Poslanecká snìmovna N. S. R. È. 1920.
I. volební období.
2. zasedání.
Pùvodní znìní.
(Pøeklad viz tisk 955.)
951.
Interpellation
der Abgeordneten Dr. Czech, Nìmec, Merta und Genossen
an die Gesamtregierung
in Ernährungsfragen.
Das Wirtschaftsjahr 1920/21 begann bereits in den ersten Tagen mit Stockungen und großen Schwierigkeiten in der staatlichen Versorgung mit Brot und Mehl. Wir traten bekanntlich in die diesjährige Wirtschaftsperiode ohne alle Vorräte ein und waren daher nur auf das frisch geerntete Getreide angewiesen. Im September wurde vom Ministerium für Volksverpflegung die unregelmäßigen und unzureichenden Mehlzuschübe an die Bezirke und Konsumvereine damit erklärt, daß der Drusch langsam vor sich gehe. Die Bevölkerung vertrug die Unterbrechung in der staatlichen Mehlversorgung mit der Zuversicht, daß doch in einigen Wochen regelmäßig die volle Brot- und Mehlquote ausgefolgt werden wird, sobald der Drusch vollendet und die Transporte durchgeführt sind. Im Oktober und November trat aber noch immer nicht in allen Bezirken und für alle Mitglieder der Konsumvereine die erhoffte Besserung in der Versorgung ein, sondern es ist im Gegenteil eine arge Verschlimmerung zu verzeichnen. Nun steigert sich begreiflicher Weise die Ungeduld und Erregung der großen Massen der èechischen und deutschen Arbeiterschaft, die in ihrer Ernährung hauptsächlich auf die staatliche Brot- und Mehlversorgung angewiesen sind. Für den Monat November reicht die Erklärung des Ministeriums für Volksverpflegung nicht mehr hin, daß es sich nur um lokale und vorübergehende Schwierigkeiten in der staatlichen Versorgung handelt. Es wird nun offenbar, was wir bereits im September aussprachen, daß es sich nicht um Zufälle, sondern um allgemeine organisatorische Unzulänglichkeiten in der Durchführung des Systems der staatlichen Getreidebewirtschaftung handelt, wenn zwei bis drei Monate nach Einbringung der Ernte die Brotversorgung ins Stocken gerät.
Die widersprechenden und schwankenden Angaben des Ministeriums für Volksverpflegung über die Aufbringung von Getreide in der Èechoslovakischen Republik und über den Ankauf im Ausland beweisen, daß wir einer unsicheren Zukunft entgegengehen, daß in den nächsten Wochen die Schwierigkeiten der staatlichen Brot- und Mehlversorgung so anwachsen werden, daß sie zur Katastrophe führen können. Schon heute ist wohl die Befürchtung berechtigt, daß geringfügige Transportschwierigkeiten die ohnehin unzureichende Versorgung völlig in Unordnung bringen.
Wenn aber in den kommenden Monaten ähnliche Ernährungszustände wie im vergangenen Wirtschaftsjahre eintreten, ist es den Vertrauensmännern der eechischen und deutschen Arbeiterschaft gänzlich unmöglich, Worte der Aufklärung und Beruhigung an die erregten und hungernden Massen zu richten. Alle Vertrauensmänner der eechischen und deutschen Arbeiterschaft lehnen es heute schon ab, beruhigend einzuwirken, wilde Streiks, Demonstrationen und Unruhen zu verhindern, weil ihre parlamentarischen Vertreter bereits im September das Ministerium für Volksverpflegung auf die Gefahr aufmerksam gemacht und Abhilfe verlangt haben.
Wenn die von uns befürchtete Ernährunskatastrophe hereinbricht, ist dies ein furchtbares Unglück vor Allem für die Massen der hungernden èechischen und deutschen Arbeiterschaft, daß sie zu Verzweiflungstaten zwingen wird, eine Bedrohung der staatlichen Ordnung, eine Zerrüttung des gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lebens in der Èechoslovakischen Republik.
Die Interpellanten stellen die Frage:
1. Welche Mittel gedenkt die Regierung anzuwenden, um auf alle Getreideproduzenten einzuwirken, daß die Ablieferung der vorgeschriebenen Kontingente sofort erfolgt?
2. Ist die Regierung bereit, das Verlangen der agrarischen Kreise auf Herabsetzung des ohnehin geringen Getreidekontingentes entschieden abzulehnen?
3. Will die Regierung sofort eine Beratung einberufen, zu der die Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Korporationen der eechischen und deutschen Landwirtschaft zu laden sind und in der die Regierung von den Vertretern der landwirtschaftlichen Körperschaften energisch verlangt, daß die eechischen und deutschen Landwirte aus ihren Vorräten freiwillig über das Kontingent hinaus Getreide abliefern?
4. Welche Mengen der gesamten Zuckerproduktion gedenkt die Regierung zum Ankaute ausländischen Getreides zu verweden.
Werden auch andere Kompensationswaren oder Auslandskredite zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt?
5. Sollten die Lieferungen von Zucker ins Ausland zur vollständigen Deckung des Mehlankaufes nicht hinreichen, hat die Regierung der Nationalversammlung noch vor den Weihnachtsferien einen Gesetzentwurf über jene staatsfinanziellen Transaktionen vorzulegen, die notwendig wären, um die Mehlankäufe, die zur ausreichenden und regelmäßigen Vers orgung bis zum Ende des Wirtschatsfjahres erforderlich sind, durchzuführen.
6. Da der staatliche Einkauf von Nahrungsmitteln im Auslande aus finanzpolitischen Gründen und infolge des bürokratischen Verwaltungsapparates in völlig unzulänglicher Weise erfolgt, verlangen wir von der Regierung, die Unterstellten zu beauftragen, daß unbedingt alle von der Velkonákupní spoleènost konsumních družstev v Praze und der Großeinkaufsgesellschaft für Konsumvereine in Prag II geforderten Einfuhrbewilligungen für Nahrungsmittel stets sofort und ohne Schwierigkeiten ausgefolgt werden. Ferner sollen die zuständigen Regierungsstellen den beiden Körperschaften bei der Beschaffung von Warenkompensation, der Devisen oder von Inlandskrediten weitestgehend behilflich sein, damit sie stets auf kurzem Wege und rasch Auslandseinkäufe, insbesondere von Reis, Hülsenfrüchten usw., wenigstens für die organisierten Konsumenten besorgen können.
7. Ist die Regierung bereit, dafür zu sorgen, daß auf keinen Fall eine Kürzung der Brot- und Mehlquote für die Arbeiterschaft eintritt. Bei wachsender Knappheit sind insbesondere die beiden vorher genannten Zentralstellen der organisierten Konsumente so zu beliefern, daß sie die volle Brot- und Mehlquote ausgeben können, wodurch der größte Teil der eechischen und deutschen Arbeiterschaft entsprechend versorgt wäre.
8. Ist die Regierung bereit die verordneten Zuckerpreise entsprechend zu ermäßigen?
9. Die Regierung wird aufgefordert, durch Ernennungen in allen Körperschaften des öfffentlichen Versorgungsdienstes, in denen die èechische Arbeiterschaft bereits vertreten ist, auch der deutschen Arbeiterschaft eine ihrer Stärke entsprechende Vertretung einzuräumen.
Prag, am 2. Dezember 1920.
Dr. Czech, Nìmec, Merta,
Schweichhart, Bechynì, Dr. Šmeral, Malá, Houser, Haken, Kuèera, Jokl, Teska, Skalák, Toužil, Taub, Kreibich, Dr. Hahn, Häusler, Dr. Dérer, Chalupník, Al. Køíž, R. Chalupa, Pik, Palme, Roscher, Heeger, Hillebrand, Hackenberg, Deutsch, Biòovec, Ant. Èerný, Pohl, Dr. Holitscher, Warmbrunn.