Ètvrtek 5. kvìtna 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 80. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 5. kvìtna 1927.

1. Øeè posl. Kaufmanna (viz str. 1017 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In den letzten Wochen hat die Opposition dieses Parlamentes im Budgetausschuß mit allen ihren Kräften einen intensiven Kampf geführt, die eingebrachten Vorlagen über die Finanzreform, über das Gemeindefinanzgesetz und das Stabilisierungsgesetz möglichst zu verbessern und alle jene Härten, die nicht nur im Gesetz enthalten waren, sondern die durch die Anträge der Regierungsmehrheit noch verschärft worden sind, zu beseitigen oder zumindest zu mildern. Die Opposition hat aber auch einen hartnäckigen Kampf geführt gegen die Art und das Tempo, womit die Gesetzesvorlagen und besonders die Steuerreform und das Gemeindefinanzgesetz, die von außerordentlicher Bedeutung sind, behandelt wurden, und hat alles versucht, auch hier eine sachliche und gewissenhafte Erledigung der Vorlagen im Budgetausschusse herbeizuführen. Leider waren alle Bemühungen der Opposition resultatlos. Sie waren wirkungslos, weil nach unserer Überzeugung in diesem Hause und auch im Budgetausschuß trotz der Bedeutung der Vorlagen die "Osmièka" befohlen hat, daß die Vorlagen zum vorgeschriebenen Termin fertig sein müssen, und der Ausschuß hat ganz einfach zu gehorchen gehabt. Es wurden zur Beschleunigung der Erledigung Dauer- und Nachtsitzungen eingeschoben, vielleicht auch in der Absicht, die Opposition mürbe zu machen. Diese Absicht ist aber mißlungen, die Opposition hat, sich ihrer Verantwortlichkeit bewußt, alles versucht, in einer sachlichen und ernsten Debatte die vorliegenden Gesetzesvorlagen zu behandeln. Selbst der Herr Präsident des Budgetausschusses und der Herr Minister Dr. Engliš mußten beim Abschluß, bei der Abstimmung am vergangenen Dienstag die Sachlichkeit der Opposition zugeben. Sie mußten erklären, daß die Opposition auf der Höhe der Situation gewesen ist, sie konnten aber nicht erklären, warum alle sachlichen Bemühungen der Opposition resultatlos geblieben sind. Als die Opposition bei der Behandlung des Gemeindefinanzgesetzes versuchte, von dem ihr durch die Geschäftsordnung zustehenden Rechte Gebrauch zu machen und diese einschneidenden Vorlagen bei der Debatte eingehender zu behandeln, hat man ganz einfach durch einen Beschluß der Mehrheit des Ausschusses die Redezeit in einer Art gedrosselt, wie es wohl bisher kaum in dieser Weise zu verzeichnen ist. Man hat ihr für jeden Paragraphen dieser so bedeutungsvollen Vorlage 2 Minuten Redezeit eingeräumt. Die Debatte wurde außerdem fast ausschließlich, wahrscheinlich um die Dauer der Behandlung zu verkürzen, von der Opposition bestritten, die Vertreter der Regierungsparteien haben sich die ganze Zeit nicht mit einem Wort an der Debatte beteiligt. Das war ja auch wahrscheinlich nicht notwendig, denn sie hatten vorher schon alles in internen Konventikeln abgemacht und vereinbart gehabt. Es ist eine Schmach für dieses Parlament, es ist eine Verhöhnung des èechoslovakischen Parlamentarismus, daß etwas derartiges möglich war. Die selbstverständlichste Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit fehlt diesem Parlamente sowie seinen Abgeordneten aus den Reihen der Regierungsmehrheit. Neben der Art der Behandlung wurde aber auch Kritik geübt an der Art der Abstimmung, die geeignet ist, selbst bei den Parlamentariern die Überzeugung oder den Glauben an die Bedeutung dieses Parlamentes, an den Zweck der gesetzgeberischen Arbeit dieses Parlamentes zu zerstören. Der Ausschuß hat erst in den letzten Tagen oder in den letzten Stunden schon als er in die Beratung des Gemeindefinanzgesetzes eingegangen war, die Abänderungsanträge der Regierungskoalition bekommen, Abänderungsanträge, die das ganze Gesetz fast von grundaus abänderten, ohne daß es den Abgeordneten möglich gewesen wäre, bei diesem wichtigen Gesetze mit ihren Klubs oder, was notwendig gewesen wäre, mit berufenen sachverständigen Fachleuten und erfahrenen Männern der Kommunalpolitik Rücksprache zu nehmen und ihre Meinung und ihren Rat über die Auswirkung des Gesetzes zu hören. Das Gesetz wurde beschlossen, ein Gesetz von ungeheurer Tragweite, das die Grundlage für unsere Wirtschaft, für unsere Verwaltung in den Gemeinden sein soll und das auch die Grundlage vielleicht für Jahrzehnte sein soll, auf der die weitere Ausgestaltung der Gemeindegesetzgebung erfolgen soll. Einen Beweis, wie kopf- und sinnlos in diesem Hause gearbeitet wird, hat auch die gestrige Sitzung gegeben, die plötzlich unterbrochen wurde, dann wieder mit einer ergänzenden Tagesordnung eröffnet wurde, und es gibt wohl kein Parlament, wo die Beratung, wo die Debatte über eine so wichtige Vorlage, wie es die Steuerreform ist, unterbrochen wird und dann eine neue Sitzung eröffnet wird mit einer Debatte, in die sich nun auch das Gemendefinanzgesetz und das Stabilisierungsgesetz einreihen sollen. Ob dies der Geschäftsordnung entspricht, möchte ich bezweifeln. Soweit ich mich informieren konnte, steht nicht in der Geschäftsordnung, daß dieser Vorgang verboten ist, aber es steht auch nicht darin, daß er erlaubt ist. Und wenn man den Grundsatz in diesem Staate festlegen will, daß das, was nicht verboten ist, erlaubt ist, so ist das Ihre Sache, aber Sie werden ganz eigene Rechtsauswirkungen davon erleben. Wenn ein Funke Verantwortlichkeitsgefühl, wenn ein Funke Gewissenhaftigkeit unter den Abgeordneten dieses Hauses und vor allem der Mehrheit vorhanden wäre, hätten Sie einmütig gegen den Vorgang des Präsidiums protestieren müssen und es wäre in der Praxis wohl viel einfacher, wenn man nicht das Plenum des Hauses einberuft, zumindest nicht die Abgeordneten des Plenums, sondern daß man ganz einfach der "Osmièka" erlaubt, sich auf die Bänke des Abgeordnetenhauses zu setzen und auch weiterhin vollständig absolut das zu beschließen, was sie an gesetzgeberischer Arbeit in diesem Staate für notwendig erachtet. Das wollte ich feststellen, weil dieser Vorgang in der Geschichte auch dieses Parlamentes bisher nicht zu verzeichnen war.

Und nun zum Gesetz, betreffend die Neuregelung der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungskörper. Die Selbstverwaltungskörper unterliegen in diesem Staate vor allem den Bestrebungen der herrschenden Klasse, die öffentliche Verwaltung der Herrschaft der Besitzklasse zu unterordnen und dienstbar zu machen. Wie die vollständige und endgültige Demokratisierung vor allem der Selbstverwaltungskörper, ihre organisatorische Durchbildung zu entsprechenden Verwaltungskörperschaften, die den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung dienen, so ist auch eine gesunde Geldwirtschaft derselben nur nach Beseitigung der heutigen Klassenherrschaft möglich. Das Klasseninterese der Besitzenden in diesem Staate fordert vor allem, daß sich die Selbstverwaltungskörper einer großzügigen Lösung kultureller, sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Probleme vollständig entschlagen, daß ihnen die finanzielle Selbständigkeit entzogen und die durch die Erfüllung der unerläßlichen Aufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises entstandene finanzielle Last auf die Schultern der breiten Massen der Bevölkerung abgewälzt wird.

Eine soziale oder, sagen wir, von sozialdemokratischem Geist beherrschte Selbstverwaltung hat vornehmlich die Aufgabe, in der Gemeinde die soziale Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen, sich auf allen Gebieten der allgemeinen Wohlfahrt, der körperlichen und geistigen Entwicklung des Volkes, beispielgebend zu betätigen und schon in der kapitalistischen Gesellschaft dafür zu sorgen, daß die Bestrebungen in ihren Grundlagen einen demokratischen und sozialen Charakter tragen, indem vor allem der Reichtum und das Einkommen, welche nicht aus der eigenen ausgaben herangezogen werden. Diesen Grundsätzen, die vor allem andern unseren Anschauungen über die Gemeinde- und Komunalverwaltung entsprechen, wird aber dieses Gesetz nicht gerecht, was man schon nach ganz flüchtigem Studium des Inhaltes der Vorlage festzustellen vermag. Erst in den letzten Tagen der Woche haben, wie ich schon vorhin sagte, die Abgeordneten die Anträge der Regierungsparteien bekommen, eigentümlicherweise fast zur gleichen Zeit, wenn nicht etwa später, als diese Abänderungen in den Tagesblättern der bürgerlichen Presse besprochen und diskutiert wurden. Am Freitag haben die Beratungen der Vorlage im Budgetausschuß eingesetzt, ohne daß, wie gesagt, Sachverständige zur Beratung herangezogen wurden. Das Gesetz wurde vielmehr ganz allein der Verantwortlichkeit der Abgeordneten des Ausschusses anvertraut. Ich erkläre dies für einen schwer en Fehler, dessen Auswirkung einzig und allein auf die Schuldigen, das sind die Regierungsparteien in diesem Parlamente, fallen wird. Die Auswirkung des Gesetzes, das wir nun beschließen sollen, auf die Selbstverwaltungskörper, auf ihre Weite- rund Aufwärtsentwicklung oder auf ihren Niedergang kann heute wohl noch niemand feststellen. Niemand kann voraussagen, wie sich dieses Gesetz in späterer Zeit auf die Gemeinden auswirken wird. Wohl aber können wir konstatieren, daß, wenn nicht der letzte Rest von Selbstverwaltung, von Gemeindeautonomie in diesem Staate ertötet werden soll, ein ganzer Teil der Vorlage vor der Beschlußfassung vom Hause abgeändert werden muß. Es müssen die Regierungsparteien den Vorschlägen der Opposition zugänglich sein.

Um die Selbstverwaltung, um den letzten Rest der Gemeindeautonomie geht der Kampf und die vollständige Erdrosselung der Selbstverwaltung wäre die Folge, wenn dieses Gesetz in seinem jetzigen Wortlaut mit den Abänderungsanträgen der Regierungskoalition beschlossen würde.

Dieses Gesetz ist nur ein Teil des Systems, das sich aus der Summierung der Verwaltungsreform, der Finanzreform, der Stabilisierungsbilanzen, der Reform der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungskörper ergibt. Daß Sie auch in diesem Gesetze wie in der Steuerreform und im Stabilisierungsgesetz nichts anderes beabsichtigen wie bei der Verwaltungsreform, die Sie infolge der großzügigen und eindrucksvollen Abwehraktion der sozialdemokratischen Arbeiterpartei zurückstellen mußten, ist ganz klar. Ohne daß die Verwaltungsreform Gesetz geworden ist, soll sie in ihrem wichtigsten Ziel hier in die Tat umgesetzt werden. Das können wir nicht nur aus dem Inhalt der einzelnen Paragraphen dieses Gesetzes konstatieren, sondern auch aus einem Moment, das aus der Vorlage und den Abänderungsanträgen deutlich hervorgeht, aus der Behandlung der vielbesprochenen schlesischen Frage. Bereits im Entwurf, dann aber noch ergänzt, erweitert und verschärft in dem betreffenden Antrag der Regierungsparteien, ist eine Aktion, die der Verwaltungsreform vorbehalten war, durchgeführt: Die Aufhebung der Selbständigkeit des Landes Schlesien. (Výkøiky na levici.) Im § 10 der Vorlage haben Sie noch die ursprüngliche Fassung bezüglich des Dotationsfondes und der Einteilung der Gebiete, die in den Genuß dieses Fondes eingereiht werden, beibehalten. Neben dem Lande Böhmen figurieren da noch Mähren, Schlesien, Slovakei und Karpathorußland. Im Ergänzungsantrag der Regierungsparteien finden wir aber nur noch vier Gaue, so wie dies in der Verwaltungsreform vorgesehen ist, indem Mähren und Schlesien zu dem mährisch-schlesischen Land vereinigt werden. Damit haben Sie aber, meine Herren, nicht nur eine historische Tatsache, die von Ihnen aufgestellt wurde, negiert, Sie haben das Land Schlesien, das zu den sogenannten historischen Ländern gehört und dessen Bestand im Jahre 1920 der damalige Mnisterpräsident Tusar als eine historische Tatsache festgelegt und als gesichert erklärt hat, gestrichen. Zu dieser Äußerung des Ministerpräsidenten Tusar kam dann noch die bestätigende Erklärung des Präsidenten der Republik, der einer Deputation erklärt hat: "Als Präsident der Republik danke ich für die Ausführungen und erkläre mich mit der Stellungnahme des Herrn Ministerpräsidenten in vollem Umfang einverstanden. Ich ersuche und bevollmächtige Sie, dies Ihren Anhängern mitzuteilen."

Meine Herren, Sie haben durch die Vorlage und durch die Abänderungsanträge der Regierungsparteien eigentlich den Herrn Präsidenten des Staates schwer desavouiert.

Jeder von uns fühlt die Fesseln, die dieses System um uns legt, ein System, das die politische Erdrosselungen der wirtschaftlich Schwachen, vor allem anderen der Arbeiter und Angestellten in diesem Staate als höchste Aufgabe ansieht. Schutz und Vorteile den Großen, Kapitalskräftigen, deren Institutionen und wirtschaftliche Organisationen! Zu diesem Zwecke die Vermehrung ihres Einflusses auf das herrschende Regime bis zum Absolutismus in Politik und Wirtschaft. Die Verwaltungsreform soll ihnen machtpolitisch Mittel und Werkzeuge schaffen, die Finanzreform und die Stabilisierungsbilanzen sollen ihre wirtschaftliche Herrschaft fundieren und das vorliegende Gesetz ihnen eine absolute Herrschaft über die autonomen Selbstverwaltungen schaffen. Die Selbstverwaltungen sollen von ihrem Willen, ihrem Wohlwollen wirtschaftlich abhängig gemacht werden. Sie wollen eine Diktatur der Zentralverwaltung über die Selbstverwaltungskörper errichten. Unbekümmert darum, daß die Finanzverwaltung schuld daran ist, daß in vielen Gemeinden, weil sie ihre ordentlichen Einnahmen, die der Staat einkassiert, nicht zeitgerecht und voll refundiert bekamen, Schulden machen mußten, unbekümmert darum erklärte der Finanzminister wiederholt schon im Laufe des vorigen Jahres und heuer bei einer Sitzung des Budgetausschusses im Jänner, daß die Maßnahmen, die das vorliegende Gesetz vorsieht, hauptsächlich dazu ergriffen werden, weil die Gemeinden nicht zu wirtschaften verstehen, weil sie nicht zu sparen verstehen, nicht verstehen, Einnahmen und Ausgaben entsprechend in Einklang zu bringen. Der Fehler ist nicht bei den Gemeinden zu suchen, sondern vor allem darin, daß der Staat die Gemeinden in der ersten Nachkriegszeit gezwungen hat, durch die von ihm vorgesehene Behandlung der Kriegsanleihen Schulden zu machen, für die die Gemeinden infolge des außergewöhnlich hohen Zinsendienstes einen großen Teil ihrer normalen Einnahmen verwenden mußten. Sie haben aber weiter selbst dazu beigetragen, daß Sie in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten bei der Industrie eine große Anzahl von Steuerabschreibungen vorgenommen haben. Hunderte Millionen an Steuerabschreibungen wurden durchgeführt, für die die Gemeinden auch ihre Zuschläge verlieren, nachdem sie auf diese direkten Steuern Zuschläge einheben konnten. Sie haben außerdem dadurch, daß Sie es ermöglichten, daß die Steuergrundlage bei großen Industrieunternehmungen ganz auffallend und in eigentümlicher Art herabgesetzt wurde, ebenfalls das Fundament, auf dem die Gemeinden ihre Voranschläge aufbauten, verkleinert. Sie haben einen großen Teil dieser Voranschläge fiktiv gemacht, weil die Ziffern, auf denen von der Gemeinde budgetiert wurde, nicht mehr richtig sind. Wie katastrophal sich dieses Moment auswirkte, kann ich in meiner engeren Heimat, in Komotau selbst feststellen. Wir haben einen großen Industriebetrieb, der bis vor 2 Jahren als Steuerbasis ganz unaufgefordert selbst den Betrag von 878.000 Kè angab. Auf diesem Betrag und den ähnlich gestellten Beträgen der anderen Industrien haben Gemeinde und Bezirk Komotau budgetiert. Wir haben feststellen müssen, daß im Vorjahre plötzlich die Steuerbasis dieses großen Betriebes - es sind die Mannesmannwerke - ganz bedeutend herabgesetzt wurde. Dieses Werk hatte wie andere Betriebe infolge der Übersteuerung, infolge des Umstandes, daß der Staat die Steuer vorschrieb, ohne auf die Inflationszeit und ihre Auswirkungen Rücksicht zu nehmen, ganz einfach zu allen möglichen, ich weiß nicht, ob immer erlaubten Mitteln gegriffen, um ihre Steuerlast herabzumindern. Die Mannesmannwerke haben einen abgebauten Steuerbeamten angestellt, der ihnen mit allen seinen Erfahrungen zur Seite stand und herausrechnete, daß die Steuerbasis der Mannesmannwerke nicht 878.000 Kè, sondern - hören Sie und staunen Sie! - 16.000 Kè beträgt. Der Umstand, daß die Landesverwaltung dem Antrage der Werke Rechnung getragen hat und daß wir wahrscheinlich seitens Bezirk und Gemeinde gegen diese Steuerbasis im Rekurswege vergeblich ankämpfen, bedeutet für Gemeinde und Bezirk Komotau, daß diese beiden Selbstverwaltungskörper ca. 7,000.000 Kè an die Mannesmannwerke zurückzahlen müssen. Das bedeutet, daß die Gemeinde Komotau, die gewiß ernst und sparsam gewirtschaftet hat - wir hatten bis zum Vorjahre 400, jetzt 600% Gemeindeumlagen - für 1928 mindestens auf 2000% Gemeindeumlagen steigen muß, wenn sie den Ausfall infolge dieser Steuerherabsetzung und die Ausgaben, die ihr die Rückzahlung an die Firma auferlegt, halbwegs wettmachen und dabei die wichtigsten Aufgaben der Gemeinde erfüllen will. In dem Augenblick, wo wir dies feststellen können, zerstören Sie die Autonomie der Gemeinden, in demselben Augenblick schreiben Sie der Gemeinde schematisch ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gemeindeinsassen vor, in welchen Grenzen sich der Gemeindevoranschlag bewegen soll. Sie schreiben an Zuschlägen vor: 150 % Gemeinde, 50% Bezirk und 50% Gau bezw. Land, Sie gehen noch weiter: Sie machen selbst im Rahmen dieser Grenze die Feststellung der Einnahmen und Ausgaben von Ihrer Zustimmung abhängig. "Die Regierung", heißt es im ganzen Entwurf, "kann", "die Regierung ist berechtigt"; die Regierung kann aber nicht nur selbst im Rahmen dieser Umlagengrenze eingreifen und bestimmen, sie kann noch weitergehen und jeden Posten des Voranschlages auf seine Zweckmäßigkeit prüfen, sie kann jede Post des Voranschlages streichen und eine andere Post einsetzen, sie kann, was sehr leicht möglich ist, z. B. bestimmen, daß eine rein deutsche Gemeinde für die Errichtung einer èechischen Schule eine Post von so und so viel 10.000 oder 100.000 Kronen einzusetzen hat; ob das zweckmäßig ist oder ein Bedürfnis dafür vorliegt, ist eine andere Frage. Die Regierung kann ganz einfach, sie darf, und wie wir bereits Erfahrungen besitzen, wird sie auch. (Posl. Hackenberg: Ausgaben. mit denen die Gemeinde vielleicht gar nicht einverstanden ist!) Sie braucht nicht einverstanden zu sein, die Regierung schreibt das einfach vor.

Meine Herren! Das ist die Inkraftsetzung der Verwaltungsreform, das ist bereits ein Teil dessen, was die Öffentlichkeit in den letzten Wochen in dem Abwehrkampf, den wir durchführten, abgelehnt hat. Aber auch der Ton der Vorlage ist darauf abgestimmt. Sie können im ganzen Voranschlag immer lesen: Die Gemeinde ist verpflichtet, die Gemeinde muß. Nur in einem Falle konnte ich feststellen, daß sie auch kann, daß sie darf, u. zw. darf sie gewisse Rechte der Gemeinde an die staatlichen Organe übertragen. Es heißt im § 5, Abs. 5, daß die Gemeinde z. B. die Berechnung, Vorschreibung und Erhebung der Grundsteuer an die höheren behördlichen, das heißt staatlichen Organe übertragen kann. Das Interessante ist aber nun, daß die Gemeinde wohl diesen Beschluß fassen darf, sie hat aber nach dem Gesetz nicht mehr das Recht, diesen Beschluß aufzuheben, rückgängig zu machen oder durch einen anderen Beschluß zu ergänzen, daß sie die vorübergehend der Staatsgewalt übertragenen Aufgaben auch wieder zurück übernehmen kann. Es heißt also: sie kann beschließen, sie kann aber dann den Beschluß nicht mehr abändern, sondern ist auch hier von der Entscheidung und dem Wohlwollen der staatlichen Organe abhängig.

Weiter lasten Sie in dem Augenblicke, wo Sie das Dispositions- und Beschlußrecht der Gemeinde über den Voranschlag einengen, ja fast vollständig aufheben, der Gemeinde neue Aufgaben und damit auch neue Lasten auf. Wiederum nur von meiner engeren Heimat: Schulbauten müssen durchgeführt werden. Kasernenbauten, Kasernen, für die die Gemeinde eigentlich nur einen Anerkennungszins bekommt. Wir müssen jetzt in Komotau einige Millionen Kronen neue Kredite aufnehmen, um Häuser für Militärgagisten zu bauen. Wir müssen das zum Teil tun im Auftrage des Staates, andererseits im eigenen Interesse, weil die Gemeinde Jahr für Jahr für die standesgemäße Unterbringung von Militärgagisten und Offizieren den Betrag von 80.000 bis 120.000 Kronen zahlen mußte zu den sogenannten Bequartierungsgebühren, weil die Herren im Hotel eine standesgemäße, für ihre Familie ausreichende Wohnung beanspruchten und den Anspruch darauf hatten. Die Gemeinden haben eine ganz außerordentliche Steigerung bei den Erhaltungskosten der Kommunikationen, die - ich will es nur ganz kurz anführen - besonders hoch geworden sind, weil die Eisenbahnverwaltung des Staates mit ihren Tarifen so hoch hinauf gegangen ist, daß sich heute der Verkehr, nicht nur der Lasten-, sondern auch der Personenverkehr auf weite Strecken mit Auto billiger stellt, als mit der Staatsbahn. Das hat dazu geführt und wird auch weiterhin zu einer weiteren Steigerung des Autoverkehrs auf den Straßen und damit zu einer Steigerung der Erhaltungskosten der Straßen führen, die, soweit sie in das Weichbild der Stadt fallen, von der Gemeinde getragen werden müssen. Weiters war in den letzten Jahren, und auch heute noch bei der erhöhten Arbeitslosigkeit, in erhöhtem Maße in den Krisenjahren 1922/23 und 1925/26, eine ganz außerordentliche Belastung der Gemeinden durch die sogenannten Fürsorgemaßnahmen, durch große Masse der Arbeitslosen und ihrer Angehörigen. Auch da überlassen Sie die Belastung vollständig der Gemeinde. Noch mehr, wenn die Gemeinden bei der Regierung, bei dem Fürsorgeministerium oder beim Arbeitsministerium um Beihilfe zu Notstandsarbeiten eingekommen sind, da hat man bei diesen Ministerien wohl Zusagen bekommen. Das Fürsorgeministerium hat versprochen, mit einzutreten und zu helfen, das Arbeitsministerium hat weitgehende, bindende Zusagen gemacht. Die Erfüllung ist aber unterblieben, und man hat dann bei diesen Ministerien mit einem Achselzucken erklärt, daß der Herr Finanzmini ster kein Geld mehr hat. So lasten Sie immer mehr Pflichten, die eigentlich dem Staaten gehören, den Gemeinden auf, diese haben die Kosten zu tragen, die vor allem in der Wirtschaftskrise zum Ausdruck kommen, die Kosten für die verfehlte Außen-, Zoll- und Tarifpolitik.

Durch die jetzige Drosselung der Gemeinden in ihrem Budgetrecht, ihrem Selbstbestimmungsrecht, in ihrer Finanzhoheit werden die Gemeinden auf allen diesen Gebieten vollständig lahmgelegt werden, sie werden versagen, und wenn in Zukunft das eintritt, was bisher vermieden wurde, daß die notleidende Bevölkerung in der Gemeinde von ihr in ihrer schwersten Not nicht mehr geschützt werden kann, dann werden Sie Revolten erleben, und die Ruhe, mit der Sie immer im Auslande prahlen, die Sie als Beweis der inneren Konsolidierung anführen, wird nicht mehr da sein.

Sie gehen aber noch weiter. Sie haben im § 8 eine Bestimmung aufgenommen, die wohl einzig in der Gesetzgebung ist. Es könnte doch irgendeinen Gemeindefunktionär, vielleicht den Vorstand, den Bürgermeister geben, der das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen versuchte, indem er den Wünschen und Bedürfnissen und berechtigten Forderungen der Gemeindeinsassen, vielleicht auch der Notleidenden, Rechnung tragen wollte, und in manchen Dingen doch über den engen Rahmen, den Sie der Gemeinde ziehen, hinausginge. Sie haben hier eine Formel gefunden. Sie machen diesen Gemeindefunktionär, den Bürgermeister verantwortlich dafür, daß er nur das tue, was Sie vorschreiben, nicht, was unter Umständen die Gemeindevertretung als notwendig erachtet und beschließt. Sie drohen allen jenen Gemeindevorständen, den Bürgermeistern und Vorstehern, die nicht genau die Weisungen der hohen Behörden erfüllen, die sich nicht genau an den vorgeschriebenen Termin halten, die die Vorschriften nicht genau befolgen, mit Einschränkung, mit Entzug der Entschädigungen, die sie nicht vom Staate, sondern über Beschluß der Gemeindevertretung bekommen, Sie drohen mit Ordnungsstrafen bis 5.000 Kronen, machen sie haftbar mit dem privaten Besitz für alle diese Fehler, die sie nach Ihrer Meinung begehen. Sie gehen noch weiter. Sie drohen mit der Enthebung des freigewählten Gemeindefunktionärs vom Amte. Sie greifen hier mit brutaler Hand in das Gemeindewahlrecht ein, in die Rechte der Gemeindeinsassen, die sich ihren Bürgermeister, den Vorsitzenden des Gemeinderates in freier Wahl gewählt haben. Diese Bestimmung ist nicht im Wortlaute der ursprünglichen Vorlage gewesen, diese Verschärfung ist dem Antrag der Regierungsparteien zu verdanken, und diesem Antrag haben die deutschen Regierungsparteien und deren Minister zugestimmt. Bedenken Sie, daß sich diese Maßnahmen vor allem in schärfster Weise gegen die Bürgermeister und Vorstände der deutschen Gemeinden richten werden. Denken Sie, was Sie tun, Sie liefern hier Ihr Selbstbestimmungsrecht aus, schaffen die Voraussetzungen für ein absolutes Regime, wie es nie, selbst nicht vor 1848, bestand.


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