Hinweisen möchte ich auch auf die Schmutzkonkurrenz, die die Saazer Staatsdruckerei betreibt. Wir werden darüber noch in einer Interpellation reden und ich gehe jetzt nicht weiter darauf ein. Die staatsdruckereien haben ihre Ausgaben von 28.7 auf 26·6 Millionen herabgesetzt, ich habe aber das Gefühl, daß auch hier nicht so gespart wird, wie es vielleicht notwendig wäre.
Wenn wir all das zusammenfassen, so ergibt sich kein Bild eines konsolidierten Staates und einer besonders guten und gerechten Wirtschaft, und deshalb lehnen wir das Budget ab. Wenn wir in diesem Hause überhaupt zum Budget sprechen, tun wir es nicht in dem Bewußtsein, daß wir damit eine Wirkung bei den Mehrheitsparteien oder bei der Regierung erzielen, sondern wir tun es rein aus Pflichtgefühl, um vor dem eigenen Gewissen und vor der Partei und der Geschichte gerechtfertigt zu sein. Wir erfüllen bloß eine Pflicht, wir klagen an, mehr können wir leider ni cht tun. (Potlesk na levici.)
6. Øeè posl. Blatné (viz str. 534 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Die Justiz ist im heurigen Staatsvoranschlag wiederum außerordentlich schlecht weggekommen und innerhalb des Justizetats der Strafvollzug im besonderen. Das wirkt sich schon unheilvoll aus in dem sogenannten Personalaufwand, in dem Beamtenmangel. Unsere Direktoren an den Strafanstalten, unsere Strafanstaltsleiter sind direkt erdrückt von administrativer Arbeit. Ihrer vornehmsten Aufgabe, der Beschäftigung mit der Psyche der Gefangenen, können sie sich kaum widmen. Sie sehen den Gefangenen nur, wenn er die Strafanstalt betritt, wenn er sie verläßt, vielleicht in außerordentlichen Fällen, wenn er sich dem Anstaltsleiter melden läßt, oder wenn er in einer ihm gewöhnlich sehr ungünstigen Situation dem Anstaltsleiter gemeldet wird. Der Sträfling, der sich schon in der Freiheit gewöhnlich als haltloser Charakter erwiesen hat, findet in der Anstalt selten einen Zuspruch, trotz oft jahrelangen Aufenthalts nirgends jemanden, an den er sich halten könnte, denn die Strafanstaltsleiter, die leitenden Oberbeamten und auch die Unterbeamten sind lediglich damit beschäftigt, die administrativen Arbeiten zu erledigen, die Disziplin aufrecht zu erhalten, Revolten zu verhindern, überhaupt Vorfälle zu verh indern, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Strafanstalten lenken könnten, die das öffentliche Gewissen aufrütteln könnten, die der Öffentlichkeit zum Bewußtsein bringen könnten, daß die Strafanstalten das tiefste menschliche Elend bedeuten.
Ein solcher Vorfall hat vor einigen Wochen die Gemüter erregt, und das war die Typhusepidemie in Bory, über die Gerüchte verbreitet worden sind, über die in den Zeitungen geschrieben worden ist, und in welchem Zusammenhang auch dem Arzt der Strafanstalt schwere Vorwürfe gemacht wurden. Ich habe mir vom Justizministerium einen Erlaubnisschein ausgebeten, ihn auch erhalten und habe Bory besucht. Ich muß hier konstatieren, ohne daß ich einen solchen Besuch, der immer in Anwesenheit von Beamten stattfindet, irgendwie überschätzen würde, daß sich die Häftlinge in keiner Weise gegen den Anstaltsarzt ausgesprochen haben, bis auf einen einzigen Fall. Aber ich möchte in diesem Zusammenhange etwas anderes konstatieren. Wenn wir unser Budget studieren, so finden wir, daß in unseren Anstalten, auch in den größten, höchstens 1 Arzt angestellt ist, während wir zumindest einen, manchmal zwei, aber auch drei Seelsorger finden, den verschiedenen Konfessionen entsprechend. Dieser eine Arzt in den Strafanstalten kann in Anbetracht der Überfüllung unserer Gefängnisse beim besten Willen allen seinen Aufgaben nicht entsprechen; er muß manchmal jemanden als Simulanten betrachten, denn er könnte den Schwerkranken durchaus nicht helfen, wenn er Leichtkranke als Kranke anerkennen wollte, und aus diesem Umstand - ich will da nicht etwa darauf hinweisen, daß da auch der Wunsch nach einer guten Gefängnisstatistik eine Rolle spielen könnte und maßgebend sein sollte - ist insbesondere der Strafanstaltsarzt direkt dazu gezwungen, die Methode der Nichtanerkennung von vielen Krankheitsfällen zu betreiben. Wir brauchen in unseren großen Gefängnissen zumindest zwei Ärzte, von denen der eine Psychiater sein müßte. Wenn wir in unseren Strafanstalten Psychiater hätten, würde sich bald herausstellen, welch schädigenden Einfluß unsere Strafanstaltsmethoden auf den Charakter, auf das Gemüt und auf den Verstand der Gefangenen ausüben. Es würde sich aber auch noch etwas anderes herausstellen: es würde aufmerksam gemacht werden auf die vielen pathologischen Fälle, die in unseren Strafanstalten zu finden sind. Ich selbst habe in der Strafanstalt Mürau einen Wahnsinniggewordenen gesehen.
Aber wenn ich auch konstatieren muß, daß viele Gerüchte übertrieben gewesen sind, so bleiben doch bezüglich Bory so viele Tatsachen übrig, daß das ganze Strafsystem auf das Schwerste kompromittiert erscheint. Die Wasserleitungsrohre zum Beispiel waren in einem derartigen Zustand, so vom Rost zerfressen, daß in die Rohre Kanalabwässer eindrangen und daß die Wasserproben, die immer an das Physikat geschickt werden, schon ab Jänner als hie und da bakterienhältig befunden wurden. Es ist nur ein Wunder, daß diese Typhusepidemie nicht schon früher eingetreten ist. (Výkøiky posl. Hackenberga.)
Einige Worte noch über die Kost in den Gefängnissen. Die Kost besteht hauptsächlich aus einer dicken Suppe und aus Hülsenfrüchten, aus breiartig zubereiteten Hülsenfrüchten, die durch ihre Substanz schon schädigend, weil aufschwämmend und verweichlichend auf den Magen einwirken, insbesondere wenn wir bedenken, daß die Sträflinge fast keine Bewegung machen können. Ich möchte hier gar nicht hinweisen auf die Eintönigkeit dieser Kost, die wohl auch schädigend wirkt, aber ich möchte auch einige Worte darüber sagen, daß zur Zubereitung dieser Kost das Billigste aufgekauft wird, was gefunden werden kann. Es wurde mir in Bory erzählt und auch von den Beamten zugegeben, daß die Hirse derart mit Mäuseexkrementen vermengt war, daß das Ganze ekelerregend gewirkt hat. Zur Illustration zum Punkte "Gefängniskost" möchte ich das Gespräch mit einem Gefangenen mitteilen, den ich fragte, was die Ursache seiner Disziplinarstrafe gewesen ist. Er sagte mir, als starker Mensch habe er immer Hunger, und es sei ihm aufgefallen, daß hie und da auf dem Gefängnishof ein klatschendes Geräusch zu hören war. Er sei nun, zwar gegen die Disziplin, zum Fenster gegangen und habe bemerkt, daß oft von den Gemeinschaftszellen Hülsenfrüchte heruntergeschüttet werden. Er habe sich nun den Gefangenen verständlich gemacht und habe ihnen gesagt, sie mögen diese Hülsenfrüchte nicht mehr herunterwerfen, sondern sie in einem Kübel sammeln und ihm durch den Aufseher herüberschicken. Der Aufseher habe ihn nun angezeigt; er sehe ein, daß er sich gegen die Disziplin vergangen habe und daß er seine Strafe verdiene. Ein anderer Gefangener hat sich bei mir beklagt, daß er Tags vorher von einem Aufseher vier Ohrfeigen versetzt erhalten habe, weil das Futter seines Rockes zerrissen gewesen sei. Ich glaube, ein Kommentar hiezu ist überflüssig.
Wenn ich nun von diesen Dingen spreche, so möchte ich sagen, daß das nicht sanitäre Eigentümlichkeiten von Bory allein sind. Bory hat auch eine Heizanlage, die durchaus veraltet ist und nicht mehr funktioniert. Pankrác hat keine Wasserleitung, keine Kanalisation. In Mürau sind die Verhältnisse vielleicht am schlechtesten. Die Wasserrohre sind dort ebenfalls von Rost ganz durchfressen, so daß das Wasser überhaupt nicht in die Stockwerke hinaufgeleitet werden kann. Ich möchte Sie hier darauf aufmerksam machen, daß wenn in Mürau einmal ein Brand ausbrechen sollte, dies ein ungeheures Unglück herbeiführen müßte.
Verehrte Herren und Frauen! Ich habe an dieser Stelle vor einem Jahre schon von den unrationellen Arbeitsmethoden und Arbeitsbehelfen gesprochen, die in unseren Gefängnissen heute noch vorherrschen. Ich habe von dem schlechten Stand der Bibliotheken gesprochen und von dem bösesten Kapitel, dem Schulwesen in unseren Gefängnissen, ferner von der Raumnot, die bei der Überfüllung der heutigen Zeit die Anstaltsleitungen gegen ihren besseren Willen zwingt, Vorbestrafte mit Erstbestraften zusammenarbeiten zu lassen, wodurch die besseren Elemente dem Einfluß der schlechteren rettungslos preisgegeben sind. Es strafen sich hier die Sünden des alten Österreich, das keine Strafanstalten gebaut hat, sondern um teueres Geld Klöster und Burgen gekauft hat und sie kostspielig adaptieren ließ. Aber seit dem Umsturz sündigt nun die Èechoslovakei im eigenen Wirkungskreise.
Ein Beispiel für den Geist, der in unserem Strafvollzug herrscht, gibt uns das Budget. Kleine Zahlen nur, aber bezeichnende! Der Schulbedarf des heurigen Jahres ist von 152.000 auf 115.000 Kè gesunken, der Kirchenbedarf ist von 16.000 auf 22.000 Kè gestiegen.
Für mich waren insbesondere die Zahlen interessant, die sich mit der Strafanstalt in Nikolsburg, mit dieser Jugendstrafanstalt befassen, in der ich seit ungefähr einem Jahr Kontrollorin bin. Diese Zahlen haben mir über eine Frage Aufschluß gegeben, die mich seit Monaten gequält hat und über die ich nicht ins reine kommen konnte. Gestatten Sie, meine Herren und Frauen, Ihnen einige Worte über meine Erfahrungen während meiner Kontrolltätigkeit in der Jugendstrafanstalt Nikolsburg hier vorzubringen. Ich habe dort bei meinen ersten Besuchen gefunden, daß der Unterricht ganz beseitigt war. Hals über Kopf wurde an einem zeitlich terminierten Auftrag gearbeitet, der vom Ministerium für soziale Fürsorge heruntergekommen war. Aber in welcher Methode wurde dort gearbeitet! Um möglichst viel fertigzustellen, war das sogenannte Taylor-System eingeführt. Die Stoffe für die Kleidungsstücke sind schon zugeschnitten in die Werkstätten gekommen und auf eine ganz geistlose mechanische Art ist dann die Teilarbeit von den Häftlingen verrichtet worden. Ich bin in der Küche gewesen und habe gefunden, daß dort die Häftlinge Hilfsarbeiten leisten, Kartoffel schälen u. dergl., während die Aufseherinnen die eigentliche Kocharbeit geleistet haben. Ähnlich waren die Zustände auf allen anderen Gebieten. (Posl. Grünzner: Was sollen die dann machen, wenn sie aus der Strafanstalt herauskommen?) Sie werden zu keinem Beruf erzogen, und kosten dadurch dem Staate aufs neue Geld, weil sie in ganz kurzer Zeit die Gefängnisse wieder bevölkern werden.
Ich habe von diesen meinen Eindrücken dem Justizministerium berichtet und meine Vorschläge gemacht. Ich habe gesagt, daß gerade Nikolsburg mit seinem Pavillonsystem, mit seinen besonderen Anlagen und weil es eine Jugendstrafanstalt ist, die Möglichkeit böte, diese Häftlinge wenigstens zu arbeitsfähigen Menschen zu erziehen, daß gerade Nikolsburg eine Anstalt wäre, die ohne viel Umstände, ohne eine komplizierte Neuanordnung, ohne besondere Kosten die Möglichkeit böte, diese Anstalt in modernem Geiste zu reformieren. Ich habe darauf hi ngewiesen, daß durch die Garten- und Michwirtschaft, die dort betrieben wird, den Häftlingen die Möglichkeit geboten würde, soweit sie aus ländlichen Gegenden kommen, sich für die Landwirtschaft vorzubereiten. Es wird dort dreierlei Küche geführt: Für Häftlinge, für Kranke und für Beamte. Ich habe darauf hingewiesen, daß besonders der Küchen- und Hausbetrieb die Möglichkeit böte, die Häftlinge zu qualifizierten Hausgehilfinnen zu erziehen. Allerdings dürfen sie da nicht nur Hilfsarbeiten leisten, wie Kartoffel schälen und dergl., sondern sie müßten turnusweise unter Leitung einer erfahrenen Köchin hauswirtschaftliche Arbeiten verrichten. Ich habe darauf hingewiesen, daß es vor allem notw endig sei, die Berufsarbeit aus einer mechanisch produktiven zu einer instruktiven zu machen. Die Häftlinge könnten ganz gut und leicht unter Leitung einer erfahrenen Fachlehrerin zu qualifizierten Scnneiderinnen und Weißnäherinnen herangebildet werden.
Ich muß sagen, ich habe an allen Stellen für meine Vorschläge Verständnis gefunden, Verständnis bei der Regierung, Verständnis beim Anstaltsdirektor, der Feuer und Flamme für mein Projekt war. Eine Kommission ist entsendet worden und hat konstatiert, daß dieser Plan ohne viel Kostenaufwand durchführbar und zweckmäßig sei. Ich muß sagen, ich habe mich gefreut. Aber ich gestehe Ihnen heute: Dieses Verständnis von allen Seiten ist ein rein platonisches geblieben und hat sich nie zu einer positiven Tat verdichtet. Darüber habe ich mir bis heute den Kopf zerbrochen. Ich wußte nicht, was denn die Gründe dafür seien. Nun, die Budgetziffern geben mir den Aufschluß darüber. Alle Einnahmsposten, auch die der Jugendstrafanstalt in Nikolsburg sind erhöht, alle Ausgabeposten sind vermindert worden. Die Sparmaßnahmen sind es, die das Um und Auf unserer ganzen Politik in Bezug auf den Strafvollzug sind. (Posl. Grünzner: Sparmaßnahmen am unrichtigen Ort!) Am allerunrichtigsten! Ersparungen werden wohl erzielt, aber diese Politik ist letzten Endes eine menschenverschwenderische. Auf diese Art wird es vielleicht noch dazu kommen, daß der Regierung aus unseren Strafanstalten lukrative Einnahmsquellen fließen, aber der Strafvollzug ist damit gerichtet. Wir fordern von einem modernen Strafvollzug vor allen Dingen Erziehung, nicht nur Berufskenntnis, sondern Erziehung auch anderer Art, wir fordern Psychiatrie und wir fordern mehr Innerlichkeit. (Potlesk na levici.)
7. Øeè posl. Uhla (viz str. 536 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Mein Parteigenosse Schweichhart hat vorhin auf eine Tatsache verwiesen, die so treffend den Geist zeigt, der in der Staatsverwaltung herrscht; er hat auf die Tatsache verwiesen, daß bei der Durchführung der Bodenreform in Troppau ein Beamter gesagt hat: "Beteilt wird der, der èechisch wählt. Wer Deutscher ist, soll auawandern." Der Geist, der aus diesen Worten spricht, ist auf allen Gebieten der Staatsv erwaltung gegenüber den Minoritätsvölkern dieses Staates zu fühlen, er ist überall zu bemerken. Auch hier in diesem Hause können Sie ihn merken, denn ungezählte Reden der oppositionellen Abgeordneten bringen immer wieder die Klage, daß die Opposition der Minoritätsvölker in diesem Staate keine Beachtung fin det, daß ihre Klagen nicht gehört, ihre Beschwerden ni cht beachtet werden. Das gesamte Haus, Majorität und Opposition, werden immer vor fertige, vollzogene, bestimmte Tatsachen gestellt. Das liegt im gegenwärtigen Regierungssystem, liegt im Wesen der Koalition, die nicht nur ein Zwang für die Mehrheitsparteien und für alle ihre Angehörigen ist, sondern auch einen Zwang für die Opposition bedeutet. Wäre dieser Zwang nicht vorhanden, würde die Koalition diesen Zwang nicht streng und scharf durchführen, wäre eben sie und die Regierung unmöglich. Die scharfen inneren Gegensätze innerhalb der Koalition würden sie zersprengen. Alles, was vorgelegt wird, wird und muß daher ohne Änderung angenommen werden. Denn die geringste Änderung an irgendeinem Gesetz, ganz besonders am Staatsvoranschlag, würde sofort den Neid und das Mißtrauen der Koalitionsparteien gegeneinander erwecken; und deshalb muß alles, wie es kommt, angenommen werden. Weder Majorität, noch Minorität sind in der Lage, etwas zu ändern, und die ganzen Verhandlungen, die hier geführt werden, sind eigentlich nur Scheinverhandlungen. Man täuscht ein parlamentarisches Regime vor, man täuscht parlamentarische Verhandlungen vor. Ministerpräsident Švehla hat wohl kürzlich gesagt, daß gerade dieser Zwang, dem sich alle Koalitionsparteien unterordnen müssen, ein Vorteil sei. Gewiß, in anderen Staaten gibt es auch Koalitionsregierungen, aber wir finden, daß nirgends dieses System so ausgebildet ist wie im èechoslovakischen Staat, wir sehen nirgends, daß die Mehrheitsparteien, die Regierungsparteien, derart Gefangene der Koalition sind, wie in diesem Staate. Wir sehen nirgends dieses vollständige Einfügen, Parieren, wie es gerade hier in diesem Hause zu bemerken ist. Wenn es anderswo nicht geht, geht eben die Koalition auseinander, man geht daran, eine neue Regierung zu bilden und die neue Regierung sucht sich eine neue Regierungsmehrheit. Diesen einzig richtigen Schritt traut man sich hier nicht zu mach en. Denn, wenn man ihn machte, würde es offenkundig, daß, solange Sie die Fiktion des Nationalstaates aufrecht erhalten und diesem das Wort reden, dieser Staat eben nur durch diese Koalition regiert werden kann. Solange dieser Idee hier nachgegangen wird, ist kein anderer Ausweg möglich.
Die èechischen Regierungsmethoden bieten der Welt ein köstliches Schauspiel. Wir bemerken von Zeit zu Zeit, daß sich die Regierungsparteien in der heftigsten Weise bekämpfen, sich gegenseitig bespucken, daß einer nichts Gutes am andern läßt; aber nichtsdestoweniger kommt immer wieder der Moment, wo sich die feindlichen Brüder in die Arme fallen und sich heuchlerische Küsse geben. Herr Professor Srdínko hat in seiner Budgetrede darauf verwiesen, daß gerade dieser Staat mit allen Gaben und Gütern der Natur, mit allen Schönheiten beschenkt worden ist. Es ist richtig, wir müssen nur bemerken und das Budget zeigt uns, daß man über diese Güter und Gaben der Natur in sehr ausgiebiger Weise verfügt. Der Beweis hiefür ist die Zusammenstellung des Budgets. Es gibt gewisse Einrichtungen, die mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Staates, mit der Größe und Leistungsfähigkeit seiner Bevölkerung gar nicht im Einklang stehen. Sie gehen weit über das zulässige Maß hinaus. Ich verweise hier nur auf den Militarismus und auf die Außenpolitik, zwei Ressorts" die im Voranschlag besonders ausgiebig bedacht sind.
Wir haben bei Kapitel I eine Forderung aufzustellen, die wir seit dem Bestand der Republik aufstellen, dahingehend, daß die eigene Militärabteilung in der Kanzlei des Präsidenten gestrichen und beseitigt werde. Diese Militärabteilung besteht aus einem General, einem Obersten, einem Oberstleutnant, einem Major, einem Kanzleioffizial, einer Kanzleioffiziantin und vier Amtsangestellten. Wir fragen: ist diese Kanzlei notwendig, ist diese Kanzlei unbedingt erforderlich, hier am Sitze des Ministeriums und am Sitze des Militärkommandos? Wir beantragen die Streichung dieser Post.
Die Wirtschaftsabteilung der Burg ist ebenfalls glänzend bedacht, allein trotz der alljährlich wiederkehrenden hohen Summen haben wir bis heute noch kein Bauprogramm vorgelegt bekommen. Gewiß, diese hohen Summen, die die Bau- und Wirtschaftsabteilung der Burg beansprucht, werden begründet mit der notwendigen Denkmalspflege und der Erhaltung historischer Bauten.
Es ist in diesem Kapitel eine Post "Öffentliche Wohltätigkeitszwecke" eingestellt. Wir wollen die Hoffnung hegen, daß bei Verwen- dung dieser Post nationale und politische Gesichtspunkte nicht in Frage kommen mögen.
In unserer Außenpolitik sehen wir das Bemühen, den Staat im schönsten Licht in der Welt erscheinen zu lassen. Ehre, Achtung und Ansehen in der Welt wären gerade gegenwärtig zu erringen durch eine entsprechende Stellung zu dem erschütternden Drama, das sich an unseren Grenzen in Deutschland abspielt, wären zu erringen durch eine wirklich humanitäre und vernünftige Stellung zu dem Drama, in dem sich das deutsche Volk befindet. Menschliche Pflicht wäre es, diesem Millionenvolk zu helfen, es vor dem Untergang zu behüten. Wir verlangen, daß die Hilfsaktionen, die für Deutschland eingeleitet werden, keinen Schwierigkeiten begegnen. Wir bemerken in der Auffassung unserer Diplomaten zu denen der alten Schule fast gar keinen Unterschied. Parlament und Außenausschuß werden nicht oder verspätet informiert. Es wird weder das Parlament, noch irgend ein Ausschuß des Hauses darüber gefragt, welche Stellung zu den wichtigsten internationalen Fragen der Außenpolitik das Außenministerium einnehmen soll. Auf diesem Gebiete handelt man genau so wie früher, wie in der Vorkriegszeit. Unsere Diplomatie wirkt noch genau so geheim, sie hat sich genau dieselbe Mißachtung der gesetzgebenden Körperschaft bei ihrem Handeln zur Richtschnur genommen. Dieses Ministerium ist nicht billig, 173 Millionen sind im Voranschlag für 1924 hiefür eingestellt.
Die Aufgaben der Auslandsvertr tung sind verschiedenartig. Es ist klar, daß wir bestrebt sein müssen, friedliche außenpolitische Beziehungen zu pflegen, wir brauchen die Anknüpfung neuer Handelsbeziehungen, wir brauchen einen Schutz der èechoslovakischen Staatsbürger im Auslande. Das ist ganz richtig. Aber trotzdem finden wir, wenn wir dieses Kapitel durchgehen, viel Unnützes und Unnötiges. Ich verweise nur darauf, daß wir uns den Sport leisten, beim Vatikan in Rom eine eigene Gesandtschaft zu erhalten. Ich nehme an, daß unsere Interessen in Italien und im Kirchenstaat auch von unserer Gesandtschaft in Rom gewahrt werden könnten. Wir beantragen deshalb die Streichung dieser Post. Der Informationsdienst, der durch das Ministerium des Äußern im Ausland gepflegt wird, ist gewiß notwendig. Man könnte nichts dagegen einwenden, wenn er wahrheitsgemässe Nachrichten über unsere Zustände verbreitete. Unsere Industrie, unsere Produktion und unser Handel würden das wirklich brauchen können. Wir müssen uns aber dagegen verwahren, daß durch den Informationsdienst ein Teil der eigenen Staatsbürger im Ausland verunglimpft wird. Notwendig ist es, daß sich das Ministerium mehr als bisher für die Beseitigung der Grenzbeschränkungen und der Visagebühren einsetzt. Wir brauchen einen freien und unbeschränkten Verkehr. Die jetzigen Grenzbeschränkungen und die Visa- und Paßvorschriften stellen sich in der Praxis als Schikanen und unnötige Drangsalierungen der Staatsbürger darr, die über die Grenze hinaus oder zu uns herein wollen. Sie schädigen Handel und Wandel, sie hindern die Anbahnung wirtschaftlicher Beziehungen.
Im Außenausschuß hat der Referent über dieses Kapitel gesagt, die Hauptaufgabe unserer Auß enpolitik müsse sein, darüber zu wachen, daß kein neuer Weltkrieg entsteht, der das Grab der gesamten menschlichen Kultur wäre. Wir fragen uns zweifelnd, ob unser Außenministerium auf diese Aufgabe eingestellt ist. Die unbedingte Gefolgschaft zu Frankreich kann unserer Ansicht nach zu unangenehmen Konseqenzen führen. Wir hätten die Pflicht, auf Frankreich und auf den hemmungslosen Siegerwillen Frankreichs im Sinne der Aufrechterhaltung des Friedens einzuwirken. Was wir aber tun, scheint uns mehr zu sein, es scheint uns eine wirkliche unbedingte Ergebung unter den französischen Willen zu sein. Es ist unter diesen Umständen zweifelhaft, ob die großen Mittel, die für die Außenpolitik ausgegeben werden, eine zweckmäßige Verwendung finden. Der Zweifel ist deshalb berechtigt, weil die Mittel einem ganz einseitigen Zweck dienen, dem Zweck, den durch die Friedensverträge geschaffenen Zustand auch in seinen unnatürlichen und ungerechten Teilen zu erhalten. Diese Außenpolitik ist unserer Ansicht nach nicht so, wie sie die Èechoslovakei treiben sollte. Wir müssen daran denken, daß auch die Zeit kommt, wo sich die internationalen Beziehungen wieder ändern. Wir können mit Recht verlangen, daß die Mittel, die wir in überreichem Maße ausgeben und zu denen auch wir unseren beträchtlichen Teil beitragen, so verwendet werden, daß sie dem Volke und dem Staate auch für die Zukunft Nutzen und Vorteil bringen. (Potlesk na levici.)
8. Øeè posl. Böhra (viz str. 541 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Bei der Erörterung der das Finanzwesen und Steuerwesen betreffenden Themata kommt es weniger auf ein volles Haus als darauf an, daß die Fachreferenten der betreffenden Ministerien und die Herren Minister selbst hier zugegen sind. Denn nicht die große Menge der Abgeordneten ist für die Vorbereitung des Budgets maßgebend, sondern diejenigen Herren, welche an der Quelle und, ich möchte sagen, an der Fabrikation und Zusammenstellung des Voranschlages tätig zu sein haben. Nun ist es so, daß über jede Staatsvoranschlagsberatung sich bisher meist dichte politische Schatten breiteten. Auch in die zu sehr hinausgeschobene heurige Budgetdebatte greifen außenund innerpolitische Ereignisse ein, sodaß es schwer wird, den wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Fragen in ausreichend gründlicher und sachlicher Behandlung sich zuzuwenden, auch wenn der Beratung kein so eingeschränktes Zeitmaß zugewiesen wäre. Doch scheint mir nicht nur für das Philosophieren das alte Wort gelten zu sollen, daß man vorerst leben müsse, sondern es darf auch nicht vor lauter Politisieren die Sorge für die gleichfalls lebenswichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Erfordernisse auch unseres deutschen Volkes und jedes Volkes überhaupt übersehen werden, auch nicht einmal in den Hintergrund treten. Es handelt sich um das Gleichgewicht gleichberechtigter, mit einander eng verflochtener Angelegenheiten. Ich will in meinen kurzen Ausführungen die Verbindung dieser Fragen suchen. Als eine Erleichterung bei der Budgetdebatte kommt uns freilich zustatten, daß erst jüngst hier eine Erörterung über das Exposé des Herrn Außenministers Dr. Beneš abgeführt wurde, in welche auch die von ihm verantwortlich gedeckte Oktoberbotschaft des Herrn Präsidenten Masaryk einbezogen war. Als Quintessenz, als Hauptnachklang bleibt aus beiden Erklärungen zurück die von gemischten Gefühlen begleitete Erinnerung an die fortgesetzt starke Betonung der westlichen Orientierung in der Lenkung der Außenpolitik der Èechoslovakei, die bis zu dem ominösen Akzent auf die Formel sich steigerte, in guten und bösen Tagen zu Frankreich zu stehen. Ich will mich hier über diese politischen Einzelheiten nicht verbreiten. In dem jetzigen Zeitabschnitt wird bezüglich der Auffassung des Zusammenstehens in Gutem und Bösem von der Prager Regierung jedenfalls das erste Wort allein für geltend erachtet. Finden aber auch wir für die Èechoslovakei heute bloß gute Folgen im Verhältnis zu Frankreich? Ich lasse mich da gar nicht ein auf die hauptsächlich durch Frankreichs Freundschaft bedingten Riesensummen der Erfordernisse des Nationalverteidigungsministeriums von 2·3 Milliarden, uneingerechnet die jedenfalls auch zu beachtenden Quoten in den Titeln "Staatsschuld" und "Bauwesen". Dieses Erfordernis beträgt mehr als 45 Heller täglich pro Kopf der 13 1/2 Millionen Einwohner; es beträgt ferner mehr, als die Budgets für sieben andere Ministerien im Jahre 1924 zusammengenommen, nämlich für das Hande sministerium, für das Arbeits-, Fürsorge-, Gesundheitsministerium, für die Ministerien des Äußern, für Unifikation und für Volksernährung. Ich will da nur das rein volkswirtschaftliche und handelspolitische Moment in Betracht ziehen. Nehmen wir den neuen Handelsvertrag der Èechoslovakei mit Frankreich, den ersten Tarifvertrag. Er ist seit 1. September d. J. in Kraft. Wie schnitt nun unsere Industrie und die Industrie der gesamten Èechoslovakei dabei ab? Zunächst erhält dabei Frankreich die volle Meistbegünstigung, und da die Industrieschutzzölle in diesem Vertrag abgebaut wurden, genießt Frankreich nicht nur die Italien, England, Deutschland, Österreich, Portugal, Rumänien, Jugoslavien, Spanien und der Schweiz zustehenden egünstigungen, sondern es muß auch Frankreich alle jene Zollherabsetzungen erfahren, die die Èechoslovakei bei den bevorstehenden Handelsverträgen anderen Staaten einräumen wird, also auch bei den Zollverhandlungen, die am 6. Jänner 1924 mit Italien und dann mit Österreich beginnen sollen. Weiter ist Frankreich noch besonders eine Herabsetzung bestimmter Einfuhrzölle, die Zulassung von riesigen Einfuhrkontingetenn in der Textilindustrie, wie auch die dauernde Bestätigung unbeschränkter Einfuhr jener Waren zugestanden worden, die keiner Voranmeldung bedürfen; ebenso die Ermässigung der Einfuhrmanipulationsgebühren. Dagegen hat die Èechoslovakei bei diesem ersten Tarifvertrag, den sie überhaupt abgeschlossen hat, in Frankreich keine andere handelspolitische Stellung erlangt, als das kleinere Österreich durch seinen Vertrag vom 22. Juni 1923 erreichte. Da ich einen Wahlkreis zu vertreten habe, in dem unsere heimische Textilindustrie eine große Rolle spielt, so mmuß ich mit besonderem Bedauern konstatieren, daß dieser erste Handelsvertrag mit einem starken Passivum, mit einem Opfer für diese Industrie abschließt, und zumal die èechische Spinnund Zwirnindustrie nun mit der schärfsten Auslandskonkurrenz zu rechnen hat, während gerade die Bedarfsartikel dieser Industrie, hauptsächlich Spezialmaschinen, keinen Zollabbau erfuhren. Der beste Sekundant Frankreichs, Belgien, ging, während unsere typischen Exportgüter in Frankreich Minimaltarife nicht insgesamt genießen, sogar soweit, auf 14 Warengruppen der Èechoslovakei im Juni laufenden Jahres die Antidumpingzölle zu applizieren und diese mit ähnlichen Zollzuschlägen zu belasten, wie die reichsdeutschen Fabrikate beim Eingang nach Belgien. Die Brüsseler Gleichstellung der Prager Krone mit der Berliner Mark macht unseren Export dorthin einfach unmöglich. Ich hebe hervor, daß der Herr Außenminister Dr. Beneš gelegentlich seiner letzten Reise sich bemüht hat, Belgien davon abzubringen, ohne namhafte Konzessionen seine Zollzuschläge aufzuheben. Daß sich die Unterhändler der Èechoslovakei, sei es wer es will, sich in keiner leichten Lage befanden, will ich gar nicht verkennen, weil unsere Republik weder ein reiner Agrar-, noch ein reiner Industriestaat, sondern ein Agrarindustriestaat ist; mithin kann man diesem unseren Staat nur wenig Konzessionen in dem einen oder anderen Belange bieten. Aber im Interesse gleichen Rechtes für alle inländischen Produkte muß ich dennoch auf den von unserer deutschen christlich-sozialen Volkspartei vertretenen Grundsatz hinweisen, daß wenn schon nicht Englands Freihandel - von dem man übrigens in England beim dortigen Wahlkampf gerade wegen der französischen Konkurrenz ernstlich abzurücken scheint hier Platz greifen kann, dann sowohl Gewerbe und Industrie, wie auch die Landwirtschaft gleichmäßig Anspruch auf Zollschutz haben. Denn sie stehen beide auch unter dem gleichen Steuerdruck. Wieder möchte ich aber auch diesmal den Herrn Minister des Äußern auf die Erwirkung von Rechtshilfeverträgen drängen, zumal bei Klagen am Wohnsitz des Auslandsschuldners, z. B. in Ungarn, für eingeklagte Kè-Forderungen die Kursumrechnungen ungünstig geregelt sind. Die Rechtshilfeverträge mit Jugoslavien etc. sind meines Wissens noch nicht rat fiziert. Klaglos erweist sich nur der Rechtshilfevertrag mit Österreich. Was Österreich anlangt, so möchte ich gelegentlich daran erinnern, daß bei uns wie in Österreich Kraft des Artikels 222 des Friedensvertrages von St. Germain noch bis zum 15. Juli 1925, also für 1 1/2 Jahre, besondere zolltarifarische Begünstigungen außerhalb des Umfanges der Meistbegünstigungen getätigt werden können. Falls der Herr Handelsminister in der letzten Zeit in dieser Hinsicht schon erfolgreich tätig war, wäre uns eine Mitteilung darüber gewiß erwünscht. Namentlich für verschiedene Zweige der Textilindustrie und für Porzellanwaren wäre da etwas, wenn auch nur noch für 19 Monate, herauszuschlagen; umgekehrt aber auch manches für Österreich zu erlangen. In der Zeit der Wirtschaftskrise und des Steuerdrucks darf man auch verhältnismäßig Geringes nicht unterschätzen; ich würde in dieser Hinsicht ein Eintreten unseres handelspolitischen Amtes wirklich gerne sehen.