Ètvrtek 15. bøezna 1928

An dieser für uns Deutsche beschämenden Macht- und Einflußlosigkeit der deutschen Regierungsparteien, die sie selbst natürlich nicht zugeben dürfen, sind die deutschen Regierungsparteien selbst schuld. Sie wollten nicht sehen und wollten sich von der Opposition nicht belehren lassen, daß gerade der Augenblick ihres Eintrittes in die èechoslovakische Regierung besonders günstig gewesen ist, den èechischen Regierungsparteien ein klar umrissenes Programm mit konkreten Forderungen vorzulegen, ohne deren Erfüllung der Eintritt deutscher Parteien in die Regierung eben nicht erfolgen durfte. Heute wissen wir aus den Verteidigungsreden des Herrn Außenministers Dr Beneš, gegen die Angriffe des Herrn Abg. Støíbrný, daß im Frühjahr 1926 der Staat vielleicht die schwerste Krise seit seinem Bestande durchgemacht hat, so daß der Staatspräsident und der Außenminister mit dem Gedanken einer oktroierten Verfassungsänderung und eines diktatorischen Regimes kokettierten, der unweigerlich zum Bürgerkrieg hätte führen müssen. Diese günstige Situation haben die deutschen Regierungsparteien nicht ausgenützt, sie haben sich begnügt, die Rolle einer politischen Perolinspritze zu spielen, welche in Knechtseligkeit die "Atmosphäre verbessern" soll. Nachdem die deutschen Regierungsparteien so wunschlos den èechischen Staat aus einer großen Gefahr gerettet hatten, konnte die èechische Regierung mit Behagen verlangen, daß sich die deutschen Regierungsparteien auch weiter gratis und franko vor den èechischen Staatskarren als Zugtiere spannen zu lassen, den der Ministerpräsident so meisterhaft kutschiert. Ungenützt ließ man noch die Wahl des Staatspräsidenten verstreichen und so konnten die deutschen Regierungsparteien kontinuierlich immer schwereren Belastungsproben von den Militärvorlagen bis zur Verwaltungsreform ausgesetzt werden, ohne daß sie gegen diesen Frondienst sich irgendwie auflehnen durften. Nun haben die Deutschen in der Regierung widerspruchlos ihre Schuldigkeit getan und der Augenblick naht heran, wo sie als überflüssig aus der Koalition ausgeschieden werden sollen, damit sie nicht am Ende doch noch lästige Mitfresser an der Regierungskrippe werden.

Deutliche Zeichen sind vorhanden, daß die gemischtnationale Regierungskoalition sich im Stadium der Zersetzung und des Zerfalles befindet. Alle Gesetzesvorlagen, die ein Hindernis für die Wiederkehr der allnationalen èechischen Koalition aus bürgerlichen und sozialistischen Parteien gebildet haben, sind dank der deutschen Regierungshilfe beseitigt, der Ministerpräsident Švehla hat einige Entscheidungsschlachten gegen uns Deutsche mit Hilfe deutscher Regierungstruppen geschlagen, der Rest, der noch zu erledigen ist, fällt nicht mehr so sehr ins Gewicht. Es ist auch kein Wunder, wenn das Zufallsgebilde der jetzigen Mehrheit immer mehr und mehr in die Brüche geht. Es ist ja gar keine Interessengemeinschaft vorhanden, welche deutsche und èechische Regierungsparteien zusammenhalten würde. Anfangs richtete die bürgerlich-konservative Regierungsmehrheit eine deutliche Kampfansage gegen die sozialistischen Parteien und stellte sich die Aufgabe, die angeblichen sozialen Errungenschaften der sozialistischen Parteien aus Ära 1918 bis 1925 systematisch abzubauen. Dieses negative Programm, von dem bis jetzt nichts anderes als die fraglich gewordene Novellierung der Sozialversicherung übrig geblieben ist, ist natürlich kein dauerndes Bindemittel zwischen Deutschen und Èechen in der Regierung des angeblichen einheitlichen èechischen Nationalstaates. Hätten die deutschen Regierungsparteien unter Ausnützung der günstigen Konstellation bei ihrem Regierungseintritte das nationale Problem in diesem Staate gelöst oder seine Lösung wenigstens so eingeleitet, wie sie es im Wahlkampfe 1925 ihren eigenen Wählern versprochen hatten, dann hätte die jetzige Koalition ein einigendes Moment in einem positiven Programm und Aufgabenkreis gehabt, der ihr über manche Schwierigkeit hinweggeholfen hätte. So aber haben die deutschen Regierungsparteien den nationalen Ausgleich von Volk zu Volk als Ziel an das Ende eines Weges gesetzt, das sie die Èechen werden niemals erreichen lassen. Bedenkt man, daß die Regierungsmehrheit Švehlas ziffernmäßig schon so gering geworden ist, daß man zur ewigen Schande dieses sogenannten Rechtsstaates zum Mittel der Rechtsbeugung greifen mußte, um den beiden in die Opposition übertretenen Abgeordneten Josef Mayer und Dr. Georg Hanreich die Mandate abzunehmen und so die Regierungskoalition um zwei gehorsame Seelen zu bereichern, so darf man das wohl auch als ein Zeichen dafür nehmen, daß die gemischtnationale Koalition schon in den letzten Zügen liegt. Der Ausgang der Gemeindewahlen hat aber auch den Beweis erbracht, daß der Anhang der deutschen Regierungsparteien immer mehr zu schwinden beginnt, so daß schon heute die Durchführung von Neuwahlen ins Parlament sicher das Ergebnis bringen möchten, daß die deutschen Regierungsparteien infolge ihrer gesunkenen Mandatszahl keine erstrebenswerten Bundesgenossen für die übrigen èechisch-bürgerlichen Parteien bedeuten könnten. Es ist daher natürlich, wenn in der èechischen Tagespresse immer häufiger die Gerüchte auftauchen, daß der Ministerpräsident die unfreiwillige Muße auf seinem Krankenlager dazu benützt, um nach einer neuen und besseren Koalition auszuschauen.

Unter solchen Verhältnissen ist aber weder die Regierung, noch die sie stützende Regierungsmehrheit parlamentarisch arbeitsfähig und auch das bisher geübte System der Kollegialdiktatur der Regierungsmehrheit muß immer mehr und mehr versagen.

Gerade die Vorlage eines abermaligen zwölfmonatlichen Provisoriums zum Mieterschutz- und Bauförderungsgesetze und die Art und Weise, wie es zu dieser Vorlage kam, beweist am besten, daß eine von allem Anfange an brüchig gewesene und jetzt im Zerfallstadium befindliche Regierungskoalition trotz ihres nach außen hin betonten wirtschaftspolitischen Fundamentes gänzlich unfähig ist, wirtschafts- und sozialpolitische Probleme in großzügiger Weise zu lösen.

Im Motivenberichte zum vorjährigen Bauprovisorium hat die Regierung auf die gegenseitige und bedingte Abhängigkeit von Mieterschutz und Bauförderung hingewiesen und erklärt, daß die Bauförderung aus öffentlichen Mitteln erst abgebaut werden kann, wenn Nachfrage und Angebot auf dem Wohnungsmarkte halbwegs ausbalanziert sind, so daß man ohne wirtschaftliche Katastrophen in den sozial schwächeren Bevölkerungsschichten auch den Mieterschutz abbauen kann. Dieselbe Regierung durchbricht aber in den heute vorliegenden Gesetzesanträgen diese Grundsätze, gibt bei der jetzt sehr ungünstigen Situation auf dem Wohnungsmarkte Bauförderungsbestimmungen heraus, die weit hinter den Maßnahmen des gewesenen Kaiserstaates Österreich zurückbleiben, baut also auf der einen Seite die öffentliche Bauförderung ab, auf der anderen Seite aber erklärt sie, daß ein weitgehender Abbau des Mieterschutzes noch nicht möglich ist, weil die bisherige Bauförderung noch nicht den gewünschten Erfolg hatte und die Wohnungsnot noch immer nicht behoben sei.

Die Regierung vergißt und ändert ihre Grundsätze von Woche zu Woche, ist daher gezwungen, von einem Provisorium zum andern fortzuwursteln und verschweigt wohlweislich, daß sie allein an diesen unerträglichen Zuständen die Schuld trägt. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat schon vor einem Jahre die Ausarbeitung einer Statistik versprochen, welche einen Überblick über Bevölkerungszahl und Anzahl der Wohnungen in den einzelnen Gemeinden, Anzahl der leerstehenden Wohnungen, Anzahl der Personen in den einzelnen Wohnungen, Anzahl der wohnungslosen Familien u. v. a. gibt. Diese Statistik, die Deutschland beispielsweise schon seit 1927 besitzt, sollte die Grundlage der definitiven Regelung des Mieterschutzes und der Bauförderung bilden. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat aber sein Versprechen nicht gehalten, eine solche Statistik existiert bis zum heutigen Tage nicht, und die vorgelegten Provisorien sind ohne jede statistische Grundlage rein auf der Basis gemacht worden, daß sich die Parteien der Regierungsmehrheit bei Wahrung ihrer divergierenden ständischen Interessen ohne Rücksicht auf das allgemeine Wohl im Kompromißwege einigen können.

Der Regierung ist nicht unbekannt, daß die Wohnungsnot bei der bisherigen unzulänglichen Bauförderung gestiegen ist. Die amtlichen Berichte geben an, daß seit der letzten Volkszählung 192* die Bevölkerung der Èechoslovakei um 450.000 Köpfe gewachsen ist. Seit dem Jahre 1921 wurden aber mit Hilfe staatlicher Unterstützung ca 60.000 Wohnungen neu erbaut, während die Zahl der ohne öffentliche Bauförderung errichteten Wohnungen so gering ist, daß sie nicht ins Kalkül gezogen werden braucht. Nimmt man an, daß jede neugebaute Wohnung von 4 Personen bewohnt wird, so hat nahezu die Hälfte des Bevölkerungszuwachses in den neuen Wohnungen keinen Platz gefunden. Diese Erscheinung, daß die Zunahme der neuen Wohnungen hinter der Bevölkerungszunahme in so unbefriedigender Weise zurückbleibt, sollte doch der Regierung zu denken geben, und sie zu energischen Maßnahmen veranlassen müssen. Dabei wäre die Möglichkeit gewesen, einen planmäßig durchgeführten Abbau des Mieterschutzes hinsichtlich der Mietzinshöhe in den Dienst einer großzügigen Bauförderung zu stellen und gleichzeitig die disparaten Wünsche der Mieter und Hausbesitzer und ihre entgegengesetzten Standpunkte zu dieser Frage einander anzunähern. Die Regierung hat aber gar nichts getan, sondern verlangt jetzt, daß das Parlament zwei Provisorien unzulänglicher Art das Leben schenke, welche keine andere Folge haben können, als daß die Wohnungsnot weiter steigen und die definitive Lösung des Wohnungsproblems durch ein langfristiges Gesetz immer schwerer wird. Durch die Säumigkeit der Regierung wurden die Heerlager der organisierten Hausbesitzer und Mieter in einen parteipolitischen Machtkampf hineingedrängt, der den politischen Parteien der Regierungsmehrheit zwar sehr unangenehm ist, dem aber die Regierung hilflos gegenübersteht und dabei die Rolle des Greises spielt, der auf dem Dache des Staates sitzt und sich nicht zu helfen weiß.

Die Inkonsequenz der Regierung bei Lösung des Wohnungsproblems zeigt sich aber auch noch in einer anderen Erscheinung. Wiederholt schon hat die Regierung erklärt, daß sie aus staatlichen Mitteln weder in Form von Darlehen noch in Form von Garantien Gelder für die Bauförderung zur Verfügung stellen kann, sondern daß sie die Belebung der Bautätigkeit einzig und allein von der Beteiligung des Privatkapitals erwarte. Dieser Forderung entsprechend hat sie sich den Standpunkt angeeignet, daß das Privatkapital nur dann für die Bautätigkeit zu haben sein wird, wenn nicht nur die Ergiebigkeit der neuen Häuser, sondern auch die der alten Häuser gegeben ist. Denn solange der Staat die gebundene Zwangswirtschaft mit den alten Wohnungen nicht beseitigt, muß jeder Bauherr befürchten, daß der Staat eines schönen Tages auch seine Hand auf die Wohnungen in Neubauten legt und deren Ertrag dann ebenso in Frage stellt wie die Ergiebigkeit der alten Bauten Bei solchen Befürchtungen darf man natürlich nicht erwarten, daß sich das Privatkapital an Häuserbauten beteiligen wird. Was tut nun die Regierung? Ut aliquid fecisse videatur, erhöht sie in dem vorliegenden Gesetzesantrag die Mietzinse in alten Häusern abermals um 40%, mit dem Erfolge, daß die Hausherren eine solche Mietzinserhöhung als viel zu gering bezeichnen, während die Mieter erklären, daß dieselbe für sie untragbar ist. Das ist aber der Regierung ganz egal. Sie will ja gar nicht durch diese Mietzinserhöhung die Ergiebigkeit der alten Häuser steigern und dadurch die private Bautätigkeit beleben. Sie will nur auf Kosten der Hausherren und der Mieter einen neuen Nutzen haben und progressiv auf demselben Wege fortschreiten, der dem Staate eine Steigerung der Einnahmen aus der Hauszinssteuer von 46 Millionen Kronen im Jahre 1920 auf 100 Millionen Kronen im Jahre 1928 gebracht hat. Und während sich Mieter und Hausbesitzer gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen, ist der Herr Finanzminister der tertius gaudens in diesem sozialen Kampfe Und das nennt man hierzulande eine Lösung des Wohnungsproblems.

Und doch könnte der Herr Finanzminister gerade aus dem Titel der Erhöhung des Ertrages aus der Hauszinssteuer etwas für den Abbau des Mieterschutzes hinsichtlich der Höhe der Mietzinse in alten Häusern und im Zusammenhange damit für die Bauförderung tun, ohne seinen Grundsatz aufzugeben, daß der Staat nicht mehr dazu verhalten werden kann, Neubauten zu subventionieren oder die Garantie für zweite Hypotheken zu übernehmen. Will der Herr Finanzminister den Mehrertrag der Hauszinssteuer nicht unmittelbar der Bauförderung zuführen, so kann er dies wenigstens mittelbar auf dem Umwege über die Gehälter der Staatsangestellten tun.

Denn die Staatsangestellten verfolgen mit besonderem Interesse und mit begreiflicher Furcht vom Standpunkte ihrer materiellen Situation die verfehlte Wohnungspolitik in diesem Staate. Sie sind sich dessen bewußt, daß die bisherige Unterstützung der Bautätigkeit durch den Staat schon Milliarden verschlungen hat, sie geben sich aber auch keiner Täuschung darüber hin, woher der Staat die Mittel zu dieser Unterstützung genommen hat. Auf der einen Seite mußte der Staat Schulden machen, auf der anderen Seite aber Sparmaßnahmen in anderen Ressorts der staatlichen Verwaltung einführen. Und gerade diese Sparmaßnahmen haben sich bei den Gehaltsbezügen der Staatsangestellten besonders fühlbar gemacht. So dürfen also die Staatsangestellten mit Fug und Recht von sich behaupten, daß besonders auf ihre Kosten die Beiträge zur staatlichen Bauförderung aufgebracht wurden, und sie können Dankbarkeit von jenen erwarten, denen diese Bauförderung zugute kam. Niemand wird es daher den Staatsangestellten übel nehmen können, wenn sie den abermaligen Zinserhöhungen mit Bangen entgegensehen und fordern, daß bei der progressiven Erhöhung der Mietzinse besondere Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genommen werde. Die Staatsangestellten verlangen daher, daß der Staat, wenn er eine weitere Steigerung der Mietzinse für notwendig erachtet und die erhöhten Zinse besteuert, einen Teil des Mehrertrages der Hauszinssteuer im Interesse seiner Angestellten verwende und ihnen einen Zinsbeitrag gewähre, der immer in dem gleichen Tempo stufenweise steigt, wie die Mietzinse in den alten Häusern in die Höhe gehen. Durch diese Ausgabe würde vor allem der Staat den Vorteil haben, daß er durch die geringen Gehaltserhöhungen der Staatsbeamten aus dem Titel des Mietzinsbeitrages der weitesten Öffentlichkeit den Nachweis erbringen würde, daß die notwendig gewordene Steigerung der Mietzinse in alten Häusern keineswegs eine so enorme Lohnerhöhung aller arbeitenden Schichten notwendig mache, wie allgemein immer angenommen und demagogisch ausgenützt wird. Der Staat als Arbeitgeber ist aber auch verpflichtet, seinen Angestellten die erhöhten Ausgaben durch die Mietzinssteigerung durch eine Erhöhung ihrer Bezüge auszugleichen, zumal ja der Staat durch seine eigene Gesetzgebung seine Angestellten zu diesen Ausgaben zwingt. Denn man darf nicht vergessen, daß die Höhe der jetzigen Staatsangestelltenbezüge unter der Voraussetzung bestimmt wurde, daß der Lebenshaltungsindex allmählich sinken werde. Weil aber diese Voraussetzung infolge der Erhöhung der Mietzinse nicht realisierbar ist, so erweisen sich die Bezüge der Staatsangestellten derartig bemessen, daß sie eine weitere Belastung durch Verteuerung der Wohnung nicht ertragen.

Wenn mir jemand den Einwand machen sollte, daß ich schon wieder das System von Gehaltszulagen bei Staatsangestellten einführen will, wo doch erst das Besoldungsgesetz 103 ex 1926 die Zulagenwirtschaft beseitigt hat, daß aber vielleicht eine angemessene Erhöhung des Aktivitätsgehaltes von den Staatsangestellten anzustreben wäre, was denselben Erfolg hätte, so wäre das eine Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse, die nicht unwidersprochen bleiben darf. Denn der Aktivitätsgehalt ist eine Zulage zum Grundgehalt, die dazu bestimmt ist, die Auslagen des Staatsangestellten zu decken, die sich aus dem aktiven Dienstverhältnisse ergeben. Daß der Aktivitätsgehalt kein Wohnungsäquivalent ist, ergibt sich schon daraus, daß der aktive Staatsangestellte beim Übertritt in den Ruhestand den ganzen Aktivitätsgehalt einbüßt, als Pensionist aber doch wohnen und Mietzins zahlen muß. Und da jede Steigerung des Mietzinses den Ruheständler noch härter treffen muß als den aktiven Staatsdiener, so läßt sich dieses Problem nur durch eine Mietzinszulage zum Grundgehalte der Staatsangestellten lösen, die in ihrer Gänze in die Pension einrechenbar sein muß. Der Herr Finanzminister hat die Möglichkeit, den Staatsangestellten sofort zu helfen, da die Bedeckung des Mehraufwandes durch die Ertragssteigerung der Hauszinssteuer gegeben ist, vermeidet gleichzeitig kommende Gehaltskämpfe in der staatlichen Wirtschaft und zeigt, wie man die Frage der Lösung des Mieterschutzes durch Hebung der Zahlungsfähigkeit der Mieter herbeiführen kann.

Mit diesen Worten habe ich eigentlich das Grundproblem sowohl zur Hebung der Baulust und Bautätigkeit, als auch zur Erhöhung der Mieten und zum Abbau des Mieterschutzes berührt. Die Forderung nach Herstellung der Zahlungsfähigkeit der Mieter kann sich nicht nur auf die Staatsangestellten beschränken, sie ist die Allgemeinforderung im wahrsten Sinne des Wortes, die conditio sine qua non. Unter Hinweis auf die billigen Mieten und das Mieterschutzgesetz wird bei uns der Lebensstandard der Mieter unnatürlich herabgedrückt, so daß die Auslagen für die Lebenshaltung des Einzelnen bei uns im Vergleiche zum Ausland weitaus niedriger sind. Eine im Interesse der Bauförderung gelegene Erhöhung der Mietzinse bleibt aber unmöglich, weil sie nicht an der Zahlungsunwilligkeit, sondern an der Zahlungsunfähigkeit der Mieter scheitern muß, da sonst der Lebensstandard der Mieter noch weiter herabgesetzt werden müßte, was aber die Regierung selbst für unmöglich hält. Trotzdem tut aber die Regierung nichts, um dieser üblen Erscheinung abzuhelfen. Trotz aller Bitten und Warnungen bleibt die Pensionistenfrage ungelöst, die Versorgungsgesetze für die Kriegsopfer und die Opfer der Nachkriegszeit werden nicht entsprechend novelliert, Beamte und Angestellte werden abgebaut und einem Hungerdasein ausgeliefert, die Novellierung der Pensionsversicherung der Privatangestellten wird jahrelang verschleppt, die Sozialversicherung der Arbeiter will man verschlechtern, Lohn- und Gehaltskämpfe in der staatlichen und privaten Wirtschaft bleiben unberücksichtigt, solange nicht durch katastrophale Streiks die Regierung einzugreifen sich genötigt sieht. Es ist ein Zeichen der Schwäche und der Unfähigkeit der Regierung und ihrer Parlamentsmehrheit, wenn sie der Tiefe des Problems ständig ausweicht und in jämmerlichen Provisorien einen Ausweg sucht. Anstatt die Lebenshaltung der Mieter so auszugleichen, daß eine rasche Erhöhung der Mietzinse im Interesse der Bauförderung ermöglicht werde, werden stufen- und etappenweise kleine Mietzinssteigerungen zugelassen, die für die Belebung der Bautätigkeit vollkommen effektlos sind, den Lebensstandard der Mieter aber unerträglich drücken, dem Hausbesitzer dagegen vom Staate weggesteuert werden.

So sündigt die Regierung auf dem Gebiete des Wohnungsproblems drauf los, was nur Platz hat, und bedenkt nicht, daß sie einmal die Verantwortung für ihre Haltung wird nicht mehr tragen können.

Meine bisherigen Ausführungen begründen wohl zur Genüge, warum meine Partei die drei vorgelegten Gesetzentwürfe, betreffend die Baubewegung, den Aufschub der exekutiven Räumung und den Mieterschutz, in ihrer Gänze ablehnt.

Ich muß an dieser Stelle ausdrücklich betonen, daß in erster Linie gegen das System des Fortwurstelns mit einjährigen Provisorien protestiert wird. Regierung und Parlament machen sich nur schwerer Pflichtverletzung schuldig, wenn sie immer wieder abwarten, bis der Termin des Ablaufes des Provisoriums vor der Tür steht, um dann in aller Eile das geltende Mieterschutz- und Bauprovisorium mit einigen Änderungen auf ein weiteres Jahr zu erstrecken und so den Zeitpunkt für eine definitive Regelung der Wohnungsfrage immer um ein Jahr hinauszuschieben. Unter solchen Umständen muß jedes Provisorium trotz aller Änderungen zwangsläufig ein Stückwerk bleiben, das nur Schaden anrichtet, weil es die bestehende Unsicherheit vermehrt. Denn die Voraussetzung einer gedeihlichen Baubewegung, die Grundlage einer vernünftigen Bau- und Wohnungspolitik ist Ruhe, Stetigkeit und Langfristigkeit. Kurzfristige Bestimmungen und schroffe Änderungen sind von Schaden und wirken notwendig verteuernd auf die Baupreise und Mietzinse und verschlechtern immer mehr und mehr die Bedingungen für die Wiederherstellung einer normalen Wohnungswirtschaft.

Pflicht der Regierung ist es, nicht länger zu zögern und der definitiven Lösung der Wohnungsfrage endlich mit jener Zielsicherheit näher zu treten, die der Wichtigkeit dieser Frage entspricht. Mieter und Hausbesitzer, also die ganze Öffentlichkeit erwartet mit Recht, daß die Regierung spätestens im Herbst dieses Jahr es einen Gesetzantrag den beiden Kammern vorlegen wird, der in großzügiger Weise auf lange Frist hinaus alle Bestimmungen enthält, die nach Urteil der Fachleute geeignet sind, das Problem des Wohnens definitiv zu lösen und eine freie und normale Wohnungswirtschaft in diesem Staate einzuführen. Kommt die Regierung dieser Verpflichtung nicht nach, dann muß sie erwarten, daß die Wähler bei der nächsten Wahl mit dem Stimmzettel in der Hand mit ihr und mit der Regierungsmehrheit ganz energisch abrechnen wird.

Auf die einzelnen Bestimmungen der drei Gesetzesvorlagen, die nach dem Willen der Regierungsmehrheit so gut wie schon beschlossen sind, gar noch einzugehen, erübrigt sich, da die Fruchtlosigkeit eines solchen Beginnens aus früheren Fällen ja sattsam bekannt ist.

Ich will die Gelegenheit, da ich gerade das Wort habe, dazu benützen, um das Parlament und insbesondere die Herren von der èechischen Regierungsmehrheit zu Zeugen einer krassen Ungerechtigkeit aufzurufen, die sich in den letzten Tagen in diesem Staate ereignet hat und die deutlich Zeugnis davon gibt, daß nicht alle Bürger dieses Staates vor dem Gesetz gleich sind. Ich bitte besonders das Präsidium dieses Hauses, den Vorfall, den ich jetzt schildern werde, nach dem stenographischen Protokoll dem Herrn Minister des Innern und dem Herrn Justizminister zur Kenntnis zu bringen und dieselben um Abhilfe zu ersuchen.

Wir Deutschen sind es schon gewöhnt, daß die Gedenkfeiern für die Toten des 4. März sich keines besonderen Wohlwollens der Behörden erfreuen und daß uns Deutschen bei dieser Gelegenheit allerhand Schwierigkeiten gemacht werden. Was sich aber in Mährisch Schönberg ereignet hat, ist selbst in diesem Staate noch nicht dagewesen.

In Mähr. Schönberg erscheinen zwei Zeitungen: Der "Nordmährische Grenzbote", ein überparteilich, aber national eingestelltes Blatt, und der "Sudetenbote", der ausschließlich im Dienst, der deutschen Regierungsparteien, besonders des Bundes der Landwirte steht. Beide Blätter brachten in ihrer Folge vom 4. März kurze Gedenkartikel. Im "Nordmährischen Grenzboten" erschien ein Artikel des Senators Dr. Ledebur-Wicheln, der der deutschen christlichsozialen Volkspartei angehört. Ich erlaube mir diesen Artikel den Damen und Herren zur Kenntnis zu bringen (ète): "Zum 4. März. Von Senator Dr. Ledebur-Wicheln. Jeder natürliche Tod ist gesetzmäßige Auflösung, jeder gewaltsame Tod gesetzwidrige Unterbrechung eines sich unter der Zusammenwirkung von Geist und Materie nach bestimmten Regeln vollziehenden Prozesses. Jeder natürliche Tod bedeutet zeitgemäße Scheidung, jeder unnatürliche Tod gewaltsame Trennung von Seele und Leib. Der schlichte Volksglaube hat hiefür ein feines Empfinden und dies ist die Ursache, warum er der gewaltsam getrennten Seele so oft eine ruhelose Wiederkehr und einen unsteten Drang nach Rache zuschreibt. In diesem Volksglauben liegt viel Wahrheit, denn mit dem natürlichen Vergehen hat sich die in jedem Menschen wirkende Idee entweder ausgelebt oder sie ist längst von neuen Trägern übernommen und wirkt in naturgemäßer Umformung als Verdächtnis weiter. Anders ist es, wenn ein lebendiges Ideal zum jähen Tode dessen führt, der bewußt oder unbewußt Träger dieses Ideals geworden ist. Der vorzeitig abgerissene Gedanke hat eine stärkere Anziehungskraft als der zu Ende gedachte; er wird zum ewigen Mahnwort und immer wieder kehren der forschende Menschengeist und die voraussetzungslose Begeisterung zu ihm zurück. So wird auch die Geschichte des sudetendeutschen Volkes nie aufhören, sich jener zu erinnern, die am 4. März 1919 in freudiger Bejahung ihres nach freier Selbstbestimmung verlangenden Volkstums schmählich niedergemetzelt wurden. Die Schuld an dem traurigen Schicksal unserer Märzgefallenen trägt vielleicht nur unverantwortlicher Leichtsinn. In den Augen der Nachwelt wird diese Schuld aber niemand von dem System jenes gewaltsamen Nationalismus zu lösen sein, die an der Wiege des èechoslovakischen Staates stand, und der sich auch heute noch in der planmäßigen Unterdrückung aller nichtèechischen Nationen auslebt. So wie die Bande dieses Blutes immer die stärksten sind und Volk wie Familie zusammenhalten, so sind auch die durch Blut gezogenen Trennungsstriche am schwersten zu überbrücken. Deshalb wird der Geist, der am 4. März 1919 gefallenen Sudetendeutschen solange als mahnender Schatten zwischen den Fronten nationalen Kampfes stehen, bis unser Volk durch selbstgewollte Einordnung in ein seiner nationalen Eigenart Rechnung tragendes Gemeinwesen die Ruhe gesicherter kultureller und materieller Lebensbedingungen erreicht hat."

Dieser Artikel, trotzdem er von einem Parlamentarier der gegenwärtigen Regierungsmehrheit mit seinem Namen gezeichnet war, verfiel samt dem Titel vom ersten bis zum letzten Wort der Zensur.

Bitte, hören Sie jetzt den Artikel in dem deutschen aktivistischen Blatte, der allerdings anonym erschien (ète): "Zum 4. März 1919. Tückische List hatte dem deutschen Volk die Waffen geraubt; auf sich selbst vergessend, hoffte es auf die anderen. Törichter Wahn! Höhnend fiel der Feind über den Arglosen her, Gehorsam und hündisches Schweigen fordernd, wo früher süße Worte mit Freiheit und Selbstbestimmung lockten... Verraten Volk und Heimat! Verführt und verkauft! Unendliches Weh krampfte in Millionen Herzen und schrie hinaus sein verzweifelndes: Volk in Not! In den Straßen standen deutsche Männer, Frauen und Kinder. Mit brennenden Augen und bebenden Fäusten. Heilige, leidenschaftliche Glut flammte in den Worten, die, zornige Anklagen voll, zuckende Lippen sprachen, alles mitreißend, alles mit stahlhartem Willen erfüllend, diese Stunde erbärmlichster Schmach nimmer zu vergessen. Tausende Hände hoben sich zum Schwur: Die Menge sang. Da knatterte es auf. Wie gellendes Lachen sprang es durch die Menschenreihen. Der neue Herr sandte seinen Gruß Maschinengewehre feuerten in dichtgedrängte Massen... Blut färbte die Erde rot. Verwundete deckten das Pflaster, Sterbende und Tote... Röcheln und Stöhnen, letzte Blicke, letzte Flüche. Was die Gräber decken, ist vergänglich Gut. Was ewig lebt, ist der Gedanke und der Geist, den kein Messer solchen und keine Kugel zerschmettern kann!"

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