Hohes Haus! Wir betrachten die in Verhandlung
stehende Gesetzesvorlage über die Steuerreform als ein Geschenk
an die kapitalistischen Klassen des Staates. Für die Gehalts-
und Lohnempfänger, für die kleinen Landwirte und kleinen
Gewerbetreibenden bringt die Steuerreform keine Erleichterung,
die Verbrauchssteuern, die auf die Lebenshaltung des kleinen Mannes
so schwer drücken, werden nicht herabgesetzt und es tritt
keine Entlastung in der Lebenshaltung der Arbeiterschaft ein.
Die Steuerreform bringt eine ganze Anzahl von Begünstigungen
für die Kapitalisten und schafft für sie Erleichterungen
bei der Steuerzahlung. Diese Steuerreform spiegelt das Wesen des
kapitalistischen Staates wieder und wenn in der Öffentlichkeit
der Versuch gemacht wird, diese Steuerreform als etwas hinzustellen,
was im Interesse des èechischen und des deutschen Volkes
liegt, erklären wir, daß es eine Täuschung und
Irreführung ist, wenn man dies von dieser Steuerreform behauptet.
Sie schützt nicht das Interesse des èechischen und
des deutschen Volkes, sondern sie will
das Interesse der deutschen und èechischen Kapitalisten
in diesem Staate schützen. Diese Steuerreform ignoriert die
Lebensrechte der Gehalts- und Lohnempfänger, der kleinen
Leute im allgemeinen. Wenn diese Steuerreform Gesetz wird, dann
wird sie sich als ein reaktionäres Gesetz
im allgemeinen auswirken. Man hat ja schon seit langer Zeit die
Reformierung des Steuerwesens geplant und wiederholt hat man in
der alten allnationalen Koalition über die Gesetzwerdung
der Steuerreform beraten. In der allnationalen Koalition aber
waren Hemmungen vorhanden. Die sozialistischen Parteien konnten
nicht zulassen, daß ein solches Gesetzeswerk auf der einen
Seite die Kapitalisten begünstigt, auf der anderen Seite
die Arbeiterschaft nicht entlastet, im Gegenteil belastet.
Heute sind nun in der Regierungsmehrheit diese Hemmungen beseitigt
und die deutsch-èechischbürgerlichen Parteien gehen
nun daran, diese Steuerreform im Interesse der kapitalistischen
Klassen dieses Staates durchzuführen. Sie sind es, die heute
den Staat beherrschen, die Regierungsmaschine in ihr er Hand haben.
Und was sie hier tun, ist nicht Volkspolitik sondern Klassenpolitik
gegen die Interessen der arbeitenden Menschen insbesondere. Sie
können jetzt hemmungslos in Ihrer neu en Mehrheit die Interessen
der Besitzenden vertreten und das Gesamtinteresse der arbeitenden
Menschen verletzen. Die Ergebnisse der Politik, die die
deutsch-èechisch-bürgerliche Mehrheit seit Monaten
führt, sind eine ununterbrochene Kette von Gewaltakten gegen
das Lebensinteresse der Arbeiter, und es werden noch weitere Gewaltakte
diesen folgen, wenn die Pläne verwirklicht werden, die die
bürgerlichen Klassen dieses Staates zur Durchführung
bringen wollen. Im Staatshaushalt 1927 sind die direkten Steuern
mit 2167 Millionen festgesetzt, die Einnahmen aus den indirekten
Steuern betragen 7843 Millionen. Es ist also das Verhältnis
prozentuell ausgedrückt so, daß die Einnahmen an direkten
Steuern 22% betragen, während die indirekten Steuern 78%
der Einnahmen ausmachen. Es müssen also mehr als 3/4
aller Steuereinnahmen durch Verbrauchsteuern aufgebracht werden,
das heißt, daß bei einer Einwohnerzahl von 14 Millionen
auf den Kopf 560 Kronen jährlich an indirekten Steuern entfallen,
während an direkten Steuern auf den Kopf nur 154 Kronen kommen.
Es muß weiter in Berücksichtigung gezogen werden, daß
ungefähr 7% des Einkommens bei den Arbeitern, Angestellten,
kleinen Landwirten und Handwerkern an Verbrauchssteuern weggenommen
werden. Das bedeutet, wenn ein Arbeiter oder ein Angestellter
12.000 Kronen für seinen Lebenshaushalt ausgibt, er nicht
weniger als 840 Kronen an indirekten Steuern zu bezahlen hat.
Es ist ein Unterschied, ob es sich um einen Arbeiter oder Angestellten
handelt, der 10, 15 oder 20 Tausend Kronen verdient, oder um einen
Kapitalisten, der 500.000 Kronen und mehr verdient, der 150.000
Kronen für seinen Lebensunterhalt ausgibt und 10.350 Kronen
an Verbrauchssteuern zahlt. Der wird sich in seiner Lebenshaltung
keine Einschränkung auferlegen müssen, sie bleibt unberührt.
Jedoch bedeutend anders ist es bei den Arbeitern, Angestellten,
bei dem kleinen Mann, dem man einen Teil seines Lebensunterhaltes
für Steuerleistung wegnimmt. Der Staat hätte alle Ursache,
die arbeitenden Menschen als die besten Glieder der Gesellschaft,
zu schützen. Denn die Arbeiterschaft ist eigentlich der Lebensbaum
für den Staat und der Staat hat die Verpflichtung, den Arbeitern
soviel zu lassen und zu geben, daß dieser Lebensbaum nicht
zum Verdorren gebracht werde. Wenn wir uns gegen die Belastung
der arbeitenden Menschen wenden, so aus dem Grunde, weil die Arbeiterschaft
das Recht hat, zu verlangen, daß man auf ihre Bedürfnisse,
ihr Leben und ihre Gesundheit sowie ihrer Angehörigen entsprechende
Rücksicht nehme. Wir sind keine Verweigerer der Steuern,
sondern wir verwahren uns nur dagegen, daß die kleinen Einkommen,
die unumgänglich zum Leben notwendig sind, noch außerdem
mit drückenden Steuern belastet werden. Denn was der Staat
an Steuern einnimmt, ist erarbeitet, geschaffen worden durch die
arbeitenden Menschen und nicht jene sind die Steuerzahler, die
die Steuern zum Steueramte tragen, sondern jene, die sie erarbeiten,
und mehr als 90% der Steuern müssen auf diese Art und Weise
erst durch die Arbeiter erarbeitet werden.
Nun möchte ich mich mit der Einkommensteuer
selbst und ihrer Begründung im Motivenberichte beschäftigen.
Da muß ich sagen, daß eigentlich der Motivenbericht,
sowie seine Stellungnahme den Arbeitern und Gehaltempfängern
gegenüber in Betracht kommt, sehr viel an Objektivität
vermissen läßt. Es gibt Begründungen im Motivenbericht
zur Einkommensteuer, die ebensogut in der Kanzlei eines Industriellenverbandes
oder einer Gewerbegenossenschaft hergestellt sein könnten.
Sie atmen den Geist der Gehässigkeit gegen Arbeiter und Angestellte.
Ich werde ja im Laufe meiner Ausführungen noch auf diese
Argumentation im Motivenbericht zu sprechen kommen. Der Herr Finanzminister
Dr Engliš hat einmal bei einer früheren Gelegenheit
erklärt, daß er das Nationaleinkommen im Staate auf
ungefähr 60 Milliarden schätzt und das davon nur 10
Milliarden von den Steuerbehörden für die Besteuerung
erfaßt werden. Nach Ansicht des Herrn Finanzministers Dr
Engliš werden ungefähr 50 Milliarden von der
Steuerbehörde für die Besteuerung nicht erfaßt.
Wer sind nun jene, die sich der Steuerpflicht entziehen, wer sind
jene, die man unter den Begriff der Steuerbetrüger, Steuermogler
und der Unkontrollierbaren einreihen kann? Es sind nicht die kleinen
Leute, es sind nicht die Arbeiter und Angestellten, sondern es
sind die Großkapitalisten, die den Staat durch Steuerhinterziehungen,
durch Steuerversteckung unausgesetzt betrügen. Es sind dieselben
Leute, die vom Staat hohe Pfründen beziehen durch Zinsenzahlung
der Staatsanleihen, es sind dieselben Leute, die vom Staate die
Lieferungen bei hoher Bezahlung erhalten, es sind dieselben Leute,
die bei der Staatsverwaltung das größte Entgegenkommen
finden, es sind dieselben Leute, die den Staat als ihre Domäne
für ihre Interessen im allgemeinen betrachten. Der Arbeiter
und Angestellte ist nicht in der Lage, sein Einkommen zu verheimlichen,
auch der kleine Landwirt und der kleine Gewerbetreibende kann
es nicht tun, weil die Steuerbehörde sehr leicht Einsicht
hat und feststellen kann, was der Arbeiter und Angestellte verdient.
Auf Seite 34 des Motivenberichtes heißt es: die Erfassung
des Einkommens und die Kontrolle darüber ist am sichersten
bei dem Gehalt- und Lohnempfänger. Der Motivenbericht stellt
ausdrücklich fest, daß man bei den Gehalts- und Lohnempfängern
am sichersten feststellen kann, was der Arbeiter und Angestellte
an Einkommen hat. Es wird weiter gesagt, daß man auch feststellen
kann das Einkommen aus den Gebäuden. Und dann kommt die dritte
Kategorie, das sind die reichen mächtigen Kapitalisten im
Staate und da sagt der Motivenbericht: Das große Kapitaleinkommen,
das sich den Nachforschungen der Steuerverwaltung leicht entzieht,
da diese fast kein Hilfsmittel hat, die Höhe des Einkommens
festzustellen. Im Motivenbericht heißt es dann weiter: Der
Begriff des steuerfreien Minimums war niemals identisch mit dem
Begriff des Existenzminimums. Deshalb sind von vornherein alle
Bestrebungen zurückzuweisen, daß von der Steuer ein
solcher Betrag befreit werde, wie er zur Fristung der Lebensexistenz
notwendig ist, d. h. also, der große Kapitalist kann sich
der Steuerleistung entziehen, während man bei den Arbeitern
und Angestellten kein Existenzminimum festsetzen kann, sondern
man besteuert auch jene Einkommen, die eigentlich zum Leben unumgänglich
notwendig sind. Im Motivenbericht heißt es dann an einer
anderen Stelle: Der Arbeiter und Angestellte muß sich anderseits
bewußt sein, daß er gegenüber dem Staate, der
ihn schützt und seine geistige und körperliche Entwicklung
fördert, bestimmte Pflichten hat, er muß zu den Staatskosten
beitragen durch Abführung der Einkommensteuer. Ich habe bereits
nachgewiesen, daß jedem Arbeiter und Angestellten von seinem
Einkommen ungefähr 7% an Verbrauchssteuern abgenommen werden,
an unsichtbarer Steuer, die der Arbeiter nicht sieht, die aber
doch dem Staate zufließen. Ich habe bereits darauf verwiesen,
daß es die Arbeiterschaft des Staates ist, die dem Staat
die Lebensmöglichkeit garantiert, daß es ohne arbeitende
Bevölkerung kein Leben für den Staat geben würde,
und daß auf der anderen Seite der Kapitalismus nur ein Ziel
kennt, den Staat und seine Einrichtungen nach Herzenslust für
seine Zwecke auszunützen. Wenn man diese Stelle liest, daß
der Arbeiter zum Steuerzahlen verpflichtet ist, weil der Staat
für ihn sorgt, so kommt das sehr stark jener Argumentation
nahe, die die Gegner der Arbeiterschaft oft draußen anwenden,
wo sie erklären, der Arbeiter hat in die Gemeinde nichts
hineinzureden, weil er keine Steuer entrichtet, und nur jene haben
das Recht in den Gemeinden mitzustimmen, die tatsächlich
Steuern zahlen. Wir sagen, der Arbeiter als solcher und der Angestellte
zahlen im Verhältnis zu ihrem Einkommen vielmehr, ihr Opfer
ist viel größer als das der Kapitalisten im allgemeinen.
Im § 2 des Gesetzes hat man die Renten,
die Pensionen und Zulagen der Kriegsbeschädigten und Vorfahren
für die Steuerbefreiung weggelassen. Im § 3 wird das
steuerfreie Einkommen mit 7000 Kronen festgesetzt. Bei 7000 Kronen
soll nach den Bestimmungen des § 3 die Einkommensteuerpflicht
beginnen. Die Herren, die den Entwurf geschaffen haben, stehen
auf dem Standpunkte, daß 7000 Kronen genügend sind
und wer mehr als 7000 Kronen verdient, auch wenn er eine Familie
zu erhalten hat, ist nach Ansicht dieser Herren verpflichtet,
einen Teil dieses geringfügigen Einkommens dem Staate in
Form von Steuern abzuführen. 7000 Kronen bedeuten an dem
Kaufwert der Friedenskrone gemessen ungefähr ein Einkommen
von 700 Kronen. Und im alten Österreich, wo wir gewiß
nicht sagen können, daß die Arbeiterschaft allzugroßes
Entgegenkommen gefunden hat, im alten Österreich, wo ebenfalls
eine bürgerlich kapitalistische Regierung am Ruder war, war
man doch so einsichtig, das steuerfreie Existenzminimum auf 1600
Kronen jährlich festzusetzen. Würde man nun diese 1600
Kronen den heutigen Teuerungsverhältnissen anpassen, der
Entwertung unseres Geldes, dann kommen wir dazu, daß mindestens
15.000 Kronen als steuerfreies Minimum freibleiben müssen
und daß erst bei einem Einkommen über 15.000 Kronen
Steuern zu entrichten wären. Hier sehen wir, daß die
Besteuerung bis zu 15.000 Kronen ein schwerer Angriff auf die
normale Lebenshaltung der Arbeiterschaft und Angestelltenschaft
ist. Aber den Herren scheinen anfänglich auch diese 7000
Kronen als Steuergrenze noch zu hoch gewesen zu sein, denn im
Motivenbericht auf Seite 37 heißt es: Die durch den Krieg
verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse, hauptsächlich
die Verringerung des Geldwertes und die sich daraus ergebende
Herabsetzung des Lebensniveaus bewirkten, daß zu einer weiteren
Erhöhung des steuerfreien Minimums auf 4000 Kronen im Jahre
1920 und auf 6000 Kronen im Jahre 1921 geschritten werden mußte.
Und der Motivenbericht sagt nun weiter: "Seither haben sich
die Teuerungsverhältnisse allerdings anhaltend gebessert
und es wäre daher gewiß berechtigt, wenn das steuerfreie
Minimum entsprechend herabgesetzt würde." Damit will
man eigentlich sagen: "Ihr kleinen Leute, Ihr kleinen Gehaltsempfänger,
Ihr Lohnempfänger, seid froh, daß wir nicht eventuell
schon bei 4000 Kronen mit der Besteuerung anfangen." Und
es sieht so aus, wenn diese kleinen Lohn- und Gehaltsempfänger,
die kleinen Gewerbetreibenden noch den Herren Dank schulden sollten
dafür, daß man ein Mindesteinkommen von 7000 Kronen
zur Grundlage genommen hat. Wenn wir das lesen, drängt sich
unwillkürlich der Gedanke auf, daß in dieser Argumentation
der Herren keine Spur von sozialem Empfinden zu entdecken ist,
daß kein Gefühl für den arbeitenden Mitmenschen
vorhanden ist, und es spricht daraus auch eine grenzenlose Unkenntnis
der Lebensverhältnisse der arbeitenden Menschen, ja man könnte
fast sagen, daß es eine Verhöhnung der Lebensrechte
der arbeitenden Klasse in ihrer Notlage ist. Wir fordern deshalb,
daß das steuerfreie Existenzminimum mindestens 15.000 Kronen
betragen soll und wir fordern weiter, daß die Familienverhältnisse
des Steuerträgers eine entsprechende Berücksichtigung
finden, nicht wie es in der Vorlage ausgesprochen ist, daß
erst bei 4 Familienmitgliedern eine Erhöhung bis 9200 Kronen
stattfinden soll, bei 5 Mitgliedern auf 11.000 Kronen und bei
6 Mitgliedern auf 13.000 Kronen. Wir beantragen dazu, daß
bei 2 Familienmitgliedern das steuerfreie Minimum auf 18.000 K
erhöht werde, bei der Familienmitgliedern auf 22.000, bei
5 Familienmitgliedern auf 26.000 K und bei 7 Familienmitgliedern
auf 30.000 K. Zum § 5 beantragen wir, daß bei Zusammenrechnung
des Einkommens bestimmte Rücksichten und Erleichterungen
platzgreifen bei Besteuerung des Einkommens der Familienangehörigen
in der Gesamtheit. Wir stehen weiters auf dem Standpunkt, daß
im § 7 das Wort "Erbschaft" gestrichen werde und
das in § 15 die Einkommensgrenze auf 40.000 K erhöht
werde und ein 20%iger Abzug ermöglicht werde, daß von
40.000 bis 70.000 ein 10%iger Abzug, festgesetzt werde und 70.000
bis 100.000 ein 5%iger Abzug, daß die Versicherungsgebühren
von 1000 auf 2000 und von 2000 auf 4000 Kronen erhöht werden
und daß kriegsverletzte Militärpersonen die Aufwendungen
für Prothesen, für Heilung, Wiederherstellung der Gesundheit
vom steuerpflichtigen Einkommen in Abzug bringen können.
Soweit § 30 in Betracht kommt, fordern
wir, daß das Existenzminimum, soweit es sich um den Steuerabzug
handelt, auf 15.000 K erhöht werde. In der Tabelle des Entwurfes
ist vorgesehen, daß der Steuerabzug bei 193 Kronen
wöchentlich beginnen soll und daß er bei 453 Kè
endet, daß bei monatlichem Einkommen der Steuerabzug bei
837 Kè beginnt und bei 1963 Kronen monatlich endet. Es
ist hier ein Einkommen zur Grundlage genommen worden pro Jahr
bei den Wochenlohnempfängern von
10.036 Kè und bei den Monatsgehaltempfängern von 10.044
K. Im § 30 kommt eigentlich dieselbe reaktionäre Tendenz
zum Ausdruck, die ich bereits zu § 3 und § 18 gegeißelt
habe. Auch hier finden die Lebensverhältnisse, finden die
Lebensnotwendigkeiten der Arbeiter und Angestellten
keine entsprechende Berücksichtigung, wir sehen eine vollständige
Ignorierung der primitivsten Lebensgrundlagen für die Arbeiter
und Angestellten. Hier will sich eigentlich der Staat für
die Steuerhinterziehungen der Reichen und Mächtigen schadlos
halten, die Arbeiter und Angestellten sollen restlos zur Steuerleistung
herangezogen werden. Es ist der Staat, der eigentlich in den Ärmsten
das Ausbeutungsobjekt sucht und Steuereinnahmen aus ihnen herauspressen
will. Im Motivenbericht reden die Herren den Unternehmern zu,
und sagen: "Entscheidend ist auch, daß es den Arbeitgebern
nicht gleichgültig sein kann, ob eine zahlenmäßig
so starke Klasse von Steuerpflichtigen die Steuern ordnungsgemäß
entrichtet oder nicht, da wenn der Staat über hinreichende
Einnahmen verfügt, er die bisherigen Steuern nicht erhöhen
und auch keine andern neuen Steuern einführen muß,
die letzten Endes wieder vor allem die Arbeitgeber, Industrie,
Handel, Gewerbe und Landwirtschaft betreffen." Die Herren
sagen also im Motivenbericht: "Du Unternehmer unterzieh Dich
nur der Pflicht des Steuerabzuges, führ diese Pflicht gewissenhaft
durch, denn wenn Du das tust, werden wir ein Auge zudrücken
und weiterhin dulden, daß Du hunderte von Millionen Steuern
dem Staate nicht zu zahlen brauchst, und wir werden den Steuerbetrügereien
von euerer Seite nicht weiter nachgehen." Die Herren stehen
auf dem Standpunkt, daß der letzte Heller aus dem Arbeiter
herauszupressen ist. Sie sagen dann weiter: "Auch der Einwand
der Gefahr einer Überwälzung der Steuer kann nicht standhalten,
da eine solche Überwälzung, mag sie verboten sein oder
nicht, stets, unter allen Umständen, möglich ist. Auch
hier wird das unumstößliche Gesetz von Angebot und
Nachfrage entscheiden. Bei günstiger Konjunktur und Mangel
an Arbeiterschaft wird diese es stets leicht zuwege bringen, daß
sie die Steuer in Gestalt erhöhter Forderungen auf den Arbeitgeber
überwälzt, mag nun die Steuer unmittelbar wieder im
Abzugswege entrichtet werden. Und wenn umgekehrt ein großes
Arbeitsangebot herrscht, wird es den Arbeitgebern nicht schwer
fallen, auf die Lohnhöhe zu seinen Gunsten einzuwirken."
Was bedeutet das, was die Herren hier den Unternehmern sagen?
Die Unternehmer sollen nur fleißig die Abzüge durchführen,
sie sollen recht darauf achten, daß kein Heller Steuer bei
den Arbeitern und Angestellten verloren geht. Wenn Ihr zusammensteht,
Ihr Unternehmer, werdet Ihr auch Lohnforderungen abwehren können.
Die Arbeiter können zahlen, auch wenn sie am Hungertuch nagen,
Ihr Unternehmer zieht nur fleißig ab, es wird Euch nichts
geschehen, Ihr werdet dadurch nur Euere eigenen heiligsten Interessen
wahren. Und auf Seite 52 des Motivenberichtes heißt es:
Auf die Forderung der Arbeitskreise nach wesentlicher Erhöhung
des steuerfreien Minimums bis 15.000 Kronen konnte die Regierung
aus dem Grunde nicht eingehen, weil dann bei sinkender Lohntendenz
die Mehrzahl der Arbeiter von der Steuer befreit wäre und
die Staatsfinanzen eine empfindliche Einbuße erleiden würden.
Ja, glauben denn die Herren wirklich, daß man die Löhne,
die heute bestehen, noch abbauen kann? Ist wirklich jemand hier,
der glaubt, daß es möglich wäre, eine weitere
Verschlechterung in der Lebenshaltung den Arbeitern und Angestellten
zuzumuten. Heute, wo eigentlich die Kaufkraft der Löhne nur
70 bis 80% gegenüber der Kaufkraft der Löhne vom Jahre
1914 beträgt. Es ist ausgeschlossen, daß diese Löhne
abgebaut werden können, im Gegenteil, die Arbeiterschaft
und die Angestelltenschaft haben die Verpflichtung, alle ihre
Kräfte aufzubieten, daß die Löhne erhöht
werden, weil dieses Lebensniveau, auf dem sich die Arbeiterschaft
heute befindet, unzureichend ist, und weil mit diesem Einkommen
die Lebenshaltung nicht bestritten werden kann. Wir brauchen auf
der anderen Seite die Lohnerhöhungen auch deshalb, damit
die Arbeiter und Angestelltenschaft konsumfähig gemacht wird.
Wir haben in diesem Staate große Industrien, die ausschließlich
auf den Export angewiesen sind, wo aber die Exportmöglichkeiten
heute nicht in ausreichendem Maß bestehen. Wenn diese Industrien
bestehen sollen, dann muß man jene Menschen, die diese Artikel
und Industrieerzeugnisse brauchen, die Möglichkeit bieten,
sie auch kaufen zu können. Wir könnten im eigenen Lande
den Umsatz um 50% steigern, im eigenen Lande gibt es so viele
Menschen, die alles das, was erzeugt wird, so notwendig brauchen,
es aber nicht kaufen können, weil die Mittel dazu nicht vorhanden
sind. Wir könnten dadurch, was am Export ausfällt, durch
Hebung des Inlandsbedarfes wettmachen, wenn die Konsumfähigkeit
der Arbeiterschaft gesteigert würde. Wir führen seit
Jahren eine Statistik in den Gewerkschaften darüber, was
eine vierköpfige Familie zum Leben benötigt, und wir
hätten gewünscht, daß die Herren, die den Motivenbericht
und die Gesetzesvorlage hingestellt haben, sich zumindest einmal
an das statistische Amt gewendet hätten, um festzustellen,
was eine Arbeiterfamilie oder eine Angestelltenfamilie zum Leben
benötigt. Diese Aufzählung, die ich Ihnen hier kurz
vorbringe, ist auf Grund wissenschaftlicher Forschungen berühmter
Ärzte zusammengestellt, und da finden wir, daß eine
Person bei sieben Tagen in der Woche, wenn sie gesund und kräftig
bleiben soll, wenn sie ihre Arbeitsfähigkeit erhalten will,
an Nährstoffen zumindest 886 Gramm Eiweiß, 775 Gramm
Fett und 2685 Gramm Kohlehydrate als Nahrung benötigt. Das
bedeutet bei einer vierköpfigen Familie eine Ausgabe wöchentlich
für Lebensmittel, und hier sind nur die wichtigsten Lebensmittel
in Betracht gezogen worden, von 243 Kè 97 h. Dazu
kommen die Ausgaben für die anderen Bedarfsartikel, die 183
Kè, wöchentlich betragen, so daß eine vierköpfige
Familie, um nur leben zu können 427 Kronen wöchentlich
braucht, was eine Jahresausgabe von 22.223 Kronen ergibt. Das
ist eigentlich nur der lebenswichtigste Bedarf,
um den Arbeiter und Angestellten gesund zu erhalten, um ihm das
Notwendigste zu geben, was er noch sonst zum Leben benötigt.
Deshalb meinen wir, daß sich die Herren nicht täuschen
sollen: nicht ein Abbau der Löhne wird kommen in der nächsten
Zeit, sondern die Frage ist umgekehrt, die Löhne müssen
erhöht werden, damit die Arbeiter und Angestellten zumindest
das kaufen können, was für ihr Leben und ihre Gesundheit
notwendig ist. Wenn wir deshalb sagen, daß im § 18
und § 30 das steuerfreie Minimum nach den vorgesehenen Abzügen
15.000 Kronen betragen soll, so ist das nur eine gerechte und
billige Forderung, die wir stellen, die im Interesse des Staates
liegt und auch im Interesse der Volkswirtschaft gelegen ist.
Wir verlangen dann weiter, daß bei Familienangehörigen
nach ihrer Zahl eine entsprechende Berücksichtigung platzgreift,
daß bei zwei Personen in der Familie die Erhöhung bis
zu 18.000, und je nach der Zahl der Familienangehörigen dann
22.000, 26.000 und 30.000 betragen soll. Ich verweise nur auf
England. Dort ist z. B. ein Minimum von 21.600 Kronen festgelegt,
und bei Verheirateten, die zwei bis drei Kinder haben, beträgt
das steuerfreie Minimum 40.000 Kronen. Ich glaube, daß wir
nur sehr bescheidene Forderungen gestellt haben. Wir müssen
deshalb fordern, daß dieses primitive Recht der Arbeiter
auf Leben unangetastet bleibe und daß man ihm von diesem
geringem Einkommen nichts nimmt. Wir stehen weiter auf dem Standpunkte,
daß, wo den Arbeitern Steuern zu Unrecht abgezogen werden,
diese innerhalb von 4 Wochen nach Ablauf des Steuerjahres den
Arbeitern zurückerstattet werden. Bei der Gelegenheit möchte
ich darauf verweisen, daß es tausende von Arbeitern gibt,
denen man im Jahre 1926 Steuern zu Unrecht abgezogen hat, aber
diese Steuer noch nicht zurückgezahlt hat. Man hat die Arbeiter
vertröstet und ihnen gesagt, im März werde diese Zurückzahlung
erfolgen, bis heute ist sie noch nicht erfolgt.
Bei § 38 beantragen wir, daß die
Unternehmer verpflichtet werden, den Steuerabzug allwöchentlich
bis zum 15. des darauffolgenden Monates der Staatskasse abzuführen,
nicht wie es bis jetzt war. Es gibt noch viele Unternehmer, die
die Steuer bis heute den Steuerämter nicht abgeführt
haben, die aber das ganze Jahr die Steuer abgezogen haben. Wir
fordern dann weiter, daß den Arbeitern eine Bestätigung
über ihre Bruttobezüge zumindest am Schlusse des Jahres
oder wenn der Arbeiter seinen Arbeitsplatz verläßt,
ausgefolgt werde. Die Lohndütel und Lohnsackel sind keine
verläßliche Bestätigung.
Wir beantragen weiter im § 42, daß
Streitigkeiten über Steuerabzüge beim Gewerbegericht
oder bei zu schaffenden Arbeitsgerichten oder wenn diese nicht
bestehenden, bei den zuständigen Bezirksgerichten ausgetragen
werden.
Das sind so einige der wichtigsten Forderungen
und Anträge, die wir zum Kapitel Einkommensteuer zu stellen
haben. Wir fordern weiters, daß die Tantiemensteuer in keiner
Weise herabgesetzt wird. Denn die Tantiemen sind ein arbeitsloses
Einkommen und dieses soll entsprechend besteuert werden. Wenn
schon Erleichterungen gewährt werden, dann sollen diese Erleichterungen
den kleinen Spareinlagern zugute kommen, denen man heute die Rentensteuer
in Abzug bringt und bei denen wir wünschen, daß sie
vom Abzug der Rentensteuer befreit werden.
Wir lehnen im allgemeinen diese Gesetzesvorlage
in der gegenwärtigen Fassung ab, denn es ist ein Gesetzentwurf,
der im Interesse der kapitalistischen Klassen dieses Staates gemacht
wurde und der die besitzenden Klassen dieses Staates schützt.
Wir stehen auf dem Standpunkte, daß das Arbeitseinkommen
entsprechend zu entlasten ist, daß die Verbrauchssteuern
herabgesetzt werden, weil diese Verbrauchssteuern, die eine so
große Belastung für die arbeitende Bevölkerung
bedeuten, dazu beitragen, die Lebensexistenz der Arbeiterschaft
weiter zu verschlechtern. Wir fordern weiter und unser Ziel ist,
daß das System der Steuern von grund auf geändert wird,
daß der Massenverbrauch entlastet wird und daß die
Besitzenden mehr belastet werden als bisher durch eine erhöhte
Einkommen-Vermögens-, Erbschafts- und Luxussteuer. Heute
sind die Produktionsmittel in den Händen einiger Weniger
vereinigt, die das Privileg haben, das zu ihrem Vorteil auszunützen,
die das Privileg haben, möglichst viel Gewinn daraus zu ziehen,
während die großen Massen der arbeitenden Menschen
in elenden Verhältnissen ihr Leben verbringen. Unser Ziel
ist, das Steuerwesen von grundaus zu ändern, daß die
Produktionsmittel aus der einen Hand in die Hände der Gesamtheit
übergehen, daß die Quellen des Reichtums in die Hände
der Allgemeinheit überführt werden. Dann wird sich die
Gesellschaft als solche selbst erhalten können, das kapitalistische
Steuersystem wird fallen und aus der gemeinsamen Arbeit aller
wird dem Staate und der Gemeinde den öffentlichen Einrichtungen
das zugeführt werden zur Befriedigung des Lebensbedarfes,
was sie zum Leben tatsächlich benötigen. (Potlesk
nìm. soc. dem. poslancù.)