Hohes Haus! In den letzten Wochen hat die Opposition
dieses Parlamentes im Budgetausschuß mit allen ihren Kräften
einen intensiven Kampf geführt, die eingebrachten Vorlagen
über die Finanzreform, über das Gemeindefinanzgesetz
und das Stabilisierungsgesetz möglichst zu verbessern und
alle jene Härten, die nicht nur im Gesetz enthalten waren,
sondern die durch die Anträge der Regierungsmehrheit noch
verschärft worden sind, zu beseitigen oder zumindest zu mildern.
Die Opposition hat aber auch einen hartnäckigen Kampf geführt
gegen die Art und das Tempo, womit die Gesetzesvorlagen und besonders
die Steuerreform und das Gemeindefinanzgesetz, die von außerordentlicher
Bedeutung sind, behandelt wurden, und hat alles versucht, auch
hier eine sachliche und gewissenhafte Erledigung der Vorlagen
im Budgetausschusse herbeizuführen. Leider waren alle Bemühungen
der Opposition resultatlos. Sie waren wirkungslos, weil nach unserer
Überzeugung in diesem Hause und auch im Budgetausschuß
trotz der Bedeutung der Vorlagen die "Osmièka"
befohlen hat, daß die Vorlagen zum vorgeschriebenen Termin
fertig sein müssen, und der Ausschuß hat ganz einfach
zu gehorchen gehabt. Es wurden zur Beschleunigung der Erledigung
Dauer- und Nachtsitzungen eingeschoben, vielleicht auch in der
Absicht, die Opposition mürbe zu machen.
Diese Absicht ist aber mißlungen, die Opposition hat, sich
ihrer Verantwortlichkeit bewußt, alles versucht, in einer
sachlichen und ernsten Debatte die vorliegenden Gesetzesvorlagen
zu behandeln. Selbst der Herr Präsident des Budgetausschusses
und der Herr Minister Dr. Engliš mußten beim
Abschluß, bei der Abstimmung am vergangenen Dienstag die
Sachlichkeit der Opposition zugeben. Sie mußten erklären,
daß die Opposition auf der Höhe der Situation gewesen
ist, sie konnten aber nicht erklären, warum alle sachlichen
Bemühungen der Opposition resultatlos geblieben sind. Als
die Opposition bei der Behandlung des Gemeindefinanzgesetzes versuchte,
von dem ihr durch die Geschäftsordnung zustehenden Rechte
Gebrauch zu machen und diese einschneidenden Vorlagen bei der
Debatte eingehender zu behandeln, hat man ganz einfach durch einen
Beschluß der Mehrheit des Ausschusses die Redezeit in einer
Art gedrosselt, wie es wohl bisher kaum in dieser Weise zu verzeichnen
ist. Man hat ihr für jeden Paragraphen dieser so bedeutungsvollen
Vorlage 2 Minuten Redezeit eingeräumt. Die Debatte wurde
außerdem fast ausschließlich, wahrscheinlich um die
Dauer der Behandlung zu verkürzen, von der Opposition bestritten,
die Vertreter der Regierungsparteien haben sich die ganze Zeit
nicht mit einem Wort an der Debatte beteiligt. Das war ja auch
wahrscheinlich nicht notwendig, denn sie hatten vorher schon alles
in internen Konventikeln abgemacht und vereinbart gehabt. Es ist
eine Schmach für dieses Parlament, es ist eine Verhöhnung
des èechoslovakischen Parlamentarismus, daß etwas
derartiges möglich war. Die selbstverständlichste Verantwortlichkeit
und Gewissenhaftigkeit fehlt diesem Parlamente sowie seinen Abgeordneten
aus den Reihen der Regierungsmehrheit. Neben
der Art der Behandlung wurde aber auch Kritik geübt an der
Art der Abstimmung, die geeignet ist, selbst bei den Parlamentariern
die Überzeugung oder den Glauben an die Bedeutung dieses
Parlamentes, an den Zweck der gesetzgeberischen Arbeit dieses
Parlamentes zu zerstören. Der Ausschuß hat erst in
den letzten Tagen oder in den letzten Stunden schon als er in
die Beratung des Gemeindefinanzgesetzes eingegangen war, die Abänderungsanträge
der Regierungskoalition bekommen, Abänderungsanträge,
die das ganze Gesetz fast von grundaus abänderten, ohne daß
es den Abgeordneten möglich gewesen wäre, bei diesem
wichtigen Gesetze mit ihren Klubs oder, was notwendig gewesen
wäre, mit berufenen sachverständigen Fachleuten und
erfahrenen Männern der Kommunalpolitik Rücksprache zu
nehmen und ihre Meinung und ihren Rat über die Auswirkung
des Gesetzes zu hören. Das Gesetz wurde beschlossen, ein
Gesetz von ungeheurer Tragweite, das die Grundlage für unsere
Wirtschaft, für unsere Verwaltung in den Gemeinden sein soll
und das auch die Grundlage vielleicht für Jahrzehnte sein
soll, auf der die weitere Ausgestaltung der Gemeindegesetzgebung
erfolgen soll. Einen Beweis, wie kopf- und sinnlos in diesem Hause
gearbeitet wird, hat auch die gestrige Sitzung gegeben, die plötzlich
unterbrochen wurde, dann wieder mit einer ergänzenden Tagesordnung
eröffnet wurde, und es gibt wohl kein Parlament, wo die Beratung,
wo die Debatte über eine so wichtige Vorlage, wie es die
Steuerreform ist, unterbrochen wird und dann eine neue Sitzung
eröffnet wird mit einer Debatte, in die sich nun auch das
Gemendefinanzgesetz und das Stabilisierungsgesetz einreihen sollen.
Ob dies der Geschäftsordnung entspricht, möchte ich
bezweifeln. Soweit ich mich informieren konnte, steht nicht in
der Geschäftsordnung, daß dieser Vorgang verboten ist,
aber es steht auch nicht darin, daß er erlaubt ist. Und
wenn man den Grundsatz in diesem Staate festlegen will, daß
das, was nicht verboten ist, erlaubt ist, so ist das Ihre Sache,
aber Sie werden ganz eigene Rechtsauswirkungen davon erleben.
Wenn ein Funke Verantwortlichkeitsgefühl, wenn ein Funke
Gewissenhaftigkeit unter den Abgeordneten dieses Hauses und vor
allem der Mehrheit vorhanden wäre, hätten Sie einmütig
gegen den Vorgang des Präsidiums protestieren müssen
und es wäre in der Praxis wohl viel einfacher, wenn man nicht
das Plenum des Hauses einberuft, zumindest nicht die Abgeordneten
des Plenums, sondern daß man ganz einfach der "Osmièka"
erlaubt, sich auf die Bänke des Abgeordnetenhauses zu setzen
und auch weiterhin vollständig absolut das zu beschließen,
was sie an gesetzgeberischer Arbeit in diesem Staate für
notwendig erachtet. Das wollte ich feststellen, weil dieser Vorgang
in der Geschichte auch dieses Parlamentes bisher
nicht zu verzeichnen war.
Und nun zum Gesetz, betreffend die Neuregelung
der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungskörper.
Die Selbstverwaltungskörper unterliegen in diesem Staate
vor allem den Bestrebungen der herrschenden Klasse, die öffentliche
Verwaltung der Herrschaft der Besitzklasse zu unterordnen und
dienstbar zu machen. Wie die vollständige und endgültige
Demokratisierung vor allem der Selbstverwaltungskörper, ihre
organisatorische Durchbildung zu entsprechenden Verwaltungskörperschaften,
die den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung dienen,
so ist auch eine gesunde Geldwirtschaft derselben nur nach Beseitigung
der heutigen Klassenherrschaft möglich. Das Klasseninterese
der Besitzenden in diesem Staate fordert vor allem, daß
sich die Selbstverwaltungskörper einer großzügigen
Lösung kultureller, sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher
Probleme vollständig entschlagen, daß ihnen die finanzielle
Selbständigkeit entzogen und die durch die Erfüllung
der unerläßlichen Aufgaben des eigenen und übertragenen
Wirkungskreises entstandene finanzielle Last auf die Schultern
der breiten Massen der Bevölkerung abgewälzt wird.
Eine soziale oder, sagen wir, von sozialdemokratischem
Geist beherrschte Selbstverwaltung hat vornehmlich die Aufgabe,
in der Gemeinde die soziale Tätigkeit in den Vordergrund
zu stellen, sich auf allen Gebieten der allgemeinen Wohlfahrt,
der körperlichen und geistigen Entwicklung des Volkes, beispielgebend
zu betätigen und schon in der kapitalistischen Gesellschaft
dafür zu sorgen, daß die Bestrebungen in ihren Grundlagen
einen demokratischen und sozialen Charakter tragen, indem vor
allem der Reichtum und das Einkommen, welche nicht aus der eigenen
ausgaben herangezogen werden. Diesen Grundsätzen, die vor
allem andern unseren Anschauungen über die Gemeinde- und
Komunalverwaltung entsprechen, wird aber dieses Gesetz nicht gerecht,
was man schon nach ganz flüchtigem Studium des Inhaltes der
Vorlage festzustellen vermag. Erst in den letzten Tagen der Woche
haben, wie ich schon vorhin sagte, die Abgeordneten die Anträge
der Regierungsparteien bekommen, eigentümlicherweise fast
zur gleichen Zeit, wenn nicht etwa später, als diese Abänderungen
in den Tagesblättern der bürgerlichen Presse besprochen
und diskutiert wurden. Am Freitag haben die Beratungen der Vorlage
im Budgetausschuß eingesetzt, ohne daß, wie gesagt,
Sachverständige zur Beratung herangezogen wurden. Das Gesetz
wurde vielmehr ganz allein der Verantwortlichkeit der Abgeordneten
des Ausschusses anvertraut. Ich erkläre dies für einen
schwer en Fehler, dessen Auswirkung einzig und allein auf die
Schuldigen, das sind die Regierungsparteien in diesem Parlamente,
fallen wird. Die Auswirkung des Gesetzes, das wir nun beschließen
sollen, auf die Selbstverwaltungskörper, auf ihre Weite-
rund Aufwärtsentwicklung oder auf ihren Niedergang kann heute
wohl noch niemand feststellen. Niemand kann voraussagen, wie sich
dieses Gesetz in späterer Zeit auf die Gemeinden auswirken
wird. Wohl aber können wir konstatieren, daß, wenn
nicht der letzte Rest von Selbstverwaltung, von Gemeindeautonomie
in diesem Staate ertötet werden soll, ein ganzer Teil der
Vorlage vor der Beschlußfassung vom Hause abgeändert
werden muß. Es müssen die Regierungsparteien den Vorschlägen
der Opposition zugänglich sein.
Um die Selbstverwaltung, um den letzten Rest
der Gemeindeautonomie geht der Kampf und die vollständige
Erdrosselung der Selbstverwaltung wäre die Folge, wenn dieses
Gesetz in seinem jetzigen Wortlaut mit den Abänderungsanträgen
der Regierungskoalition beschlossen würde.
Dieses Gesetz ist nur ein Teil des Systems,
das sich aus der Summierung der Verwaltungsreform, der Finanzreform,
der Stabilisierungsbilanzen, der Reform der Finanzwirtschaft der
territorialen Selbstverwaltungskörper ergibt. Daß Sie
auch in diesem Gesetze wie in der Steuerreform und im Stabilisierungsgesetz
nichts anderes beabsichtigen wie bei der Verwaltungsreform, die
Sie infolge der großzügigen und eindrucksvollen Abwehraktion
der sozialdemokratischen Arbeiterpartei zurückstellen mußten,
ist ganz klar. Ohne daß die Verwaltungsreform Gesetz geworden
ist, soll sie in ihrem wichtigsten Ziel hier in die Tat umgesetzt
werden. Das können wir nicht nur aus dem Inhalt der einzelnen
Paragraphen dieses Gesetzes konstatieren, sondern auch aus einem
Moment, das aus der Vorlage und den Abänderungsanträgen
deutlich hervorgeht, aus der Behandlung der vielbesprochenen schlesischen
Frage. Bereits im Entwurf, dann aber noch ergänzt, erweitert
und verschärft in dem betreffenden Antrag der Regierungsparteien,
ist eine Aktion, die der Verwaltungsreform vorbehalten war, durchgeführt:
Die Aufhebung der Selbständigkeit des Landes Schlesien. (Výkøiky
na levici.) Im § 10 der Vorlage haben
Sie noch die ursprüngliche Fassung bezüglich des Dotationsfondes
und der Einteilung der Gebiete, die in den Genuß dieses
Fondes eingereiht werden, beibehalten. Neben dem Lande Böhmen
figurieren da noch Mähren, Schlesien, Slovakei und Karpathorußland.
Im Ergänzungsantrag der Regierungsparteien finden wir aber
nur noch vier Gaue, so wie dies in der Verwaltungsreform vorgesehen
ist, indem Mähren und Schlesien zu dem mährisch-schlesischen
Land vereinigt werden. Damit haben Sie aber, meine Herren, nicht
nur eine historische Tatsache, die von Ihnen aufgestellt wurde,
negiert, Sie haben das Land Schlesien, das zu den sogenannten
historischen Ländern gehört und dessen Bestand im Jahre
1920 der damalige Mnisterpräsident Tusar als eine
historische Tatsache festgelegt und als gesichert erklärt
hat, gestrichen. Zu dieser Äußerung des Ministerpräsidenten
Tusar kam dann noch die bestätigende Erklärung
des Präsidenten der Republik, der einer Deputation erklärt
hat: "Als Präsident der Republik danke ich für
die Ausführungen und erkläre mich mit der Stellungnahme
des Herrn Ministerpräsidenten in vollem Umfang einverstanden.
Ich ersuche und bevollmächtige Sie, dies Ihren Anhängern
mitzuteilen."
Meine Herren, Sie haben durch die Vorlage und
durch die Abänderungsanträge der Regierungsparteien
eigentlich den Herrn Präsidenten des Staates schwer desavouiert.
Jeder von uns fühlt die Fesseln, die dieses
System um uns legt, ein System, das die politische Erdrosselungen
der wirtschaftlich Schwachen, vor allem anderen der Arbeiter und
Angestellten in diesem Staate als höchste Aufgabe ansieht.
Schutz und Vorteile den Großen, Kapitalskräftigen,
deren Institutionen und wirtschaftliche Organisationen! Zu diesem
Zwecke die Vermehrung ihres Einflusses auf das herrschende Regime
bis zum Absolutismus in Politik und Wirtschaft. Die Verwaltungsreform
soll ihnen machtpolitisch Mittel und Werkzeuge schaffen, die Finanzreform
und die Stabilisierungsbilanzen sollen ihre wirtschaftliche Herrschaft
fundieren und das vorliegende Gesetz ihnen eine absolute Herrschaft
über die autonomen Selbstverwaltungen schaffen. Die Selbstverwaltungen
sollen von ihrem Willen, ihrem Wohlwollen wirtschaftlich abhängig
gemacht werden. Sie wollen eine Diktatur der Zentralverwaltung
über die Selbstverwaltungskörper errichten. Unbekümmert
darum, daß die Finanzverwaltung schuld daran ist, daß
in vielen Gemeinden, weil sie ihre ordentlichen Einnahmen, die
der Staat einkassiert, nicht zeitgerecht und voll refundiert bekamen,
Schulden machen mußten, unbekümmert darum erklärte
der Finanzminister wiederholt schon im Laufe des vorigen Jahres
und heuer bei einer Sitzung des Budgetausschusses im Jänner,
daß die Maßnahmen, die das vorliegende Gesetz vorsieht,
hauptsächlich dazu ergriffen werden, weil die Gemeinden nicht
zu wirtschaften verstehen, weil sie nicht zu sparen verstehen,
nicht verstehen, Einnahmen und Ausgaben entsprechend in Einklang
zu bringen. Der Fehler ist nicht bei den Gemeinden zu suchen,
sondern vor allem darin, daß der Staat die Gemeinden in
der ersten Nachkriegszeit gezwungen hat, durch die von ihm vorgesehene
Behandlung der Kriegsanleihen Schulden zu machen, für die
die Gemeinden infolge des außergewöhnlich hohen Zinsendienstes
einen großen Teil ihrer normalen Einnahmen verwenden mußten.
Sie haben aber weiter selbst dazu beigetragen, daß Sie in
den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten bei der
Industrie eine große Anzahl von Steuerabschreibungen vorgenommen
haben. Hunderte Millionen an Steuerabschreibungen wurden durchgeführt,
für die die Gemeinden auch ihre Zuschläge verlieren,
nachdem sie auf diese direkten Steuern Zuschläge einheben
konnten. Sie haben außerdem dadurch, daß Sie es ermöglichten,
daß die Steuergrundlage bei großen Industrieunternehmungen
ganz auffallend und in eigentümlicher Art herabgesetzt wurde,
ebenfalls das Fundament, auf dem die Gemeinden ihre Voranschläge
aufbauten, verkleinert. Sie haben einen großen Teil dieser
Voranschläge fiktiv gemacht, weil die Ziffern, auf denen
von der Gemeinde budgetiert wurde, nicht mehr richtig sind. Wie
katastrophal sich dieses Moment auswirkte, kann ich in
meiner engeren Heimat, in Komotau selbst feststellen. Wir haben
einen großen Industriebetrieb, der bis vor 2 Jahren als
Steuerbasis ganz unaufgefordert selbst den Betrag von 878.000
Kè angab. Auf diesem Betrag und den ähnlich gestellten
Beträgen der anderen Industrien haben Gemeinde und Bezirk
Komotau budgetiert. Wir haben feststellen müssen, daß
im Vorjahre plötzlich die Steuerbasis dieses großen
Betriebes - es sind die Mannesmannwerke - ganz bedeutend herabgesetzt
wurde. Dieses Werk hatte wie andere Betriebe infolge der Übersteuerung,
infolge des Umstandes, daß der Staat die Steuer vorschrieb,
ohne auf die Inflationszeit und ihre Auswirkungen Rücksicht
zu nehmen, ganz einfach zu allen möglichen, ich weiß
nicht, ob immer erlaubten Mitteln gegriffen, um ihre Steuerlast
herabzumindern. Die Mannesmannwerke haben einen abgebauten Steuerbeamten
angestellt, der ihnen mit allen seinen Erfahrungen zur Seite stand
und herausrechnete, daß die Steuerbasis der Mannesmannwerke
nicht 878.000 Kè, sondern - hören
Sie und staunen Sie! - 16.000 Kè beträgt. Der Umstand,
daß die Landesverwaltung dem Antrage der Werke Rechnung
getragen hat und daß wir wahrscheinlich seitens Bezirk und
Gemeinde gegen diese Steuerbasis im Rekurswege vergeblich ankämpfen,
bedeutet für Gemeinde und Bezirk
Komotau, daß diese beiden Selbstverwaltungskörper ca.
7,000.000 Kè an die Mannesmannwerke zurückzahlen müssen.
Das bedeutet, daß die Gemeinde Komotau, die gewiß
ernst und sparsam gewirtschaftet hat - wir hatten bis zum Vorjahre
400, jetzt 600% Gemeindeumlagen - für 1928 mindestens auf
2000% Gemeindeumlagen steigen muß, wenn sie den Ausfall
infolge dieser Steuerherabsetzung und die Ausgaben, die ihr die
Rückzahlung an die Firma auferlegt, halbwegs wettmachen und
dabei die wichtigsten Aufgaben der Gemeinde erfüllen will.
In dem Augenblick, wo wir dies feststellen können, zerstören
Sie die Autonomie der Gemeinden, in demselben Augenblick schreiben
Sie der Gemeinde schematisch ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse
der Gemeindeinsassen vor, in welchen Grenzen sich der Gemeindevoranschlag
bewegen soll. Sie schreiben an Zuschlägen vor: 150 % Gemeinde,
50% Bezirk und 50% Gau bezw. Land, Sie gehen noch weiter: Sie
machen selbst im Rahmen dieser Grenze die Feststellung der Einnahmen
und Ausgaben von Ihrer Zustimmung abhängig. "Die Regierung",
heißt es im ganzen Entwurf, "kann", "die
Regierung ist berechtigt"; die Regierung kann aber nicht
nur selbst im Rahmen dieser Umlagengrenze eingreifen und bestimmen,
sie kann noch weitergehen und jeden Posten des Voranschlages
auf seine Zweckmäßigkeit prüfen, sie kann jede
Post des Voranschlages streichen und eine andere Post einsetzen,
sie kann, was sehr leicht möglich ist, z. B. bestimmen, daß
eine rein deutsche Gemeinde für die Errichtung einer èechischen
Schule eine Post von so und so viel 10.000 oder 100.000 Kronen
einzusetzen hat; ob das zweckmäßig ist oder ein Bedürfnis
dafür vorliegt, ist eine andere Frage. Die Regierung kann
ganz einfach, sie darf, und wie wir bereits Erfahrungen besitzen,
wird sie auch. (Posl. Hackenberg: Ausgaben. mit denen die Gemeinde
vielleicht gar nicht einverstanden ist!) Sie braucht nicht
einverstanden zu sein, die Regierung schreibt das einfach vor.
Meine Herren! Das ist die Inkraftsetzung der
Verwaltungsreform, das ist bereits ein Teil dessen, was die Öffentlichkeit
in den letzten Wochen in dem Abwehrkampf, den wir durchführten,
abgelehnt hat. Aber auch der Ton der Vorlage ist darauf abgestimmt.
Sie können im ganzen Voranschlag immer lesen: Die Gemeinde
ist verpflichtet, die Gemeinde muß. Nur in einem Falle konnte
ich feststellen, daß sie auch kann, daß sie darf,
u. zw. darf sie gewisse Rechte der Gemeinde an die staatlichen
Organe übertragen. Es heißt im § 5, Abs. 5, daß
die Gemeinde z. B. die Berechnung, Vorschreibung und Erhebung
der Grundsteuer an die höheren behördlichen, das heißt
staatlichen Organe übertragen kann. Das Interessante ist
aber nun, daß die Gemeinde wohl diesen Beschluß fassen
darf, sie hat aber nach dem Gesetz nicht mehr das Recht, diesen
Beschluß aufzuheben, rückgängig zu machen oder
durch einen anderen Beschluß zu ergänzen, daß
sie die vorübergehend der Staatsgewalt übertragenen
Aufgaben auch wieder zurück übernehmen kann. Es heißt
also: sie kann beschließen, sie kann aber dann den Beschluß
nicht mehr abändern, sondern ist auch hier von der Entscheidung
und dem Wohlwollen der staatlichen Organe abhängig.
Weiter lasten Sie in dem Augenblicke, wo Sie
das Dispositions- und Beschlußrecht der Gemeinde über
den Voranschlag einengen, ja fast vollständig aufheben, der
Gemeinde neue Aufgaben und damit auch neue Lasten auf. Wiederum
nur von meiner engeren Heimat: Schulbauten müssen durchgeführt
werden. Kasernenbauten, Kasernen, für die die Gemeinde eigentlich
nur einen Anerkennungszins bekommt. Wir müssen jetzt in Komotau
einige Millionen Kronen neue Kredite aufnehmen, um Häuser
für Militärgagisten zu bauen. Wir müssen das zum
Teil tun im Auftrage des Staates, andererseits im eigenen Interesse,
weil die Gemeinde Jahr für Jahr für die standesgemäße
Unterbringung von Militärgagisten und Offizieren den Betrag
von 80.000 bis 120.000 Kronen zahlen mußte zu den sogenannten
Bequartierungsgebühren, weil die Herren im Hotel eine standesgemäße,
für ihre Familie ausreichende Wohnung beanspruchten und den
Anspruch darauf hatten. Die Gemeinden haben eine ganz außerordentliche
Steigerung bei den Erhaltungskosten der Kommunikationen, die -
ich will es nur ganz kurz anführen - besonders hoch geworden
sind, weil die Eisenbahnverwaltung des Staates mit ihren Tarifen
so hoch hinauf gegangen ist, daß sich heute der Verkehr,
nicht nur der Lasten-, sondern auch der Personenverkehr auf weite
Strecken mit Auto billiger stellt, als mit der Staatsbahn. Das
hat dazu geführt und wird auch weiterhin zu einer weiteren
Steigerung des Autoverkehrs auf den Straßen und damit zu
einer Steigerung der Erhaltungskosten der Straßen führen,
die, soweit sie in das Weichbild der Stadt fallen, von der Gemeinde
getragen werden müssen. Weiters war in den letzten Jahren,
und auch heute noch bei der erhöhten Arbeitslosigkeit, in
erhöhtem Maße in den Krisenjahren 1922/23 und 1925/26,
eine ganz außerordentliche Belastung der Gemeinden durch
die sogenannten Fürsorgemaßnahmen, durch große
Masse der Arbeitslosen und ihrer Angehörigen. Auch da überlassen
Sie die Belastung vollständig der Gemeinde. Noch mehr, wenn
die Gemeinden bei der Regierung, bei dem Fürsorgeministerium
oder beim Arbeitsministerium um Beihilfe zu Notstandsarbeiten
eingekommen sind, da hat man bei diesen Ministerien wohl Zusagen
bekommen. Das Fürsorgeministerium hat versprochen, mit einzutreten
und zu helfen, das Arbeitsministerium hat weitgehende, bindende
Zusagen gemacht. Die Erfüllung ist aber unterblieben, und
man hat dann bei diesen Ministerien mit einem Achselzucken erklärt,
daß der Herr Finanzmini ster kein Geld mehr hat. So lasten
Sie immer mehr Pflichten, die eigentlich dem Staaten gehören,
den Gemeinden auf, diese haben die Kosten zu tragen, die vor allem
in der Wirtschaftskrise zum Ausdruck kommen, die Kosten für
die verfehlte Außen-, Zoll- und Tarifpolitik.
Durch die jetzige Drosselung der Gemeinden
in ihrem Budgetrecht, ihrem Selbstbestimmungsrecht, in ihrer Finanzhoheit
werden die Gemeinden auf allen diesen Gebieten vollständig
lahmgelegt werden, sie werden versagen, und wenn in Zukunft das
eintritt, was bisher vermieden wurde, daß die notleidende
Bevölkerung in der Gemeinde von ihr in ihrer schwersten Not
nicht mehr geschützt werden kann, dann werden Sie Revolten
erleben, und die Ruhe, mit der Sie immer im Auslande prahlen,
die Sie als Beweis der inneren Konsolidierung anführen, wird
nicht mehr da sein.
Sie gehen aber noch weiter. Sie haben im §
8 eine Bestimmung aufgenommen, die wohl einzig in der Gesetzgebung
ist. Es könnte doch irgendeinen Gemeindefunktionär,
vielleicht den Vorstand, den Bürgermeister geben, der das
in ihn gesetzte Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen
versuchte, indem er den Wünschen und Bedürfnissen und
berechtigten Forderungen der Gemeindeinsassen, vielleicht auch
der Notleidenden, Rechnung tragen wollte, und in manchen Dingen
doch über den engen Rahmen, den Sie der Gemeinde ziehen,
hinausginge. Sie haben hier eine Formel gefunden. Sie machen diesen
Gemeindefunktionär, den Bürgermeister verantwortlich
dafür, daß er nur das tue, was Sie vorschreiben, nicht,
was unter Umständen die Gemeindevertretung als notwendig
erachtet und beschließt. Sie drohen allen jenen Gemeindevorständen,
den Bürgermeistern und Vorstehern, die nicht genau die Weisungen
der hohen Behörden erfüllen, die sich nicht genau an
den vorgeschriebenen Termin halten, die die Vorschriften nicht
genau befolgen, mit Einschränkung, mit Entzug der Entschädigungen,
die sie nicht vom Staate, sondern über Beschluß der
Gemeindevertretung bekommen, Sie drohen mit Ordnungsstrafen bis
5.000 Kronen, machen sie haftbar mit dem privaten Besitz für
alle diese Fehler, die sie nach Ihrer Meinung begehen. Sie gehen
noch weiter. Sie drohen mit der Enthebung des freigewählten
Gemeindefunktionärs vom Amte. Sie greifen hier mit brutaler
Hand in das Gemeindewahlrecht ein, in die Rechte der Gemeindeinsassen,
die sich ihren Bürgermeister, den Vorsitzenden des Gemeinderates
in freier Wahl gewählt haben. Diese Bestimmung ist nicht
im Wortlaute der ursprünglichen Vorlage gewesen, diese Verschärfung
ist dem Antrag der Regierungsparteien zu verdanken, und diesem
Antrag haben die deutschen Regierungsparteien und deren Minister
zugestimmt. Bedenken Sie, daß sich diese Maßnahmen
vor allem in schärfster Weise gegen die Bürgermeister
und Vorstände der deutschen Gemeinden richten werden. Denken
Sie, was Sie tun, Sie liefern hier Ihr Selbstbestimmungsrecht
aus, schaffen die Voraussetzungen für ein absolutes Regime,
wie es nie, selbst nicht vor 1848, bestand.