Die erste Etappe ist die Sicherung des Koburgschen
Großgrundbesitzes in der Slovakei vor der Bodenreform und
für die angeblich slavische Linie des Hauses Koburg. Es gibt
in der Koburgschen Sippe zwei politische Linien. Die eine neigt
zur habsburgischen Politik, denn eine Schwester Friedrich Habsburgs
ist eine Koburgerin, und zu dieser Linie gehört Josias Koburg,
sozusagen der ungarische Koburger. Die zweite Linie neigt zur
hohenzollerschen Politik, und zu ihr gehört Cyrill Koburg,
genau so, wie sein Vater, der gewesene bulgarische König
Ferdinand zu ihr gehörte. In der Slovakei starb nun der alte
Anhänger Österreichs Philipp Koburg und setzte als Erben
seines Vermögens im Gesamtwerte von etwa 520 Millionen
Kè seinen Neffen und politischen Parteigänger Josias
ein. Dieses Vermögen besteht aus einem gewaltigen Herrschaftsbesitz
mit 90.000 Hektar Wald und mehr als 20.000 Hektar landwirtschaftlichen
Bodens im Bereiche von neun Gerichtsbezirken
und mit sechs Schlössern. Derartige Riesenvermögen an
Grund und Boden sind möglich in einer demokratischen Republik,
in der angeblich eine Bodenreform durchgeführt und der Großgrundbesitz
abgeschafft wurde. Nun wollte aber die andere, die Hohenzollern'sche
Linie der Koburger, die durch Cyrill vertreten wird, diese ungeheure
Erbschaft nicht kampflos preisgeben. Cyrill verschaffte sich zur
Durchführung dieses Erbschaftsstreites den weltbekannten
ehemaligen Rechtsfreund des Habsburgischen Hofes, den Wiener
Advokaten Bachrach, und dieser wandte sich an Dr. Eisler in Prag
mit der Anfrage, ob er so viel politischen Einfluß und solche
Verbindungen habe, um durchzusetzen, daß in das èechoslovakische
Gesetz über das Fideikommiß, das im Entstehen begriffen
war, ein Absatz eingeführt werde, durch welchen das Testament
für die Koburger auf unauffällige Weise ungültig
gemacht und so nicht Josias, sondern Cyrill die 520 Millionen
Erbschaft zugesprochen erhalte. Dr Eisler erklärte sich bereit,
die Sache zu machen. Er erhielt für diesen Zweck 10
Millionen Kè, den Dr. Steiner und die Abenteurerin Frau
Einem als Macher zur Verfügung. So konnten die politischen
Intriguen nun beginnen.
Im Früjahr 1924 kam auf Eislers Aufforderung Cyrill Koburg
nach der Èechoslovakei, wo er sich als Graf Sokolsky aufhielt,
denn die Gesetze und Meldevorschriften gelten bekanntlich für
solche Individuen nicht. Nach vorher durchgeführten Interventionen
Dr. Eislers besuchte Cyrill die Mitglieder der damaligen "Pìtka"
der Koalition. Sein Besuch galt in erster Linie
dem Dr. Kramáø, bei dem er zusammen
mit dem bulgarischen Gesandten Mihalèev war. Dr. Kramáø
machte dem Cyrill bestimmte Versprechungen,
und dieser ging nun mit Eisler zu anderen Politikern, wobei sie
jedem das versprechen, was er sich wünschte. Den Agrarien
und Sozialdemokraten versprach Cyrill eine Unterstützung
der oppositionellen Bewegung der Agrarpartei Stambolijskis und
der bulgarischen Sozialdemokraten, dem Herrn Beneš eine
vorteilhafte Intervention in der Angelegenheit des èechoslovakisch-bulgarischen
Vertrages, den Nationaldemokraten die Entfernung der Magyaren
von den Koburgschen Gütern und ihre Ersetzung durch èechische
Elemente, vor allem aber versprach Cyrill allen Politikern Posten
als Direktoren, Inspektoren, Verwalter und
Waldheger für ihre politischen Parteigänger und Bekannten.
Wer Geld haben wollte, dem wurde die Tasche vollgestopft, was
besonders bei der Gewinnung der bürgerlichen Presse eine
Rolle spielte. So wurde auf diese Weise für Cyrill Koburg
als slavischen Prinzen eine große Kampagne durchgeführt
und das große Versprechen wurde auch wirklich erfüllt.
In das Fideikommißgesetz, das schon fertig war, wurde zum
§ 2, Abs. 3, ein Satz eingeführt, durch welchen diesem
slavischen Prinzen die Kleinigkeit von 520 Mill. zugeschanzt werden
sollte. Das Gesetz über das Fideikommiß wurde vom Abgeordnetenhause
am 26. Juni 1924 angenommen. Einige Minuten vor der Abstimmung
über den ursprünglichen Gesetzentwurf auf Grund des
Ausschußberichtes wurde ein Antrag der Abgeordneten Lukavský
(Nationaldemokrat), Marek (Sozialdemokrat), Slavíèek
(èechischer Nationalsozialist), Nosek
(Christlichsozialer) und Stanìk
(Agrarier) auf Einfügung des erwähnten Zusatzes eingebracht.
Das Abgeordnetenhaus war darüber überhaupt nicht unterrichtet,
die juristische Stilisierung des einzufügenden Satzes wurde
nicht beachtet und die Abstimmungsmaschinerie der Koalition sorgte
für die mechanische Annahme des Antrages. Das geschah im
letzten Augenblick vor der Abstimmung und an dem Tage, an welchem
das Abgeordnetenhaus auf Sommerferien ging. Diese Arrangement
zeugt von der besonderen Raffiniertheit, mit welcher die Arrangeure
vorgingen. Es muß nun untersucht werden, wer der eigentliche
Urheber dieser lex Cyrill ist. Wir können uns nur an die
Antragsteller, die Abgeordneten Lukavský, Marek,
Slavíèek,
Nosek und Stanìk, ferner an die "Pìtka"
und die "Desítka", den Fünfer- und den Zehnerausschuß
der Koalition, halten. Aber auch wenn man zugeben will, daß
die Antragsteller überhaupt nicht wußten, worum es
sich bei diesem Antrage handelt, was zwar ihrer
Ehre, aber nicht ihrer politischen Fähigkeit und ihrem Verantwortlichkeitsgefühl
ein Alibi ausstellt, so können wir dasselbe doch nicht bei
den Mitgliedern des Fünfer- und Zebnerausschusses voraussetzen,
in welchen beiden Ausschüssen diese Angelegenheit doch verhandelt
werden mußte und die infolgedessen ganz klar wissen mußten,
um was es sich handelte. Infolgedessen mußten auch die in
der "Pìtka" und "Desítka"
vertretenen èechischen Sozialdemokraten und Sozialisten
davon wissen und sie tragen dafür die volle Verantwortung.
Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Führer der èechischen
Sozialdemokraten Dr Alfred Meissner,
der doch vor allem der Führer der Partei im Koalitionsausschuß
und ihr Fachmann für juristische und Verfassungsfragen war,
diese Angelegenheit nicht bis in die Einzelnheiten gekannt haben
sollte. Daher ist die Aufregung der èechischen Sozialdemokraten
darüber, daß Meissners Name
im Zusammenhang mit dieser ersten Phase der Affäre genannt
wurde, nur eine Heuchelei. Und in dieser ersten Phase handelt
es sich um einen ungeheuerlichen Fall politischer Korruption im
Bereiche der Gesetzgebung. Das sogenannte demokratische Parlament
der Èechoslovakischen Republik hat sich dazu hergegeben,
einem abenteuernden Prinzen einen 520 Millionen-Liebensdienst
zu erweisen, anstatt dieses ganze Riesenvermögen gänzlich
zu beschlagnahmen.
Nun aber kommen wir zur zweiten, noch schmutzigeren
Etappe dieser Affäre. Kurz nach den vorjährigen Wahlen
in die Nationalversammlung verhandelte Švehla mit
den slovakischen Klerikalen über den Eintritt in die Regierung.
Dieselben waren zwar zu Verhandlungen bereit, stellten aber als
erste Bedingung die Beseitigung des damaligen Unterrichtsministers
Milan Hodža, den
sie als ihren Hauptkonkurrenten in der Slovakei betrachten und
mit dem sie gerade wegen der Wahlen abrechnen wollten. Hodža
hatte aber gerade damals die ersten Schritte
unternommen, un seinen Wunsch, Außenminister zu werden,
zu verwirklichen. Infolgedessen lag ihm daran, die slovakisch
en Klerikalen zu besänftigen. Er ließ sich mit ihnen
durcheinen Mittelsmann in Verhandlungen ein und ließ ihnen
sagen, daß die Feindschaft zwischen ihm und ihnen auf einem
Mißverständnis beruhe und daß er bereit sei,
ihnen in allem entgegenzukommen. Sie sollten sich daher in allen
ihren Anliegen gegenüber der Regierung nicht an Švehla,
sondern an ihm wenden. Diese Versprechungen kamen den slovakischen
Klerikalen sehr zu recht, denn ihre Einrichtungen und Unternehmungen
befanden sich in großer Geldnot und Hlinka rüstete
sich gerade zur Reise nach Amerika, um dort Geld aufzutreiben.
Als es während der Verhandlungen zwischen Hodža
und den slovakischen Klerikalen zu konkreten
Formulierungen kam und Hodža infolgedessen
fragte, was sie in erster Linie brauchen, antworteten ihm die
Vertreter der slovakischen Klerikalen: "Vor allem müssen
unsere Leute zu essen kriegen". Diese allgemeine Bemerkung
nahm schließlich die konkrete Form an, daß die slovakischen
Volksparteiler 2 Millionen Kè brauchen, Hodža
versprach ihnen, daß er das Geld
binnen 2 Tagen verschaffen werde. Aber auch nach 6 Tagen konnte
er sein Versprechen noch nicht einhalten. Als die Hlinka-Leute
mit der Unterbrechung der Verhandlungen drohten, vereinbarte Hodža
mit Dr Eisler daß dieser die zwei
Millionen den slovakischen Klerikalen auszahlen wird und daß
Hodža dem Eisler dafür
in seiner Rechtsangelegenheit alles tun werde, was politisch notwendig
ist.
Eisler kam jedoch mit seinem Mandanten Cyrill
Koburg übers Kreuz. Infolgedessen erhielt er von ihm nicht
das versprochene Honorar und er forderte daher von Hodža
die Rückgabe jener zwei Millionen,
wobei er schließlich nicht mit Unrecht bemerkte, wieso er
denn als Jude dazu komme, den slovakischen Klerikalen aus seiner
eigenen Tasche Geld zu geben. (Veselost. Výkøiky
posl. Hlinky a posl. komunistických.) Aber
Hodža hatte das Geld nicht
und durch Eislers Drängen wurde seine Lage verzweifelt. In
dieser Bedrängnis erinnerte sich Hodža an
die bekannten Praktiken der mittelalterlichen Machthaber, welche
ihre jüdischen Gläubiger, wenn sie ihnen allzu unbequem
wurden, einfach ins Loch stecken ließen. Die Folge dieser
historischen Reminiszenz des Herrn Ministers Hodža
war, daß Eisler unter dem Verdacht
der Erpressung eingesperrt wurde. Dabei wurde ihm bedeutet: "Wehe
Dir, wenn Du einen einzigen politischen Namen nennst". Und
Eisler, der ganz gut weiß, daß sein Schicksal nicht
von den Gesetzen und Richtern, sondern von der Regierung Švehla
und den einflußreichen Politikern abhängt, pariert
aufs Wort. Aber bei der Hausdurchsuchung in Eislers Wohnung wurde
von der Polizei Eislers Tagebuch beschlagnahmt, in welches er
alle Unterredungen mit Politikern und alle Versprechungen derselben
mit großer Genauigkeit aufzuzeichnen pflegte. Dieses Tagebuch
ist jedoch auf der Polizei im Bureau des Ministerialrates Knotek
verloren gegangen. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn wir
wissen ja aus dem letzten Prozeß Soukup kontra "Rudé
Právo", daß auch auf dem Wege von der Kanzlei
des Präsidenten der Republik zum Ministerratspräsidium
ganze Akten verloren gehen können. Dieses Verlorengehen des
Tagebuches Eislers zeigt, auf welche Art die ganze Affäre
untersucht wird. In unserer Presse wird von der Zensur willkürlich
und gesetzwidrig alles unterdrückt, was geeignet wäre,
in diese widerliche Korruptionsaffäre Klarheit zu bringen.
Nicht weniger interessant ist, daß die
sogenannte Baronin Einem und der Wiener Journalist Steiner aus
der Untersuchungshaft entlassen und ihnen die Abreise ins Ausland,
wo sie unschädlich sind, ermöglicht wurde. Der Name
der Baronin Einem, einer 40jährigen Dame jener eleganten
Welt, in der man sich nicht langweilt, ist schon vom Weltkrieg
her bekannt. Sie war damals schon die Vertraute verschiedener
europäischer Höfe, Regierungen und hochadeliger
Kreise, von denen sie für verschiedene diplomatische Verbindungen
und Intriguen benützt wurde. Als Cyrill Koburg seine Intrige
zur Gewinnung der 520 Millionen-Erbschaft einleitete, entsandte
er diese Dame nach der Èechoslovakei, damit sie
hier politische Verbindungen anknüpfe und im Kleinen das
mache, was sie während des Krieges in größerem
Stil betrieben hatte.
Diese internationale Abenteuerin und Spionin
verstand es, die Geliebte des Herrn Ministers Hodža
zu werden, mit dem sie auch in Wien und
Preßburg, hier im Hotel Carlton, viel beisammen war. Aber
sie war eine Geliebte, die nicht nur nichts kostete, sondern im
Gegenteil sehr wertvoll war. Sie hatte natürlich bald herausgekriegt,
daß Hodžas Sehnsucht das Amt eines Außenministers
der Èechoslovakei ist und erkannte natürlich
ebenso rasch, wie wertvoll das für ihren Auftraggeber Cyrill
Koburg sein könnte. So er wies sie mit Hilfe ihrer Verbindungen
vor allem mit Polen und mit einflußreichen ausländischen
Persönlichkeiten, die in Marienbad zur Kur weilten, dem Herrn
Hodža verschiedene Dienste
zur Verwirklichung seiner tiefsten Sehnsucht. Infolgedessen erkannte
man nach ihrer Verhaftung sehr bald, wie gefährlich ihre
Aussagen dem Herrn Hodža
und der ganzen agrarischen Clique werden könnten. So wurde
sie sehr bald aus der Haft entlassen und ins Ausland spediert.
Auch hierin sieht man, welch großes Interesse die mächtigste
Partei in der Regierung hat, die Affäre Koburg-Eisler totzuschweigen.
Betrachtet man diese geradezu ungeheuerliche
politische Korruptionsaffäre, in welcher sogar die gesetzgebende
Versammlung kompromittiert erscheint, im Zusammenhang mit der
ganzen Kette von Affären, die sich seit der Gründung
dieses Staates abgespielt haben so, gehört schon mehr als
Optimismus dazu, von Einzelerscheinungen zu sprechen, die man
nicht verallgemeinern dürfte. Es handelt sich hier um ein
ganzes System der politischen und persönlichen Korruption,
die mit diesem ganzen Regierungssystem unzertrennlich verbunden
ist. Diese Korruption ist die Begleiterscheinung des Fäulnisprozesses,
in welchem sich die ganze kapitalistische Gesellschaft befindet.
Es ist die Alterserscheinung, es ist der Marasmus
der bürgerlichen Gesellschaft, von dem auch die jungen Staaten,
die auf dem kapitalistischen System beruhen, nicht verschont bleiben.
Eben, weil sie als kapitalistische Staaten gegründet wurden,
haben sie den Marasmus der bürgerlichen Gesellschaft schon
als Kinderkrankheit mit auf die Welt gebracht. Von diesem Fäulnisprozeß
werden alle Parteien, alle Organisationen, alle Schichten und
alle Klassen ergriffen, die ihr Schicksal an diese bürgerliche
Gesellschaft und an diesen ihren Staat binden. Durch die Verknüpfung
ihrer Politik mit dem bürgerlichen Staate, durch ihre Koalition
mit der Bourgeoisie werden, wie das Beispiel der Koburgaffäre
zeigt und auch schon andere Affären gezeigt haben, auch Arbeiterparteien
in die Atmosphäre der Korruption gebracht und von diesem
Fäulnisprozeß ergriffen. Diesmal wenigstens hat sich
ein politisches Wunder ereignet: Die ehemaligen sozialistischen
Regierungsparteien verlangen eine parlamentarische Untersuchung
der Affäre. Solange sie in der Regierung waren, haben sie
sich gegen jedwede parlamentarische Untersuchung jedweder Korruptionsaffäre
immer gesträubt. Man sieht, auch die wenigstens teilweise
Trennung von der Bourgeoisie wirkt schon ganz günstig auf
diese Parteien ein. Hoffentlich bleibt es nicht bei diesem Schritt,
hoffentlich zwingt die proletarische Anhängerschaft dieser
Parteien ihre Führer, nicht hier stehen zu bleiben und nicht
nur die widerlichsten Folgeerscheinungen der Koalition mit der
Bourgeoisie zu bekämpfen, sondern sich überhaupt von
der Bourgeoisie, von jedweder Koalition mit ihr auf immer loszulösen
und den Weg einer wirkliche proletarischen Klassenpolitik zu beschreiten,
die allein geeignet ist, nicht nur der Fäulnis der Korruption,
nicht nur den Begleiterscheinungen der Zersetzung der bürgerlichen
Gesellschaft, sondern dieser ganzen Gesellschaft selbst und ihrer
ökonomischen Grundlage, den Kapitalismus, ein Ende zu bereiten.
(Potlesk komunistických poslancù.)