Úterý 15. dubna 1924

Zweitens schien Herr Dr. Kramáø beweisen zu wollen, daß er sich nicht im geringsten geändert habe. Seine heute entwickelte Vorstellung über den Begriff der politischen Freiheit und der Demokratie scheint mir ganz mit jenen Vorstellungen übereinzustimmen, die derselbe Dr. Kramáø 1897 im österreichischen Abgeordnetenhaus, damals als Vizepräsident, zum Ausdruck gebracht hat. Er hat auch erwähnt, daß Rußland früher ein absoluter Staat gewesen ist. Es ist nun interessant festzustellen, daß Dr. Kramáø nicht nur früher ein begeisterter Verehrer dieses absolutistischen Rußlands gewesen ist, sondern daß er es auch heute noch ist.

Zu den sachlichen Ausführungen meines Parteigenossen Patzel habe ich ergänzend nichts hinzuzufügen. Aber für die hierzulande herrschende Demokratie und politische Freiheit kann ich mir nicht versagen, einige Beispiele anzuführen.

Eines davon ist folgendes: Unser Parteisekretär Krebs ist vor kurzem vom Bezirksgericht Písek zu 30 Kè Geldstrafe deshalb verurteilt worden, weil er in einer geschlossenen Versammlung zu Winterberg Flugblätter verteilt hat. Das beweist, wie notwendig gerade eine Änderung der vorsintflutlichen Bestimmungen über das Kolportageverbot ist. Aber gerade auf diesem Gebiet wird nicht das geringste geändert. Ich meine, das Gesetz, das uns heute vorliegt, wäre nicht so sehr notwendig, als es vielmehr eine Änderung der geistigen Verfassung weiter Kreise des Èechentums wäre. Die Erziehung gerade jener Presse, welche Herrn Dr. Kramáø nahesteht, der "Národní Listy" und der "Národní Demokracie", deren Hauptarbeit in der geschäftsmäßigen Hetze gegen alles Deutsche und vor allem gegen die deutschen öffentlichen Angestellten besteht, die wäre notwendig. Man läuft nicht Gefahr, ein falscher Prophet zu werden, wenn man behauptet, daß diese Hetzarbeit nach wie vor betrieben werden wird, ohne daß dagegen von berufener Seite Stellung genommen werden wird. Man kann auch ganz ruhig behaupte, daß nach wie vor diese Hetze von den amtlichen Organen als willkommener Vorwand und Anlaß benützt werden wird, um deutsche Beamte zu maßregeln.

Für diese Behauptung führe ich einige Beweise an. Wenn ich ein Troppauer Beispiel nehme, so soll dies nicht etwa heißen, daß sich derartige Fälle nicht auch anderswo ereignen, wenngleich man allerdings sagen kann, daß Schlesien, das im alten Österreich nicht ohne Grund als eines der fortschrittlichsten Länder galt, heute unter allen Sudetenländern nahezu als das rückschrittlichste bezeichnet werden kann. Um diese Behauptung zu erhärten, erwähne ich, daß wir dortselbst nicht einmal im entlegensten Dorfe, das stundenweit weg von der Bahn liegt, eine Vers ammlung durchführen können, ohne Regierungsvertreter und entsprechendes Gendarmerieaufgebot zur Stelle zu haben; und selbst dann, wenn sich die Versammlungen innerhalb des Raumes derselben politischen Bezirksverwaltung wiederholen, so erlebt man, daß bei jeder dieser Versammlungen ein Regierungsvertreter anwesend ist, oft ein und derselbe, der sich natürlich schließlich zu Tode langweilt. Ich verweise weiter darauf, daß uns in Schlesien Sammlungen für den von der Partei angeregten Hakenkreuzkampfschatz, der bloß für engere Parteikreise galt, verboten worden sind und dergleichen Dinge mehr.

Ich gebe zu, daß vielleicht die Kleinheit des Landes auch wesentlich dazu beiträgt, daß sich der Einfluß der Výboraken stärker entwickelt hat und geltend machen kann, als anderswo. (Posl. Patzel: Wirkt verengend auf das Gehirn der Landesleitung!) Sehr richtig, das kann man mit Fug und Recht behaupten. Die öffentlichen Bediensteten werden, das gilt nicht nur für Schlesien, sondern auch anderswo, in einer Weise bespitzelt, die zur schärfsten Kritik herausfordert. In Troppau besteht zu diesem Zweck ein weit verbreitetes Spitzelsystem. Jeder Staats- und Landesangestellte, jeder Staatseisenbahner, der eine Versammlung besucht, wird vernadert. Nicht nur, daß man das seiner vorgesetzten Behörde meldet, sondern er kommt förmlich an den Pranger.

Wir haben dort ein Blatt, es gibt sich als Blatt der èechischen Sozialisten aus, genannt "Bezruèùv Kraj", dessen Spalten nichts anderes als Vernaderungen aller deutschen öffentlichen Angestellten enthalten. Die Herren von der èechischen sozialistischen Partei sollten sich dieses Parteiblatt etwas genauer anschauen, um feststellen zu können, ob es ihren Zwecken und Absichten entspricht oder widerspricht. Ein ganz kennzeichnendes Beispiel für dieses System bieten die Vorgänge, welche sich nach einer Versammlung meines Parteikollegen Patzel in Troppau abgespielt haben. Wir hielten am 21. Feber dort eine öffentliche Volksversammlung ab im Beisein eines Regierungsvertreters. (Posl. Patzel: Èechischer Nationalität!) Jawohl èechischer Nationalität. Redner war Kollege Patzel, dem kein Mensch Unsachlichkeit vorwerfen kann, auch nicht im gegnerischen Lager. Der Regierungsvertreter hatte nicht ein einzigesmal Anlaß, ihn zu unterbrechen. Die Versammlung verlief in vollster Ruhe und Ordnung. Sie entsprach vollständig jenen Bedingungen, welche die Herren hier fortwährend an Versammlungen stellen. Es ist in Ihrem Munde ein ständiges Um und Auf: Ruhe und Ordnung. Kaum war die Versammlung vor über, wurden 15 öffentliche Angestellte im "Bezruèùv Kraj" als Teilnehmer an dieser Versammlung angeführt und die Behörde gegen sie aufgehetzt. Ich konnte feststellen und stelle heute öffentlich vor diesem Forum fest, daß einige der Genannten der Versammlung überhaupt nicht beigewohnt haben. Das hinderte aber die Behörde nicht, sie trotzdem einzuvernehmen und zur Verantwortung zu ziehen. Unter anderen wurde beispielsweise von der Finanzlandesdirektion ein Steuerbeamte einvernommen und gefragt, ob er an dieser Versammllung teilgenommen habe. Er erklärte "Jawohl", und auf die Frage, weshalb er dorthin gegangen sei, sagte er: Weil die Gemeindewahlen vor der Tür stehen undich selbstverständlich die verschiedenen Redner hören will. Daraufhin hat man ihm erklärt, er hätte wissen müssen, daß das eine staatsge fährliche Versammlung war ich bitte eine öffentliche Volksversammlung in Anwesenheit eines Regierungsvertreters - und er bekam eine Verwarnung seiner Behörde unter Hinweis auf jenen Paragraph der Dienstpragmatik, in welchem Staatsbeamten die Teilnahme an geheimen Verbindungen untersagt wird. (Výkøiky na levici.) Man weiß hier wirklich nicht mehr, wo die Dummheit aufhört und die Bosheit anfängt.

Nach den Gemeindewahlen, die den Èechen in Troppau nicht das gewünschte Ergebnis brachten - sie schmeichelten sich doch, aus eigener Kraft den zweiten Bürgermeisterstellvertreter erreichen zu können - begann die Hetze von neuem. Diesmal gesellten sich noch die "Národní Listy" hinzu, und die begannen die Staatsgewalt gegen die öffentlichen Angestellten aufzuwiegeln. Es hieß dort, die Hackenkreuzler seien nur deshalb aus der Wahl so stark herausgestiegen, weil die ganzen öffentlichen Angestellten hinter ihnen stehen. Nun ließ natürlich der Ruhm der Finanzlandesdirektion die Staatsbahndirektion Olmütz nicht ruhen und sie hat infolgedessen in einigen Tagen zwei Beamte der Bahnerhaltung Troppau deshalb zur Verantwortung gezogen, weil sie seinerzeit im "Bezruèùv kraj" als Teilnehmer der Versammlung genannt waren. Die beiden können nachweisen, daß sie der Vers ammlung überhaupt nicht beigewohnt haben. Nun - man weiß ja, wie die Dinge laufen - man hat die Betreffenden auch gefragt, welcher Partei sie angehören - daß sind Dinge, welche die Behörden interessieren - und welchen Vereinen sie angehören. Und das alles bezeichnet man hier als Demokratie und es steht zu erwarten, daß diese beiden Beamten deshalb, weil sie bezichtigt werden, an einer öffentlichen Vers ammlung eines Abgeordneten teilgenommen zu haben, versetzt werden.

Nun ist gerade dieses Vorgehen der Staatsbahndirektion Olmütz umso interessanter, als ich Gelegenheit hatte, vor Jahresfrist einen ganz ähnlichen Fall in einer Anfrage an den Eisenbahnminister zu behandeln. Es handelte sich um eine Vers ammlung, die ich in Oderberg abgehalten und die zur Folge hatte, daß dort mehrere Eisenbahner einvernommen wurden. Einer von ihnen ist sogar entlassen worden. In der Antwort auf die Anfrage stand ausdrücklich zu lesen - was eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einem modernen Staate sein sollte - daß natürlich auch deutschen Eisenbahnern das Recht zustehe, Vers ammlungen zu besuchen, sich gewerkschaftlich und politisch nach Gutdünken zu organisieren, soweit diese Tätigkeit nicht außerhalb des Rahmens der Gesetze stehe. Ich meine also, eine Selbstverständlichkeit, eine Binsenwahrheit, über die man nicht weiter reden muß. Die Staatsbahndirektion Olmütz aber hält sich überhaupt nicht an diese Antwort, sie weiß, daß sie schließlich tun kann, was sie will; es wird alles mit einem wohlwollenden Lächeln übergangen. Und so häufen sich diese Fälle in geradezu ungeheuerlicher Weise. Es ist hoch an der Zeit, daß man sie bei jeder Gelegenheit und auch hier in diesem Hause zur Sprache bringt und sagt, daß wir uns nicht in die Rolle hineindrängen lassen, die uns die Herren zumuten, sozusagen Lakaien abzugeben, wenn sie ihnen genehme Vorlagen durchzupeitschen wünschen.

Ich möchte meine kurzen Darlegungen, die den Zweck haben sollen, einige Beispiele dafür anzuführen, daß all das, was hier von Demokratie und politischer Freiheit behauptetwird, nichts als Phrase ist, der nicht der geringste Ernst und Wert neizumessen ist, damit schließen, daß ich sage: "Je mehr man von Demokratie faselt, desto weniger ist von ihr vorhanden." Dieser Staat beweist vielmlmehr, daß er das Bestreben hat, ein Polizeistaat zu sein, wie es das alte Österreich war - aber um das alte Österreich nicht zu beleidigen, nicht etwa jenes Österreich knapp vor dem Zusammenbruch, es ist auch der Vergleich mit dem Österreich unter Badeni und Thun und Hohenwarth nicht zulässig, sondern man muß - und hier folge ich Ausführungen èechischer Blätter - in die Zeiten der allerschwärzesten Reaktion von 1849 zurückgreifen. Aber auch hier ist ein Unterschied festzustellen: Damals war die Luft wenigstens rein, während sie heute von den Fäulnisgerüchen der verschiedenen Koalitionsnsaffären geschwängert ist. (Souhlas na levici.)


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