Wenn wir uns das Staatsbudget für das
Jahr 1927 betrachten und wenn wir nun die Staatseinnahmen nach
dem Gesichtspunkte: "direkte und indirekte Steuerbelastung"
gliedern, einerseits direkte Steuern, andererseits jene, welche
den Konsum und die Lebenshaltung der Massen belasten, finden wir,
daß das Verhältnis ungefähr - wir haben das bei
der Verhandlung des letzten Budgets im Detail ausgeführt
- 9: 2 beträgt; neun Milliarden, reichlich, die Belastung
der arbeitenden Klassen und des Verkehrs durch alle jene Lasten,
welche verteuernd auf die Lebenshaltung einwirken, und zwei Milliarden
die sogenannten direkten Steuern, wobei aber die Einkommensteuer
mitgezählt ist. Trotz alledem sehen wir, daß die besitzenden
Klassen über die zu hohen Lasten klagen, die der Staat ihnen
auferlegt. Dieser Klassenegoismus der besitzenden Klassen, der
sich hier so lebhaft äußert, hat selbstverständlich
auch seine für die besitzenden Klassen wohltuenden Früchte
getragen. Der Herr Finanzminister selbst mußte bei der Verhandlung
der Steuervorlagen zugeben, daß wenn man die Steuerfragen
vom rein wirtschaftlichen Standpunkte, so wie sie eben das sogenannte
reine wirtschaftliche Interesse auffassen, das ich schon bei einer
anderen Gelegenheit als Chimäre aufgezeigt habe, weil es
keine allgemeine Wirtschaft gibt, weil es nur eine kapitalistische
Wirtschaft gibt, nicht eine andere Wirtschaftsform, aber sie verbergen
eben hinter dem Wort "allgemeine Wirtschaftsinteressen"
die allgemeinen Interessen der kapitalistischen Wirtschaft - der
Herr Finanzminister selbst mußte also zugeben, daß
von diesen "allgemeinen wirtschaftlichen Interessen"
aus eigentlich der Abbau der Verkehrssteuern, also der indirekten
Abgaben, die unmittelbar die Waren verteuern, das Allerwichtigste
wäre, weil eben diese Lasten quantitativ viel gewaltiger
sind und qualitativ auch viel mehr belastend auf das Wirtschaftsleben
einwirken. Aber dieses Zugeständnis des Herrn Finanzministers
war nur eine rein platonische, höfliche Gewissensverneigung,
ein Kompliment vor der ökonomischen Wahrheit. Die Wirklichkeit
sieht anderes aus. In Wirklichkeit ist der Herr Finanzminister
eben mit einer Vorlage gekommen, die sich nur auf die Reform der
direkten Steuern bezieht, und in seinen weiteren Darlegungen über
die ganze Steuerfrage hat der Herr Finanzminister ausdrücklich
zugegeben, daß eben zunächst praktisch die Sorge für
die Förderung und Ermöglichung der kapitalistischen
Akkumulation er nennt es "Kapitalsbildung" - heute die
allerwichtigste Sorge ist.
Und darum besteht auch der ganze Sinn der ganzen
Vorlage sowie der ganzen bürgerlichen Steuerpolitik in dem
Bestreben, den Mehrwert zu schonen und dafür das Arbeits-
und das Lohneinkommen zu belasten. Wir sehen das in der vorliegenden
Steuervorlage an mehreren Punkten. Die Einkommensteuer auf hohe
Einkommen wird ganz bedeutend herabgesetzt, die höheren Klassen
der allgemeinen Erwerbsteuer erfahren ebenfalls eine bedeutende
Herabsetzung. In der Frage der Rentensteuer und der Tantiemensteuer
sehen wir das Bestreben, auch diese Steuerlast für die besitzenden
Klassen abzubauen. Am stärksten ist dieses Entgegenkommen
gegenüber den besitzenden Klassen, den Kapitalisten, bezeichnenderweise
dort, wo Mehrwertproduktion und Kapitalsakkumulation sich am lebhaftesten
vollziehen, und das sind die sogenannten zur öffentlichen
Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen; vor allem die Aktiengesellschaften,
diese Blüte der kapitalistischen Unternehmungen. Darum erfährt
auch die besondere Erwerbsteuer für diese Unternehmungen
eine gewaltige Herabsetzung. Und wir dürfen da nicht nur
die Herabsetzung der besonderen Erwerbsteuer an und für sich
betrachten, sondern wir müssen diese Herabsetzung auch betrachten
im Zusammenhang mit den Stabilisierungsbilanzen und im Zusammenhang
mit der Bestimmung über die Rentabilitätsabgabe, wodurch
die besondere Erwerbsteuer eine besonders gewaltige Herabsetzung
auf der einen Seite erfährt und andererseits eine Anhäufung
der sogenannten stillen Reserven gefördert wird, wodurch
die bisher dem Steuergesetz, ich möchte sagen, abgeschwindelte
Anhäufung stiller Reserven nachträglich wie durch eine
Amnestie legalisiert wird.
Hier spielt sich in der Hauptsache die Akkumulation
des Kapitals ab, hier liegt auch die Bevorzugung der Banken, die
hier bei dieser besonderen Erwerbsteuer und bei den Stabilisierungsbilanzen
in erster Linie in Betracht kommen und welche das Zentrum der
ganzen Kapitalsakkumulation sind. Dann sehen wir dieses Bestreben,
Mehrwerte zu schaffen, auch bei der Grundsteuer, die in ihren
Bestimmungen so gefaßt ist, daß die kleinen Grundbesitzer,
die Kleinbauern, durch die Grundsteuer mehr belastet werden, als
sie belastet wären, wenn sie Erwerbsteuer bezahlen müßten,
während die Großgrundbesitzer durch diese Art der Festlegung
der Grundsteuer eine größere Bevorzugung genießen
als die größeren Unternehmer in Bezug auf die besondere
und allgemeine Erwerbsteuer. Interessant ist, daß auch gerade
hier die höchste Schonung in Bezug auf die Zuschläge
für die Selbstverwaltung, vor allem für die Gemeindeverwaltung,
festgelegt wird. Dafür aber und das ist eben bezeichnend
für die notwendige zweite Konsequenz dieser bürgerlichen
Steuergesetzesmacherei - ist die Überwälzung der Steuer
auf das Lohn- und Arbeitseinkommen gegeben. Wir sehen, daß
die Möglichkeit der Belastung der Hauszinssteuer, die in
Wirklichkeit eine indirekte Steuer, eine Besteuerung des Wohnungskonsums
ist, mit den Zuschlägen der Selbstverwaltungskörper
überhaupt und auch dadurch erhöht wird, daß jetzt
nach dem neuen Gesetz schon jene Gemeinden in die Hauszinssteuer
kommen werden, wo mehr als ein Drittel der Häuser bzw. Wohnungen
vermietet ist, während das bisher erst bei der Überschreitung
der Hälfte der Fall war.
Dazu kommt, daß dasselbe Gesetz über
die Finanzen der Selbstverwaltungskörper, das auf diese Weise
die Schultern der Reichen entlastet, die Beschränkung der
Zuschläge zu den direkten Steuern dadurch wieder wettmacht,
daß es den Gemeinden die Pflicht auferlegt, Gemeindeabgaben
einzuführen, natürlich indirekte. Dieselbe Tendenz,
die arbeitenden Klassen, die Ärmsten zu belasten, sehen wir
bei der Hausklassensteuer, wo die Erhöhung der Steuer für
die elendsten Hütten beschlossen wird, während auf der
anderen Seite für die Schlösser der Reichen auf dem
Lande lächerlich geringe Abgaben festgesetzt werden.
Eine der wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes,
die nicht nur im Zusammenhang mit den Steuersätzen selbst
betrachtet werden darf, sondern auch im Zusammenhang mit der Art
der Einhebung, ist die Einführung des Abzuges der Einkommensteuer
der Arbeiter und Angestellten direkt vom Lohne, bzw. Gehalt. Soweit
hier die Steuersätze herabgesetzt erscheinen, wird diese
Herabsetzung und damit auch die geringe Erhöhung des steuerfreien
Existenzminimums dadurch wieder wettgemacht, daß bei dieser
Art der Steuereinhebung viel weniger Abzüge möglich
sind als bei der bisher üblichen und für die anderen
Schichten beibehaltenen Art des Steuerverfahrens, während
auf der anderen Seite die arbeitenden Klassen beim Abzug vom Lohn
außerdem durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit usw. wesentlich
geschädigt werden, was alle anderen mildernden Bestimmungen
in diesem Teile des Gesetzes wieder wettmacht, worüber ja
im Detail noch in der Spezialdebatte auch von unserer Seite gesprochen
werden wird. De facto wird das Ergebnis dieser Lohn- und Gehaltsteuer
der Arbeiter und Angestellten eine Erhöhung der Einkommensteuer
für diese Schichten bedeuten, soweit die Sätze gegenüber
den anderen Schichten in Betracht kommen, die in die Einkommensteuer
fallen und die eventuell dasselbe Einkommen haben. Das ganze Steuergesetz
und das Gesetz über die Regelung der Finanzen der Selbstverwaltungskörper
sind unter der einen Devise ausgearbeitet: Bereicherung der Kapitalisten,
Verarmung bzw. Herabdrükkung der Lebenslage der Massen. Das
ist natürlich kein neuer Grundsatz und keine neue Erscheinung.
Das Elend ist schon immer die Quelle des Reichtums gewesen. Das
hat sich am krassesten im Anfangsstadium des kapitalistischen
Zeitalters gezeigt, in der Zeit der ursprünglichen Akkumulation
des Kapitals. Während der Aufstiegsperiode des Kapitalismus
schien sich dieser Grundsatz, daß der Reichtum der Einen
das Elend der Massen als Voraussetzung hat, ein wenig zu mildern,
jener Zeit, wo der Profitsegen des Kapitalismus so gewaltig war,
in der Zeit, wo der Imperialismus seinen Siegeszug durch die ganze
Welt hielt, wobei auch für die arbeitenden Klassen etwas
abfiel, ihre Lebenshaltung sicht etwas hob. Jetzt aber, wo der
Kapitalismus sich in einer gewaltigen chronischen Krise befindet,
wo er in die Periode des Abstiegs eingetreten ist, offenbart sich
dieser Grundsatz von Tag zu Tag immer brutaler. Das Bestreben
des Kapitalismus ist heute nur auf eines gerichtet: Alles zusammenzuraffen,
was man kann, um jeden Preis die Akkumulation des Kapitals steigern,
um die erschütterte Festigkeit des Kapitals wieder herzustellen,
die kapitalistische Gesellschaft zu stabilisieren; um jeden Preis,
d. h. in erster Linie um den Preis der vollständigen Verelendung
der arbeitenden Massen. Soweit die Kapitalisten nicht imstande
sind, die Devise der Überwälzung aller Lasten auf die
Schultern der arbeitenden Klassen offen auf dem Wege der Gesetzgebung
durchzuführen, setzen sie diese Devise auf krummem Wege von
hintenherum durch und sie verstehen es eben, soweit die Gesetze
nicht offen zu ihrem Gunsten arbeiten, die Durchführung derselben
zu ihrem Gunsten zu beeinflussen.
Damit kommen wir zu einem Kapitel, das bei
Erörterung dieses Gesetzes ebenfalls eine ziemliche Rolle
gespielt hat, das Kapitel der Steuermoral der besitzenden Klassen.
Es ist darüber viel heuchlerische Entrüstung vorgetragen
worden. Aber die Steuermoral der besitzenden Klassen, über
die so viel geklagt wird bei der Durchführung der Steuergesetze,
ist keine andere als die Moral der Steuergesetzgebung selbst.
Die Besitzklassen stehen auf dem Standpunkt, so wenig wie möglich,
am besten gar nichts zu zahlen und die Lasten den Massen aufzuhalsen.
Soweit die bürgerlichen Klassen das nicht de jure durchführen
können, führen sie diesen Grundsatz de facto durch.
Darauf ist es zurückzuführen, daß hier Berechnungen
vorgetragen wurden, einmal vom Herrn Finanzminister, dann vom
Kollegen Dr. Rosche, wonach es nur gelungen sei, einen
verhältnismäßig kleinen Teil des ganzen Nationaleinkommens
durch die Steuern zu erfassen. Der Herr Finanzminister, der gewiß
auch seine Funktion nicht darin erblickt und sicher nicht den
grundsätzlichen Standpunkt einnimmt, die besitzenden Klassen
schlechter zu machen als sie sind, hat gesagt, daß nur 10
Milliarden von den 60 Milliarden des Nationaleinkommens von der
Steuer erfaßt werden können. Herr Dr. Rosche hat
dieses Resultat ziffernmäßig korrigiert. Wir wollen
uns in den Streit zwischen den verschiedenen Vertretern der besitzenden.
Klassen nicht einmengen, auf jeden Fall steht fest, daß
es den besitzenden Klassen gelingt, einen großen, wenn nicht
den größten Teil ihres Einkommens der Erfassung durch
die Steuer zu entziehen. Sie ziehen aber dabei nur die Konsequenz
aus dem Grundsatz, welcher der ganzen Steuerreform zugrundegelegt
ist, nämlich daß die private Kapitalsakkumulation,
die Anhäufung von Vermögen aus der Ausbeutung der Arbeitskraft
der Massen in den Händen einzelner, d. h. also daß
die persönliche Bereicherung Einzelner auf Kosten der anderen,
der großen Masse, im "Wirtschaftsinteresse" liege,
daß sie "nationalökonomisch notwendig" sei
und daß das im Staats- und Gesamtinteresse liege. Wenn man
sich einmal in Wirtschaft und Gesetzgebung auf diesen Standpunkt
stellt, dann hat man nicht das Recht, jene moralisch zu verurteilen,
welche dieses "Gesamtinteresse", dieses "Staats-
und Wirtschaftsinteresse" der Kapitalsakkumulation noch lebhafter
empfinden als die Herren, die diese Gesetze machen, und welche
dieses Empfinden in ihrem praktischen Verhalten gegenüber
dem Staate als Einforderer von Steuern auch hinter dem Rücken
des Gesetzes zum Ausdruck bringen. Beweis dafür, daß
nicht die allgemeine Vermehrung des Nationalvermögens, sondern
die private Akkumulation, die persönliche Bereicherung, die
Anhäufung des Kapitals in privaten Händen auf Kosten
der Gesamtheit der moralische nationalökonomische Grundsatz
der heutigen Regierung, des ganzen bürgerlichen Systems ist,
kommt auch in diesen Steuergesetzen zum Ausdruck, in jenen Paragraphen,
wo wir sehen, daß jene Unternehmungen, welche nicht der
persönlichen Bereicherung, der Anhäufung von Kapital
in den Händen von Privatpersonen, der Erzielung von Profit
im Interesse von Einzelpersonen dienen und die nicht nach diesem
Grundsatze betrieben werden, nämlich die Genossenschaften
und die Sparkassen, gegenüber dem früheren Zustand in
Bezug auf die Steuern benachteiligt werden sollen.
Diese Steuergesetze zeigen einen feindseligen
Geist gegenüber dem Genossenschaftswesen und den Sparkassen,
einen Geist, der dazu führt, daß die Situation der
Sparkassen und genossenschaftlichen Unternehmungen in Steuerfragen
in der ganzen Republik verschlechtert werden wird. Darin kommt
die Moral der besitzenden Klassen, denen es sich nur um die Förderung
der privaten Kapitalsakkumulation handelt, zum Ausdruck. Daher
ist diese Klage über die Moral, die in dem von mir angedeuteten
Umstande wurzelt, was dem Gesetzgeber natürlich sehr gut
bekannt ist, nur eine Heuchelei. Diese Klage über die Steuermoral
soll nur den Vorwand abgeben für jene außergewöhnlich
strengen und brutalen Strafbestimmungen, die in diesem Steuergesetz
enthalten sind und die sich samt dem ganzen Verfahren, das in
diesen Paragraphen so brutal eingerichtet ist, mit der ganzen
Wucht einzig und allein gegen die kleinen Steuerzahler wenden
werden, diese kleinen Steuerzahler, die sich mit viel hörerem
moralischen Recht gegen die Besteuerung durch den Staat zur Wehre
setzen; denn sie wehren sich gegen die Steuer nicht deshalb, weil
sie ihr Privatvermögen vergrößern wollen, weil
sie eine Kapitalsanhäufung wollen, sondern weil sie ihr nacktes
Lebensinteresse gegen den Zugriff des Fiskus verteidigen wollen.
Gegen sie wird sich die ganze Schärfe der Strafbestimmungen
und des Verfahrens wenden und wir sind überzeugt, daß
wie es die ganze Praxis des bürgerlichen Staates zeigt, praktisch
die Kapitalisten, die wirklichen Steuerdefraudanten, von diesen
strengen Strafbestimmungen und vom Verfahren nicht werden betroffen
werden. Daß man die Steuerdefraudation der Kapitalisten
schonen will, geht auch aus anderen Strafbestimmungen hervor,
aus jenen Paragraphen, in welchen das gesamte Steuerverfahren
bei den Kommissionen usw. als absolut geheim erklärt und
in welchen statuiert wird, daß jede Benützung von Angaben
über die Vermögensverhältnisse und Einkommensverhältnisse,
auch von solchen Angaben über Steuervorschreibungen, die
öffentlich, also für jedermann, zur Einsicht aufliegen,
in Zeitungen oder öffentlichen Versammlungen mit Gefängnis
bis zu 6 Monaten bestraft wird. Das bedeutet die Verwirklichung
des Grundsatzes, daß die Profitmacherei, die Bereicherung
der Kapitalisten, ein Heiligtum ist, das als Geheimnis durch den
bürgerlichen Staat geschont werden muß, das bedeutet
aber auch, daß die Manipulationen zwischen den Kapitalisten
auf der einen Seite und den Steuerämtern auf der anderen
Seite geheimgehalten werden sollen. Das bedeutet nichts anderes,
als den Schutz der Steuerkorruption der Kapitalisten und bei den
Steuerbehörden. Aber nicht nur daraus geht die Tatsache hervor,
daß man die Absicht hat, die Kapitalisten zu schonen. Dieses
Bestreben geht auch daraus hervor, daß man die arbeitenden
Klassen von jeder Mitwirkung beim ganzen Steuerverfahren, von
jeder Mitgliedschaft in den Steuerkommissionen vollständig
ausgeschlossen hat. Man hat die Bestimmungen über den Steuerabzug
vom Lohn und Gehalt unter anderen auch dazu benützt, um die
arbeitende Klasse von jedem Einfluß auf das gesamte Steuerverfahren
auszuschließen.
Wir sehen also, die Steuerpolitik und Steuermoral
im bürgerlichen Staate, die Steuerpolitik der bürgerlichen
Parteien und des bürgerlichen Staates, seiner Bürokratie,
der Regierung und der Verwaltung, sie sind genau dieselbe, wie
die Steuermoral der bürgerlichen, der kapitalistischen Steuerzahler
selbst, weil ihr höchster heiligster Grundsatz die Schonung
des Mehrwertes und die Förderung der Akkumulation des Kapitals
auf Kosten des Lebens der arbeitenden Massen ist. Denn die Lage
der arbeitenden Klassen - das ist nicht zu scharf gesprochen -
ist heute so, daß jede Einschränkung ihrer Lebenshaltung
auf Kosten ihres Lebens selbst geht. Darum bedeutet die kapitalistische
Akkumulation nichts anderes als eine Verelendung der arbeitenden
Klassen. Die kapitalistische Akkumulation ist heute längst
nicht mehr das, was sie in der Zeit der Aufstiegsperiode des Kapitalismus
war, ein Element der Förderung des gesamten Wirtschaftslebens,
der Erweiterung der Grundlage des gesamten Wirtschaftslebens,
der Erweiterung der Märkte usw. Die kapitalistische Akkumulation
kann sich heute nicht mehr so auswirken, sie bedeutet heute nichts
als die Verelendung der arbeitenden Klassen und ihre Rolle im
Mechanismus der kapitalistischen Gesellschaft selbst besteht in
der Verschärfung der Konkurrenz der kapitalististischen Staaten,
in der Verschärfung ihres Kampfes um die Absatzmärkte
für Waren und Kapital. Die Wirkung der Akkumulation ist heute
neben der Verelendung der Massen nur die Steigerung, die Förderung
des Imperialismus, der imperialistischen Gegensätze und damit
auch der Kriegsgefahr. Darum darf die Steuerpolitik der arbeitenden
Klassen bzw. ihr er Parteien nicht irgendwie von einer sagenhaften
allgemeinen wirtschaftlichen Notwendigkeit der Anhäufung
neuen Kapitals beeinflußt werden, sondern muß sich
im Gegenteil so wie die Gesamtpolitik der arbeitenden Klassen
die Akkumulation des Kapitals, den kapitalistischen Mehrwert,
direkt als Angriffsobjekt wählen.
Aus all diesen Erwägungen geht die Grundlage
unserer ganzen Steuerpolitik hervor, das ist der Schutz der Lebenshaltung
der arbeitenden Massen und der Kampf gegen den kapitalistisch
en Mehrwert, der Kampf gegen die Kapitalsakkumulation. Daher beruht
unser Steuerprogramm, das wir in einem grundsätzlichen Antrag,
den wir im Ausschusse eingebracht haben, schon einmal formulierten,
auf zwei Prinzipien: 1. der Befreiung des Lohn- und Arbeitseinkommens
von der Steuer, 2. der Besteuerung des Mehrwerts.
Unser prinzipieller Steuerantrag war
daher auf folgenden Forderungen aufgebaut: Steuerfreies Existenzminimum,
soweit die Befreiung des Lohn- und Arbeitseinkommens in Betracht
kommt, für alle Jahreseinkommen bis 12.000, bzw. 18.000 Kè;
als Lohn- und Arbeitseinkommen soll auch das
Einkommen der Bauern und Gewerbetreibenden, der sogenannten Selbständigen,
bewertet werden, soweit es den Betrag von 40.000 Kronen jährlich
nicht übersteigt; als Mehrwert, bzw. als Einkommen aus der
Ausbeutung fremder Arbeitskräfte sollen Einkommen aller selbständigen
Unternehmer besteuert werden, deren Jahreseinkommen 40.000 Kronen
übersteigt, aber auch die Gehälter aller, die jährlich
den Betrag von 50.000 Kronen übersteigen, weil wir diese
hohen Gehaltseinkommen nicht mehr als solche betrachten können,
sondern als eine Belohnung für die Beteiligung an der Organisierung
und Durchführung der Ausbeutung fremder Arbeitskräfte
seitens der Kapitalisten. Diese grundsätzlichen Steuerforderungen
ergänzten wir schon in unserem Antrage durch eine besonderes
hohe Besteuerung des Mehrwertes dort, wo er am höchsten ist,
das ist bei den Aktiengesellschaften, den Banken und vor allem
durch eine hohe Besteuerung jener Unternehmungen, bzw. Gruppen
von Unternehmern und Unternehmungen, welche sich in der Form von
Kartellen oder Trusts das Monopol eines bestimmten Zweiges der
Produktion, bzw. des Wirtschaftslebens angeeignet haben.
Zweitens müssen diese Forderungen ergänzt
werden durch die Forderung einer Besteuerung auch des schon Kapital
gewordenen Mehrwertes in der Form der Vermögens- und Erbschaftssteuer.
Im Zusammenhang mit der Verwirklichung dieser Steuerforderungen
kann erst an die allmähliche Abschaffung der Verkehrs-, Produktions-
und Konsumsteuern gedacht werden, die, wie das auch in unserem
Antrage ausgesprochen wurde, auf den wirklichen Luxus beschränkt
werden sollen. Dieses Steuerprogramm bedeutet natürlich auch
bei stufenweiser Durchführung, im Kampfe um einzelne Teilforderungen
zur Durchführung dieses Steuerprogramms den Angriff gegen
die ganze kapitalistische Wirtschaft, weil eben der Kampf um die
Verwirklichung dieser Steuerforderungen gegen die zwei Hauptpfeiler
der ganzen kapitalistischen Ordnung gerichtet ist, gegen den Mehrwert
und die Kapitalsakkumulation.
Wir haben unsere Abänderungsanträge
zum Steuergesetze so formuliert, daß wir eine Änderung
dieses Gesetzes im Sinne einer wenigstens teilweisen und stufenweisen
Erfüllung unseres Steuerprogramms erstreben. Wir wissen,
daß die bürgerlichen Parteien - wir wissen es auch
aus den Verhandlungen im Ausschusse - unsere und auch die Abänderungsanträge
der anderen Arbeiterparteien ablehnen. Wir haben trotzdem unsere
Anträge wieder eingebracht und werden trotz der Aussichtslosigkeit
für die Abänderungsanträge der anderen Arbeiterparteien
stimmen, weil wir unsere Aufgabe darin erblicken, die arbeitenden
Klassen zum Kampfe für diese Forderungen aufzurufen und die
ganze Steuerpolitik der bürgerlichen Parteien an Hand dieser
brüsken Ablehnung aller Forderungen der Arbeiterparteien
vor den Massen der arbeitenden Klassen, die noch diesen Parteien
nachlaufen, zu enthüllen.
Diese Steuerpolitik und der Kampf um die Verwirklichung
unseres Steuerprogramms allein kann natürlich nicht den Sturz
des Kapitalismus herbeiführen. Er kann nur zu einem Erfolge
führen, wenn er als Teil des gesamten proletarischen Klassenkampfes
geführt wird. Aber aus denselben Gründen, die ich im
ersten Teil meiner Rede auseinandergesetzt habe, wo ich zeigte,
daß die Frage der Steuern heute in der kapitalistischen
Gesellschaft noch wichtiger ist als früher, ist auch der
Kampf für die proletarischen, sozialistischen Steuerforderungen
ein wichtigerer Bestandteil des Klassenkampfes des Proletariats
als vor dem Kriege, da er auch in dieser Form, soweit er sich
gegen das Steuersystem des bürgerlichen Staates richtet und
für die Verwirklichung sozialistischer Steuerforderung geführt
wird, ein Kampf gegen die Bourgeoisie und gegen den ganzen bürgerlichen
Staat ist. Darum sind wir auch nicht in der Lage, zugleich mit
der Kritik des gesamten Steuergesetzes, des ganzen Werkes, wie
es ja Kollege Dr. Rosche hier getan hat, eine politische
Loyalitätserklärung für diesen ganzen Staat abzugeben,
die das Lob der gesamten Presse in dem Lager der Parteien gefunden
hat, die heute in diesem Staate regieren. Diese Loyalitätserklärung
des Herrn Dr. Rosche von der deutschen Nationalpartei,
der sogar soweit ging, daß er auch begreiflich fand und
alles verstehen, heißt alles verzeihen daß dieser
Staat unter Mißachtung des Selbstbestimmungsrechtes anderer
Völker gebildet wurde, ist ein Beweis dafür, daß
den Vertretern der Bourgeoisie auch dort, wo die nationalen Gegensätze
noch so scharf sind, der bürgerliche Staat, mag er aussehen,
wie er will, auch wenn er vom nationalen Gesichtspunkte für
sie der Gegenstand heftiger Kritik ist, für sie doch der
bürgerliche Staat bleibt, daß die bürgerliche
Staatsform ihnen über alles geht und der bürgerliche
Staat ihnen, weil er ihnen notwendig erscheint, auch dann sympatisch
ist, wenn er vom nationalen Gesichtspunkte aus ihre Kritik herausfordert.
Wir sind auch nicht in der Lage, gegen dieses
Steuergesetz jene sogenannte loyale Opposition zu machen, die
von Seite der gewesenen sozialistischen Koalitionsparteien betrieben
wird und darin gipfelt, daß sie der Lohnsteuer, dem Steuerabzug
vom Lohne ihre prinzipielle Zustimmung geben, wobei sie "allgemein
wirtschaftliche Interessen" vorschützen, die es nicht
gibt und hinter welchem Wort sich nur die Interessen der Kapitalistenklasse
verbergen. Das Steuersystem, das wir erstreben, das wir verwirklichen
wollen, von dem wissen wir, daß es von der Regierung, in
welcher die Vertreter der besitzenden Klassen selbst sich befinden,
nicht wird durchgeführt werden können, daß schließlich
und endlich dieses Steuerprogramm nur durchgeführt werden
kann, wenn alle arbeitenden Klassen selbst die Herrschaft dieses
Staates in die Hand nehmen, wenn sie gegen den Widerstand der
Besitzenden die Schlüsselstellungen des ganzen Wirtschaftslebens,
die Schwerindustrie, die Produktion von Kohle und Eisen, und die
Banken sozialisieren. Wenn das Volk diese Schlüsselstellungen
besetzt, nur dann ist eine wirkliche Durchführung des sozialistischen
Steuerprogrammes möglich. Daher ist der Kampf für unser
Steuerprogramm zugleich auch ein Kampf um die ganze Frage des
Staates, um die Frage der Regierung dieses Staates. Der Kampf
für unser Steuerprogramm kann nur geführt werden als
Teil des Kampfes, der gerichtet ist auf die Eroberung der politischen
Macht im Staate durch die arbeitenden Klassen, auf den Sturz der
Herrschaft der Bourgeoisie. Denn sozialistische Steuerpolitik
kann diesen Namen nur verdienen, wenn sie ein Teil ist der Expropriation
der Kapitalisten, ein Teil der Beschlagnahme ihres Mehrwertes,
ein Teil der Beschlagnahme ihres Kapitales. Keine bürgerliche
Regierung wir deine Steuerpolitik in diesem Sinne durchführen
können, daher muß der Kampf für die Verwirklichung
dieser Steuerprinzipien zugleich ein Kampf für die Regierung
der arbeitenden Klassen sein. Der proletarische Staat, der Staat,
in welchem die arbeitenden Klassen regieren, dieser proletarische
Staat wird die Aufgabe haben, auch auf dem Wege der Steuerpolitik
die Expropriation der Kapitalisten durchzuführen, die Steuerpolitik
dazu zu benützen, die Sozialisierung der Gesamtproduktion,
des gesamten Wirtschaftslebens weiterzuführen, um die sozialistische
Produktion aufzubauen und von der kapitalistischen Akkumulation
zur sozialistischen Akkumulation überzugehen, zur Hebung
des Reichtums der gesamten Wirtschaft, aber nicht auf Kosten der
Verelendung der Massen, sondern eben zum Zwecke der Sicherung
des Lebens, des Wohlstandes und der Steigerung des Wohlstandes
der gesamten Nation. (Potlesk komunistických
poslancù.)