Pondìlí 17. listopadu 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 299. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 17. listopadu 1924.

Øeè posl. Patzela (viz str. 241 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die heutige Polizeivorlage soll mir Gelegenheit bieten, mich ein wenig nit den verschiedenen Polizeiverhältnissen der Staatsverwaltung zu befassen und unsere Gedanken über die Begri fe "Staatspolizei" und "Polizeistaat" darzulegen. Das Gesetz vom 16. März 1920 Zahl 165 der S. d. G. u. V. über die Ermächtigung der Regierung zur Errichtung staatlicher Polizeibehörden, dessen Gültigkeit nach 5jähriger Dauer am 31. März 1925 abläuft, soll bis zum 31. Dezember 1929 verlängert werden. Nach dem Motivenbericht wurden bisher in der Èechoslovakei 23 staatliche Polizeiämter errichtet, so daß wir mit Prag jetzt 24 haben. (Posl. Simm: Viel zu wenig!) Sehr richtig, wenigstens nach Auffassung der hohen Regierung. Es befinden sich darunter die Direktionen in Pilsen, Reichenberg, Brünn, Troppau, Mähr. Ostrau und in den drei Hauptstädten des östlichen, also ihalb asiatischen, Staatsgebietes, und Kommissariate in Eger, Karlsbad, Znaim und Iglau, während bekanntermaeen Aussig jetzt an die Reihe kommen soll. Die èechoslovakische Regierung will nach und nach zumindest in allen größeren Städten die Ortspolizei den Gemeinden abnehmen und das ganze Polizeiwesen verstaatlichen.

Darum ist auch dieses Gesetz ein weiterer Eingriff in die Gemeindeautonomie, der jede unmittelbare Mitarbeit bei der Besorgung öffentlicher Aufgaben entwunden wird und die zu einem bloßen Polizeiorgan der zentralen Staatsgewalt herabgedrückt wird. Die Durchführung des betreffenden Gesetzes bringt den Gemeinden eine schwere materielle Schädigung. Die Gemeinden müssen für eine Reihe von Jahren einen starken Teil der Kosten der verstaatlichten Polizei tragen, während der Staat, wenigstens in unseren deutschen Städten, nur einen Teil der vorhandenen Sicherheitswache übernimmt und die übrigen ohne jede Rücksicht der Stadt überläßt, die nun nicht weiß, was sie mit diesen bisherigen Polizeiangestellten tun soll. Die ewige Gespensterfurcht und das böse Gewissen der Machthaber dieses Staates und gewisser politischer Gernegroße bringt dann die Anstellung zahlreicher èechischer Polizisten in den betreffenden deutschen Städten als èechische Posten im deutschen Gebiete und als Mittel der Èechisierung. Diese Staatspolizeikommissariate werden dann mit einer Machtvollkommenheit ausgestattet, die man vielfach der Gemeinde einfach wegnimmt und der gegenüber in vielen Fällen selbst die politische Bezirksverwaltung etwas vonihrem Machtbereich abgeben muß. Die Gemeindeautonomie ist heute nurmehr eine Ruine dessen, was das vielverlästerte alte Österreich in den 60er Jahren den Gemeinden gegeben hatte. Die Willkürherrschaft dieser Polizeiorgane z. B. in unseren westböhmischen Städten ist nicht danach angetan, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß diese Einrichtung nur im Interesse der Allgemeinheit geschaffen wurde, die deutsch Bevölkerung empfindet sie als Exekutionskolonnen. (Výkøiky na levici.)

Es lebt sich eben der Polizeigeist in diesem Staate immer mehr aus und dieser Polizeigeist, der aus dem Ministerium des Innern weht, verwendet die Unterbehörden zu geradezu albernen Maßnahmen. Heute ist man so weit, daß man die deutsche Bevölke ung zur Staatsfreudigkeit nicht durch die Behandlung als gleichberechtigte Staatsbürger, sondern durch Zwangsmaßnahmen erziehen will. Man verbietet unserer deutschen Bevölkerung bei unseren deutschen Festen die Verwendung der schwarz-rot-goldenen. Fahnen (Výkøiky posl. Simma.) und stellt dafür die Staatsflagge als Geßlerhut auf. (Výkøiky na levici.) Man erzwingt, wie in Troppau durch Ministerium und Polizeidirektion, in Kaaden durch die Bezirksverwaltung und anderwärts, an dem Staatsfeiertage, der als angeblicher Gründungstag der Republik heute nahezu von allen èechischen Parteien dieses Staates selbst angezweifelt wird, die Hissung der Staatsflagge auf dem Gemeindehause. Ich sage aber, mit Zwang werden die Herren der deutschen Bevölkerung nicht Achtung, sondern nur Mißachtung vor diesem staatlichem Hoheitszeichen und Haß beibringen. (Posl. dr. Radda: Bei uns hat man die Marktweiber davon gejagt, weil man am Staatsfeiertage keine Äpfel essen darf!) Ungeheuerlich! und ob auf den Märkten gestohlen wird, das erfährt man nicht.

Dabei kommt es zu Fahnenaffären, die eines komischen Beigeschmacks nicht entbehren. In Böhm. Leipa wurde z. B. in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober von einem Privathause eine Fahne herabgerissen und zerrissen aufgefunden. Ein Entrüstungssturm über die Beschimpfung der Staatshoheit ging durch die èechische Presse, als wären die Deutschen in Leipa in Revolution gegen die Moldaurepublik aufgestanden und die erren Abgeordneten David und Aster mußten natürlich mit dem Herrn Senator Lisý zu einer Protestversammlung nach Leipa, um Öl ins Feuer zu gießen. (Výkøiky na levici.) Montag den 3. November wurde dann der Privatbeamte Alfred Knechtl, weil er deutscher Nationalsozialist ist, über eine èechische Denuntiation verhaftet, an demselben Tage, an dem die Herren èechischen Kollegen den Staat in Böhm. Leipa vor dem sicheren Untergang hatten retten müssen. Dann stellte es sich heraus, daß es sich gar nicht um eine Staatsflagge handelte, sondern um eine Fahne in den alten böhmischen rot-weißen Landesfarben und nicht auf einem Amtsgebäude, sondern am Hause des Schuhmachers Linka, der ein so guter Patriot und Geschäftsmann ist, daß er an allen èechischen Feiertagen - und deren gibt es besonders im deutschen Gebiete sehr viele - seine alte rot-weiße Fahne heraushängt, sonst aber seinen Namen keineswegs als Jan Linka, sondern als Johann Linka auf dem Geschäftsschild angibt, um die Kundschaft der deutschen Bauern der Umgebung zu behalten. Geht das Geschäft nicht so, wie er es will, dann wird nach altem Rezept ein Stückchen nationalen Märtyrertums versucht. Es ist bezeichnend, daß man trotz lauter èechischer Gendarmen und trotz èechischer Staatsanwalte erst nach einer Reihe von Tagen daraufkam, daß es sich gar nicht um eine Staatsflagge handelt, daß also irgend ein Vergehen gegen das Schutzgesetz gar nicht vorliegt. Trotzdem aber mußte der Verhaftete bis 10. November bis nach Abhörung von zwei Dutzend Zeugen in Haft bleiben. Dann mußte man ihn aus der Haft entlassen, weil rein gar nichts gegen ihn vorlag. Das blamable Ergebnis wird natürlich sowohl von èechischen Parlamentarien als von der ihnen nahestehenden Hetzpresse der èechischen Öffentlichkeit vorenthalten.

Eine andere Fahnengeschichte hat der Èechoslovakei den Spott in ganz Deutschland eingetragen. Am 28. Oktober wehte von einem Haus in Reichenberg eine schwarz-rot-goldene Fahne. Die èechischen Berufshetzer machten einen ungeheueren Krawall, auch èechische Polizei - bitte, die diensthabenden èechischen Polizisten - schrieen voll Wut und Trotz nach der Entfernung der beleidigenden Fahne. Und dann stellte es sich heraus, daß es das Haus der reichsdeutschen Paßstelle war, die den èechischen Staatsfeiertag nach alt em diplomatischen Brauch durch Hissen der deutschen Flagge gefeiert hatte. Aber der èechische chauvinistische Rausch torkelt eben von einer Blamage in die andere.

Wie dumm und brutal die politische Verwaltung den Polizeigeist betätigt, davon gibt ein erschütterndes Beispiel die Behandlung der Stadt Troppau. Präsident Masaryk hat bekanntlich im vergangenem Sommer verschiedene mährische und schlesische Städte besucht. Ich will hier über die politische Bedeutung dieser Reise keine Auseinandersetzung beginnen, sondern nur an eine Auswirkung dieses Besuches erinnern. Präsident Masaryk hat in einer Zuschrift an die Landesregierung seinen Dank für den Empfang in Troppau ausgesprochen. Wenn die deutsche Bevölkerung auch auf die vom Landespräsidenten Šrámek gewünschten Festlichkeiten nicht einging, hat sie doch dem Staatsoberhaupt und greisen Denker die Zeichen persönlicher Achtung nicht verweigert Weil aber auf dem Stadthaus eine Fahne in den Farben der Stadt beim Empfange des Staatsoberhauptes gehißt war, hat der Landespräsident an einem und demselben Tag, wenige Studen nach Bekanntgabe des Präsidentendankes, der Stadtgemeinde Troppau die politischen Agenden, also die politische Autonomie der Gemeinde, mit dem Hinweis auf das Verhalten des Bürgermeisteramtes beim Präsidentenempfang entzogen. Gäbe es in diesem Staate dort, wo Herr Malypetr wirkt, bei den herrschenden Kreisen, wirklich politische Vernunft, müßte man den Landespräsidenten Šrámek wegen schwerer Gefährdung der staatlichen Autorität und Verhöhnung des Staatsoberhauptes in Strafuntersuchung ziehen, abgesehen davon, daß er durch seine Maßnahme auch dadurch ein Verbrechen beging, weil er durch einen einfachen Erlaß der Landesregierung der Stadtgemeinde Troppau eine Amtsfunktion abnahm, die auf einem schlesischen Landesgesetz beruht und also nach der èechischen Verfassung nur durch ein von der Nationalversammlung angenommenes Gesetz hätte zurückgenommen werden können. Aber èechische staatliche Würdenträger, die von der Bevölkerung die Achtung vor dem Gesetze und vor dem Polizeipendrek verlangen, treten ruhig Gesetz und Verfassung mit Füssen, wenn dies den Deutschen gegenüber geschehen kann. Gewalt geht vor Recht in einer Republik, die sich - welch ein Treppenwitz der Weltgeschichte - in ihrer Verfassung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker beruft. Der Vorfall zeigt aber auch, wie einflußreiche èechische Kreise bestrebt sind, das Ansehen des Präsidenten Masaryk zu verhöhnen und zu untergraben, während der deutsche Staatsbürger, der ein freies offenes Wort spricht oder dem Staatsoberhaupt in freier deutscher Weise entgegentritt, beschimpft und gemaßregelt wird.

Die Polizeigeist lebt sich auch sonst in ungeheuerlicher Weise in diesem Staate aus und sein gefügiges Werkzeug ist ein Minister, der früher als èechischer Bauer Leiter eines Selbstverwaltungskörpers war. Noch immer und in steigendem Maße wird das berüchtigte "Prügelpatent" angewendet, schlimmer als in den dunkelsten Zeiten des alten Österreich. Ich will da ein paar typische Fälle anführen. Von der Bezirksverwaltung Schüttenhofen wurde der Bankbeamte Pollauf in Bergreichenstein deswegen bestraft, weil er am 1. Mai, an dem unsere Partei ebenfalls eine Maifeier veranstaltete, auf der Gasse eine Kornblume in Knopfloch trug. Das Tragen der Kornblume als Begrün dung des Urteils ist kein Witz, sondern Tatsache. Es kam sogar vor, daß ein Gendarmeriewachtmeister dem Manne Kornblume und Hakenkreuz vom Rocke riß. Wohl wurde gegen den Wachtmeister nach Versicherung des Ministers des Innnern deswegen im Disziplinarwege vorgegangen, dafür aber rächt sich die Staatsverwaltung, indem sie den Staatsbürger bestraft, der durch sein Knopfloch das Staatsgefühl des braven Wachtmeisters gereizt hatte. Gäbe es im Ministerium des Innern Verstand und Gerechtigkeit, dann müßte der Bezirkshauptmann von Schüttenhofen vom Amte enthoben und auf seinen Gesundheitszustand untersucht werden. (Výkøiky na levici.)

In Iglau wurde der Schriftsetzer Mika unter Berufung auf das "Prügelpatent" zu 5 Tagen Arrest verurteilt, weil er bei einer Trauerfeier für die Märzgefallenen, als die Anwesenden stehend das Lied "Ich hatt’ einen Kameraden" sangen, den anwesenden Polizeiadjunkten Slabý ersuchte, ebenfalls aufzustehen, um die Gefühle der Teilnehmer der Trauerfeier zu achten. Der Herr Minister findet in Beantwortung einer Anfrage meines Klubkollegen Jung dieses Urteil selbstverständlich.

In Hohenstadt wurde der Privatbeamte Otto Weiss von der politischen Bezirksverwaltung nach dem "Prügelpatent" zu 48 Stunden Arrest verurteilt, weil er im Aushängekasten des Nationalsozialistischen Jugendverbandes ein Bild Adolf Hitlers aufgehängt hatte. Die Berufung wurde von der politischen Landesverwaltung mit der Begründung abgewiesen, daß er sich auf eine ostentative und provokatorische Art die Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung habe zuschulden kommen lassen. Hiezu erübrigt sich wohl jede Bemerkung außer der, daß der Herr Minister des Innern in der Beantwortung einer Anfrage meines Parteigenossen Jung dieses Urteil gebilligt hat. (Výkøiky na levici.) Der Polizeiminister Napolenons Fouché war offenbar das Vorbild des Polizeiministeriums des Herrn Johann Malypetr. Wenn man mir vielleicht dabei einwenden möchte, daß die Èechoslovakei gegen Verurteilungen durch politische Behörden und Polizeibehörden die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof zuläßt, dann muß man dem entgegenhalten, daß diese Berufung bei den Kosten und dem Zwang der Berufungsausführung durch einen Rechtsanwalt gerade im Polizeistrafverfahren für den einzelnen Staatsbürger sehr schwer erschwinglich ist. Wenn im übrigen die in den letzten Tagen durchsickernden Nachrichten auf Tatsachen beruhen, daß bei der vorbereiteten Novelle über die Einschränkung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes Straferkenntnisse der Polizeibehörden, wenn sie keine Freiheitsstrafe oder keine Geldstrafe ber 500 Kronen aussprechen, von der Zuständigkeit ausgenommen werden sollen, zeigt dies deutlich den Kurs, daß der Willkür noch mehr Tür und Tor geöffnet werden sollen. Die Verdrängung der ordentlichen Rechtssprechung durch die Verwaltungjustiz, namentlich in Angelegenheiten mit einem politischen Charakter, wird die heute schon genug geschändete politische Rechtssicherheit tief unter den Stand des Vormärz herabdrücken, namentlich bei der zunehmenden Korrumpierung des öffentlichen Lebens in diesem Staate.

Die Polizeiwillkür richtet sich schon jetzt tüchtig ein, der Preßfreiheit vollends den Garaus zu machen. Am 11. ds. sprach an dieser Stelle mein Klubkollege Jung. Ich will hier mitteilen, wie es mit der Wiedergabe des von der Parlamentskorrespondenz herausgegebenen Auszuges ging. Darüber berichtet die Troppauer Tageszeitung "Deutsche Post" vom 13. d. M. Folgendes: "Um ein Haar der Beschlagnahme entgangen ist die gestrige Ausgabe unseres Blattes. Kurz vor 3 Uhr morgens erschienen die Vollzugsorgane der Staatsgewalt mit der schriftlichen Weisung eines offenbar untergeordneten Organes, das die Beschlagnahme anordnete. Lediglich dem außergewöhnlichen Zufall, daß um diese späte Stunde noch der diensttuende Schriftleiter anwesend war und selbst einschreiten konnte, ist es zu danken gewesen, daß nach vieler Mühe und nach Überwindung erheblicher Umständlichkeiten die Aufhebung der bereits verfügten Beschlagnahme erwirkt werden konnte. Auf den Hinweis nämlich, daß ja die Rede im Parlament gehalten worden sei und unmittelbar vom Abgeordnetenhause uns übermittelt wird, daß also diese Rede laut Gesetz und Verfassung immunisiert sei, folglich auch nicht beschlagnahmt werden könne, erklärte das angedeutete Amtsorgan, der Präsident Tomášek habe auch schon Parlamentsreden nicht frei gegeben. Also der Polizeispitzel unten denkt sich: "Quod licet dem Großen, ziemt auch mir". (Výkøiky na levici.) Die Rede des Abgeordneten Jung sei so kräftig, daß sie nicht durchgelassen werden könnte. Erst auf das energische Einschreiten des diensttuenden Schriftleiters, der die Aufnahme eines Protokolles verlangte, mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die ausführenden Organe für den Schaden haftbar gemacht werden müßten, der durch die ungerechtfertigte Beschlagnahme entsteht, gelang es, erst einmal die Vermittlung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. Der diensttuende Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte dann die Einsicht und verfügte in richtiger Würdigung der politischen und journalistischen Sachlage die Aufhebung der von dem untergeordneten Organ veranlaßten Beschlagnahme. Natürlich erschien die Rede des Abgeordneten Jung, die, wie erwähnt, so großes Entsetzen hervorgerufen hatte, in der gesamten Presse unbeanständet. "Es wäre doch" - schreibt die Zeitung - "wohl wünschenswert, wenn alle Organe der Staatsgewalt, die mit der Zensur zu tun haben, entsprechend aufgeklärt würden, damit derartige Verstöße, die nicht nur gegen Gesetz und Verfassung gehen, sondern auch noch erheblichen materiellen Schaden anrichten, vermieden werden."

Da ich die Tätigkeit des Innenministeriums kritisiere, will ich aus dieser Tätigkeit noch ein Kapitel vortragen, nicht deswegen, weil ich selbst mit der Angelegenheit befaßt wurde, sondern weil dieses Kapitel einzig in seiner Art ist. Am 27. Oktober 1921 wurde bekanntlich in Graslitz durch die Nervosität èechischer Soldaten ein Blutbad angerichtet, wobei festgestellt wurde, daß in vielen Fällen die tödlichen oder schwerverwundenden Schüsse von rückwärts kamen. Die Staatsverwaltung hat das wirkliche Ergebnis der angestellten Untersuchung nie der Öffentlichkeit übergeben, vielleicht deswegen, weil ihr die Verwendung von Dum-Dum-Geschoßen doch unangenehm war. Sie hat aber doch die Pflicht anerkannt, den Geschädigten oder deren Hinterbliebenen nach dem Gesetz vom 18. März 1920, Z. 187 Slg. d. G. u. V., einen Staatsbeitrag zu geben. Der Witwe Magdalena Klier wurde ein solcher verweigert. Bei der vorjährigen Budgetberatung machte ich am 15. November 1923 im Budgetausschuß den Herrn Sektionschef Bobek darauf aufmerksam, in der Anschauung, ein solches persönliches Einschreiten würde rascher eine Überprüfung des Falles herbeiführen. Nach Überprüfung des Falles und nach Einholung von Informationen erklärte mir damals der Sektionschef Bobek, die Frau solle unter Berufung auf meine Intervention und auf diese Rücksprache sofort ein neues Gesuch einbringen. Die Frau tat dies, erhielt aber dann vom Ministerium mit Erlaß vom 15. Jänner 1924 den Bescheid, das Ministerium finde keinen Anlaß, seine abweisliche Entscheidung vom 2. October 1922 zu ändern. Darauf habe ich am 16. Feber 1924 an den Herrn Minister des Innern eine parlamentarische Anfnfrage eingebracht und deren Erledigung mit einer an den Herrn Minister des Innern gerichteten Zuschrift vom 7. Juni 1924 urgiert. Bis heute sind Antwort und Erledigung ausgeblieben. Wie wir es auffassen, wenn das Ministerium auf solche Art seine vornehme Gesinnung beweist und wenn der Herr Minister des Innern durch Nichteinhaltung der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Antwortfrist das Gesetz verletzt, das kann nicht zweifelhaft sein. Wir legen diesen Fall zu allen jenen übrigen Erscheinungen, welche diesen Staat als Polizeistaat erster Ordnung kennzeichnen.

Wir überlassen es den freiheitlichen und sozialistischen èechischen Parteien, ob sie damit ihren Staat auf die glückliche Höhe eines freien dauernden Bestandes führen wollen. Das Sudetendeutschtum wird lernen, sich diesem Polizeistaatssystem nicht zu beugen und wird dann gewiß auch dieses Polizeistaatssystem überlegen können. (Potlesk na levici.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP