Pondìlí 26. listopadu 1923

"Zu diesen großen Abstrichen in den Ausgaben waren wir mit Rücksicht auf die verringerten Einnahmen gezwungen." Gezwungen, füge ich hinzu, durch die verringerten Staatseinnahmen im Jahre 1924, gezwungen aber auch schon durch die verringerten Staatseinnahmen im Jahre 1923. Es ist damit, wie ich mir sofort erlauben werde, ziffernmäßig darzulegen, der Beweis erbracht, daß die Opposition wieder einmal Recht behalten hat: Der Staat hat auch schon in diesem Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Nach den vier fetten Jahren beginnen im Jahre 1923, zum Teil schon zu Ende 1922 die dürren Jahre für den Staat. Beweis dafür die Steuereingänge, oder richtiger gesagt, Steuernichteingänge, die weit hinter dem Voranschlag für 1923 zurückbleiben. Diese Ziffern lassen sich mit aller Deutlichkeit nur bei den direkten Steuern, sowie bei der Kohlen- und Umsatzsteuer anführen, da sie anderen Mitteilungen als dem Staatsvoranschlag entnommen werden mußten und diesen Mitteilungen die volle Vergleichbarkeit mit dem Staatsvoranschlag fehlen. Diese Ziffern lauten bei den direkten Steuern, in Millionen Kronen, präliminiert für 1923: 1834 Kronen, tatsächlicher Eingang: 1600. Mindereingang: 234. Bei der Kohlenabgabe 1923 präliminiert: 1050, tatsächlicher Eingang 750, Mindereingang: 300 - bereits im Jahre 1922 Mindereingang: 351.

Bei der Umsatz- und Luxussteuer 1923 präliminiert: 1800, tatsächlicher Eingang: 1500, Mindereingang: 300. Im Vorjahre Mindereingang: 587. Bei den sogenannten Verbrauchssteuern: 1923 präliminiert: 1073.9, tatsächlicher Eingang: 919, Mindereingang: 74. Auch im Vorjahre bereits ein Defizit.

Bei den sogenannten kleinen Verbrauchssteuern, Zöllen und Monopolen ist im Jänner und Feber 1923 angeblich ein Steigerung zu verzeichnen, später wird der Minderertrag pro Monat mit 10 Millionen Kronen bezeichnet. Im einzelnen sind die Zölle um 73 Millionen Kronen niedriger präliminiert als im Vorjahre. Genaue Vergleichsziffern zu den Eingängen in diesen Posten fehlen.

Ich bemerke vor allem nochmals, daß die Zifferrn, über die Eingänge an Steuern nirgends im Exposée des Finanzministers enthalten sind; eine diesbezügliche Anfrage im Budgetausschuß wurde, wie mir mitgeteilt wurde, nicht beantwortet. Vielleicht ist der Herr Finanzminister so liebenswürdig, hier in dem so teilnahmsvollen Hause etwas darüber zu erzählen. Jedenfalls liegt darin eine große Unterlassung und es kann auch nur als Unterlassung bezeichnet werden, wenn wir den Rechnungsabs hluß für das Jahr 1920 eben erst vor einer Viertelstunde in die Hand bekommen haben. Es ist mir natürlich nicht möglich, irgendwelche Schlüße daraus für unsere heutige Debatte zu ziehen. Vielleicht ist damit gesagt, daß gerade die Finanzverwaltung derartige Schlüße nicht sehr gerne gesehen hätte. Vielleicht wollte der Herr Finanzminister dadurch seinen etwas zu großen Optimismus verhüllen. Ich will nur darauf hinweisen, daß natürlich auch dadurch immer mehr in der breiten Öffentlichkeit die Befürchtung erweckt wird - ohne die Absicht, irgendeine Verdächtigung damit auszusprechen; aber bei solchen Unvollständigkeiten kommt man zu solchen Vermutungen - daß viele Gelder in unterirdische Kanäle abfließen oder eine Verwendung bekommen, die niemals die Billigung einer gerecht denkenden Volksvertretung finden könnten. Gewiß, ich gebe zu, es ist eine Notwendigkeit für einen Finanzminister, Optimismus zu besitzen, er darf sich aber nicht so weit von der Wirklichkeit entfernen, wie dies hier geschehen ist und er wird es uns als den Vertretern der Steuerzahler verzeihen, wenn wir derartige Unterlassungen rügen und aus diesem Gefühl heraus etwas pessimistischer an die Prüfung der uns vorgelegten Ziffernkolonnen gehen.

Trotzdem also im Jahre 1923 der geringere Eingang von 1922 oder wenig darüber eingestellt worden war, ist auch diese verringerte Summe tatsächlich nicht eingegangen. Es hat sich ein Minus von mehr als einer Milliarde Kronen ergeben. Wie steht es nun mit den präliminierten Steuern? Wir werden gleich sehen, daß wir auch hier mit großen Fiktionen arbeiten. Bei den direkten Steuern, Real- und Personalsteuern sind zwar 74 Millionen Kronen weniger als im Voranschlage 1923 eingestellt, das bedeutet aber um 160 Millionen Kronen mehr als der tatsächliche Eingang 1923 war. Ein übles Zukunftsbild für eine arbeitende Bevölkerung, wenn wir darunter die Erwerbsteuer mit dem Plus von 40 Millionen Kronen (250 zu 211) und die Verzugszinsen und Exekutionsgebühren mit einem Plus von 38.5 Millionen Kronen (57 zu 18) finden. Ähnlich bei den Verbrauchssteuern; das Präliminare zwar um 80.1 Millionen Kronen niedriger als der Voranschlag 1923, gegenüber dem tatsächlichen Eingang aber ein Plus von 74.5 Millionen Kronen. Wo soll das herkommen? Ebenso überraschende Trugbilder enthüllen die Ziffern über die Umsatz- und Kohlensteuer. Bei der letzteren finden wir im Voranschlag tatsächlich 450 Millionen Kronen weniger als im Vorjahre, gegenüber dem tatsächlichen Eingang aber bloß ein Minus von 150 Millionen Kronen. Es sei zugegeben, daß hier der Streik einen bedeutenden Ausfall mit sich gebracht hat. Durchaus Merkwürdiges aber enthält die Post über die Umsatzsteuer. Das Präliminare ist zwar um 207 Millionen Kronen geringer als der Voranschlag 1923, gegenüber dem tatsächlichen Eingang aber - wie ich ihn kenne - finden wir hier ein Plus von 93 Millionen Kronen. Soll dadurch der Gedanke der Reform der Umsatzsteuer populär gemacht werden und zum Ausdruck kommen? Es scheint leider so, dann müssen wir uns aber im Vorhinein für eine solche Reform herzlich bedanken.

Schon aus diesen Erwägungen heraus kommt man zu dem Schluß, daß die Regierung und der Berichterstatter zwar versucht haben, Ziffernbilder aufzurichten, welche das Sparen versinnbildlichen sollen, man sieht aber zugleich mit voller Deutlichkeit, daß der Steuerträger sich kaum der Erwartung hingeben darf, daß ihm tatsächliche Erleichterungen zugedacht sind. Die Staatsausgaben sind für die innere Leistungsfähigkeit der Wirtschaft dieses Staates ungeheuer und übermäßig hoch. Das geht allein schon daraus hervor, daß die Personalverwaltungsauslagen, auf den Kopf des Bewohners berechnet 601 Kronen, für eine vierköpfige Familie also 3404 Kronen betragen und die Durchschnittsziffern bei den Steuern 672, beziehungsweise 2688 K ausmachen. Liegt darin cht ein staatliches Überverwalten, Überregieren und Überhineinmischen in alle Angelegenheiten ausgedrückt, das von einer wirklich demokratischen Selbstverwaltung himmelweit entfernt ist? Und trotzdem die berechtigten Klagen der Beamtenschaft auf der anderen Seite, welche mit Recht darauf hinweist, daß bei zehnfachen Friedenspreisen ein 3-4facher Friedensgehalt kaum zum Notdürftigsten hinreicht? Wir wissen ja, daß ein Staatsbeamter in der V. Rangsklasse - so ist mir mitgeteilt worden - einen Gehalt von 2400 Kronen monatlich und 300 Kronen Zulage bezieht. Es ist unmöglich, eine zwei- oder dreiköpfige Familie mit einem derartigen Gehalt zu ernähren. Die Flucht aus dem Richterstand, aus dem Verwaltungs- und Steuerdienste ist die notwendige Folge. Es scheint, daß man trotz aller Ergänzung sich noch immer nicht des Grundsatzes erinnern will, daß die intensive Qualitätsleistung bei der Verwaltung auch bei guter und entsprechender Bezahlung der Beamtenschaft immer die billigste sein wird. Die traurigen Folgen des Nivellierungsgesetzes vom April 1920 zeigen, daß mit sogenannter Gerechtigkeit allein der Staat nicht regiert werden kann. Die Forderungen der Beamtenschaft mit Mittelschulbildung sind deshalb nicht von der Hand zu weisen. Zum Sparen gehört auch bei der Verwaltung das Herausholen der höchsten Leistung aus dem einzelnen Beamten; Lust zur Arbeit muß geschaffen werden, nicht fortgesetzte Versetzungen, Entlassungen, Pensionierungen und fortwährend Bedrängung in sprachlicher Hinsicht dürfen gerade den gewiß pflichteifrigen und arbeitswilligen deutschen Beamten das Leben unerträglich machen. Und was wird für Zeit damit vergeudet, und Geld damit verschleudert, daß man jedem Deutschen - allen deutschen Gemeinden und auch Privatpersonen - auch noch eine Übersetzung in der Staatssprache von der einzelnen Entscheidung freiwillig hinzugibt. Das kostet Geld und viel Zeit. Das geübte System zeigt sich also hier als der größte Feind des Sparens. Darum muß dieses System auch von der Mehrheit dieses Hauses bekämpft werden; nicht nationaler Chauvinismus darf die Verwaltungspraxis des Staates beherrschen, sondern Gerechtigkeit und das Bestreben, vorhandene Härten auszugleichen.

Ich wiederhole eine alltägliche Weisheit, wenn ich behaupte, daß für den Verbrauch des Staates nur dasjenige in Frage kommen kann, was die Staatsbürger selbst schaffen und produzieren. Wir schleppen das Bleigewicht eines ungesunden Militarismus mit uns herum; das weiß heute schon fast die ganze Welt, aber die Mehrheit dieses Staates will es nicht glauben, darum bleibt uns nichts anderes übrig, als darzutun, was Sie damit der Produktion des Staates, also dem lebenspendenden Organismus selbst Übermäßiges auflasten, so daß er dadurch unbedingt in Gefahr gebracht werden muß. Unsere Staatsausgaben sollten, in Goldkronen gerechnet, nach dem Schlüssel unseres Wechselkurses heute höchstens 1651 Millionen Goldkronen betragen, dann hätten sie immer noch die Höhe des Jahres 1922 und es wäre gar nichts erspart. Da wir aber 2832 Millionen Goldkronen gleich 16.922 Millionen Papierkronen in der Ausgabenpost haben, so sind wir - es sind schon im Vorjahre solche Berechnungen angestellt worden - um 1181 Millionen Goldkronen oder 7086 Millionen Papierkronen gegenüber 1922 zu hoch belastet, oder auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, um 524 Papierkronen. Wird das unsere Produktion für die Dauer aushalten? Wird unter solchen Verhältnissen jemand produzieren wollen, wird der Arbeiter sich bei dieser Belastung durch den Staat, welche eine Hinaufsetzung der indirekten Steuern bei gleichzeitiger fortgesetzter Verringerung der Löhne ergibt, diesen Verhältnissen anpassen können? Wird der Staat dauernd auf der einen Seite solche Abgaben einheben können, und auf der anderen Seite eine Militärpost samt Staatsschulden und Verzinsung, welche 25.2% im Staatshaushalte ausmacht, fortführen können und daneben die Schulbedürfnisse mit 4.9 % und die soziale Fürsorge gar nur mit 4.6% abspeisen dürfen? Lauter Schicksalsfragen für den Staat, eine förmliche Litanei, die die Mehrheit dieses Hauses immer mit derselben Formel, die unter solchen Verhältnissen wie Hohn klingt, beantwortet mit den Worten: Heiliger Militarismus.

Aber zurück zu den Tatsachen! Eine gesunde Produktion ist nur denkbar, wenn die Unternehmungslust bestärkt wird, und wenn auch Verdienst und Gewinn so lockend sind, daß das Einsetzen der vollen Persönlichkeit beim Unternehmer und Arbeiter erzielt wird. Gewiß selbstverständlich und doch heute ein Problem für uns. Ein Problem vor allem, weil wir noch immer aus den staatlichen Hemmungen und Gebundenheiten trotz aller Zusicherungen noch lange nicht heraus sind. Vieles ist gefallen, aber die rechte Durchdenkung und Durchführung bis ins Einzelne, vielleicht auch der rechte Geist zur Durchführung fehlt. Wir haben noch immer ein unklares Zollsystem, das Bewilligungsverfahren bei der Einfuhr - ich komme noch darauf zurück -, dauernde Hemmungen im Bauwesen, Kapitaldrosselungen und Abschöpfung des Vermögens in hunderterlei Formen, Konfiszierung des Eigentums, kurzum Protektionismus an allen Enden. Wenn wir auch in den letzten Monaten eine allseits ersehnte Belebung der Produktion feststellen können und begrüßen, drängt sich doch überall die außenpolitische Sorge hinein, ob mit Rücksicht auf die chaotischen Zustände unter den gegebenen Verhältnissen ein Dauerzustand erreicht sein kann. Wir vergessen überdies zu oft, daß zum Volkswohlstand nicht nur eine gute Handelsbilanz - sie ist derweil schon schlecht geworden - sondern auch eine gefestigte innere Konsumkraft gehören. Ebenso bleibt es sowohl für den Staat, als auch für den Einzelnen die ungeklärte Frage, ob die sogenannte Gesundung nicht durch solche Opfer erkauft werden muß, die zum Schluß der Gesamtheit und dem Einzelnen unwiderbringliche Verluste auferlegen. Milliarden des Volkseinkommens sind geopfert worden; wir haben durch den Exportausfall, die Konkurse und Zusammenbrüche, durch tausend andere Ereignisse des Krisenjahres tatsächlich Milliardenverluste erlitten, und zwar die ganze Bevölkerung, die Èechen ebenso wie die Deutschen und die anderen Nationen. Es ist eben nur relativ richtig, wie die Teuerungs- und Valutareformer dieses Staates seinerzeit immerwährend behauptet haben, daß die Bedürfnisse gedrosselt werden müssen und daß dann von selbst der Lebensstandard der Bevölkerung sich bessere. Wir sehen es heute alle, daß wir dem Preisindex leider nicht so leicht beikommen können; auf der anderen Seite ist der Konsumindex unter das normale Maß gesunken, das führt zu bedenklichen Erscheinungen. Ich möchte an dieser Stelle nur auf den mir besonders nahestehenden Gablonzer Bezirk besonders aufmerksam machen, wo sich Preisdruck allzuleicht und ungehemmt in Lohndruck umsetzt. Man ruft berechtigterweise nach Sanierungssaktionen, die Krise ist also keineswegs überstanden, das Pendel schwingt nur nach er anderen Seite. Die in fast allen Industriezweigen noch lange nicht erreichte Vollausnützung der Betriebe verteuert die Erzeugnisse, hohe Zölle auf Halbfabrikate und Rohmaterialien tun ihr übriges und die übermäßige, staatliche Belastung, welche nach dem Gesagten hinzukommen muß, zerstört jede Freude an der Arbeit.

Und damit sind wir bei dem Hauptproblem des finanziellen Teiles dieses Staatsvoranschlages und aller Budgets der Welt angelangt, welches immer lauten wird: Wie verbessere ich die Produktionsgrundlagen der wirtschaftlichen Arbeit? Logisches Denken wird eben von diesen Einnahmen ausgehen müssen und es sollten dann die Ausgaben darnach eingerichtet werden. Der umgekehrte Vorgang führt zu dauernder Passivität, Niedergang, Überschuldung und zur Verarmung. Das heutige Steuersystem wird von allen Wirtschaftskreisen als unerträglich empfunden. Wenn die Hauszinssteuer 40 % des Ertrages im Maximum wegnimmt, die allgemeine Erwerbssteuer bis 50%, die besondere Erwerbssteuer bis 80% sich erhöht, und endlich das gefräßige Ungeheuer der autonomen Zuchläge den Rest des Ertrages wegnimmt, so fragen sich die Erwerbe den immer und immer wieder, warum sie arbeiten. Nicht der Staat und die autonomen Behörden sind der Endzweck aller Dinge, sondern ihr Dasein kann nur das Mittel zur Erhaltung und zum Wohlstand der Arbeitenden sein. Halten sich die staatlichen Abschöpfungen nicht in diesen Grenzen, so werden sie für den Staat selbst gefährlich.

Es ist vielleicht nicht notwendig, bei der Budgetkritik über die Steuerreform zu sprechen. Wir werden Gelegenheit haben, bei der Behandlung der bezüglichen Materien hier uns eingehend damit zu befassen. Es ist aber Tatsache, daß unsere Erwerbsteuer, die in der Praxis am wenigsten schwer empfunden wird, besonders dem kleineren Gewerbestand, dadurch beschwerlich wird, daß sie nach dem Umsatz berechnet wird. Die Verluste werden nicht in Berücksichtigung gezogen, es wird ein Umsatz angenommen, es entsteht eine fiktive Einkommensziffer und der Betreffende wird dem Ruin ausgeliefert. Traurig ist es auch, daß die Exekutionsgebühren eine derartige Höhe erreichen und es ist, trotzdem hier die Finanzverwaltung durch entgegenkommende Erlässe manches getan hat, darauf zu dringen, daß bei Stundungen - das wäre eine der dringlichsten Fragen - nicht Verzugszinsen eingehoben werden. Dadurch werden natürlich die Stundungen für den Betreffenden wertlos, denn er zahlt die Zinsen weiter und könnte sich das Geld natürlich auch zu diesem Zwecke ausborgen. Der Standpunkt, welchen wir bezüglich der Steuerreform einnehmen, ist die Erreichung einer Einheitssteuer, auf der sich die Ertragssteuer als wirklich erträgliche Steuer aufzubauen hätte. Überdies wäre auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Umlagen der Selbstverwaltungskörper nicht bloß den Ertrags steuern allein aufgelastet werden. An den Vorteilen der Selbstverwaltungskörper nehmen alle Bürger in gleichem Maße teil, eine angemessene Mitbesteuerung aller Steuerträger für diese Zwecke ist darum eine besondere Forderung jener, welchen heute die Umlagen den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Hauptsumme der kontingentierten Erwerbssteuern im alten Österreich würde heute betragen rund 48 Millionen Goldkronen, im heutigen èechoslovakischen Geldwert ausgedrückt 288 Millionen Papierkronen. Wollen wir selbst annehmen, daß die Hälfte der erwerbssteuerpflichtigen Betriebe des alten Österreich der Èechoslovakei zugefallen ist, oder daß durch Neugründungen diese Ziffer erreicht ist, so hätten wir erst eine rechnungsmäßige Summe von 144 Millionen èechischen Kronen. Die Èechoslovakei verlangt aber, wie erwähnt, im nächsten Jahre 250 Millionen Kronen. Daraus wird die Überlastung der Produzierenden besonders deutlich.

Auch bezüglich der Umsatz- und der Luxussteuer ist hier nur Grundsätzliches zu sagen, denn wir werden wohl auch darüber noch ausführlicher an dieser Stelle zu sprechen haben. Die Bevölkerung ist allgemein darüber beunruhigt, daß eine Erhöhung von 1% auf 2% für Volksbedarfsartikel, für Nahrungsmittel stattfinden soll - wenn man Zeitungsnachrichten glauben darf, ist auch hier schon eine gewisse Einschränkung in den Absichten eingetreten - denn es würde zweifellos der Konsum durch ein lavinenartiges Anschwellen der Preise den Schaden tragen müssen. Es wäre wahrscheinlich eine Verteuerung von 10 bis 20% zu erwarten, nachdem die Steuer nicht überall pauschalliert ist, sondern sich durch mehrere Stufen fortgesetzt mit 2% äußert. Auch die Reform der Luxussteuer, wie sie projektiert ist, und wie sie den Korporationen zur Begutachtung übergeben wurde, bedeutet keine Erleichterung, sondern eine Verschärfung auf allen Seiten. Es ist schon mehrfach davon die Rede gewesen. Sind denn Artikel, wie Emmentaler Käse - ich fange mit dem Angenehmen an - Baumwollgewebe, Kleidungen, Hüte und Regenschirme, Küchenkredenzen, Möbel mit Textilstoffen, elektrische Leuchtkörper, elektrische Luster, Barometer und Brillen wirklich Luxusartikel? Ich glaube, wir müßten uns auf ein Bedürfnisniveau von Hinterwäldlern stellen, wenn wir zugeben sollten, daß das alles wirklich ein Luxus sei.

Von der Wasserkraftsteuer kann man ebenfalls nichts Gutes sagen. Es ist bekannt, daß außer der Schweiz kein Staat mit bedeutenden Wasserkräften diese Steuer eingeführt hat. Man hätte also schon vorsichtig bei der Einführung dieser Steuer vorgehen sollen, denn sie belastet die ohnedies weniger leistungsfähigen Wasserwerke heute schon schwer. Da die Kohlenabgabe im Jahre 1922 und im Laufe des Jahres von 43 % des Marktpreises auf 10% herabgesetzt wurde, so müßte die Wasserkraftsteuer auf 1.8%, bzw. nach dem Präliminare von 40 Millionen Kronen auf 9.3 Millionen Kronen herabgesetzt werden. Im Budget stehen jedoch 31.3 Millionen Kronen. Aus all dem geht hervor, daß die Steuerreform vielleicht einige formale Vorteile bringen kann, aber nach der materiellen Seite jedenfalls in der nächsten Zeit im großen und ganzen eine Niete bleiben muß. Die Wirtschaft wird weiter wegen dieser, unerträglichen Belastung vor die schwierigste Existenzfrage gestellt sein, und die Gefahr bleibt nach wie vor bestehen, ob unter solchen Umständen, da sich der Staat als hauptsächlichster Nutznießer der Arbeit und als der Aufsauger des Großteiles der redlichen Verdienste aufspielt, genügend Anreiz am intensiven Betrieb vorhanden sein wird. Ich zweifle sehr daran und möchte an dieser Stelle mit allem Nachdruck darauf aufmerksam gemacht haben.

Der Herr Finanzminister weiß uns weiter ein verlockendes Bild vorsichtiger Staatshaus haltungsgebarung aus dem Kapitel über die Staatsschulden zu malen. Die für die Rückzahlung und Verzinsung dieses Titels notwendige Summe ist mit 1.986 Millionen Kronen eingesetzt, im Vorjahr enthielt diese Post 2.790 Millionen Kronen. Die Differenz beträgt also 804 Millionen Kronen. Ich muß leider annehmen, daß auch hier reichlich Schönfärberei, und was noch unangenehmer festzustellen ist, eine Menge absichtlicher Unklarheiten vorhanden sind. Nicht zu billigen ist es vor allem, daß der Herr Finanzminister, trotzdem er im Budgetausschuß ausdrücklich darüber befragt wurde, meines Wissens darauf keine klare Ziffernantwort erteilt hat, wie viel von den nach dem Präliminar zu verzinsenden Anleihen tatsächlich auch eingezahlt worden sind. Es wird hier ein Versteckenspiel getrieben, das vom Standpunkte der steuerzahlenden Bürger keineswegs gebilligt werden kann, und auch dem Vertrauen an die Anleihegebarung wenig nützt. Gerade deshalb fehlt diesem Kapitel das wichtigste, was sich eben durch alle Budgetkunst nicht schaffen läßt. Die sicherste Grundlage für eine Staatsschuld und schließlich auch das Mittel, am billigsten das, was man braucht, zu erhalten, kann nur in dem Vertrauen der eigenen Staatsbürger gelegen sein. Derartige, von den eigenen Staatsbürgern dem Staate freiwillig geleisteten Vorschüsse werden immer am besten fundiert sein.

Nach den uns vorgelegten Ausweisen beträgt die innere Staatsschuld rund 20.880 Millionen Kronen, eine an und für sich für die Kapitalskraft dieses Landes nicht unbedeutende Summe. Aber wie wurde diese aufgebracht? 13.084 Millionen Kronen, also 62% davon sind langfristig, also tatsächlich fundierte Anleihen, welche den Staatshaushalt durch die langfristige Abdeckung nicht übermäßig belasten können. Aber 7.796 Millionen Kronen - wenn wir die letzte sogenannte Investitionsanleihe zurechnen können - etwas mehr als 38 % sind Staatskasse scheine, Bons, und durch Kreditoperation geschaffene kurzfristige Darlehen, welche im Falle der Geldflüssigkeit von größeren Geldgebern bekanntlich wohl leichter aufgetrieben, konventiert und verlängert werden können, aber im Falle starken Geldbedarfes im Inland - und es beginnt jetzt ein stärkerer Geldbedarf bei der steigenden Konjunktur der Industrie - und steigenden Zinsflußes dem Staat eine schwere Gefahr bringen kennen. Es ist nicht ausgeschlossen - und das soll sich schon mehrfach ereignet haben - daß die Staatskassa eines Tages ganz leer wird; Erschütterungen des Staatskredites sind dann die unausweichliche Folge. Darum bleibt hier wohl nur ein Schluß zulässig, und die Bevölkerung hofft, daß die Staatsverwaltung diesen Schritt auch in vollem Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit tun wird. Dieser Schritt heißt die gerechte Einlösung der Kriegsanleihe.

Das Problem ist schon hundertemale nach allen Richtungen hin, hier und außer dem Hause erörtert worden. Es ist von uns klar und rechnungsmäßig nachgewiesen worden, daß das heutige Gesetz eine unmögliche Lösung darstellt, daß die keinen Zeichner dem sicheren Untergange oder schwerer Not ausgeliefert bleiben werden, daß ferner die Lombardfrage im Interesse unserer Geldanstalten, insbesondere der Sparkassen, dringend einer Erledigung bedarf und daß endlich gerade auch beim Besitzenden über diese Frage nicht zur Tagesordnung hinwegegangen werden darf. Denn er soll vor allem aus seinem Besitz dem Staat neuerlichen Kredit gewähren. Das ist bereits hundertemale gesagt worden, aber auf eines ist meines Wissens noch nicht hingewiesen worden, nämlich auf den Umstand, daß auch für den Staat selbst, abgesehen von den ideellen Vorteilen, durch eine gerechte Einlösung der Kriegsanleihe sich auch materielle Vorteile ergeben können. Nach dem Friedensvertrag von St. Germain, Art. 208, erwerben die Sukzessionsstaaten alle Güter und alles Eigentum, das dem ehemaligen österreichischen Staat gehörte und auf ihren Gebieten gelegen ist. Der Wiedergutmachungsauschuß bestimmt den Wert des seitens der verschiedenen Staaten erworbenen Besitzes und Eigentums, diese Werte werden dem übernehmenden Staat angelastet und der Republik Österreich in Anrechnung auf die Wiedergutmachungsschuld gutgeschrieben. Dieser Betrag wird sehr verschieden geschätzt. Er schwankt zwischen 10 und 30 Milliarden Kè, nach englischen Schätzungen sollen sich 10 Milliarden ergeben. Durch die Kriegsanleihen werden die Sukzessionsstaaten des alten Österreich nur insoferne belastet - belastet heißt es in dem Vertrage von St. Germain - als sie dies ausdrücklich anerkennen. Eine solche Anerkennung ganz oder zum Teil würde also nach dem Wortlaut dieser Paragraphen ein Guthaben bei der Reparationsquote bedeuten, darum erscheint es wohl erklärlich, daß man einen Sukzessionsstaat nicht durch dieselbe Post zweimal belasten sollte. Sehr viele der übernommenen Güter, rollendes Material, Heeresgüter, Bewaffnung etc. sind ja zweifellos von der alten österreichischen Regierung aus dem Erlöse der Kriegsanleihe beschafft worden. Billig wäre es also, zu schließen, daß die Reparationsschuld sich um so viel oder doch um einen aliquoten Teil der Kriegsanleihe verringert, denn diese Schuld wird ja an die eigenen Bürger des betreffenden Sukzessionsstaates abgetragen. Wollen wir hoffen, daß auch die Billigkeit und Gerechtigkeit zur Interpretation dieser Friedensverträge herangezogen werde, denn gerade die Machthaber dieses Staates vertreten den Standpunkt, daß diese Friedensverträge ein neues Zeithalter der Gerechtigkeit inauguriert haben.

Die Auslandsschulden bleiben leider mit dem Schleier des Geheimnisses umhüllt. Daß sie dem Staat und seinen Staatsbürgern sehr teuer zu stehen kommen, wissen wir; ob wir aber die englischen Anleihen wirklich erhalten haben und ob wir im Stande sind, über dieses Geld zu verfügen, wissen wir ninicht. Darüber geben uns die Erläuterungen, welche in diesem Falle alles andere sind, nur keine Aufhellungen, keine Aufklärung. Es heißt lediglich: Verwirklicht wurde bisher die erste Emission dieser Anleihe in der Höhe von 3·3 Millionen Pfund Sterling und 14 Millionen Dollar. Die zweite Emission wurde einstweilen nicht kontrahiert - Punkt, Schluß. Haben wir die Anleihen nicht kontrahiert oder haben wir diese Anleihen nicht erhalten? Das Schuldbuch des Staates hüllt sich in Stillschweigen und wir erfahren nichts über unsere Kreditfähigkeit im Auslande. Erklärlich werde dadurch die Gerüchte, daß unser Kredit selbst nicht auf jener Höhe steht, wie es so gerne das Außenamt und die Finanzverwaltung dem In- und Ausland glauben machen wollte. Es würde mich sehr freuen, wenn wir an dieser Stelle vom Herren Finanzminister eines Besseren belehrt würden.

Ich bin von der Produktionsförderung als dem wichtigsten Bestandteil der Einnahmen des Staatsbudgets ausgegangen. Es mag anerkannt werden, daß diese Tatsache von der Regierung des Staates immer mehr und mehr gewürdigt wird. Die Regierung freilich und die Koalition - auch hier scheinen sich Klüfte zu öffnen - die wir als fernstehende nur ahnen, aber nicht einschätzen können. Produktionsförderung heißt leider für viele, die diesen Staat mitregieren, noch immer Förderung des eigenen Vorteiles. Daß es danach besonders schwer wird, eine zielsichere Handelspolitik zu schaffen, ist wohl erklärlich, es wird durch die Fortsetzung des Krieges im Frieden, wie wir ihn heute als Folge des Friedensvertrages schaudernd miterleben, immer deutlicher, daß auch hier rein eigensüchtige Motive großer Machtgruppen bestimmend waren und sind, um die Weltgeschicke zu ihren Gunsten zu lenken.

Frankreich will nur die Vorteile des Friedensvertrages genießen, es will nicht nur machtpolitisch, sondern auch industriell und kaufmännisch die ganze Welt beherrschen. Der andere darf nur soweit mitgehen, als er diesen Machtbestrebungen Dienste leistet. Was wir hier im Großen sehen, hat sich ebenso als ein rein eigensüchtiges Streben auf die Machtgruppen einzelner Staaten übertragen. Die gesunde Handelspolitik kann aber immer nur aus dem Ausgleich der Interessen hervorgehen, international ebenso wie im Staate selbst. In diesem Staate wäre es nur möglich, zu erträglichen Verträgen zu gelangen, wenn die Koalition den Mut aufbrächte, einen allgemein autonomen Zolltarif vorzuschlagen, auf dessen sicherer Grundlage verhandelt werden könnte. Heute ist alles durchzogen von Protektionen, Begünstigungen und Sonderbewilligungen und selbst die Aufhebung des Bewilligungsverfahrens, die in lezter Zeit als etwas besonders Erfreuliches dargestellt wurde, ist noch duchtränkt von der artigeen Bestrebungen. Das sind keine gesunden Grundlagen für Handels- und Produktionspolitik. England wird beim Fortbestehen der heutigen Verhältnisse die offene Türe zuschließen, Deutschland, eines unserer wichtigsten Absatzgebiete, kämpft einen Kampf auf Leben und Tod mit den Folgen des Friedensvertrages und seinen Wirkungen, die Balkanstaaten zeigen uns handelspolitisch so häufig die kalte Schulter und die Èechoslovakei, das Land der glänzenden Handelsbilanzen, weist im Oktober dieses Jahres eine passive Handelsbilanz aus. Gewiß ist das für den Augenblick kein Anlaß zu Befürchtungen. Im Gegenteil. Die Produktion hat offenbar durch starke Material einkäufe ihre Rohstofflager wieder besser angefüllt und wir können daraus auf einen regeren Geschäftsgang und auf ein Zurückflauen der Krise schließen. Gerade in den Monaten der größten Arbeitslosigkeit hatten wir die größten Abverkäkäufe ins Ausland und die höchste Ziffer der aktiven Handelsbilanz. Trotzdem müssen wir als Exportland auch aus Gründen unserer Wechselkurse diese Exportziffer immer im Auge behalten und es wäre nun Sache der Regierung, mit allen Mitteln darauf hinzuarbeiten, daß durch Erleichterungen der Produktionsbedingungen in diesem entscheidenden Momente unser Export industriell auch forthin erhalten werden könne und größere Absatzmöglichkeiten im Auslande eröffnet werden. Dazu gehören aber eine klare Handelspolitik, Abkehr von jedem Protektionssystem und ein vor der Öffentlichkeit, also parlamentarisch, verhandelter Zolltarif, der dem Zollschutz nur so viel einräumt, als es im Interesse der Produktionsförderung und Ausgleichung notwendig erscheint und soweit dies weiter erforderlich ist, um ein sicheres Vertragsinstrument in die Hand zu bekommen. Denn ich weiß wohl, daß gewisse Zollsätze aufgestellt werden müssen, um auf den Gegner einzuwirken. Zu diesem Kapitel dürfte es auch gehören, daß der Staat in seinem Tarifwesen, im Post- und Einsenbahntarif, Ordnung mache. Wir sind besonders was unseren Posttarif anbelangt immer noch viel teuerer als die meisten anderen Länder mit Ausnahme sicherlich Deutschlands.


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