Hohes Haus! Die neue Gesetzvorlage über
die Bauförderung bedeutet aus mehrfachen Gründen gegenüber
früher einen Fortschritt vor allem bedeutet sie eine Abkehr
von der früheren Methode, den Steuergulden restlos zu plündern.
Die Auswirkungen des alten Gesetzes waren daher vom Standpunkte
der Staatsfinanzen und daher auch vom Standpunkte des Steuerträgers
verheerende. Vom Umsturze an bis Ende Mai 1926 betrug der Bauaufwand
4.644,680.000 Kronen, und die allein nur bis zu dieser allerersten
Zeit effektiv ausbezahlte Bauunterstützung erreicht 702,325.000
Kronen.
Das sind Ziffern, die meine Behauptung von
der ausgiebigen Ausplünderung der Steuergelder grell, aber
wahrheitsgemäß schon für diese Zeit beleuchten.
Und das Betrübendste dabei ist, daß diese Steuergelderausplünderung
ganz einseitig geschah und der Hauptleidtragende das flache Land
hiebei war, denn diese Gelder wurden einseitig für die Großstädte
und vor allem für Prag verwendet. Auch hier sind wir in der
Lage, dies mit amtlichen Ziffern zu belegen. Schon aus der Statistik
vor 11/2 Jahren erhellt, daß im zuständigen
Ministerium die Projekte für den Bau von 25.770 Häusern
mit 54.765 Wohnungen und mit dem damaligen Kostenaufwand von 4.000,621.000
Kè verhandelt wurden. Im Anschlag kam eine Zuwendung von
3.203,000.000 Kè. Und jetzt kommt das Allerbezeichnendste.
Von diesen Häusern und Wohnungen entfielen auf Groß-Prag
2103 Häuser mit 12.160 Wohnungen, und von der Subvention
von 3.203 Millionen entfielen auf die Hauptstadt Prag allein 1.124
Millionen, das sind sage und schreibe rund 25%. Das spricht Bände
und zeigt die Zurücksetzung des flachen Landes im klarsten
Lichte. Wir gönnen jedem sein Recht, das ihm gebührt.
Doch wollen wir andererseits nicht am flachen Lande das Aschenputtel
sein. Diese neue Vorlage wird nun diesem Mißverhältnisse
steuern, ohne daß die Großstädte Grund und Ursache
zu einer Beschwerde haben werden, da ja die Steuer- und Umlagenbefreiungen
ihnen ein entsprechendes und willkommenes Äquivalent bieten.
Trotz alledem ist natürlich die Behauptung
eines angesehenen Prager Blattes, daß diese Vorlage eine
eminente Bevorzugung des flachen Landes ist, ein offensichtlicher
Irrtum, eine Übertreibung. Nur haben wir allerdings durch
die Art der Aufbringung der Gelder und durch andere Bestimmungen,
die ich später anführen werde, wenigstens erreicht,
unser braves, sparsames und arbeitendes Landvolk vor einer weiteren
En gros-Ausbeutung zu bewahren.
Wir begrüßen dies daher vor allem,
daß der vorjüngste Gesetzentwurf zurückgezogen
wurde, denn er war unhaltbar und jede Partei sang ihm schon in
vorhinein das Sterbelied. Das neue Gesetz bedeutet auch dadurch
einen wesentlichen Fortschritt, daß es das Regreßrecht
des Staates und damit die Schonung des Steuergeldes festlegt.
Diese Verpflichtung ist, Gott sei Lob, im § 40 mit Berufung
auf alle staatlichen Bürgschaften, die aus dem § 34
erwachsen, festgelegt. Diesen Umstand buchen wir gut. Mit Steuenachlässen
und Umlagennachlässen und mit den anderen festgelegten Erleichterungen
wird die Baubewegung hemmungslos in Fluß gebracht, und der
Verband der Baumeister in Karlsbad sieht diesbezüglich seine
Wünsche in dieser Vorlage verwirklicht. Nach dem alten erloschenen
Gesetze ist der Tag der Rückforderung nicht festgelegt und
es sagt mir ein hervorragender führender amtlicher Fachmann,
daß zur endgiltigen Regelung dieser Sache ein eigenes Gesetz
werde erst geschaffen werden müssen. Heute bemerke ich diesbezüglich
bereits aß die verschwindend kleine Zahl von landwirtschaftlichen
und gewerblichen Abbrändlern, die seinerzeit mit kleinen
Beträgen bedacht wurden, von diesem Regreßrechte des
Staates aus sozialen und humanen Gründen unbedingt auszuschalten
wären.
Was die 35jährige, bezw. 25jährige
Befreiung der Neubauten von der Hauszins- und der Hausklassensteuer
und den Umlagen anbelangt, so trachteten wir, daß sämtliche
Steuerträger gleich behandelt werden, und natürlich
um so mehr jene, die ohne Staatsgarantie bauen.
Bei diesem Anlasse will ich auch betreffs der
Hausklassensteuer eine recht bedauernswerte Sache, deren Ursache
allerdings schon - meine Herren staunen Sie darüber nicht
- bis auf das Jahr 1839 zurückgreift, berühren. Viele
Vorschreibungen, betreffend die Hausklassensteuer, sind im Gebiete
der Sudetenländer insofern ungerecht, als der Hausbesitzer
de facto für mehr Hausbestandteile Steuer zahlt, als er hat.
Aus unserem Randgebirge könnte ich ein sehr reiches Material
zur Verfügung stellen. Alle diesbezüglichen Vorstellungen,
Rekurse und Einwände können bislang keinen Erfolg haben,
und muß es sich als nutzlos erweisen, als noch immer das
alte Hofkanzleidekret vom 27. April 1839, Z. 1338/Prov. Ges. Slg.
für Böhmen, Band 12, B. N. 119) Gültigkeit hat
und nur bei Durchführung eines Umbaues "wenn eine im
Evidenzhaltungswege zu berücksichtigende Änderung vorkommt",
heißt es dort eine Herabsetzung der Hausklassensteuer gewährt
wird. Unser Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung diesen
Standpunkt neuerlich sanktioniert. In dieser Sache wird es unsere
dankenswerte Aufgabe sein, Wandel zu schaffen, und dies umsomehr,
als ja ein so altes Hofkanzleidekret, das bereits verwelkt schien,
ein prähistorisches Instrument darstellt.
Die Bürgschaft des Staates kann nach §
39 für Darlehen bis zum Gesamtbetrage von 120 Millionen übernommen
werden. Diese 120 Millionen fließen natürlich in milder
Form diesmal wieder zurück, und dies umsomehr als ja aus
der aufflammenden Bautätigkeit 3 bis 4% der Baukosten im
Wege der Umsatzsteuer und ferner die Erträge der Baulosanleihe
hinzukommen.
Ferner begrüße ich, daß jeder
Private, der ein Familienhaus bauen will, auch mindestens 25%
Bargeld besitzen muß. Denn wenn er nicht dies mindestens
hat, so geht er ja restlos zugrunde. Solche Leute wollen wir vor
ihrem eigenen Unglücke bewahren, umsomehr, als dadurch ein
unleidliches Verhältnis in vielen Gemeinden und Familien
geschaffen wird. Ich wäre in der Lage, Ihnen eine reiche
Zahl solcher recht trauriger Fälle mitzuteilen. Um jeden
Preis bauen müssen, ohne sich finanziell in der Zukunft herausarbeiten
zu können, ist heller Wahnsinn durch den der Bauende die
eigene Familie schwer schädigt. In ihrer leichtherzigen Kurzsichtigkeit
huldigten viele dieser Leute - vielleicht teilweise unbewußt
- bisher dem Grundsatze: "Nach mir die Sintflut". Den
Enteignungsparagraphen betreffend konstatiere ich: "Wir haben
ihn nicht restlos geschluckt, wie er im alten Gesetz verstaut
war, sondern es fällt nunmehr auch das Wort eines landwirtschaftlichen
Sachverständigen ernst ins Gewicht. Überdies hat die
politische Behörde erster Instanz nunmehr auch die Verpflichtung,
schon bei der Ladung zur ersten Kommission in dieser Ladung zu
bemerken, daß alle Einwände schon bei dieser Kommission
vorgebracht werden müssen, da spätere Einwände
nicht mehr Giltigkeit haben. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.) Durch
diesen Umstand ist vorgebeugt, daß der Grundeigentümer,
wie bisher oft geschah, Schaden erlitt, da er es übersah,
seine Einwände rechtzeitig bei der ersten Kommission vorzubringen.
Kein Gebiet des Staates ist im Wohnhausbau so zurück wie
die Randgebirgsgegenden. Nicht die Haupt- und Großstädte
allein sollten ein Baumonopol für sich in Anspruch nehmen.
Kleinstadt und Dorf haben ein gleiches Anrecht auf die Bauförderung.
Wenn Sie unseren Worten etwa nicht Glauben schenken wollen, so
gehen Sie doch in unsere Böhmerwaldgrenzbezirke und überzeugen
Sie sich augenscheinlich über die Wohnhäuser unserer
Bauernschaft. Pflegen Sie diesbezüglich genaue statistische
Erhebungen. Wenn dies der Fall sein wird, dann wird man zur Einsicht
kommen, daß man nicht einseitig handeln darf, sondern umsomehr
die Randgebiete berücksichtigen muß, als es erwiesen
ist, daß in den Randgebieten die Wohnungsverhältnisse
unserer Landwirte und Gewerbetreibenden in den meisten Fällen
mindestens ebenso triste sind, wie in der Groß- und Mittelstadt.
Wie bauen wir, und wie baut die Großstadt? Wir haben hohe
Lokalbahnfrachten, weite stundenlange Zufuhren des Baumaterials,
daß die über unsere Gebirgssättel teuer zu stehen
kommen. Jeder Sack Kunstdünger, alles Baumaterial, jeder
kleinste Bedarfsartikel überhaupt wird durch diese Frachten
ins ungemessene verteuert ehe er an Ort und Stelle kommt. Was
die von den Lokalbahnen durchzogenen Gebieten betrifft, werden
dort die Baumaterialien deshalb wesentlich verteuert, weil bis
heute bei den Lokalbahnen die direkten Tarife mit den anderen
Bahnen nicht zur Anwendung kommen. Es wäre allerhöchste
Zeit, daß dies endlich erfolgt. Verheißen wurde es
schon lange. Tausende und Abertausende werden dadurch der Landbevölkerung,
die an den Lokalbahnen siedelt, entzogen. Der Herr Eisenbahnminister
kann durch beschleunigte Durchführung dieser Sache die Landbevölkerung,
Bau- und Gewerbetreibenden sich verbinden.
Natürlich rufen wir auch heute schon nach
einem beschleunigten Fall des Mieterschutzes. Acht Friedensjahre
liegen hinter uns und noch immer ist die schwere Ausnahmsgesetzgebung
des Krieges nicht restlos abgebaut. Der Wohnungsbeirat hat bereit
im Jahre 1924 erklärt, daß das größte Hemmnis
der Bautätigkeit die Ausnahmsgesetze sind, und damals forderte
bereits der Wohnungsbeirat die Gleichstellung des Zinses der Althäuser,
mit dem Zinse der neuerbauten Häuser. Diese Forderung des
Wohnungsbeirates fand jedoch nicht die entsprechende Berücksichtigung.
Der Hausbesitz - und ich habe hier wieder vor allem die Verhältnisse
der Landstädte und des Dorfes vor Augen - ist heute eine
Last. So mancher glaubte auf seine alten Tage von dem Zinsenertrag
seines Hauses in bescheidenem Maße wenigstens teilweise
sein Leben fristen zu können und muß nun an der Schwelle
des Alters angelangt, eine schwere Enttäuschung erfahren.
Es ist deshalb leicht erklärlich, daß der Hausbesitzer
infolge des Versagens der nötigen Barmittel nicht in der
Lage ist, seine Häuser in entsprechendem Zustand zu erhalten.
Viele Häuser verfallen total. Eine Fachenquete, die den Zustand
mancher Althäuser festzustellen hätte, würde ein
erschreckendes Material zutage fördern. Hier sollte in allererster
Linie die Enquetenmanie eingreifen, die überall in kleinlichen
Fällen eingreift, aber nur nicht hier, in diesem schwerem
Falle. Es ist nicht zutreffend, daß der rasche Abbau des
Mieterschutzes zu Wuchermietzinsen führen würde. Ganz
im Gegenteil, wir haben es ja bei der Aufhebung der gebundenen
Wirtschaft der landwirtschaftlichen Artikel erlebt, daß
in dem Momente, als die gebundene Wirtschaft aufgehoben wurde,
nicht nur normale Verhältnisse eintraten, sondern daß
ganz gegenteilig in weiterer Folge selbst eine unleidliche Entwertung
eintrat. Ein gleiches ist auch bei anderen gleichen Abbauaktionen
zu gewärtigen und überdies würde in diesem Falle
die Baulust einen neuen Anreitz erhalten. Ein klassischer Beleg
ist hiefür Italien. Die Mietergesetzgebung des Krieges ist
dort abgebaut, es blieben die gefürchteten Erschütterungen
aus, im Wege von Angebot und Nachfrage regelte sich die Sache
spielend. Es ist daher ganz unverständlich, wie von einigen
Seiten verlangt wird, wir erhielten gedruckte Zuschriften, den
Mieterschutz sage und schreibe bis zu Ende des Jahres 1944 festzulegen.
Ein solches Zwangsverbot würde sich der landwirtschaftliche
und gewerbliche Hausbesitzer niemals bieten lassen und dies mit
Recht. Die Häuser wurden seinerzeit nicht errichtet, um einer
Robott zu verfallen. Bescheiden sind jene, die dies verlangen,
gerade nicht, und wenn die Herren schon unsere kleinen Hausbesitzer
des flachen Landes weiter knechten wollen, so wäre es ja
schon einerlei, ob man sich das übertriebene Verlangen bis
1944 leistet, oder vielleicht gleich anstatt 17 Jahre gleich 50
Jahre beantragt, und diesen Überschuß als ein sozialpolitisches
Dogma erklärt. Solche Anträge sind mit dem Fluch der
Lächerlichkeit belastet und wir brauchen daher den Stab über
sie gar nicht zu brechen. Jede Übertreibung fällt, ohne
daß man überhaupt gegen sie ankämpft, in sich
zusammen.
In Anschlag kommt ferner auch die Schwierigkeit
bei der Beschaffung von Hypothekarkredit. Unter der großen
Gedknappheit haben insbesondere unsere deutschen Kreditinstitute
zu leiden, so daß unsere Sparkassen, auch wenn sie wollten,
nicht in der Lage sind, allseits helfend einzustehen. Das Thema
Schluckenau empfehle ich dem Herrn Finanzminister. Zu dem baut
ja der Staat - durch höher verzinsliche Papiere den Sparkassen
das Feld ab und können diese ja auch aus Mobilitätsgründen
nicht ihren gesamten Einlagestand in Hypothekardarlehen festlegen.
Aus diesen ungünstigen Verhältnissen heraus konnten
die deutschen Sparkassen nur 86 Millionen für Kredite flüssig
machen. Die Waisenkassen waren mit 19 Millionen beteiligt, während
die allgemeine Pensionsanstalt 157,7 Millionen in Form von Hypothekarkrediten
und 165,5 Millionen in Form von Kommunaldarlehen zur Verfügung
stellte. Es ist deshalb nur zu begrüßen, wenn der Reichsverband
der deutschen Baugenossenschaften ein eigenes Geldinstitut, die
gemeinsame Wohnungsfürsorgeanstalt, ins Leben gerufen hat,
welche Anstalt durch Sammlung eigener Kapitalien und durch selbständige
Gewährung von Bauunterstützungen eingreifen will.
Insbesondere wären auch die landwirtschaftlichen
Kreise zu berücksichtigen und unseren landwirtschaftlichen
Genossenschaftsverbänden größere staatliche Begünstigungen
zu gewähren, damit sie der Frage der billigen Kreditgewährung
für ländliche Bauzwecke endlich näher treten könnten.
Im Gesetze haben wir ja verschiedene diesbezügliche Berücksichtigungen
der Landwirtschaft und des Gewerbes erreicht und auch unsere Lagerhäuser
haben dabei sehr gut abgeschnitten und wir wollen diese Verbesserung
des Gesetzes restlos auch nach dieser Richtung hin anerkennen.
Alles in allem bedeutet das neue Baugesetz
einen Fortschritt, da die verschiedenen Steuern, Umlagen und anderen
vielen Erleichterungen den weitesten Kreisen zugute kommen und
die hiefür mobil gemachten öffentlichen Mittel nicht
wahllos verschleudert werden. Deshalb werden wir im Interesse
der Landwirtschaft und des Gewerbes und im Interesse aller Steuerträger
für dieses Gesetz stimmen, denn es ist endlich einmal ein
Gesetz, bei dem Vernunft, Sparsamkeit und dabei auch Weitsicht
Paten gestanden sind. Wir stimmen darum geschlossen pro und knüpfe
ich den Wunsch daran, daß die sozialpolitische Gesetzgebung
stets ähnliche Wege wandeln möge, wie sie in diesem
Gesetze zum Ausdruck kommen. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Die Vorlage, welche
wir heute als Gegenstand der Tagesordnung beraten, ist herausgewachsen
aus der Notwendigkeit, eines der größten sozialen Übel
der Gegenwart zu beachten. Sie stellt den Versuch dar, diesem
Übel zu steuern, seine Folgewirkungen einzuschränken:
dem Übel der Wohnungsnot. Es ist heute mehr als in der Zeit
unmittelbar nach dem Kriege zu einer die ganze Volksgestaltung
verheerend beeinflussenden Höhe gestiegen, welche sich dem
vorausschauenden Sozialpolitiker und Volkswirtschaftler gleichmäßig
in ihrem Endergebnis schreckhaft aufzeigt. Die durch die Wohnungsnot
bedingte Verelendung des Familienlebens, der Umstand, daß
ein solches durch die Verhältnisse vielfach überhaupt
unmöglich gemacht wurde, die Tatsache des Zusammengepferchtseins
von unnatürlich viel Menschen in unzulänglichen Räumen
hat die fundamentalste Wohnfunktion der Fortpflanzung gestört
und schon gegenwärtig ungeheuere Abgänge im Bevölkerungssatze
hervorgerufen, wie die geschilderten Einzelheiten ja auch der
Grund sind oder zumindest einen der Hauptgründe darstellen
für den tiefen seelischen, geistigen und sittlichen Verfall
eines Großteils des Volkes. Es gibt immer noch Menschen,
die darüber hinwegschauen. Der Sozialpolitiker und Volkswirtschaftler
sieht, ich wiederhole mich, die grauenhaften Wirkungen des Wohnungselends
in seinem Endergebnis. Stünden mir Statistiken für das
Übel hierzulande zur Verfügung, ich würde das Gesagte
beweisen. Sie fehlen mir leider. Aber es sind die Verhältnisse
in der Èechoslovakei nicht anders als zum Beispiel in Deutschland.
Aus den Statistiken Deutschlands wird nachgewiesen, daß
aus Gründen der unzulänglichen Wohnungsverhältnisse
jährlich Hunderttausende an Tuberkulose starben,
Tuberkulose, die sich in den von Massen bewohnten Häusern,
in denen diesen Massen kaum ein Bruchteil jener Luft wird, die
sie zur Erhaltung ihrer Gesundheit nötig haben, ungeheuer
verbreitet, so daß hieraus über die genannte Größe
der Folgewirkung eine Katastrophe für ein ganzes Volk reifen
kann. Die Verbrechen gegen das keimende Leben steigern sich mit
unheimlicher Schnelligkeit und wir gehen nicht fehl, wenn wir
auch diese Erscheinung zum Großteil darauf zurückführen,
daß sich durch die Wohnungsnot ein Familienleben eben nicht
ausleben kann. Nach den mir vorliegenden Statistiken betrugen
im Jahre 1913 die Fruchtabtreibungen in Deutschland 300.000, im
Jahre 1923 soll die Zahl der Fruchtabtreibungen 500.000 erreicht
haben heute soll sie eine Million betragen. Ich erwähne das
aus dem Grunde, um an diese Zahlen die Behauptung anzufügen,
daß die Zustände in der Èechoslovakei
dieselben sind. Schauen Sie nur in unsere Verhältnisse. Sie
haben große Gemeinden, in denen in den letzten Jahren kaum
eine oder einige Geburten zu verzeichnen waren. Fast zeigen sich
die Verhältnisse bei uns noch schärfer auf, als in Deutschland.
Und es ist so, daß diese schreckhaften Erscheinungen im
Volke zum größten Teil auf das Wohnungsübel zurückzuführen
sind, daß durch dasselbe aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
herabgedrückt wird, die seelische und sittliche Veranlagung
verfällt. Das erheischt die ganze Aufmerksamkeit der verantwortungsvollen
Öffentlichkeit. Seit Jahr und Tag haben wir dieselbe aufgerufen,
haben wir auch wieder die letzte Zeit versucht, diese Aufmerksamkeit
neuerdings stärker zu machen. Ich erinnere nur daran, daß
alle Beratungen meiner Partei, welche die letzte Zeit stattfanden,
sich mit dem Wohnungsproblem beschäftigten, ernst, sachlich,
frei von aller Demagogie, wie einzig und allein das Problem im
Interesse der Gesamtheit seine Lösung finden kann. Das Suchen
nach Wegen, aus der Wohnungsnot herauszukommen, beschäftigte
uns bis herauf zu unserem Parteitag vom 6. Feber 1927. Wir freuten
uns, ich darf das hier feststellen, daß unser ununterbrochenes
Fordern nach endgültiger Verabschiedung eines Wohnbaugesetzes
nicht ungehört blieb, daß sich die Regierung bemühte,
die Materie in Fluß zu bringen. Das stelle ich zunächst
einmal fest, ohne damit meine Kritik an der Regierungsvorlage
selbst einzuschränken. Wir freuten uns nur überhaupt,
daß es möglich gewesen war, dem Probleme nach so langer
Zeit auch seitens der Regierung wieder nähergerückt
zu sehen und wir gaben nebst der Freude auch der Hoffnung Raum,
daß es möglich sein würde, in gemeinsamen, objektiven
Beurteilungen der Beweggründe und Ursachen der Wohnungsnot
die rechten Mittel zu ihrer Abhilfe zu finden. Mit Demagogie kann
hier nicht gearbeitet werden, mit einseitiger Betrachtung desgleichen
nicht. Die Frage ist so sehr eine Frage der Gesamtheit, der Gesellschaft,
ihrer Grundlagen, daß diese Gesamtheit, diese Gesellschaft
nur in Abwägung der gemeinsamen Interessen vorwärtstreiben
kann. Es kann hier, weniger wie bei allen anderen Problemen die
Befriedigung eines materiellen Interesses des Einzelnen einen
Ausweg bedeuten. Es darf nicht der Fall sein, daß eine spekulative
Einstellung die Arbeit an der Lösung dieses Problems beeinflußt.
Wir werden erbitterte Gegner jeder unsachlichen, demagogischen
oder materiell beeinflußten Arbeit an der Lösung des
Problems sein.
Also eine Gesetzestätigkeit, die den Doktrinen
der sozialen Einsicht nach allen Seiten hin, nach denen sie geübt
werden müssen, Rechnung trägt, wollen wir. Das künftige,
die Wohnungsfrage abschließend regelnde Baugesetz muß
so gehalten sein. Leider ist das nicht der Fall beim vorliegenden
Gesetze.
Wir wissen ganz genau den Nutzen zu erkennen,
der in absehbarer Zeit hieraus fließen wird, wenn wir über
die uns vorliegende Regierungsvorlage hinaus zu einem wirklich
tragbaren Baugesetze kommen. Als wir nach dem Jahre 1924 in das
leider vielzulange bestandene ex lex-Verhältnis auf dem Gebiete
der Wohnungsgesetzgebung geraten sind, sahen wir, je länger
dieses Verhältnis dauerte, umsomehr das Ersterben dessen,
was sich an respektabler Bemühung, der Wohnungsnot Herr zu
werden, etwa in den Jahren 1920 bis 1924 aufgezeigt hatte. Damals
war ein Baugesetz Grundlage gewesen, das gewiß gleichso
wie die heutige Regierungsvorlage ein Baugesetz im ungenügenden
Umfange darstellte, aber es war eben doch eine Grundlage, auf
der dann hätte aufgebaut werden müssen, anstatt sie
verkümmern zu lassen. Damit hat man doch nur verschuldet,
daß die Jahre 1925, 1926 verlorene Baujahre geblieben sind.
(Sehr richtig! - Výkøiky posl.
Patzela.)
Wir wollten im besonderen, daß das Jahr
1927 nicht in die Rolle seiner beiden Vorgänger verfällt.
Wir wollten, anstatt das Jahr 1927 zu einem verlorenen Baujahre
werden zu lassen, dieses Jahr zu einem entscheidenden Baujahre
machen mit einem Generalangriff gegenüber der Wohnungsnot.
Wir ließen uns, als wir über diese Gedanken in unseren
Beratungen, vielfach auch in der - Presse uns verbreiteten, von
der Absicht leiten, die Èechoslovakei gleich jenen Ländern
fürsorglich werden zu lassen, die das
Jahr 1927 zu einem solchen Angriff gegen die Wohnungsnot benützen.
Wir riefen deshalb rechtzeitig nach einem die gesamten Einzelheiten
des Wohnbauproblems umfassenden Baugesetze. Ich verweise in diesem
Zusammenhange auf die außerordentlich planmäßige
Tätigkeit unseres großen Nachbarstaat Deutschland.
Ich habe mir vor Kurzem in zwei Bundesstaaten desselben über
die Baupläne, welche dieselben für das Jahr 1927 sich
zurechtgelegt haben, berichten las en und erfuhr, daß Preußen
ein Bauprogramm für 1927 beschloß, nach dem in diesem
Jahre 150.000 bis 200.000 Wohnungen erstellt werden. Bayern hat
durch seinen Landtag seiner Regierung einen Antrag unterbreitet,
nach de zur Fortführung des Wohnungsbaues im Jahres 1927
37.2 Millionen Mark d. s. rund 300 Millionen Kronen
bewilligt werden, von welchem Betrage die Gewährung von staatlichen
Wohnbaudarlehen und sogenannten Arbeitnehmerdarlehen zur Errichtung
von Arbeiterwohnungen 33 Millionen Mark ausmachen. Das leisten
die bei den größten Bundesstaaten als Länder.
Die private Initiative läuft, unterstützt durch gutbedachte
Bauförderungsgesetze parallel mit der öffentlichen Bautätigkeit.
So wird es Deutschland möglich, gewaltige Teile des Wohnungsproblems
zu lösen und immer näher in jene Zeit zu rücken,
in der normale Zustände auf dem Wohnungsgebiete erstehen.
Vielleicht ist es notwendig, daß wir hiebei bemerken, daß
die Bautätigkeit in Deutschland seit dem Umsturze, ja selbst
in der traurigen Inflationszeit eine bewunderungswürdige
Planmäßigkeit aufwies. Das beweist am besten die Zahl
jener Wohnungen, die in Deutschland seit den Umsturztagen zum
Zwecke der Lösung der Verhältnisse geschaffen worden
sind. Es sind in Deutschland seit dem Umsturze aus öffentlichen
Mitteln bereits 1 Million Wohnungen, freilich zum Teil Notwohnungen
geschaffen worden.
Wir dürfen nicht sagen, daß bei
uns keine Einsicht gegenüber dem Notzustand bestanden hätte.
Nein, im Gegenteil, es ist auch bei uns manches getan worden.
Was die Gemeinden und die Bezirke auf dem Gebiete des Wohnungsbaues
bisher leisteten, das gereicht diesen Verwaltungseinheiten zur
Ehre, was gleicher Art in Erkenntnis ihrer Pflichten zur Unterstützung
des Wohnungsbaues die Sparkassen und sonstige Hypothekarkreditinstitute
trotz ihres oftmals schwer geschädigten Zustandes - ich verweise
nur auf die ihnen durch das Kriegsanleihegesetz zugefügten
Schäden - getan haben, ist lobenswert. Was der Staat an Hilfe
gab, ist nicht unbedeutend, wenngleich diese Hilfe unserer Meinung
nach nicht immer gleichmäßig und gerecht verteilt wurde.
Also es ist auch bei uns Arbeit geleistet worden. Das sei ebenso
festgestellt wie die bestandene Möglichkeit eines noch viel
weiter gehenden sozialen Wirkens bei gleicher Hilfeleistung wie
der angeführten durch andere Faktoren, z. B. Banken, Arbeitgeber.
Ich komme jedoch hierauf noch ausführlich zu sprechen.
Die Anerkennung der Tätigkeit von Staat,
Ländern, Bezirken und Gemeinden, die Anerkennung der durch
die Sparkassen geleisteten Arbeit schließt jedoch eine Kritik
dieser Arbeit nicht aus. Was wurden bei allem guten Willen für
Fehler gemacht? Die müssen wir kritisch beleuchten, da meine
ich: Unsere Bautätigkeit erfolgte zu sehr bürokratisch.
Die Absicht, welche etwa durch ein geltendes Gesetz sich aussprach,
war keine schlechte, aber in der Durchführung wurde oftmals
der gute Kern des Gesetzes erschlagen. Wenn es in Hinkunft zur
Förderung und Begünstigung des Wohnungsbaues kommen
soll, auch nur in dem bescheidenen Ausmaße, wie das durch
das vorliegende Gesetz möglich ist, dann erachten wir für
notwendig, daß jede Förderung und Begünstigung
automatisch gewährt wird, ohne hemmende bürokratische
Handlungen. (Souhlas na levici. - Výkøiky
posl. Krebse.) Gerade durch die Umständlichkeit
des bürokratischen Verfahrens ist bei uns von vornherein
ein Großteil der Mittel erschöpft worden, die zur Verfügung
standen. Aus dieser Umständlichkeit müssen wir heraus,
das gehört zur Betriebswirtschaftlichkeit. Wenn ich von der
Wirtschaftlichkeit des Bauens spreche, könnte ich in weiterer
Weise auch auf Methoden dieser Wirtschaftlichkeit verweisen, welche
von anderen Staaten geübt werden. Die Praxis eines rationellen
Bauverfahrens, wie sie in England, in Schweden und in Deutschland
geübt wird, muß auch hierzulande geübt werden.
Ich habe schon im sozialpolitischen Ausschuß bei der Behandlung
der Regierungsvorlage über die Bauförderung darauf verwiesen,
daß wir durch die Nichtbeachtung der auf diesem Gebiete
durch andere Staaten gemachten Erfahrungen um einen großen
Teil des Erfolges unserer Arbeit wie der Ausgabe unserer Mittel
gekommen sind. Wir haben schätzungsweise seit dem Umsturze
in der Èechoslovakei 4 Milliarden Kronen für Wohnungsfürsorge
ausgegeben und damit keineswegs jenen Nutzen gestiftet, der mit
diesem Betrage hätte gestiftet werden müssen. Es ist
also sehr berechtigt, wenn ich an der Umständlichkeit
unseres Bauverfahrens Kritik übe. Diese Kritik enthält
die Absicht, die das Gesetz durchführenden Organe zur Beachtung
aller Einzelheiten an Erfahrung zu zwingen die nicht nur bei uns
sondern irgendwo gemacht wurden.
Ich habe mir vorgestellt, daß der Typenbau
uns außerordentliche Ersparnis brächte. Seine Ablehnung
kann nicht begründet werden mit dem Hinweise auf 2 oder 3
mißglückte Versuche. Mir erscheint zum Zwecke der augenblicklichen
Hilfe das rationelle und ich will ganz deutlich sein, billige
Bauen nicht ganz entbehrlich. Man hat gemeint, daß ein billiges
Bauen keineswegs das billigste Bauen sei. Die zu erstellenden
Häuser müssen ihre bestimmte Lebensdauer haben und die
sei mindestens 2 oder 3 Generationen. Wir sind anderer Meinung.
Wir sehen im Augenblicke Hunderttausende Menschen in Not. Für
diese Menschen muß schnelle Hilfe geleistet werden. Es muß
an die massenweise Herstellung von Häusern geschritten werden,
die, wenn sie auch nicht 3 Generationen Wohnungsmöglichkeit
bieten, dennoch einer Generation, der lebenden, den physischen
und geistigen Verfall erspart. Wir haben uns darüber nicht
täuschen lassen, daß die Bautätigkeit der Èechoslovakei
eine solche ist, daß sie das Problem der Hilfe für
die gegenwärtige Generation nicht zu lösen
imstande ist. Ich habe in meinem seinerzeitigen Antrage auf Schaffung
von Einfamilienwohnhäusern für die Arbeiter der Industrie
und Landwirtschaft Zahlen genannt, welche für unsere Bautätigkeit
maßgebend sein müßten und ich glaube behaupten
zu können, daß ich auch Wege aufzeigte, die, wenn sie
gegangen worden wären, den erwähnten Antrag keineswegs
eine Utopie hätten bleiben lassen. Wir müssen aus unserer
Beengtheit heraus, wir müssen uns anschicken mit etwas mehr
Großzügigkeit dem Problem gegenüber zu stehen.
Ich sage das, ohne die Mittel außer acht zu lassen, die
uns zur Verfügung stehen. Meine Darlegungen geschehen ja
eben zum Zwecke des Beweises, daß selbst mit den vorhanden
gewesenen Mitteln und den weiter zur Verfügung gestellten
anderes geleistet hätte werden können - was geleistet
werden könnte - als geleistet wurde.