Støeda 11. února 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 322. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 11. února 1925.

Øeè posl. Dietla (viz str. 1108 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Bevor ich mich dem eigentlichen Thema zuwende, will ich in einigen Sätzen zu den gestrigen Vorfällen sprechen. Auf dem Wenzelsplatze in Prag ist gestern Blut von Arbeiterinnen und Arbeitern geflossen, welche gegen die Teuerung demonstrierten und dabei durch Schüsse verletzt wurden. Man hat also wieder nach den Methoden des alten reaktionären Österreich gegen die durch Not und Elend auf die Straße getriebene Arbeiterschaft, die nach Abhilfe aus ihrer gegenwärtigen fürchterlichen Lage ringt, Polizei, Gendarmerie und Militär aufmarschieren lassen. Ich meine, diese Ereignisse müssen für die Regierung und die Mehrheit des Hauses eine Warnung sein, sie müssen bewirken, daß die Regierung von ihrer bisherigen Untätigkeit und von ihrer Methode gegenüber der Opposition und der gesamten Öffentlichkeit dieses Landes ablasse; denn es ist ganz zweifellos, daß das Verhalten der Regierung und ihrer Mehrheit gegenüber der seit Wochen in erschreckendem Maße ansteigenden Teuerungswelle durchaus geeignet ist, die Beunruhigung und Erregung der Bevölkerung zu steigern und zu vermehren, einer Bevölkerung, die ohnedies durch den ständigen und immer wachsenden Druck auf ihre Lebenshaltung in verzweifelter Stimmung ist. Die Regierung und die Mehrheit haben dem ruhig zugesehen, sie haben wochenlag das Parlament nicht einberufen, und als sie sich endlich unter ruck dazu entschließen mußten, über die Ursachen der Teuerung und über die beabsichtigten Maßnahmen in offenem Hause Rede zu stehen, haben sie diese Aussprache um 14 Tage hinausgeschoben, um 14 Tage, die angefüllt waren mit widersprechenden Berichten und Gerüchten, mit geheimnisvollen Andeutungen über die Absichten der Regierung und ihrer Mehrheit, 14 Tage, in denen geradezu eine sprunghafte Steigerung der Getreidepreise auf dem Weltmarkte und die noch größere auch durch diese Weltmarktvorgänge nicht zu rechtfertigende Teuerung im Inlande, 14 Tage, die die Nerven der gepeinigten Massen vollends aufwühlen und zermürben mußten. Wir und mit uns zahllose einsichtsvolle Männer dieses Parlamentes müssen die Forderung aufstellen, daß rückhaltslos aufgeklärt werde, wieso es am gestrigen Tage zu den fürchterlichen Ereignissen kommen konnte, wer unmittelbar schuldig daran ist, daß Arbeiterblut geflossen ist. Wir müssen aber auch dagegen allerschärfsten Protest erheben, daß sogar hier, in der gesetzgebenden Körperschaft, dieselben Polizeimethoden angewendet werden. Es ist leider nicht das erstemal, und es ist schon geradezu Übung geworden, daß nicht einmal der leiseste Versuch unternommen wird, einen parlamentarischen Konflikt mit parlamentarischen Mitteln auszutragen. Sie kennen keine Verhandlung mit der Opposition, Sie kennen nur das brutale Diktat, und wenn Sie in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, so ist ihre ultima ratio die Parlamentswache. Wir geben Ihnen nochmals ein parlamentarisches Mittel an die Hand, die gestrigen Vorfälle in einwandfreier Weise klar zu stellen, und fordern Sie auf, unserem Antrag, daß ein Untersuchun gsa usschuß beauftragt wird, diese Klarstellung vorzunehmen, einmütig zuzustimmen.

Einige Worte gestatten Sie mir zu den Ausführungen des Herrn Ministers. Die Rede des Stellvertreters des Herrn Ministerpräsidenten hat unserer Meinung nach die Vorfälle am Wenzelsplatz nicht restlos aufgeklärt. Mußte die Wache überhaupt einschreiten? War es überhaupt notwendig, daß Wache sich am Wenzelsplatz zeigte zur Zeit, als gerade die Demonstranten über, den Wenzelsplatz zogen? War es nicht im alten Österreich auch schon immer so, daß die Polizei immer gerade in dem Momente einschreiten mußte, um den Wirrwarr heraufzubeschwören? (Výkøiky na levici.) Mußte dieses Mittel gerade am gestrigen Tage angew endet werden und war es überhaupt notwendig, daß Polizei einschreiten mußte? (Výkøiky na levici. - Pøedseda zvoní.)

Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Kapitel der Teuerung, die in diesem Hause zu wiederholtenmalen Anlaß zu einer Aussprache gegeben hat. Immer in kritischen Momenten, wenn der Hunger und die Ungeduld der großen Masse an diese Tore pochte, haben alle Parteien mit mehr oder minder süßen Worten ihrem Willen, helfend einzugreifen, Ausdruck gegeben. Den Worten folgten in der Regel leider keine Taten, und wir befürchten sehr, daß auch diese Teuerungswelle keine Veranlassung für die Regierung bilden wird, Maßnahmen zu treffen, die eine Wiederkehr solcher Zustände, wenn schon nicht unmöglich, so zu mindest zu mildern geeignet wären. Brot ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Menschheit, und seine Verteuerung wirkt im allgemeinen katastrophal. Immer und immer wieder verstehen es Spekulantengruppen, auch dieses Produkt in den Bannkreis ihres Wuchers zu ziehen, sie diktieren der ganzen Welt die Preise und reiben sich hohnlächend die Hände, wenn der Coup gelungen ist und aus dem Schweiß und Blut der Konsumenten Gold in ihre Taschen geflossen ist.

Solange der Kapitalismus herrscht, wird sich dies wiederholen. Im Wege von Kartellen und Trusts reißen die Kapitalisten das Produkt, dem sie ihre Spekulation zuwenden, an sich, treiben die Preise auf die von ihnen gewünschte Höhe und diktieren sie, den Markt beherrschend, ganz nach ihrem Belieben. Sie halten, wohl wissend, daß Angebot und Nachfrage regulierend wirkt, mit der Abgabe zurück und bilden die Haussepartei, gehen aber, wenn es ihren Interessen dient, am nächsten Tage in die Contremine, jedesmal darauf bedacht, recht viel zu verdienen. Diese Hyänen, die ihre Opfer, die Konsumenten, fortwährend umkreisen, sind die gefährlichsten Feinde der Menschheit.

Wir sind jetzt wieder Zeugen eines solchen gigantischen Kampfes, in welchem es um das wichtigste, um die glatte Brotversorgung, in nahezu allen Staaten der Welt geht. Ein Rückgang in den Ernteerträgnissen, der aber noch lange nicht so groß ist, um den Weltbedarf ernstlich zu gefährden, hat den amerikanischen Spekulantenschwarm aufgescheucht, und die Spekulanten stürzten sich mit aller Vehemenz auf den Getreidemarkt, alles aufkaufend, was für sie greifbar wurde. Und dann kam der große Coup. Sprunghaft stiegen die Preise, von Stunde zu Stunde, die Börse verfiel in einen wahren Freudentaumel und rat- und tatlos mußte die Welt dem Tanz ums Goldene Kalb zusehen.

Die ganze Entwicklung des Getreidemarktes ging an unseren offiziellen Stellen spurlos vorüber, die drohenden Anzeichen blieben unbeachtet, und hier beginnt die Schuld der Regierung, weil nicht die geringsten Vorkehrungen getroffen wurden, um die für unsere Ernährung notwendigen Mengen zu sichern. Einmal bot sich wieder die Gelegenheit, die Notwendigkeit des Verpflegsministeriums zu beweisen, es hat aber den Moment gründlich verpaßt. Wo waren unsere Handelsattachées, wo waren unsere Konsulate mit ihren Berichten? Sind sie blind gewesen und haben Sie von den Vorgängen nichts gesehen, dann sind sie unfähig und müssen schleunigst abberufen werden. Haben sie aber ihre Pflicht erfüllt, war man an den Regierungsstellen unterrichtet, dann ist die Schuld der Regierung doppelt schwer und das Haus müßte sie wegen Verletzung ihrer Pflicht unter Anklage stellen.

In anderen Staaten wurde eingegriffen. In Frankreich wurden bekanntlich besondere Maßnahmen ergriffen und der Regierung ein Kredit von 100 Millionen Franken zum Ankauf von Getreide bewilligt. Ungarn hat den Zoll für Körnerfrüchte ganz und für Mehl teilweise aufgehoben, außerdem hat es ebenfalls für die Deckung des eigenen Bedarfes gesorgt. Rumänien, Polen und Rußland sind auch unter den kaufenden Staaten zu finden und es wäre ganz interessant, wenn unser Herr Außenminister dem Hause Mitteilung machen würde, ob nicht andere Gründe als die innere Not insbesondere bei den ersten zwei Staaten für diese Käufe maßgebend waren. Wir sehen also in reinen Agrarstaaten die Regierungen am Werke, eventuellen Hungerepidemien vorzubeugen. Was ist nun bei uns geschehen? Eigentlich gar nichts von Bedeutung. Die Regierung war von lauter inneren Gegensätzen so in Anspruch genommen, daß sie von den Vorgängen am Getreidemarkte gar nichts merkte, und erst nachdem man sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, war die erste Tat: Der Ruf nach Polizei. Man hat aus den Vorgängen während der staatlichen Wirtschaft nichts gelernt und nichts vergessen. So wie damals die Kleinen gehenkt wurden, während man die Großen laufen ließ, so wird auch jetzt die Tätigkeit der Wucherpolizei keinerlei Wunder wirken. Was sind für unseren Bedarf bis zur neuen Ernte einige Tausend Waggon? Ein Tropfen auf einen heißen Stein. Man ereicht damit höchstens, daß Engagements im Auslande gelöst werden und unserem Zugriff entschwinden.

Es ist aber noch etwas geschehen. Man hat eine private Einkaufsgesellschaft errichtet, die zwar keinen amtlichen Charakter hat, deren Risiko aber vom Staate getragen wird. Hier werden Staatsmittel in einer ganz unbestimmten Höhe herangezogen, - man weiß nicht: sind es hundert Millionen oder ist es mehr, - ohne das Parlament zu befragen, also ohne Bewilligung der gesetzgebenden Körperschaften. Sowie seinerzeit mit den berüchtigten Zentralen, für die bis zum heutigen Tage noch keine übersichtliche Abrechnung vorliegt, so wird auch hier der Öffentlichkeit jeder Einblick entzogen, und man hat kein Wort der Beruhigung für die Hunderttausende von Minderbemittelten, die in Sorge für ihre Ernährung leben.

Rächt es sich jetzt nicht besonders bitter, daß man das Parlament ausschaltete und der "Pìtka" eine uneingeschränkte Machtfülle überwies. Überlegen wir uns doch einen Augenblick, ob nicht auch die Regierungsmethoden im Èechoslovakischen Staate für die Tatenlosigkeit mitverantwortlich zu machen sind. Ist es nicht bezeichnend, daß in der drohendsten Stunde eine 13tägige Pause der gesetzgebenden Körperschaften eingeschaltet wird, um Zeit zur Überlegung zu gewinnen und nach Auswegen aus der Bedrängnis zu such en? Ein Regime, mit Fluch beladen, sehen wir sich mühsam weiterschleppen, und diejenigen, die da glauben zu führen, sehen nicht, wie ihnen langsam das Steuer entwunden wird, wie eine erstarkende Bürokratie alle Macht an sich reißt und dem Absolutismus die Wege ebnet. Jeder ehrliche Republikaner sieht mit Schaudern den Verfall des Parlamentarismus und der Demokratie hier in diesem Hause und man muß sich unwillkürlich die Frage vorlegen, wie dies enden soll. Die Opposition wird von der Mitarbeit ausgeschlossen. Man läßt ihr zwar das Recht zu reden, ihre Kritik mag aber noch so berechtigt sein, sie ist vergebens, weil bei den hier herrschenden Methoden nicht die Vernunft, sondern das Kommando der "Pìtka" entscheidend ist.

Fragen wir uns einmal ernstlich, ob es überhaupt notwendig ist, daß wir von Ernährungssorgen betroffen werden. Die Èechoslovakei ist mehr Agrar- als Industriestaat. Große Flächen guten Ackerbodens stehen zum Anbau bereit, aber es wird nicht das gebaut, was wir zur unserem Bedarf brauchen. Nein, unser Handelsminister will mit einer guten Handelsbilanz brillieren, deshalb forciert man den Anbau von Zuckerrübe, Gerste und Hopfen. Dort, wo in früheren Jahren Korn und Weizen gebaut wurde, sieht man jetzt nichts als Rübe, Gerste und Hopfen. Und das Fazit: ungeheuere Mengen Getreide und Mehl im Werte von mehr als 1600 Millionen mußten im abgelaufenen Jahre eingeführt werden und es wirft auf unsere Volkswirtschaft ein ganz eigentümliches Licht, von welchen Interessen ausgehend die Wirtschaft geführt wird. Dazu kommt die Bodenreform, die durch die parteiische Handhabung und den Umstand, daß man dieselbe wohl kaum vom wirtschaftlichen, sondern rein von extrem nationalistischen Gesichtspunkten behandelt, und schließlich durch ihre unendliche Verzögerung die Ernteerträgnisse beeinflußt, weil keiner der Enteigneten seinen Boden mit der Intensivität bearbeitet, die im allgemeinen Interesse notwendig wäre. Hier möchte ich gleich darauf verweisen, wie notwendig und wichtig es wäre, die Vergebung der Güter an die Bedingung zuknünpfen, ein bestimmtes Flächenausmaß für eine Anzahl Jahre nur mit Brotfrucht zu bebauen. In unserer gesamten Bodenwirtschaft herrscht Anarchie und in Zeitläuften wie jetzt rächt sich dies sehr bitter. Wir haben im Jahre 1920 dem Hause einen Antrag vorgelegt, in welchem die einzige Möglichkeit einer vernünftigen Anbau- und Verteilungswirtschaft vorgesehen war. Er liegt im Massengrab, aus dem er erst in einer sozialisierten Gesellschaft seine Auferstehung feiern wird.

Ist es nun wirklich so, daß unsere Währung von dem Ergebnisse der Handelsbilanz wesentlich beeinflußt wird? Wenn ja, dann müßten wir eine der besten Währungen haben. Daß dem aber nicht so ist, wird selbst unser Herr Finanzminister und alle, die von der Konsolidierung reden, nicht zu behaupten wagen. Ein Vergleich der Währung mit den nordischen Ländern zeigt, daß die Entwertung unserer Krone seit dem 31. März 1924, also seit 10 Monaten in Christiania 10%, in Kopenhagen 9% und in Amsterdamm 7% beträgt. Es machen sich also andere Ursachen geltend, die von entscheidendem Einfluß auf die Gestaltung der Krone sind, und ein Vergleich mit den Ausweisen unseres Bankamtes von Ende Jänner 1923 und 1924 zeigt ns dies auf. So hat sich unser Metallschatz um ca 9 Millionen vermindert, der Devisenvorrat ist um 484 Millionen zurückgegangen, während die Wechsel um 361 Millionen Kronen gestiegen sind. Also trotz der starken Ausfuhr, trotz Devisenordnung sinken die wichtigsten Bedeckungsmittel und wenn auch durch die unbändige Drosselung der Notenumlauf zurückgeht, wird dieser Stand nationalökonomisch niemand befriedigen. Dabei ist dieser Staat so reich an Naturschätzen, er hat eine arbeitsame und sparsame Bevölkerung und besitzt alle Vorbedingungen für eine gesunde und gradlinige Entwicklung in hohem Maße. Dazu kommt noch das unerträgliche System des Bankamtes bei der Festsetzung der Auslandskurse, das jeden zwingt, bei der Beschaffung von Devisen 2 bis 3%an Disagio zu bezahlen, um welchen Betrag die eingeführten Waren verteuert werden. Auf diese Art günstige Geschäftsergebnisse im Bankamte zu erzielen, ist keine besondere Kunst.

Wenn nun Stimmen im Auslande laut werden, man solle zu uns ebenfalls einen Finanzkommissär setzen, so möge dies für die verantwortlichen Menschen in diesem Staate, vor allem aber für die Regierung eine Warnung sein, den Weg, der zum Abgrund führt, zu verlassen. Wir überschreiten mit unseren Staatsausgaben bei Weiten das Maß des Zulässigen. Mit den Monopolen treiben wir Wucher, unsere Postgebühren werden kaum eine Konkurrenz nach oben hin finden, Telegraph, Telephon, Radio sind beim höchstmöglichen Tarif angelangt, die Eisenbahntarife wurden vor wenigen Tagen um 10% erhöht. Die Steuern wachsen ins Unendliche, sodaß der Staat der Teuerung als Schrittmacher vorangeht. Und da spielt man noch immer mit den Zöllen. Unter dem Schlagwort "Schutz der heimischen Produktion" krebsen die Agrarier schon monatelang herum, beunruhigen die Wirtschaft und legen damit den Keim für spätere Verwicklungen. Das altösterreichische Beispiel der Agrarzölle, das den Konflikt am Balkan zur Explosion brachte, sollte doch auch für uns abschreckend wirken und viel eher sollte man an eine Regulierung der Zölle im ausgleichenden Sinne denken. Ist es vielleicht gerecht, daß der Zoll bei Kaffee bei den feinsten und teuersten Sorten genau so hoch ist, wie bei den billigsten und schlechtesten Santos? Oder kann man es verteidigen, daß beim feinsten Tee der Zoll 60%, bei minderwertigem aber 110% beträgt? Dies ließe sich beinahe bei allen Kolonialwaren fortsetzen. Bei Fett macht Zoll, Akzise und Umsatzsteuer 12%, bei Speck 13 1/2% aus und bei Gefrierfleisch beträgt dies mehr als 17%. Nehmen wir zur Hand, was wir wollen, alles ist teuerer geworden, sei es Leder oder seien es Schuhwaren, Baumaterialien oder Haushaltungsgegenstände, Textilien oder Galanteriewaren; in allem sind schon Erhöhungen erfolgt und weitere stehen in Aussicht.

Unsere Interpellation, die den eigentlichen Anlaß zu dieser Teuerungsdebatte gegeben hat, weist ausführlich auf den Zuckerskandal hin, welcher die Konsumenten mindestens eine Viertel Milliarde kostet. Bei unseren Agrariern, im Handel, in der Produktion, überall hört man das Argument von den Weltmarktpreisen, welche auch bei uns die Grundlage der Preisbildung sein müssen. Dieses Prinzip wird aber beim Zucker schmählich verlassen und unser Klub kann seine Verwunderung nicht verhehlen, daß ein solcher Vertrag, der den Zucker im Inlande über alle Maßen verteuert, gegen die Interessen der Konsumenten zustande kommen konnte, noch dazu vom Ministerium für Volksverpflegung, welches doch hauptsächlich zum Schutze der Konsumenten da sein sollte. Es ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären. Schon bei Festsetzung der Rübenpreise hat es diesem Ministerium an Nackensteife gefehlt, und es ist wohl unbestritten, daß die Vertreter der Agrarier in dieser Frage im Ministerrat einen leichten Sieg erfochten haben. Das berüchtigte Veto der Koalitionsbruderschaft, das bei allen sozialpolitischen Fragen wiederkehrt, ist dem Geldhunger dieser Gruppe gegenüber unwirksam geblieben. Erschütternd wirkt aber die Nachricht über die Verhandlungen mit der Zuckerindustrie, laut welcher der Schandvertrag bei un eränderten Preisen erneuert werden soll. Wir halten dies mehr für einen Versuchsballon, um zu sehen, wie die öffentliche Meinung darauf reagiert, möchten aber mit aller Deutlichkeit darauf sagen, daß es die Arbeitsklasse gründlich satt hat, das Opfer einer aus reinen Prestigegründen inaugurierten Handelspolitik zu sein. Um mit einer günstigen Handelsbilanz zu brillieren, fördert man den Export von Zucker, Hopfen und Gerste, entzieht Tausende von Hektar guten Ackerbodens dem Anbau von Brotfrucht, ohne dabei zu bedenken, daß hiefür auf der anderen Seite um Milliardensummen Mehl und Getreide eingeführt werden müssen. Und das nennt man dann Förderung der Volkswirtschaft! Mit Mühe und Not sind wir aus der Schraube ohne Ende in der Inflationszeit herausgekommmen, die Deflation hat dem unsinnigen Hexentanz ums goldene Kalb ein Ende bereitet, aber es war ein Ende mit Schrecken. Zusammenbruch der Wirtschaft auf der ganzen Linie, Absatzstockung, Krise und Arbeitslosigeit waren die Folgen, Ausgleiche und Konkurse mit Milliardenschäden überstürzten sich und hinterließen ein Trümmerfeld im gesamten Wirtschaftsleben. Not und Entbehrung, Verelendung der Massen waren im Gefolge, und hauptsächlich der Arbeiterschaft waren die härtesten Opfer für den Wiederaufbau auferlegt.

Ein eigentümliches Kapitel bildet unsere Salzwirtschaft, wobei die Staatsverwaltung eine ganz merkwürdige Rolle spielt. Bekanntlich geh ört Salz zu den Monopolartikeln. Die Salzwerke befinden sich in Akna-Slatina an der östlichen Grenze des Staates. Die Mühlen zur Vermahlung sind in Olmütz. Das Rohprodukt wird tausend Kilometer weit mit allen Abfällen zur Reinigung und Vermahlung geführt, um dann am selben Wege wieder zurück in die Slowakei und nach Podkarpatská Rus in den Handel gebracht zu werden. Jeder Privatunternehm er, der seine Produktion in solch ökonomischer Unsinnigkeit betreibt, würde verlacht und verspottet, aber auch in kurzer Zeit von der Konkurrenz zermalmt und vernichtet werden. Nur die Monopolstellung des Staates erlaubt diese kostspielige Betriebsführung, deren Opfer die wehrlos ausgelieferten Konsumenten sind. Das Urprodukt wird zu einem mäßigen Preis - man spricht von 19 bis 20 Hellern - an die Mühle geliefert und kommt zum Preise von 1 Krone 20 h in den Handel. Es scheint daher der Staat Wucherprofite zu nehmen, wobei auch die Vermahlungsgesellschaft ein fettes Geschäft macht. Dabei die allgemeine Klage über die Qualität und das unappetitliche Aussehen. Wir könnten reines, blendend weißes Salz aus Deutschland zum Preise von zirka 120 Kè franko Eger beziehen. Unser Salz kostet nach Eger gestellt 180 bis 185 Kronen, ist also um 8000 Kè pro Waggon teuerer. Der Bedarf ist zirka 12.000 Waggons pro Jahr, so daß die Konsumenten um nahezu 100 Millionen mehr zahlen müssen. So ist es auch beim Viehsalz. Deutsches kostet Parität Eger 20 Kronen, unseres 80 Kronen, wieder bei Berücksichtigung der Frachtrelationen um 30 bis 35 Millionen Kè mehr. Unsere Lederindustrie führt seit langen einen hartnäckigen Kampf um besseres Industriesalz. Unser Salz ist stark eisenhältig und erzeugt Schäden, welche das Produkt minderwertig machen. Dies ist allbekannt, aber der Herr Sektionschef Král, dem das Ressort untersteht, heißt nicht nur Král, sondern ist auch ein král, ein König, der unumschränkt waltet und über alle Klagen hohnlächelnd hinweggeht.

Glaubt die Regierung, an all dem achtlos vorbeigehen zu können, indem sie die Achseln zuckt und meint: Ach was, Teuerung, wir haben andere Sorgen! Glaubt man wirklich, mit dem Wau-Wau der Wucherpolizei und der Bildung einer Einkaufsgesellschaft alles getan zu haben? Vergißt man daran daß das Steigen der Preise einen erhöhten Notenumlauf erfordert und damit die Gefahr der Inflation droht? Wehe dem, der die Zeichen der Zeiten nicht versteht, er ist dem Untergange geweiht, und das Volk, die große Masse, wird bei den nächsten Wahlen die Justifizierung vollziehen.

Nun noch ein Wort zu unserer Tarifpolitik. Zugegeben, daß man sich bemüht hat, im letzten Jahre Erleichterungen durch Einreihung in andere Klassen Durchrechnung usw. zu schaffen, so kann uns dies nicht abhalten, einen ermäßigten Ausnahmstarif für den Transport von Lebensmiteln zu fordern. Außerordentliche Zeiten erfordern außerordentliche Maßnahmen und wir dürfen uns nicht von kleinlichen und fiskalischen Interessen leiten lassen, wenn wir durch wirksame Mittel die Teuerung bekämpfen wollen.

Was soll geschehen und was verlang enwir deutschen Sozialdemokraten? 1. Vor allem ein klares Bild in der Mehl- und Brotversorgung, welche Mengen greifbar sind, bis zu welcher Zeit unsere Versorgung gesichert ist, sowie Maßnahmen, um die notwendigen Mengen heranzuschaffen. 2. Sicherung der Quote für die Min derbemittelten zu angemessenen Preisen. 3. Aufhebung der Um satzsteuer für die wichtigsten Nahrungsmittel. 4. Aufhebung der Finanzzölle, die den Nahrungsmittelverkehr belasten, respektive Beseitigung ungerechter Härten. 5. Beseitigung aller Verkehrsschwierigkeiten, den Personen- oder Güterverkehr betreffend, und Herabsetzung der Tarife für Lebensmitteltransporte. 6. Herabsetzung des Bankzinsfußes. 7. Außerkraftsetzung des Zuckervertrages und Preiserstellung nach Maßgabe der Rohzuckerpreise. 8. Schaffung von Konsumentenkammern.

Hohes Haus! Wir leben wieder einmal in einer ernsten Stunde. Mit Hangen und Bangen harrt die werktätige Bevölkerung des Beschlüsse und Maßnahmen der Gesetzgebung, um eine ernste Gefahr zu bannen. Handeln wir so, wie es uns die Stunde gebietet. Uns kann die Regierungserklärung nicht befriedigen, weil wir alle die vorgeschlagenen Maßnahmen für einen bloßen Schlag ins Wasser halten, und darum wird mein Klub gegen deren Kenntnisnahme stimmen. Wir können es aber nicht unterlassen, Ihr Gewissen aufzurufen, daß Sie unserem Dringlichkeitsantrage zustimmen, daß Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, die Teuerung zu bannen, weil dies im allgemeinen Interesse und besonders im Interesse der arbeitenden Bevölkerung liegt. (Potlesk na levici.)


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