Ètvrtek 15. bøezna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 135. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 15. bøezna 1928.

1. Øeè posl. Katze (viz str. 9 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Durch die vorliegenden Gesetzesvorlagen über den Mieterschutz, über den Aufschub der exekutiven Räumung von Wohnungen und über die Baubewegung wird neuerlich ein ganz brutaler Anschlag auf den noch besteh enden sehr kümmerlichen Rest des Mieterschutzes verübt, durch den vor allem Tausende arbeitender Menschen, wenn auch nur dürftig, geschützt waren. Es ist bezeichnend, daß seit der Zeit, seit das Ministerium für soziale Fürsorge vom Herrn Pater Šrámek geleitet wird, bisher noch kein Gesetz eingebracht wurde, das nicht diktiert wäre von jenem antisozialen reaktionären Geist, von dem diese Bürgerregierung im allgemeinen beherrscht ist. Schon die undemokratische Art der Behandlung dieser Vorlagen, die wieder nach dem hier üblichen Durchpeitschungssystem erledigt werden, ist ein weiterer Beweis dafür, daß die jetzige Regierungskoalition weder den ernstlichen Willen, noch ein tieferes Verständnis dafür besitzt, das für das gesamte Volk so ungemein wichtige und brennende Problem der Wohnungsfürsorge auch nur halbwegs in wirklichem sozialen Sinne zu lösen. Koll. Taub hat die unwürdige Behandlung dieser Vorlagen schon im sozialpolitischen Ausschuß kritisiert und dabei festgestellt, daß beispielsweise in Deutschland die Mieterschutzvorlage in 33 Ausschußsitzungen und fünf Haustagungen verabschiedet wurde, wobei der Reichsarbeitsminister wiederholt in die Debatte eingriff, um den Standpunkt der Regierung zu präzisieren. Bei uns erfolgt die Erledigung der Vorlagen wieder im Eilzugstempo, sozusagen in wenigen Stunden und dem Minister für soziale Fürsorge fällt es nicht im geringsten ein, zu derart wichtigen Gesetzen seine Meinung zu sagen. Die Verteidigung dieses schändlichen Angriffes auf die Mieter wurde im sozialpolitischen Ausschuß lediglich dem Herrn Dr. Viškovský überlassen, der nur einige gehässige und ganz abfällige Bemerkungen über die sachlichen Einwendungen der Opposition übrig hatte. Die deutschen Regierungsparteien haben sich im Ausschuß überhaupt nicht gerührt. Die Anträge der Opposition wurden daher auch ganz bedenkenlos und unbesehen niedergestimmt. Es ist aber besonders charakteristisch, daß es gerade zwei Christlichsoziale waren, der eine davon sogar ein frommer Gottesmann, die Dienstag als Berichterstatter das Attentat auf die Mieter zu begründen und zu verteidigen versuchten. Daß sie dabei ihre christlichen Grundsätze mit Füßen treten, ficht sie weiter nicht an. Für die geistlichen Herren ist ja die Wohnungsfrage gelöst; sie sind in ihren Pfarrhäusern mit ihrem Anhang vor dem Wohnungselend geschützt. Das Elend der anderen läßt sie vollkommen kalt. Sie werden mit sehr salbungsvollen Worten auf das göttliche Jenseits vertröstet. Wir glauben, daß auch dieser Betrug an den Ärmsten der Armen schließlich und endlich zusammenbrechen wird, wozu die Herren durch ihre gottverlassene Politik, die sie betreiben, selbst in ausreichendem Maße mitbeitragen. Die Regierungsparteien sind nur von dem einen Willen beseelt, den Hausbesitzern auf Kosten der Mieter weitere Vorteile zu sichern. Um nichts anderes geht es bei diesen Vorlagen, die nicht nur ganz bedeutende Verschlechterungen der bisherigen Gesetze beinhalten, sondern die Grundlage schaffen, um den an und für sich schon bedrohten Mieterschutz restlos zu beseitigen. Die Herren vom Bürgerblock leisten ganze Arbeit, das muß man ihnen lassen; nicht nur daß man den Arbeitern, Beamten, Angestellten und kleinen Geschäftsleuten durch die Zölle und die Steuergesetze die Lebenshaltung unerträglich gestaltet, nicht nur daß sie durch die Verwaltungsreform das Volk um ein Stück politischer Freiheit gebracht und geprellt haben, nicht nur daß man durch das neue Finanzgesetz die Gemeinden in jeder Beziehung zur Ohnmacht verurteilt und sie der Bürokratie unterstellt, nicht nur daß den Arbeitern die Sozialversicherung gestohlen werden soll, soll nun auch Tausenden arbeitenden Menschen ihr kümmerliches Dasein zu einer wahren Hölle bereitet werden, sollen Tausende Menschen um das Obdach gebracht werden, um das sie bis heute so sehr bangen.

Die jetzige Gesetzesvorlage bedeutet nichts anderes als den Anfang vom Ende des Mieterschutzes. Das wurde auch von dem Berichterstatter Matoušek in ziemlich unverblümter Weise zugestanden. Es wird eingewendet, daß ein Abbau des Mieterschutzes erfolgen muß, um dadurch nicht allein die Wohnungsnot erfolgreicher bekämpfen zu können, sondern auch deshalb, weil es angeblich den Hausbesitzern sehr schlecht geht. Letzteres scheint die schwerste Sorge der Regierungsparteien zu sein. Wie es aber der arbeitenden Bevölkerung geht und ob sie derartige Maßnahmen, die eine neuerliche schwere materielle Belastung für sie bedeuten, ertragen können, danach fragt die Regierung nicht. Wenn auch große Massen durch das Wohnelend verkommen und gesundheitlich und moralisch zugrunde gehen, das ist Nebensache, die Hauptsache ist und bleibt, daß die dreimal geheiligte Profitrate erhöht wird. Man hat durch diese Gesetzesvorlagen die sicherlich nicht unbescheidenen Forderungen der Hausbesitzer fast ausnahmslos erfüllt. Auf das harte Los der Mieter Rücksicht zu nehmen, hat man nicht für notwendig erachtet. Die Mietzinse werden innerhalb eines Jahres um 40% erhöht. Dazu kommen noch Zuschläge, die die Hausbesitzer infolge Erhöhung der öffentlichen Abgaben oder durch Einführung neuer Abgaben, für Auslagen für Beleuchtung der Stiegenhäuser und Gänge, für Wasser-, Gas- und Elektrizitätsmesser, für Reinigung des Hauskanals und der Senkgrube, fürs Kaminfegen, für die Asche- und Kehrichtabfuhr, alles Zuschläge, die die Hausbesitzer verlangen können. Das wird ungefähr ebenfalls 20% des Mietzinses betragen, so daß die effektive Erhöhung des Mietzinses zu mindest 60% erreichen wird. Der Mietzins wird mit allen Zulagen annähernd, wenn die Wohnung vor dem 1. Mai 1924 vermietet wurde, bei kleinen Wohnungen 210% des Friedenszinses betragen, bei mittleren 230 und bei großen Wohnungen 250%. Wenn die Wohnung nach dem 1. Mai 1924 vermietet wurde, bei kleinen Wohnungen 240, bei mittleren 260 und bei großen Wohnungen 270%; wir sind demnach schon beinahe bei 300% des Friedensmietzinses angelangt. Damit wollen sich aber die Hausbesitzer noch immer nicht zufriedengeben und sie sprechen von einer vollen Valorisierung der Friedenszinse, obwohl sie durch die ständigen Zinserhöhungen und dem Wertzuwachs, den die alten Häuser erfahren haben, schon sehr viel profitiert haben. Wenn aber von Valorisieren gesprochen wird, dann glaube ich, müssen wir auch feststellen, daß die Löhne der Arbeiter noch lange nicht valorisiert sind und daß es Pflicht wäre, daß in Anbetracht dieser ungeheueren Mietzinssteigerung, wie ich noch näher darlegen werde, auch die Löhne eine entsprechende Aufwertung erfahren würden. Wir haben gegenwärtig den Standard von 79% der Vorkriegslöhne. Diese Löhne vertragen keine wie immer geartete Belastung mehr, wenn nicht das wirtschaftliche Elend noch größer werden soll, als es schon ist. Das Lohnniveau unserer Arbeiter, mit welchem wir im Verhältnis zu anderen Staaten an vierzehnter Stelle stehen, hat bereits einen Tiefstand erreicht, der nicht mehr herabzudrücken ist. (Posl. Hackenberg: Dabei sieht es anders aus mit den Preisen der Lebensmittel!) Jawohl, ich werde darauf zu sprechen kommen. Wir brauchen uns da nur an das statistische Staatsamt zu halten, welches feststellte, daß eine Arbeiterfamilie zur Deckung auch nur der notwendigsten Bedarfsartikel einen Wochenlohn von 312.62 K benötigt. Wir wissen aber, daß nur rund 10% aller Arbeiter diesen Lohn verdienen und 90% unter dem vom statistischen Staatsamt ermittelten Minimum zum Leben gezwungen sind. Und dennoch wagt man es, innerhalb eines Jahres die Mietzinse um 60% zu erhöhen. Das ist direkt ein verbrecherisches Vorgehen, dem man allerdings auch eine Begründung geben will: Der Motivenbericht zum Mieterschutzgesetz sagt, daß die Mietzinserhöhung mit Rücksicht auf die gute wirtschaftliche Konjunktur, die wir haben, durchgeführt werden kann. Nun, meine Herren, Sie wissen ja, daß die Arbeiter bis heute von dieser angeblich guten Konjunktur nichts verspürt haben, im Gegenteil die Arbeiter wurden durch die verteuerte Lebenshaltung, die zunächst auf die Zölle zurückzuführen ist, ganz einschneidend geschädigt. Die Nutznießer dieser guten Konjunktur sind nur die Kapitalisten, die geradezu fabelhafte Gewinne einstreichen, ohne daß der Arbeiter entsprechend daran partizipiert. Es gibt auch einige bürgerliche Wissenschaftler, die zur Stelle sind, um die Mietzinserhöhung zu verteidigen. Diese Wissenschaftler stellen sich immer sehr gern ein, wenn es darum geht, die Ausplünderung der Volkes zu begründen. Sie schlagen vor, daß die Mieter die Erhöhung der Mietzinse überwälzen sollen. Das kann natürlich nur geschehen, wenn die Löhne ausreichend erhöht werden. Wie es praktisch damit ausschaut, dafür haben wir ein anschauliches Bild durch den Lohnkampf der Bergarbeiter bekommen. Die Bergarbeiter mußten infolge ihrer elenden wirtschaftlichen Lage ihre Forderungen stellen. Obwohl bei den Verhandlungen einwandfrei nachgewiesen wurde, daß die Steigerung der wichtigsten Lebensmittelpreise 18% beträgt - der Index für pflanzliche Nahrungsmittel allein stieg von 941 im Oktober auf 1001 im Dezember - obwohl also die Lebensmittel und insbesondere die wichtigsten Lebensmittel, die der Arbeiter konsumiert, eine merkbare Steigerung aufwiesen, mußten die Bergarbeiter trotzdem einen heißen schweren Kampf um ihre Lohnerhöhung führen und konnten in Brüx nur 5%, in Kladno sogar nur 3% Steigerung erreichen.

Ich will Ihnen nur kurz darlegen, in welcher Weise die wichtigsten Lebensmittelpreise gestiegen sind, weil man immer von der Valorisierung der Mietzinse spricht. Das Brot hatte im Jahre 1913 - immer per kg einen Preis von 29 Hellern, im Oktober 1927 betrug der Preis bereits 3.11 K. Mehl kostete im Jahre 1913 41 Heller, im Jahre 1927 4 K 23 h, Kartoffeln kosteten im Jahre 1913 8 Heller, im Jahre 1927 69 Heller. Der Brotpreis ist also mehr als der zehnfache. Bei Mehl ist die Steigerung vom Jahre 1913 bis 1927 ähnlich. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.).

Wir sehen also, daß während die Löhne nur im größten Ausmaß das sieben einhalbfache erreichen von dem, was der Arbeiter im Frieden verdiente, die wichtigsten Lebensmittelpreise heute immer noch auf der 10 und elffachen Höhe gegenüber früher stehen, und da spricht man noch von Valorisierung. Die Bergarbeiter konnten durch ihre Lohnerhöhung also nicht einmal die Lebensmittelverteuerung ausgleichen und trotzdem werden jetzt diese Arbeiter durch eine 60%ige Mietzinserhöhung belastet. Es ist ganz einwandfrei errechnet worden, daß eine zehnprozentige Mietzinserhöhung eine 2%ige Erhöhung der Löhne und des Einkommens bedingt. Die Bergarbeiter also, die mit der erkämpften 5%igen Lohnerhöhung nicht einmal die Teuerung wettmachen konnten, verlieren jetzt durch die Mietzinserhöhung nicht nur diese erstrittenen 5%, sondern es werden ihnen sogar noch weitere 7% ihres alten Lohnes genommen. Denn nach dem errechneten Schlüssel müßte eine 60%ige Mietzinserhöhung eine 12%ige Erhöhung der Löhne zur Folge haben. So schaut also die von den gelehrten Wissenschaftlern so warm befürwortete Überwälzungstheorie in der Praxis aus. So wie es den Bergarbeitern geht, geht es auch allen andern Arbeitern, geht es aber auch den Beamten und Angestellten und den kleinen Geschäftsleuten, die mit ihrem geringen Einkommen die Erhöhung der Ausgaben unmöglich decken können.

Der Herr Minister Dr. Spina hat sich zwar die Lösung der Frage ganz einfach vorgestellt. (Posl. Schweichhart: Er hat leicht reden, ihm geht es gut!) Jawohl. Er hat bei den Verhandlungen erklärt, daß die Lohnerhöhung nicht nach dem Lebensstandart erfolgen kann. Es wäre viel klüger gewesen, wenn Herr Minister Dr. Spina dieses Rezept damals angewendet hätte, als die Bauern die Zölle gefordert haben. Dann wäre uns natürlich so manches erspart geblieben. Mit der Mietzinserhöhung ist es das Gleiche. Mit dieser neuen Symbiose soll wahrscheinlich auch heute die Mietzinserhöhung begründet werden. Die bewußte Absicht, den Mieterschutz zu durchbrechen, liegt ferner in der Erweiterung der Kündigungsgründe, so bei Wohnungen von 4 oder mehr Zimmern, wenn sie nicht voll bewohnt sind, wenn der Hauseigentümer Eigenbedarf nachweist u. s. w. Weiters bei Wohnungen in einem Hause, das einem fremden Staate gehört und ferner, wenn ein Mieter durch drei auf einander folgende Jahre ein Einkommen über 100.000 Kronen besitzt. Gelockert wird der Mieterschutz auch dadurch, daß für die Zukunft die Erben eines verstorbenen Mieters nur dann die Wohnung beanspruchen können, wenn sie Familienangehörige sind. Hunderte werden dadurch um die Wohnung gebracht, die als Lebensgefährten gezwungen sind, beisammen zu wohnen. Aber außerdem wird den Hausbesitzern ein ausgiebiger Extraprofit durch die sogenannte Vertragsfreiheit zugeschanzt, die sich dadurch äußert, daß der zuviel gezahlte Mietzins nicht mehr zurückerstattet werden braucht.

Sehr viele Mieter, die heute schon einen höheren als den gesetzlichen Mietzins zahlen, schon um des lieben Friedenswillen, oder die bewußt vom Hausbesitzer mit dem Mietzins überhalten sind, werden dadurch gewaltig geschädigt. Eine vollständige Demolierung des Mieterschutzes bringt aber die Bestimmung, daß alle neuen Vermietungen in alten Häusern nicht mehr dem Mieterschutz unterliegen. Daß von dieser Bestimmung die Arbeiter, die sehr oft ihren Arbeitsplatz und somit auch die Wohnungen wechseln müssen, am härtesten getroffen werden, brauchen wir wohl nicht näher zu begründen.

Durch diese kuriose Bestimmung wird aber auch den Hausbesitzern ein neuer Anreiz zu weiterer Mietzinserhöhung gegeben. Der Druck auf den Mieter, ihn aus der alten Wohnung hinauszubringen, wird umso schärfer, weil durch das Mieterschutzgesetz für die alten Wohnungen ein höherer Mietzins in Aussicht steht. Es wird dadurch nicht nur zu größeren Reibungen zwischen Hauseigentümern und alten Mietern kommen, es wird auch für die Hausbesitzer und Mieter zweierlei Recht geschaffen und somit ein Zustand herbeigeführt, den vor allem die deutschen Christlich sozialen sehnlich herbeiwünschen, Sie haben sich zunächst für die Vertragsfreiheit sehr warm eingesetzt. Herr Abg. Krumpe schrieb noch in der "Deutschen Presse" vom 8. Feber d. J. unter anderem ausdrücklich Folgendes: "Die Vertragsfreiheit hätte darin zu bestehen, daß alle neuen Mieter in alten und neuen Häusern nicht mehr dem Mieterschutz unterständen und für das gesamte Mietverhältnis nur der geschlossene Mietvertrag maßgebend wäre". Ob die christlichsozialen Mieter an der nun verwirklichten Forderung des Herrn Krumpe eine Freude haben werden, bleibt allerdings dahingestellt. Jedenfalls weiß ich nur, daß es sehr viele christlichsoziale Mieter gibt, die sich gegen jede Verschlechterung des Mieterschutzes stellen, aber die armen Mieter haben ja in dieser christlichsozialen "Volkspartei" nichts zu sagen. (Posl. Sweichhart: Desto mehr die Pfaffen!) Sehr richtig. Die Mieter sind die Lämmer, die von den hohen und hochwürdigen Herren geleitet werden und diese Lämmer merken es leider vorläufig noch nicht einmal, daß man sie auf den Schindanger gebracht hat. Doch die Regierung hat sich mit diesen wahrlich ungeheuerlichen Verschlechterungen in der neuen Vorlage noch immer nicht zufriedengestellt, sie hat noch viel Ärgeres getan. Sie setzt in § 31 eine neue Bestimmung ein, nach welcher in einer Gemeinde mit weniger als 2.000 Einwohnern, wenn sie am Tage der Kundmachung dieses Gesetzes nicht zur Gänze der Hauszinssteuer unterworfen war, der Mieterschutz aufgehoben werden kann, wenn es die Gemeinde rechtsgültig beschließt und die politische Landesverwaltung diesen Beschluß genehmigt. Mit dieser Bestimmung wird nichts als ein schändlicher und brutaler Raub des Mieterschutzes für mindestens die Hälfte aller Mieter dieses Staates vollzogen und eingeleitet. In den meisten Gemeinden, die sich nur nach und nach durch die Industrie bevölkern konnten, besteht heute neben der Hauszinssteuer auch die Hausklassensteuer, so daß diese Gemeinden nicht zur Gänze der Hauszinssteuer unterliegen. Das ist natürlich eine ganz ungeheuerliche Bestimmung. Die Mieter in allen diesen Gemeinden werden ganz einfach für vogelfrei erklärt. Welche Auswirkung diese Bestimmung annehmen wird, will ich Ihnen durch das Beispiel meines Bezirkes Falkenau beweisen. Der Bezirk Falkenau ist mit 56.000 Einwohnern ein durchaus industrieller Bezirk. Nach den neuen Bestimmungen des genannten § 31 werden von den 56 Gemeinden dieses Bezirkes nur noch 15 Gemeinden dem Mieterschutz unterstehen, die anderen 41 Gemeinden mit rund 25.000 Einwohnern können aus dem Mieterschutz ausgeschieden werden. (Výkøiky posl. Schweichharta.) Es ist selbstverständlich, daß in jenen Gemeinden, wo die Sozialdemokraten die Mehrheit besitzen, diese Bestimmung nicht angewendet wird. Aber in jenen Gemeinden, wo die Bürgerlichen die Majorität haben, wird der Mieterschutz totsicher umgebracht werden. Vor allem wird in den Gemeinden, wo die Landbündler das Heft in der Hand haben, überall der Mieterschutz fallen und die landwirtschaftlichen Arbeiter werden dadurch ganz der Willkür der Bauern ausgeliefert sein, sie werden sich, wenn sie nicht obdachlos werden wollen, als nichtswürdige Heloten behandeln lassen müssen. Man wird ferner in diesen Gemeinden daran gehen, sich jener industriellen Arbeiter zu entledigen, die als Wähler den Bauern in den Gemeinden sehr unangenehm werden. Die Folge dieser wahnsinnigen Bestimmung ist heute noch nicht abzusehen. Eines aber ist sicher, daß dadurch über Tausende von Familien neuer Jammer und neues Elend gebracht wird, daß eine weitere Zerrüttung des Familienlebens platzgreift, daß die Zahl der kranken und siechen Kinder wachsen und die Moral und Sittlichkeit noch tiefer sinken wird. Wo sind da die berufenen Wissenschaftler, um hier gegen die Zerstörung der nationalen Volkskraft und Volksgesundheit zu protestieren? Wo sind die schwarzen Schleicher und Mucker, die über die sittliche Verrohung vor allem bei der Jugend nicht genug wettern können? Wir werden vergebens nach ihnen rufen! Die Profitbestie hat sie alle taub und blind gemacht. Eine weitere wesentliche Verschlechterung liegt auch darin, daß die Dauer des Gesetzes nur bis zum 31. März 1929 begrenzt wird, was wohl nur zu dem Zwecke geschah, um nach einem Jahr die letzten Reste des Mieterschutzes überhaupt zu beseitigen. Im Motivenbericht wird zwar versucht, das zu bestreiten, in Wirklichkeit aber hat man kein anderes Ziel vor Augen. Der Berichterstatter erklärte im sozialpolitischen Ausschuß, daß zur definitiven Regelung des gesamten Wohnungswesens demnächst eine Enquete einberufen werde, wozu, nachdem das Gesetz schon im März abläuft, keine Zeit mehr vorhanden war. Diese Erklärung ist nur eine plumpe Augenauswischerei. Man wußte schon in Jahre 1925, daß das Gesetz am 31. März 1928 zu Ende geht, so daß genügend Zeit vorhanden gewesen wäre, sich mit dem Wohnungsproblem ganz eingehend zu beschäftigen. Es wurde aber bewußt alles unterlassen. Daß das jetzige Provisorium keine Beruhigung, sondern nur neue Unsicherheit und Verwirrung in die bestehenden Wohnungsverhältnisse bringt, braucht nicht näher gesagt werden. Der Vorzug des alten Gesetzes lag schließlich und endlich darin, daß es 3 Jahre Geltung hatte. Wir vertreten den Grundsatz, daß der Mieterschutz erst abgebaut werden kann, wenn genügend Wohnungen vorhanden sind. Das wird aber der größte Feind des Mieterschutzes nicht behaupten können. Es herrscht bei uns nicht nur eine Wohnungsnot, sondern ein unbeschreibliches Wohnungselend, das durch den weiteren Abbau des Mieterschutzes noch größere Dimensionen annehmen muß. Wir haben bei uns über das Wohnungselend kein umfassendes Material zur Verfügung, weil es die Regierung bis heute unterlassen hat, darüber statistische Erhebungen zu treffen.

Aber in jenen Staaten, wo man diese Erhebungen durchführte, wurden erschreckende Ziffern festgestellt. So fehlen in Deutschland rund 400.000 Wohnungen. Wenn es in Deutschland so ausschaut, um wieviel schlimmer muß es bei uns sein, da wir gegenüber Deutschland auf diesem Gebiete weit und weit zurückstehen. (Výkøiky posl. Hackenberga.) Wie gesagt, die Regierung führt keine amtliche Statistik über unsere Wohnungsver hältnisse, weil sie dafür kein Interesse aufbringt. Aber dort, wo bei uns durch kommunale Körperschaften festgestellt wurde, wie das Volk wohnt, wurde ein derart grauenvolles Material erhoben, das so erschreckend und erschütternd ist, eine so wuchtige Anklage gegen unsere heutige Gesellschaftsordnung darstellt, daß jeder, bei dem noch ein Funken sozialen Empfindens und menschlichen Mitgefühls vorhanden ist, aufschreien muß. Herr Dr. Gruschka in Aussig, der sich mit tiefer Sachkenntnis mit dem Wohnungsproblem beschäftigt, stellt fest, daß in Aussig in 9.904 Wohnungen 10.480 Familien untergebracht sind. Davon wohnen in einräumigen Wohnungen 16,2%, in zweiräumigen Wohnungen 40,9%, in dreiräumigen Wohnungen 20,5%, demnach in ein- bis zweiräumigen Wohnungen 57,1%, in ein- bis dreiräumigen Wohnungen 76,6% der erfaßten Bevölkerung. Von den 9.904 Wohnungen beherbergten 1.325 Parteien mit 2.574 Aftermietern. Unter 2.186 einräumigen Wohnungen waren 140 mit 245 Aftermietern, unter 4.182 zweiräumigen Wohnungen waren 408 mit 767 unter dreiräumigen Wohnungen 366 mit 675 Aftermietern. Zusam.men also unter den 8.299 einbis dreiräumigen Wohnungen 914 mit 1.687 Aftermietern. Wie es in einzelnen dieser Wohnungen ausschaut und welche Gefahren in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung aus diesem Wohnungselend für das Volk erfließen, darüber hat mein Parteifreund Vizebürgermeister Pölzel aus Aussig in objektiver Weise Erhebungen durchgeführt, die die Schande unseres sogenannten Kulturstaates unbarmherzig aufdecken. In mehreren Artikeln, die unter der zutreffenden Bezeichnung "Die im Dunkeln leben" in unserem Zentralorgan erschienen sind, wird geschildert, wie die Menschen wohnen. In Kellerwohnungen, in Pferde-, Schweine- und Hühnerställen, die feucht und dumpf sind und von keinem Sonnenstrahl belichtet werden, kampieren hunderte Familien und gehen dem sicheren Ruin entgegen. Ja sogar Höhlenbewohner gibt es bei uns im 20. Jahrhundert auf der "Insel der Glückseligen".

Um Ihnen nur einen kleinen Ausschnitt des Wohnungselends zu zeigen, will ich die nackte Schilderung wiedergeben, die der Verfasser über diese Höhlenbewohner bringt. Er schreibt: "Eine schwache Wegstunde von Auscha gegen Norden an der Bahnstrecke Großpriesen-Auscha liegt in waldreicher bergiger Gegend der deutsche Ort Lewin. In der Zeit vom Mai bis August ist der Ort von vielen Sommergästen besucht und seit Jahren kommen alljährlich während der Schulferien aus Aussig und den Gemeinden in der Umgebung Schulkinder zur Erholung. Diese Gemeinde, die Sommer für Sommer Dutzenden von Parteien Unterkunft bietet, hat keinen Platz für die eigenen Gemeindebürger und wird zur traurigen Berühmtheit gelangen, weil ihre Vertreter ruhig zusehen, wie neun Menschen, vier Erwachsene und fünf zarte Kinder, die in einer Sandsteinhöhle wie die Tiere kampieren müssen, inmitten der heutigen gottgewollten Ordnung langsam aber sicher dem Siechtum und frühen Tode entgegen gehen. Auf diesem elenden kleinen Fleck Erde haust eine Familie, hausen neun Menschen, darunter fünf kleine Kinder von zwei bis fünf Jahren. Einige schadhafte Einrichtungsgegenstände, echte Proletariermöbel, stehen in wirrem Durcheinander umher. Zwei Betten, ein Tisch, einige Stühle und ein Koffer vervollständigen diese Wohnung. Der alte Strohsack, der neben dem Eingang vor den Betten aufgestellt ist, soll vor der herrschenden Zugluft durch die Türe schützen. Rund umher im Raume naßkaltes Dunkel. Ein armseliger Ofen, den sich die Bewohner selbst aus Ziegeln und Lehm bauten, verpestet durch den Rauch die Luft derart, daß, wenn Feuer angemacht wird, die Tür geöffnet werden muß, damit die Bewohner im Raume nicht ersticken. Die Familie lebt in solch kümmerlichen Verhältnissen, daß die Anschaffung eines Ofenrohres, das durch das Loch hinausgeleitet werden könnte, eine Unmöglichkeit ist. So dringt der Rauch aus dem Ofen unmittelbar in den Raum und schlängelt sich tief in die anderen Höhlen. Der Ofen kann nur dann angeheizt werden, wenn dies zum Abkochen dringend nötig ist. Die Folge davon ist, daß insbesondere in der jetzigen Jahreszeit in der Höhle eine nasse schauerliche Kälte herrscht." Es war notwendig, das Aussiger Wohnungselend und das der nächsten Umgebung deshalb hervorzuheben, weil vor Kurzem in dieser Stadt die deutschen Hausbesitzer, die sich wahrscheinlich auch gute nationale Volksgenossen schimpfen, unter frenetischem Beifall und mit Zustimmung einzelner bürgerlicher Parteien auf einer Tagung die schleunige Abschaffung des Mieterschutzes beschlossen haben. Hätten die Teilnehmer der Hausbesitzertagung nur eine kleine Exkursion in die Aussiger Elendwohnungen unternommen, würden sie einen Begriff davon erhalten haben, unter welchen Zuständen große Schichten ihrer Volksgenossen das Leben verbringen müssen. Sie hätten dann, falls sie noch ein bißchen menschliches Mitgefühl gehabt hätten, das Verbrecherische ihrer Handlungsweise gegen die Mieter unterlassen. Wir wissen schon, daß sich die Hausbesitzer auf ihrer Aussiger Tagung nur deshalb einer solchen gehässigen Sprache gegen die Mieter bedienen konnten, weil sie damit rechnen können, daß sie ausreichend ihre Wünsche von der jetzigen Bürgerregierung erfüllt bekommen. Man braucht nur die Vorlage über den Mieterschutz genau durchzugehen und erkennt sofort, daß sich die Regierung zum größten Teile die Forderungen der Hausbesitzer zueigen gemacht hat. Dafür steht eben an der Spitze des Fürsorgeministeriums ein frommer Priester, der zwar den Spruch: "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid" in ganz irrtümlicher Weise auf die Zinsgeier anwendet, die Mieter aber mit dem biblischen Fluche abspeist: "Ihre Behausungen müssen wüst sein, damit ihnen das Wohnen verleidet wird" (Souhlas na levici.)


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