Pátek 19. listopadu 1926

Die erste Etappe ist die Sicherung des Koburgschen Großgrundbesitzes in der Slovakei vor der Bodenreform und für die angeblich slavische Linie des Hauses Koburg. Es gibt in der Koburgschen Sippe zwei politische Linien. Die eine neigt zur habsburgischen Politik, denn eine Schwester Friedrich Habsburgs ist eine Koburgerin, und zu dieser Linie gehört Josias Koburg, sozusagen der ungarische Koburger. Die zweite Linie neigt zur hohenzollerschen Politik, und zu ihr gehört Cyrill Koburg, genau so, wie sein Vater, der gewesene bulgarische König Ferdinand zu ihr gehörte. In der Slovakei starb nun der alte Anhänger Österreichs Philipp Koburg und setzte als Erben seines Vermögens im Gesamtwerte von etwa 520 Millionen Kè seinen Neffen und politischen Parteigänger Josias ein. Dieses Vermögen besteht aus einem gewaltigen Herrschaftsbesitz mit 90.000 Hektar Wald und mehr als 20.000 Hektar landwirtschaftlichen Bodens im Bereiche von neun Gerichtsbezirken und mit sechs Schlössern. Derartige Riesenvermögen an Grund und Boden sind möglich in einer demokratischen Republik, in der angeblich eine Bodenreform durchgeführt und der Großgrundbesitz abgeschafft wurde. Nun wollte aber die andere, die Hohenzollern'sche Linie der Koburger, die durch Cyrill vertreten wird, diese ungeheure Erbschaft nicht kampflos preisgeben. Cyrill verschaffte sich zur Durchführung dieses Erbschaftsstreites den weltbekannten ehemaligen Rechtsfreund des Habsburgischen Hofes, den Wiener Advokaten Bachrach, und dieser wandte sich an Dr. Eisler in Prag mit der Anfrage, ob er so viel politischen Einfluß und solche Verbindungen habe, um durchzusetzen, daß in das èechoslovakische Gesetz über das Fideikommiß, das im Entstehen begriffen war, ein Absatz eingeführt werde, durch welchen das Testament für die Koburger auf unauffällige Weise ungültig gemacht und so nicht Josias, sondern Cyrill die 520 Millionen Erbschaft zugesprochen erhalte. Dr Eisler erklärte sich bereit, die Sache zu machen. Er erhielt für diesen Zweck 10 Millionen Kè, den Dr. Steiner und die Abenteurerin Frau Einem als Macher zur Verfügung. So konnten die politischen Intriguen nun beginnen.

Im Früjahr 1924 kam auf Eislers Aufforderung Cyrill Koburg nach der Èechoslovakei, wo er sich als Graf Sokolsky aufhielt, denn die Gesetze und Meldevorschriften gelten bekanntlich für solche Individuen nicht. Nach vorher durchgeführten Interventionen Dr. Eislers besuchte Cyrill die Mitglieder der damaligen "Pìtka" der Koalition. Sein Besuch galt in erster Linie dem Dr. Kramáø, bei dem er zusammen mit dem bulgarischen Gesandten Mihalèev war. Dr. Kramáø machte dem Cyrill bestimmte Versprechungen, und dieser ging nun mit Eisler zu anderen Politikern, wobei sie jedem das versprechen, was er sich wünschte. Den Agrarien und Sozialdemokraten versprach Cyrill eine Unterstützung der oppositionellen Bewegung der Agrarpartei Stambolijskis und der bulgarischen Sozialdemokraten, dem Herrn Beneš eine vorteilhafte Intervention in der Angelegenheit des èechoslovakisch-bulgarischen Vertrages, den Nationaldemokraten die Entfernung der Magyaren von den Koburgschen Gütern und ihre Ersetzung durch èechische Elemente, vor allem aber versprach Cyrill allen Politikern Posten als Direktoren, Inspektoren, Verwalter und Waldheger für ihre politischen Parteigänger und Bekannten. Wer Geld haben wollte, dem wurde die Tasche vollgestopft, was besonders bei der Gewinnung der bürgerlichen Presse eine Rolle spielte. So wurde auf diese Weise für Cyrill Koburg als slavischen Prinzen eine große Kampagne durchgeführt und das große Versprechen wurde auch wirklich erfüllt. In das Fideikommißgesetz, das schon fertig war, wurde zum § 2, Abs. 3, ein Satz eingeführt, durch welchen diesem slavischen Prinzen die Kleinigkeit von 520 Mill. zugeschanzt werden sollte. Das Gesetz über das Fideikommiß wurde vom Abgeordnetenhause am 26. Juni 1924 angenommen. Einige Minuten vor der Abstimmung über den ursprünglichen Gesetzentwurf auf Grund des Ausschußberichtes wurde ein Antrag der Abgeordneten Lukavský (Nationaldemokrat), Marek (Sozialdemokrat), Slavíèek (èechischer Nationalsozialist), Nosek (Christlichsozialer) und Stanìk (Agrarier) auf Einfügung des erwähnten Zusatzes eingebracht. Das Abgeordnetenhaus war darüber überhaupt nicht unterrichtet, die juristische Stilisierung des einzufügenden Satzes wurde nicht beachtet und die Abstimmungsmaschinerie der Koalition sorgte für die mechanische Annahme des Antrages. Das geschah im letzten Augenblick vor der Abstimmung und an dem Tage, an welchem das Abgeordnetenhaus auf Sommerferien ging. Diese Arrangement zeugt von der besonderen Raffiniertheit, mit welcher die Arrangeure vorgingen. Es muß nun untersucht werden, wer der eigentliche Urheber dieser lex Cyrill ist. Wir können uns nur an die Antragsteller, die Abgeordneten Lukavský, Marek, Slavíèek, Nosek und Stanìk, ferner an die "Pìtka" und die "Desítka", den Fünfer- und den Zehnerausschuß der Koalition, halten. Aber auch wenn man zugeben will, daß die Antragsteller überhaupt nicht wußten, worum es sich bei diesem Antrage handelt, was zwar ihrer Ehre, aber nicht ihrer politischen Fähigkeit und ihrem Verantwortlichkeitsgefühl ein Alibi ausstellt, so können wir dasselbe doch nicht bei den Mitgliedern des Fünfer- und Zebnerausschusses voraussetzen, in welchen beiden Ausschüssen diese Angelegenheit doch verhandelt werden mußte und die infolgedessen ganz klar wissen mußten, um was es sich handelte. Infolgedessen mußten auch die in der "Pìtka" und "Desítka" vertretenen èechischen Sozialdemokraten und Sozialisten davon wissen und sie tragen dafür die volle Verantwortung. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Führer der èechischen Sozialdemokraten Dr Alfred Meissner, der doch vor allem der Führer der Partei im Koalitionsausschuß und ihr Fachmann für juristische und Verfassungsfragen war, diese Angelegenheit nicht bis in die Einzelnheiten gekannt haben sollte. Daher ist die Aufregung der èechischen Sozialdemokraten darüber, daß Meissners Name im Zusammenhang mit dieser ersten Phase der Affäre genannt wurde, nur eine Heuchelei. Und in dieser ersten Phase handelt es sich um einen ungeheuerlichen Fall politischer Korruption im Bereiche der Gesetzgebung. Das sogenannte demokratische Parlament der Èechoslovakischen Republik hat sich dazu hergegeben, einem abenteuernden Prinzen einen 520 Millionen-Liebensdienst zu erweisen, anstatt dieses ganze Riesenvermögen gänzlich zu beschlagnahmen.

Nun aber kommen wir zur zweiten, noch schmutzigeren Etappe dieser Affäre. Kurz nach den vorjährigen Wahlen in die Nationalversammlung verhandelte Švehla mit den slovakischen Klerikalen über den Eintritt in die Regierung. Dieselben waren zwar zu Verhandlungen bereit, stellten aber als erste Bedingung die Beseitigung des damaligen Unterrichtsministers Milan Hodža, den sie als ihren Hauptkonkurrenten in der Slovakei betrachten und mit dem sie gerade wegen der Wahlen abrechnen wollten. Hodža hatte aber gerade damals die ersten Schritte unternommen, un seinen Wunsch, Außenminister zu werden, zu verwirklichen. Infolgedessen lag ihm daran, die slovakisch en Klerikalen zu besänftigen. Er ließ sich mit ihnen durcheinen Mittelsmann in Verhandlungen ein und ließ ihnen sagen, daß die Feindschaft zwischen ihm und ihnen auf einem Mißverständnis beruhe und daß er bereit sei, ihnen in allem entgegenzukommen. Sie sollten sich daher in allen ihren Anliegen gegenüber der Regierung nicht an Švehla, sondern an ihm wenden. Diese Versprechungen kamen den slovakischen Klerikalen sehr zu recht, denn ihre Einrichtungen und Unternehmungen befanden sich in großer Geldnot und Hlinka rüstete sich gerade zur Reise nach Amerika, um dort Geld aufzutreiben. Als es während der Verhandlungen zwischen Hodža und den slovakischen Klerikalen zu konkreten Formulierungen kam und Hodža infolgedessen fragte, was sie in erster Linie brauchen, antworteten ihm die Vertreter der slovakischen Klerikalen: "Vor allem müssen unsere Leute zu essen kriegen". Diese allgemeine Bemerkung nahm schließlich die konkrete Form an, daß die slovakischen Volksparteiler 2 Millionen Kè brauchen, Hodža versprach ihnen, daß er das Geld binnen 2 Tagen verschaffen werde. Aber auch nach 6 Tagen konnte er sein Versprechen noch nicht einhalten. Als die Hlinka-Leute mit der Unterbrechung der Verhandlungen drohten, vereinbarte Hodža mit Dr Eisler daß dieser die zwei Millionen den slovakischen Klerikalen auszahlen wird und daß Hodža dem Eisler dafür in seiner Rechtsangelegenheit alles tun werde, was politisch notwendig ist.

Eisler kam jedoch mit seinem Mandanten Cyrill Koburg übers Kreuz. Infolgedessen erhielt er von ihm nicht das versprochene Honorar und er forderte daher von Hodža die Rückgabe jener zwei Millionen, wobei er schließlich nicht mit Unrecht bemerkte, wieso er denn als Jude dazu komme, den slovakischen Klerikalen aus seiner eigenen Tasche Geld zu geben. (Veselost. Výkøiky posl. Hlinky a posl. komunistických.) Aber Hodža hatte das Geld nicht und durch Eislers Drängen wurde seine Lage verzweifelt. In dieser Bedrängnis erinnerte sich Hodža an die bekannten Praktiken der mittelalterlichen Machthaber, welche ihre jüdischen Gläubiger, wenn sie ihnen allzu unbequem wurden, einfach ins Loch stecken ließen. Die Folge dieser historischen Reminiszenz des Herrn Ministers Hodža war, daß Eisler unter dem Verdacht der Erpressung eingesperrt wurde. Dabei wurde ihm bedeutet: "Wehe Dir, wenn Du einen einzigen politischen Namen nennst". Und Eisler, der ganz gut weiß, daß sein Schicksal nicht von den Gesetzen und Richtern, sondern von der Regierung Švehla und den einflußreichen Politikern abhängt, pariert aufs Wort. Aber bei der Hausdurchsuchung in Eislers Wohnung wurde von der Polizei Eislers Tagebuch beschlagnahmt, in welches er alle Unterredungen mit Politikern und alle Versprechungen derselben mit großer Genauigkeit aufzuzeichnen pflegte. Dieses Tagebuch ist jedoch auf der Polizei im Bureau des Ministerialrates Knotek verloren gegangen. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn wir wissen ja aus dem letzten Prozeß Soukup kontra "Rudé Právo", daß auch auf dem Wege von der Kanzlei des Präsidenten der Republik zum Ministerratspräsidium ganze Akten verloren gehen können. Dieses Verlorengehen des Tagebuches Eislers zeigt, auf welche Art die ganze Affäre untersucht wird. In unserer Presse wird von der Zensur willkürlich und gesetzwidrig alles unterdrückt, was geeignet wäre, in diese widerliche Korruptionsaffäre Klarheit zu bringen.

Nicht weniger interessant ist, daß die sogenannte Baronin Einem und der Wiener Journalist Steiner aus der Untersuchungshaft entlassen und ihnen die Abreise ins Ausland, wo sie unschädlich sind, ermöglicht wurde. Der Name der Baronin Einem, einer 40jährigen Dame jener eleganten Welt, in der man sich nicht langweilt, ist schon vom Weltkrieg her bekannt. Sie war damals schon die Vertraute verschiedener europäischer Höfe, Regierungen und hochadeliger Kreise, von denen sie für verschiedene diplomatische Verbindungen und Intriguen benützt wurde. Als Cyrill Koburg seine Intrige zur Gewinnung der 520 Millionen-Erbschaft einleitete, entsandte er diese Dame nach der Èechoslovakei, damit sie hier politische Verbindungen anknüpfe und im Kleinen das mache, was sie während des Krieges in größerem Stil betrieben hatte.

Diese internationale Abenteuerin und Spionin verstand es, die Geliebte des Herrn Ministers Hodža zu werden, mit dem sie auch in Wien und Preßburg, hier im Hotel Carlton, viel beisammen war. Aber sie war eine Geliebte, die nicht nur nichts kostete, sondern im Gegenteil sehr wertvoll war. Sie hatte natürlich bald herausgekriegt, daß Hodžas Sehnsucht das Amt eines Außenministers der Èechoslovakei ist und erkannte natürlich ebenso rasch, wie wertvoll das für ihren Auftraggeber Cyrill Koburg sein könnte. So er wies sie mit Hilfe ihrer Verbindungen vor allem mit Polen und mit einflußreichen ausländischen Persönlichkeiten, die in Marienbad zur Kur weilten, dem Herrn Hodža verschiedene Dienste zur Verwirklichung seiner tiefsten Sehnsucht. Infolgedessen erkannte man nach ihrer Verhaftung sehr bald, wie gefährlich ihre Aussagen dem Herrn Hodža und der ganzen agrarischen Clique werden könnten. So wurde sie sehr bald aus der Haft entlassen und ins Ausland spediert. Auch hierin sieht man, welch großes Interesse die mächtigste Partei in der Regierung hat, die Affäre Koburg-Eisler totzuschweigen.

Betrachtet man diese geradezu ungeheuerliche politische Korruptionsaffäre, in welcher sogar die gesetzgebende Versammlung kompromittiert erscheint, im Zusammenhang mit der ganzen Kette von Affären, die sich seit der Gründung dieses Staates abgespielt haben so, gehört schon mehr als Optimismus dazu, von Einzelerscheinungen zu sprechen, die man nicht verallgemeinern dürfte. Es handelt sich hier um ein ganzes System der politischen und persönlichen Korruption, die mit diesem ganzen Regierungssystem unzertrennlich verbunden ist. Diese Korruption ist die Begleiterscheinung des Fäulnisprozesses, in welchem sich die ganze kapitalistische Gesellschaft befindet.

Es ist die Alterserscheinung, es ist der Marasmus der bürgerlichen Gesellschaft, von dem auch die jungen Staaten, die auf dem kapitalistischen System beruhen, nicht verschont bleiben. Eben, weil sie als kapitalistische Staaten gegründet wurden, haben sie den Marasmus der bürgerlichen Gesellschaft schon als Kinderkrankheit mit auf die Welt gebracht. Von diesem Fäulnisprozeß werden alle Parteien, alle Organisationen, alle Schichten und alle Klassen ergriffen, die ihr Schicksal an diese bürgerliche Gesellschaft und an diesen ihren Staat binden. Durch die Verknüpfung ihrer Politik mit dem bürgerlichen Staate, durch ihre Koalition mit der Bourgeoisie werden, wie das Beispiel der Koburgaffäre zeigt und auch schon andere Affären gezeigt haben, auch Arbeiterparteien in die Atmosphäre der Korruption gebracht und von diesem Fäulnisprozeß ergriffen. Diesmal wenigstens hat sich ein politisches Wunder ereignet: Die ehemaligen sozialistischen Regierungsparteien verlangen eine parlamentarische Untersuchung der Affäre. Solange sie in der Regierung waren, haben sie sich gegen jedwede parlamentarische Untersuchung jedweder Korruptionsaffäre immer gesträubt. Man sieht, auch die wenigstens teilweise Trennung von der Bourgeoisie wirkt schon ganz günstig auf diese Parteien ein. Hoffentlich bleibt es nicht bei diesem Schritt, hoffentlich zwingt die proletarische Anhängerschaft dieser Parteien ihre Führer, nicht hier stehen zu bleiben und nicht nur die widerlichsten Folgeerscheinungen der Koalition mit der Bourgeoisie zu bekämpfen, sondern sich überhaupt von der Bourgeoisie, von jedweder Koalition mit ihr auf immer loszulösen und den Weg einer wirkliche proletarischen Klassenpolitik zu beschreiten, die allein geeignet ist, nicht nur der Fäulnis der Korruption, nicht nur den Begleiterscheinungen der Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaft, sondern dieser ganzen Gesellschaft selbst und ihrer ökonomischen Grundlage, den Kapitalismus, ein Ende zu bereiten. (Potlesk komunistických poslancù.)

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