehr. Dienstzeitüberschreitungen sind ja an der Tagesordnung. Es wird ja die Untersuchung des Unglücks von Saitz ergeben, ob es den Tatsachen entspricht, daß, wie das Eisenbahnministerium in seinem ersten Bericht verkündet hat, die zwei Bediensteten, um die es sich handelt, eine 24stündige Ruhezeit hinter sich gehabt haben. Es gibt auch hier schon andere Versionen, und Auslandblätter haben schon mehr über diese Frage gewußt, als in der Èechoslovakei veröffentlicht worden ist. Aber wenn auch das der Fall wäre, so darf man doch nicht verkennen, daß bei einem so ungeheueren Verkehr, wie er sich gerade auf dieser Strecke infolge der Brünner Ausstellung und des Durchgangsverkehrs abgewickelt hat, die Kräfte des Personals in geradezu unmenschlicher Weise in Anspruch genommen worden sind. Einer der Bediensteten soll auch bereits ausgesagt haben, daß er den Fehlgriff in Sinnesverwirrung getan habe. Ob die Auswechslung von Sicherungsanlagen gerade jetzt während dieses großen Verkehres geschehen mußte, der sich infolge der Ausstellung auf den nach und von Brünn führenden Eisenbahnen abwickelt, ob man damit nicht noch einige Zeit hätte warten können und welche Ursachen zugrunde lagen, daß diese Auswechslung der Sicherungsanlagen jetzt vorgenommen werden mußte, darüber wäre noch zu reden. Seit dem 6. September sollen diese Sicherungsanlagen gesperrt sein und die Weichen die über diese Sicherungsanlagen führen, sollen mit Schlössern versehen worden sein. Nun soll nach der Vorschrift bei Auswechslung von Sicherungsanlagen, insbesondere auf so gefährlichen Stellen und Strecken, wie es dort der Fall ist, ein Beamter die Aufsicht führen. (Hört! Hört!) Dieser Beamte ist nach den Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs verantwortlich, und es war auch in Saitz ein solcher Beamter für die Sicherheit des Verkehrs bestellt. Aber wie jetzt schon festgestellt worden ist - und wenn die Untersuchung gründlich durchgeführt wird, wird dies ja bestätigt werden müssen - ist dieser Aufsichtsbeamte zwei Tage vor dem großen Malheur von diesem Aufsichtsdienste abdirigiert worden. Man hat ihn offenbar schon wieder anderswo benötigt und hatte keine anderen Beamten zur Verfügung. So hat man also diesen Aufsichtsbeamten dort einfach weggenommen. (Výkøiky: Skandal!) Im übrigen ist es ja allgemein bekannt, daß Beamte die Aufsicht über die Weichenstellung zu führen haben. Ich will nicht davon sprechen, mit welcher Geschwindigkeit über diese Wechsel bei Lundenburg gefahren wurde. Es verlautete mit 60 km Geschwindigkeit. Wenn die Weiche versichert ist, kann mit dieser Geschwindigkeit gefahren werden. Aber diese Weichen waren ja eben nur mit Schlössern versehen, also nicht derart versichert, daß der Bedienstete, der die Weiche zu stellen hat, ohne eine elektrische Freigabe durch den Beamten die Weiche gar nicht verändern kann. Außerdem ist bereits festgestellt, daß in der Station Saitz nur 4 Weichenstellerposten systemisiert sind und ein Posten für den Hilfsbediensteten, das heißt für einen Bediensteten, der als Ablöser fungiert, wenn von den vieren einer sein gesetzliches Frei hat. Nach dieser Systemisierung ist es unmöglich, daß dort ein vierundzwanzigstündiges Frei vor der Diensttour vorausgeht. Nach dieser Systemisierung für die Weichenstellerposten und einen Hilfsbediensteten müßte dort ein anderer Dienstturnus sein, als der 12/24stündige Dienstturnus. Das ist auch ein Widerspruch. Denn wenn der 12/24stündige Dienstturnus dort in Kraft wäre, so müßten dort 6 Weichensteller Dienst machen und außerdem noch ein Hilfsbediensteter als Ablöser für das gesetzliche Dienstfrei. Noch nicht festgestellt ist ja auch, wie das Bremsmaterial bei dem verunglückten Schnellzug funktioniert hat. Es ist bekannt, daß auf den èechoslovakischen Eisenbahnen die Umwandlung der automatischen Bremse in die Westinghouse Bremse noch nicht vollständig durchgeführt ist. Da, hat zur Folge, wenn Waggons mit automatischer und Westinghousebremse im Zuge eingereiht sind, daß, wenn der Lokomotivführer bremst, zuerst die Westinghousebremse in Wirksamkeit tritt und erst später die automatische, so daß es vorkommt, daß die Achsen bei den mit Westinghouse versehenen Wagen stehen und die Bremsen der anderen Wagen noch nicht einmal angezogen sind, was auch ein Umstand ist, der mitbewirkt, daß ein Zug, wenn Gefahr droht, nicht so rasch zum Halten zu bringen ist, und es ist Tatsache, daß sich die Lokomotivführer fürchten, mit Zügen mit solchen Geschwindigkeiten zu fahren, deren Garnitur aus Waggons mit beiderlei Bremssystemen besteht. Möglicherweise war auch dieser Zug so zusammengestellt.

Ein besonderer Skandal hat sich aber ergeben, als man die Verbandsmittel anwenden wollte, um den Verwundeten die erste Hilfe zu leisten. Da hat sich gezeigt, daß in dem Verbandskasten - das hat ein Arzt ausgesagt und er hat sich darüber beklagt - kein Verbandsmaterial vorhanden war und daß auch der Hilfszug von Brünn erst zwei Stunden nach der Katastrophe in Saitz eingetroffen ist. Zu dieser Zeit sind schon die Autos von der Brünner Rettungsgesellschaft mit dem Verbandszeug und den Medikamenten am Platze gewesen, aber die Verbandsmittel der Eisenbahn waren nicht da. Auch die Hilfeleistung seitens der Eisenbahn nicht. Ich möchte dem Herrn Eisenbahnminister dringend empfehlen, er möge sein Augenmerk lieber auf solche Dinge richten, als fortwährend den Bediensteten nachzuschnüffeln, ob einer seine Legitimation mißbraucht oder ob ein Eisenbahnkonsumverein irgendeine Frachbegünstigung nicht zurecht hat. Das System des Herrn Ministers Najman besteht ja nur darin und deswegen ist er von der gegenwärtig herrschenden Regierungskoalition auf diesen Posten als Krämer hingestellt worden, daß er die Eisenbahnbediensteten in ihren Rechten und Begünstigungen soviel als möglich beschneidet. Daran hat er es nicht fehlen lassen, aber daß er sich darum kümmern würde, ob auch die Rettungsmittel überall in Ordnung sind und rechtzeitig zur Stelle gebracht werden können, das fällt ihm offenbar nicht ein. Für den Hilfszug, der von Brünn verlangt wurde, war auch kein Personal vorhanden, das Personal mußte erst zusammengetrommelt werden. Da sind zwei Stunden vergangen, ehe der Zug hinkommen konnte. Auch ein Beweis dafür, welcher Mangel an Personal herrscht. Nach der Vorschrift soll Vorkehrung getroffen sein, daß genügend Personal vorhanden ist, wenn sich ein Malheur im Eisenbahnbetrieb ereignet. Das war hier auch nicht der Fall, und außerdem muß ja darauf verwiesen werden, daß die Bezüge und Dienstverhältnisse der Eisenbahnbediensteten unter dem gegenwärtigen Verwaltungssystem, das verbunden ist mit dem ganzen Regierungssystem, sehr verschlechtert worden sind. Die Eisenbahnbediensteten stehen naturgemäß stündlich unter dem Eindruck dieses Systems, ihre Bezüge wurden auf das äußerste herabgedrückt, ihre sonstigen Dienstrechte eingeschränkt, einige dieser Dienstrechte ganz entzogen, und nun kommt außerdem noch hinzu, daß die Eisenbahnverwaltung ein Spitzelsystem, eine Gesinnungsschnüffelei eingeführt hat, wodurch ausgekundschaftet wird, welcher politischen Gesinnung ein Bediensteter ist, und wenn er einer Gesinnung ist, die den gegenwärtigen Regierungsparteien nicht genehm ist, dann läuft er Gefahr, aus dem Eisenbahndienst entlassen zu werden oder zumindestens nicht vorwärtszukommen. Das hat sich besonders in der letzten Zeit gezeigt. Auch darüber wurde in der Presse viel geschrieben, mit welchen Schnüffeleien man den Eisenbahnbediensteten nachgeht, um ihre politische Gesinnung festzustellen. Aber die Eisenbahnverwaltung wird sich irren, wenn sie glaubt, daß sie dadurch etwa ihr nicht genehme Gesinnungen aus den Köpfen, aus den Hirnen und Herzen der Bediensteten austreibt. Das haben die altösterreichischen Eisenbahnverwaltungen auch versucht und sind dabei gescheitert und auch diese Regierungskoalition, dieser Minister, und dieses ganze System werden sich schließlich ad absurdum führen und sich überzeugen müssen, daß mit derartigen Mitteln und Maßnahmen Gesinnungen aus Menschen nicht aus zutreiben sind. Im Gegenteil, Verbitterung wird in die Herzen hineingetragen und durch die Verschlechterung der Besoldungs- und Dienstverhältnisse wird naturgemäß auch nicht die Dienst- und Arbeitsfreude der Eisenbahner gefördert.

Das sollten die Herrschaften einsehen. Man hat es der Regierung überlassen, und zwar einer interministeriellen Kommission, die die Besoldung der Eisenbahnbediensteten geregelt hat, Menschen, die keine blasse Ahnung von der Schwere, Gefährlichkeit und Verantwortlichkeit des Eisenbahndienstes haben. Wir haben im Vorjahre, und nicht erst als die Regierungsverordnung für die Eisenbahnbediensteten herausgegeben wurde, sondern schon zur Zeit, als das letzte Besoldungsgesetz hier im Hause verhandelt und beschlossen wurde, auf die Konsequenzen und ungeheueren Gefahren hingewiesen, die die Reduktion des Personals und die schlechte Bezahlung desselben zur Folge haben wird. Nunmehr haben sich die Folgen leider schon eingestellt. Der Eisenbahnminister hat es am Montag, als er nach Saitz gekommen ist, als seine erste und wichtigste Aufgabe angesehen, eine Zensur dort zu errichten. Er hat es nicht zugelassen, daß photographische Aufnahmen gemacht werden, ja er hat Presseberichterstatter, Journalisten, nicht zugelassen, d. h. er hat verfügt, daß kein Bediensteter einem Journalisten irgend eine Auskunft über dienstliche Verhältnisse dort gibt, ein Beweis für das Schuldbewußtsein der Eisenbahnverwaltung an diesem Unglück, denn wer keine Ursache hat, etwas zu vertuschen, der trifft keine derartigen Maßnahmen und der Herr Minister darf nicht glauben, daß er mit seiner heutigen Erklärung die Sache abgetan haben wird. Dafür werden wir schon sorgen. Es muß bei dieser Gelegenheit auch auf einen Umstand verwissen werden, der ebenfalls mitwirkt, daß Unglücksfälle im Eisenbahndienste vorkommen und daß die Gefahr dazu gesteigert wird: das sind die Erholungsurlaube der Eisenbahner. Es ist im heurigen Jahr wieder vorgekommen, wie das alljährlich vorzukommen pflegt, heuer aber in einem ganz besonderen Maße, daß sehr viele Eisenbahnbedienstete ihre auf Grund der Dienstordnung ihnen zustehenden Erholungsurlaube wegen Personalmangel nicht absolvieren konnten. Es ist begreiflich, wenn die Anforderungen und Anstrengungen über die Kräfte gehen und wenn der Bedienstete im Jahre aus diesem verantwortungsvollen gefährlichen Dienst nicht ein einzigesmal ausspannen kann, dann muß natürlich eine Reaktion eintreten und die Gefahr im Eisenbahnverkehr gesteigert werden. Aber es wäre auch notwendig, und daran liegt es ja, wenn die Eisenbahnverwaltung nur einigermaßen demokratisch, wirklich demokratisch empfinden würde, und der Wille, demokratische Einrichtungen auch zu respektieren vorhanden wäre, dann würde es ja geschehen, aber es ist bis heute nicht geschehen und wahrscheinlich wird die Eisenbahnverwaltung es auch nicht tun, daß der Vorschrift gemäß bei der Erhebung der wichtigsten Ursachen dieses Unglücks Mitglieder der gewählten Vertrauensmännerausschüsse der Eisenbahner mitzuwirken haben. Nach den Vorschriften, Herr Minister, das dürfte Ihnen bekannt sein, nicht wahr, haben die Vertrauensmänner bei derartigen Erhebungen mitzuwirken. Ich weiß nicht, ob der Herr Minister schon etwas veranlaßt hat, glaube aber nach seinem bisherigen Verhalten dieser Institution der Vertrauensmännerausschüsse gegenüber wird es sicherlich nicht geschehen sein. Aber es wäre dringend notwendig, weil dadurch mehr und besser aufgeklärt würde als was bisher geschehen ist. Ich habe vorhin in Ihrer Abwesenheit Herr Minister, darauf hingewiesen, daß die Fachmänner mit uns davon überzeugt sind, daß die Ursache dieses Unglücks und einer ganzen Reihe anderer Katastrophen im System liegen. Es wäre eben vernünftiger, die Gesinnungsschnüffelei zu unterlassen und sich um andere Dinge zu kümmern, die für die Öffentlichkeit und die Sicherheit und den Schutz der Menschen wichtiger sind. Daß die Disziplin, von der so oft die Rede ist und die gewiß im Eisenbahndienste notwendig ist und sein muß, wenn Pünktlichkeit im Verkehr herrschen und alles funktionieren soll, daß diese Disziplin aber im Bewußtsein und Seelenleben der Eisenbahnbediensteten ungemein leiden muß, das wird auch der Herr Minister zugeben, wenn derartige Dinge vorkommen, wie sie anläßlich der Tagung der Gewerbepartei in Brünn gegenüber den Straßenbahnbediensteten vorgekommen sind, wo der Herr Minister laut Presseberichten verfügt hat, den Verkehr einzustellen. Herr Minister, ich erinnere Sie an den 1. Mai vom Vorjahre, da waren Sie dagegen, daß der Verkehr auf den Straßenbahnen ruhte, in Brünn aber wegen einer nur örtlichen Veranstaltung, da waren Sie dafür, daß der Verkehr eingestellt werde. Das ist eine Inkonsequenz und es muß naturgemäß bei den Bediensteten ganz eigenartige Anschauungen auslösen, wenn solche widersprechende Verfügungen getroffen und die Bediensteten außerdem, wie die Presse meldete, dabei schließlich auch noch beschimpft werden.

Bei dem Unglück in Saitz waren die Verbandmittel, die zur ersten Hilfeleistung verwendet wurden, so mangelhaft, daß man sie überhaupt nicht benützen konnte. Und hören Sie meine Damen und Herren, man mußte aus dem mitgeführten Speisewagen die Wäsche nehmen, zerreissen und als Verbandzeug benützen.

Alle diese Umstände, die ich angeführt habe, beweisen wohl zur Genüge, wie notwendig es ist, daß die Untersuchung der Ursachen dieser Katastrophen nicht der Eisenbahnverwaltung überlassen wird, daß es auch bei dem nicht sein Bewenden haben kann, was heute der Herr Eisenbahnminister uns hier vorgetragen hat, sondern daß ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt werden muß. Meine Herren von der Mehrheit und Herr Minister! Wenn Sie nichts zu vertuschen und nichts zu fürchten haben, so müssen Sie mit uns darin übereinstimmen, daß die Wahrheit ans Licht komme, daß die Ursachen dieses Unglücks restlos aufgehellt werden. (Souhlas u potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

2. Øeè posl. dr Lehnerta (viz str. 30 tìsnopisecké zprávy):

Verehrte Kollegen! Im Angesicht der Nachricht, daß 22 Tote beim Lundenburger Unglück gezählt worden sind, daß durch das Unglück eine Unzahl von Krüppeln für ihr ganzes Leben geschaffen wurde, geziemt es sich wohl nicht, daß diese Tatsache zu einem parteipolitischen Gezänk gemacht wird. Ich appelliere an Sie, daß Sie das nicht einfach parteipolitisch aufziehen und an die Menschlichkeit vergessen, sondern daß sie das Ethos zu Rate ziehen, das uns gebietet, die Menschlichkeit in der Vordergrund zu stellen. Es sind auch vier meiner engeren Landsleute dabei verunglückt, ein Toter und drei Schwerverletzte aus Reichenberg und Umgebung, was mich bewogen hat, zur Sache zu sprechen. Die sittliche Verantwortlichkeit, die alle, nicht bloß die Eisenbahnangestellten, sondern auch die Politiker und die Parteileute tragen, die muß endlich einmal wieder in den Gesichtskreis unserer Generation gerückt werden. (Hluk.) Ich bitte, meine Herren, streiten Sie sich draußen herum!

Das Ethos, das vor dem Umsturz vorhanden war, fehlt seit dem Umsturz. Immer, solange es Menschen gibt und solange Menschen Maschinen bedienen müssen, so lange wird es Unglücksfälle geben. In dem Grundsatz stimmen wir alle überein. Aber wenn wir uns auf den sittlichen Standpunkt stellen, so müssen wir erklären, daß jede Einrichtung so lange ihre Existenzberechtigung in sich trägt, als sie dem Zweck entspricht, zu dem sie geschaffen wurde. Nun haben wir den èechoslovakischen Staat vor 10 Jahren zustandekommen sehen. Was hat der Staat für eine sittliche Grundlage seiner Existenz? Es ist die Sicherheit seiner Einwohner. Wenn die nicht mehr gewährleistet ist, dann brauchen wir keinen Staat. Nun hat allerdings der èechische Staat für die Sicherheit in ausreichendem Maße gesorgt, aber nur in der Hinsicht, was die Polizei anbelangt. Da haben wir einen gewissen Überfluß. Das können wir gegen das alte Österreich konstatieren. Aber diese Polizeisicherheit ist es nicht, die dem Staate die Existenzberechtigung gibt, sondern es ist die Sicherheit im allgemeinen und nachdem der Staat sich das Recht genommen hat, sämtliche Privatbahnen in seinen Besitz zu nehmen, hat er auch die Verpflichtung, für die öffentliche Sicherheit der Reisenden zu sorgen. (Hluk.) Also wenn Sie doch schon einmal aufhören möchten zu streiten! Ich verstehe mein eigenes Wort nicht. (Posl. Brodecký: Soll man mit Ihnen streiten?) Das können Sie.

Nun hat sich der Staat die Sache sehr einfach gemacht. Er nimmt die Eisenbahnen und gibt den Angestellten eine Instruktion. Wenn dann ein Unglück geschieht, so nimmt er die Instruktion her und stellt fest, daß der Angestellte die Instruktion in irgendeinem Punkte nicht erfüllt hat. Nun ist der Sündenbock gefunden, der wird ausgeliefert und in die Wüste gestoßen und damit soll die Sache erledigt sein. Ja, meine Herren Kollegen, so einfach, wie es sich Minister Najman gemacht hat, geht die Sache nicht. Sein Vorgänger Støíbrný hat sich gerühmt, daß er 30.000 deutsche Eisenbahner entfernt hat. Es ist nicht möglich, daß diese 30.000 deutschen Eisenbahner entfernt wurden, weil sie unfähig, gewissenlos oder in anderer Beziehung für das Eisenbahnwesen ungeeignet gewesen wären, sondern sie wurden entfernt eingestandenermaßen deswegen, weil sie deutscher Nationalität waren. Und diejenigen Parteien, die dem früheren Abgeordneten und Minister Støíbrný nahestehen und die sich heute mit einem gewissen Pathos gegen seinen Nachfolger Najman gewendet haben, haben nicht das Recht, sittliche Entrüstung zu heucheln, wenn sie damals ein solches Verbrechen gutgeheißen und mit ihrem Beifall begleitet haben. (Posl. Brodecký: Wer war das?) Støíbrný. (Posl. Brodecký: Der Støíbrný hat heute nicht gesprochen, ob ich nicht irre!) Ja, ja, so dumm bin ich nicht.

Sie haben damals zu diesem Verbrechen geschwiegen, weil es in das System des Chauvinismus dieses Staates oder vielmehr der herrschenden Parteien paßte. Das ist damals geschehen, unter der alten "Pìtka"-Regierung, und heute, wo die "Osmièka", der Achterausschuß regiert, wollen Sie sich zu Sittenrichtern aufwerfen. Das ist unmöglich, Sie müssen in sich gehen, Sie müssen endlich einmal daran denken, daß das System geändert werden muß, nach welchem dieser Staat regiert wird.

Wieviel Unglücksfälle sind auf den èechischen Bahnen geschehen, die vertuscht worden sind! Ich erinnere daran, daß vor etwa 2 Monaten in der Karlsbader Gegend ein Motorzug nach Schlackenwert infolge Versagens der Maschine stecken blieb und daß ein Hilfszug ihm entgegengeschickt wurde, daß dieser Hilfszug den stehenden Motorzug anrannte und dabei mehrere Kurgäste von Karlsbad verunglückten, allerdings nicht tötlich. Ich er innere an das Unglück, das im Reichenberger Bahnhof passierte, wo einer von den neuaufgenommenen natürlich jungen Leuten, sehr milde ausgedrückt, als Lokomotivführer es nicht erwarten konnte, zehn Minuten früher in sein Heim zu kommen und den Lastzug von Langenbruck nach Reichenberg in Schnellzugsgeschwindigkeit mit 50 bis 60 km hereinrasen ließ, die Herrschaft darüber verlor, so daß der Zug auf einen Lastzug auffuhr und ein Materialschade von Millionen entstand. Und wenn dieser Lastzug nicht auf dem Geleise gestanden wäre, so wäre der Zug in den gerade abfahrtsbereiten Zittauer Zug hineingefahren und es wäre ein Unglück geschehen, das größer gewesen wäre, als das, das wir jetzt besprechen. Mein Kollege Siegel berichtet mir, daß in Trautenau sich schon mehreremale beim Verschieben die Geleise nach der Seite bogen und Lokomotiven und Waggons herausgesprungen sind. Die Stadtvertretung, die kompetente Behörde, die das Wohl der Stadtbürger wahrzunehmen hat, hat beim Eisenbahnministerium vorgesprochen, um endlich die Herstellung eines einwandfreien Zustandes der Station zu erreiche, aber alle diese Vorsprachen haben nichts genützt, es bestehen dieselben Zustände wie früher.

Heute war Minister Najman ein klein wenig demütiger, als vor einiger Zeit, als er das Unglück in Bayern besprach. Damals sagte er, so etwas könnte hierzulande gar nicht vorkommen, weil die technischen Vorrichtungen und Sicherungen so in Stand wären, daß das ausgeschlossen wäre. Heute muß er zugeben, daß eben nicht alles in dem Zustand ist, wie es sein sollte, daß Fehler vorhanden sind. Aber er machte es sich insofern leicht, als er nur das sagte, was ihm paßte und das verschwieg, was ihm nicht paßte. Er erzählt einfach den Hergang, was wir aus den Zeitungen schon wissen: um so und so viel Uhr ist mit dieser Verspätung der Zug eingefahren, der Weichenwächter hatte die Weiche falsch gestellt, der andere hat nicht kontrolliert, die zwei sind schuld, der Zug fuhr hinein und das Unglück war geschehen. Der Minister verschweigt aber das Vorgehen der Brünner Direktion und verschweigt auch, daß die Rettungskästen in den Stationen nicht in Ordnung sind, er verschweigt, daß der Rettungszug von Brünn viel später eintraf, als die Rettungsautos von privater Seite, er verschweigt, daß Ärze im Rettungszug gefehlt haben; und wenn schon die neu ernannten Bahnärzte - ich selbst war 15 Jahre im alten Österreich Bahnarzt und wurde fristlos entlassen und es wurde ein junger Kollege èechischer Nationalität auf diesen Posten gesetzt - und wenn schon diese Bahnärzte, die vielleicht gewissenhaft arbeiten, etwa in Brünn nicht anwesend waren, hat Brünn kein Telephon, um private Ärzte zu rufen bei einem solchen Unglück? Ist das ein verantwortliches Vorgehen von einem höheren Beamten, der das Unglück in seiner Größe überschauen und übersehen muß? Warum hat man die Rettungsgesellschaft nicht verständigt? Man könnte glauben, aus Chauvinismus, weil das eine deutsche Rettungsgesellschaft ist, aber man hat auch das èechische Rote Kreuz nicht verständigt, wo nationale Momente wirklich nicht in Betracht kommen. Als der Minister eintraf, wurde sofort ein Photographieverbot erlassen und eine Zensur eingerichtet, wie schon Koll. Grünzner erwähnt hat. Wieviel Unglückstellen in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern sind schon photographiert und in illustrierten Zeitungen veröffentlicht worden! Das wird doch das Prestige des Staates nicht schädigen, für dieses Prestige sind ganz andere Dinge maßgebend! Wenn aus diesem Unglück vielleicht allgemein menschlich etwas als Frucht herauswachsen könnte, dann sollte es eine Mahnung sein für uns alle: Macht es besser! Aber natürlich nicht eine Mahnung an die Opposition, denn wir können es nicht, sondern an die Regierungsparteien und an die regierende èechische Nation, an die müßte es eine Mahnung sein, es besser zu machen, als jetzt die 10 Jahre. Wenn Sie von einem Jubiläum sprechen, da müssen Sie sehr bescheiden sein. Denn was Sie gutes haben, das haben Sie von alten Österreich ererbt, und was Sie verschleudert haben, das werden Sie in vielen Jahren nicht wieder einbringen können.

Kein Chauvinismus wird den Staat retten, sondern nur Ordnung, Arbeit und Verantwortlichkeit. Diese Liebe zu Ordnung, Arbeit und Verläßlichkeit muß in dem ganzen Volke wurzeln. Für das deutsche Volk kann ich in Anspruch nehmen, daß es auf der ganzen Welt als dasjenige gilt, welches am meisten Sinn für Arbeit, Ordnung und Verantwortung hat. Aber für alle Bevölkerungsteile dieses Staates kann ich sagen, daß das Beispiel der obersten Spitzen immer maßgebend ist für das Verhalten der unteren. Wie kann aber das Beispiel der Politiker in diesem Staate Liebe zur Arbeit, Ordnung und Verantwortung erziehen, wenn eine förmliche Seuche von Korruption und anrüchigen Affären ständig aus der Spitze Prag hinabsickert in die einzelnen Landesteile von Groß-Böhmen? Hier drängt man sich an die Futterkrippe, hier sucht man seinen Platz, um sich zu bereichern, und Leute, von denen man es nie für möglich gehalten hätte, daß sie für diesen oder jenen Posten Eignung besitzen, werden einfach durch ihre politische Parteizugehörigkeit an die Spitze eines Ressorts gehoben, von dem sie entweder nichts verstehen oder nichts verstehen wollen. Und wo sind hier ganz reine Hände? Man muß sie suchen. Ich erinnere nur an die Affären im Bodenamt, an die Spiritusgeschichte, wo auch aus diesen Bänken in der Mitte nicht alles geklärt ist, was geklärt werden müßte, wenn das Volk, auch das èechische Volk, Vertrauen zu den demokratischen Einrichtungen dieses Staates haben soll.

Wenn diese Katastrophe eine Mahnung, eine sittliche Mahnung sein soll, es anders und besser zu machen, müssen wir auch fragen, ob man nicht, wenn schon Steuern und Opfer gebracht werden müssen, diese Steuern und Opfer für Werke des Friedens bringen soll, die man heute ruhig und ohne mit der Wimper zu zucken für Werke des künftigen Krieges bereitstellt. Unter der jetzigen Regierung, der leider auch Deutsche angehören, ist ein jährlicher Kredit von über 300 Mill. für Rüstungszwecke bewilligt worden. Man hat damals argumentiert, es müßte die Schwerindustrie, die Eisenindustrie, die viele Tausende Arbeiter beschäftigt, eben auch gestärkt und gefördert werden. Wenn man für den Kriegsfall solche Summen in Bereitschaft stellt, wo dieser Staat doch in jedem Krieg nur verlieren und zertrümmert werden kann, wäre da nicht zu überlegen und sollte das Volk nicht verlangen, daß man ähnliche Opfer für die Sicherheit des Friedens und für Friedenswerke bringt? Aber dafür hat man hierzulande keinen Sinn, man fährt fort in dem Geleise, in dem man eingefahren ist. Es wird mehr darauf gesehen, daß jedes Täfelchen rein einsprachig èechisch ist, als daß die Reisenden in Sicherheit fahren. Was kann man von dem einfachen Mann in Sudetendeutschland erwarten, welcher liest "otevøeno" oder "zavøeno"; er weiß ja gar nicht, ob die Türe offen oder geschlossen ist. Es wäre Pflicht des Staates, wenn er sich beim Betrieb der Eisenbahnen als Kaufmann fühlt - und nach dem Gesetze sollen die Bahnen kommerziell betrieben werden - in der Sprache der Kundschaft zu reden, aber von Eger bis Trautenau ist heute keine Tür zu finden, wo der Deutsche sich auskennt. Daß da nicht mehr Unglücksfälle passieren, ist dem Zufall und der Gutwilligkeit der Mitreisenden zu verdanken, die den Einzelnen darauf aufmerksam machen, das heißt jetzt "zu" und das heißt jetzt "offen".

Das Fahrpersonal, das man uns gegeben hat, ist nicht etwa verläßlicher oder erfahrener oder umsichtiger, es ist nur èechisch, es ist stütziger und auf das Recht der èechischen Staatssprache erpicht. Und das geschieht unter einer Regierung, in der deutsche Minister sitzen, die angeblich einen gewissen Einfluß haben? Man spricht von dem Prestige des Staates, das es verlange, daß er überall seine Sprache, schon an den Grenzen dokumentiere und aufpflanze, gleichsam als Fahne. Aber daß man mit den unzulänglichen Bahnhöfen, wie sie z. B. in Karlsbad, Aussig oder Bodenbach und ganz besonders in Gablonz oder Trautenau bestehen, daß man da, wo der Reichsdeutsche oder Fremde überhaupt hereinkommt und sieht, in was für verwahrlostem Zustande sich diese Bahnhöfe befinden, wo seit dem Kriege überhaupt nichts gemacht worden ist, daß man da das Prestige des Staates mehr untergräbt, als wenn eine deutsche Aufschrift mehr oder weniger da wäre, das überlegt scheinbar die ganze èechische Vertretung mitsamt dem Eisenbahnminister Najman nicht. Es hat sich überhaupt seit den 10 Jahren, ob nun die Regierungen sich so oder so änderten und die Minister wechselten, gar nichts Wesentliches geändert. Der Minister Najman ist gerade ein solcher Chauvinist wie es der Støíbrný war. Er hat nicht die sittliche Kraft, das Unrecht seines Vorgehens einzusehen, er hat auch nicht den Willen, am System etwas zu ändern, er wird fortfahren, weiter so zu hantieren, wie er es bisher getan hat, und wenn ein Nachfolger an seinem Platze sitzen wird, so wird es dasselbe sein. Der Staat hat einmal das unglückliche Angebinde des Chauvinismus mit in die Wiege bekommen und daran wird sich nichts ändern, ob eine Partei die andere an der Regierungskrippe ablöst.

Und weil wir nicht die Überzeugung haben, daß die sittliche Kraft vorhanden ist, aus den Mahnungen dieser Katastrophe die richtige Lehre zu ziehen, und weil wir auch nicht glauben, daß die beiden deutschen Minister in der Regierung oder die drei deutschen Parteien, die in der Mehrheit sitzen, imstande sind, ihren ehrlichen, aufrichtigen und anständigen Willen durchzusetzen... (Posl. Grünzner: Sie haben ihn vor allem nicht!) Ob sie ihn haben, kann ich nicht beurteilen, aber weil wir die Überzeugung haben, daß sie ihn nicht durchsetzen werden, darum können wir die Worte des Ministers Najman nicht zur Kenntnis nehmen und nicht zustimmen, daß damit seine Stellung und die Stellung der Regierung und der Regierungsmehrheit in diesem Fall gestärkt und der Minister entschuldigt und gerechtfertigt werde. Es wird nicht besser werden, wir glauben nicht daran, wir vertrauen nicht und darum werden wir gegen die Regierung stimmen. (Potesk poslancù nìm. strany národní.)


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