Nicht viel besser ist das Schicksal jener Militärpersonen,
die man unter dem gesetzlichen Titel der Optanten zusammenfaßt
und deren es eine ganz stattliche Anzahl gibt. Das Schicksal dieser
Menschen ist so ziemlich gleich in jedem einzelnen Falle, so daß
es auch genügen möge, wenn ich hier nur jenes anführe,
für das die amtlichen Belege unter Zahl 8902 vom 16. Juni
1924 im Ministerium für Nationalverteidigung erliegen und
das auch den Obersten Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis
Zahl 17.599 vom 25. September 1925 beschäftigte. Da handelt
es sich um einen gewesenen aktiven Hauptmann des Schützenregimentes
Teschen Nr. 31, der im Jahre 1880 in Nieder-Bladnitz im
politischen Bezirk Èechisch-Teschen - also im gewesenen
Plebiszitgebiet - geboren wurde, verheiratet, Vater eines unversorgten
Kindes und ganz mittellos ist. Er hat den ganzen Feldzug als Frontsoldat
mitgemacht, wurde dreimal schwer verwundet,
so daß er Kriegsinvalider ist und von Österreich auch
die Verwundetenzulage bezogen hat. Nach der Teilung Schlesiens
und Teschens im Jahre 1923 hat er für die Èechoslovakei
optiert und es wurde ihm auch das hiesige Staatsbürgerrecht
und die Zuständigkeit nach Teschen
zuerkannt. Darauf hat er beim Ministerium für nationale Verteidigung
in Prag um die Übernahme als Hauptmann des Ruhestandes in
die èechische Armee und um die Zuerkennung und Auszahlung
seiner Pensionsgebühren angesucht. Als Antwort hat ihn
das Ministerium für nationale Verteidigung nicht nur zum
gewöhnlichen Infanteristen ganz unschuldig degradiert, sondern
ihm auch die Pensionsgebühren mit der Begründung aberkannt,
daß er Optant sei und daß laut Übernahmsgesetz
den Optanten keine Pension gebühre. Seine diesbezüglich
beim Obersten Verwaltungsgericht in Prag überreichte Beschwerde
endete mit dem gleichen negativen Erfolg. Und so ist er Staatsbürger
der Èechoslovakischen Republik, Steuerträger und bei
der èechischen Armee eingeteilt, erfüllt
pünktlich seine Verpflichtungen dem Staate gegenüber,
der Staat jedoch kümmert sich nicht darum, ob und wovon er
und seine Angehörigen leben und zahlt ihm die ehrlich und
im wahrsten Sinne des Wortes blutig verdiente Pension nicht aus.
Das soll scheinbar die Strafe dafür sein, daß er für
den hiesigen Staat optiert hat und ihm Steuer zahlt. Die Bezeichnung
"himmelschreiende Ungerechtigkeit" ist nur ein Verlegenheitsausdruck
für solche Verhältnisse.
Das schädlichste Kulturdokument ist aber
fraglos der Fall des Prof. Nowak und seiner Hinterbliebenen aus
Budweis, der schon Gegenstand einer Interpellation in der vergangene
Legislaturperiode des hiesigen Parlamentes gewesen ist. Nowak
war bis zum Umsturze Professor des Staatsgymnasiums in Radautz.
Anfangs Juli 1914 kam er mit Frau und Kind in seine Heimat nach
Budweis zum Besuche seiner Verwandten. Da brach der Weltkrieg
aus, die Bukovina wurde Kriegsgebiet und dem Prof. Nowak war die
Rückkehr in einen Dienstort unmöglich gemacht. Da die
Kriegsfurie ihm in Radautz seine Wohnung verwüstete und sein
Hab und Gut raubte, blieb ihm als Besitz nur der Inhalt von zwei
Koffern, in denen er das Nötigste für sich und seine
Familie nach Budweis für den Sommeraufenthalt mitgenommen
hatte. Während des Krieges hielt er sich in Budweis auf und
wurde infolge Erkrankung anfangs 1918 pensioniert. Seinen letzten
Ruhegehalt bekam er noch am 1. November 1918 von Wien ausgezahlt.
Von da an bezog er keinen Kreuzer mehr, denn Österreich weigerte
sich zu zahlen, weil er als definitiver Staatsbeamter in
Radautz heimatszuständig war, die Èechoslovakische
Republik zahlte nicht, trotzdem er in Böhmen gebürtig
ist und im Augenblicke des Umsturzes seinen Wohnsitz in Budweis
hatte, und Rumänien kümmert sich schon gar nicht um
einen deutschen Professor aus Radautz. Von
den milden Gaben seiner Verwandten fristete der Mann, der 30 Jahre
treu und ehrlich seinen Dienst gemacht hatte, ein elendes Dasein,
bis ihn im Jahre 1920 der Tod von seiner qualvollen irdischen
Pilgerfahrt erlöste. Nicht genug dar an, daß er selbst
auf seine alten Tage und in den Zeiten der Krankheit gänzlich
mittellos dastand, weil er um den wohlverdienten Arbeitsertrag
gebracht wurde, stand an seinem Sterbebette noch das Gespenst
der Sorge um seine Frau und sein Kind. Man kann die seelischen
Leiden gar nicht ermessen, die Herz und Gehirn dieses Mannes zerwühlen
mußten, wenn er daran dachte, wie es seinen Angehörigen
ergehen werde, wo es nicht einmal ihm gelungen war, sich sein
Recht zu holen. Und tatsächlich hat die Witwe bis zum heutigen
Tage von keinen Staate auch nur einen Heller an Pension und Erziehungsbeitrag
für ihren Sohn bekommen Zwar anerkennt Rumänien ihre
und ihres Sohnes rumänische Staatsbürgerschaft, der
Sohn wird alle Jahre auf der rumänischen Gesandtschaft der
Assentierung unterzogen, aber den geldlichen Verpflichtungen kommt
Rumänien nicht nach, trotzdem schon jahrelang sämtliche
für die. Pensionsberechnung nötigen Dokumente in Bukarest
sind und von allen Seiten Schritte unternommen werden, um endlich
der Witwe und ihrem Kinde zu geben, was man widerrechtlich
dem Verstorbenen vorenthalten hat. Und die Èechoslovakische
Republik, deren Außenministerium den ganzen Sachverhalt
genau kennt, hat in den Jahren von 1918 bis 1926 ein einzigesmal
den Betrag von 2000 Kè hergegeben, allerdings
mit der zarten Aufforderung, diesen Betrag sofort zurückzuzahlen,
wenn Rumänien die schuldige Pension anweisen sollte. So sieht
das Schicksal einer unschuldigen Familie aus, das ihr zwei Kulturstaaten
bereiten, die noch dazu vorgeben, als Sieger aus dem großen
Weltkriege hervorgegangen zu sein. Muß man nicht unwillkürlich
daran denken, daß eine so brutale Behandlung weder die Èechoslovakische
Republik noch das Königreich Rumänien seinen schwersten
Verbrechern angedeihen zu lassen wagt, daß aber
diese beiden Staaten Gesetzesparagraphe genug haben, um ihr Vorgehen
gegen diese unschuldige Familie zu rechtfertigten. Ich frage von
dieser Stelle aus Seine Exzellenz den Herren Gesandten des Königreiches
Rumänien, bei dem ich in dieser Angelegenheit selbst schon
einmal vorgesprochen habe, ob er es für eine besondere Ehre
hält, hier in Prag eine Regierung zu vertreten, welche Witwen
und Waisen um die ihnen gebührenden Versorgungsgenüsse
betrügt.
Jeder sittlich denkende Mensch wird es unbegreiflich
und unfaßbar finden, daß eine Regierung die Kulturschande
solcher Verhältnisse nicht schnell und gründlich genug
zu beseitigen sich bemüht. Was müssen aber wir hier
erleben? Jahrelang wird die Ratifizierung internationaler Verträge
verschleppt und schließlich wird eine Regierungsvorlage
auf den Tisch des Hauses gelegt, die nichts mehr bietet, als daß
sie von besonders rücksichtswürdigen Fällen spricht,
in denen nach freiem Ermessen die Regierung Versorgungsgenüsse
an bezugsberechtigte Personen oder deren Hinterbliebenen zuerkennen
kann, wenn sie will, auch dann, wenn die internationalen Verträge
dazu keine Handhabe bieten und die inländische Gesetzgebung
sogar sich dagegen ausspricht. Das ist natürlich keine Lösung
des Problems, die Genugtuung bringen könnte. Das ist nur
ein Versuch mit untauglichen Mitteln, der zurückzuweisen
ist. Wir verlangen keine Gnade durch das Gesetz, sondern wir fordern
das Recht. Man gebe den Ärmsten der Armen das, was ihnen
gebührt. Hier dagegen schafft man Paragraphe, die nur von
einer Möglichkeit sprechen, sonst aber Bürger dieses
Staates der Willkür der Behörden auf Gnade und Ungnade
ausliefern, ja ihnen sogar die Gelegenheit rauben, den Rechtsweg
zu betreten, wenn sie sich in ihrem Rechte verkürzt glauben.
Mit einem solchen Gesetze können wir nicht einverstanden
sein, zumal wir hinlänglich aus der Erfahrung wissen, wie
in diesem Staate die rücksichtswürdigen Fälle behandelt,
das freie Ermessen gehandhabt und die Ausnahmen von gesetzlichen
Bestimmungen getroffen werden, wenn es sich um Ruheständler
im allgemeinen oder gar um solche deutscher Nationalität
handelt.
Weil dieses Gesetz keine Garantie für
eine objektive Übernahme und Zuerkennung der Ruhe- und Versorgungsgenüsse
im Zusammenhange mit den in Rom und Wien vereinbarten Pensionsübereinkommen
gewährleistet, so wird meine Partei gegen dieses Gesetz stimmen.
(Potlesk na levici.)