Úterý 13. listopadu 1923

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 225. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 13. listopadu 1923.

Øeè posl. dr. Haase (viz str. 232 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der in Verhandlung stehende Gesetzentwurf hat die Aufgabe, in der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes einen Schritt nach vorwärts zu tun, wobei er sich auf mehrere internationale Verträge beruft und die èechoslovakische Gesetzgebung diesen Verträgen anpassen will. Vom Gesichtspunkte dieses Zweckgedankens aus ist der Entwurf zweifellos zu begrüßen und es kann daher eine Polemik unter keinen Umständen den Ausführungen des Herrn Referenten des Gewerbeausschusses gelten.

Doch sehen wir bei diesem Gesetzentwurf wieder dasselbe, was wir so oft in diesem hohen Hause Gelegenheit hatten zu beobachten, daß nämlich die Art der Durchführung eines Zweckgedankens eine derartige ist, daß man am Wege über die Mittel, mit welchen man den Gedanken durchführen will, den Gedanken fast verliert oder ihn mindestens so abbiegt, daß er seinen Zweck nahezu vollständig verfehlt. Der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses hat vom Gesichtspunkte dieses Ausschusses den Entwurf durch den Hinweis auf das Handelsgesetzbuch gerechtfertigt. Dieser Hinweis ist hier durchaus nicht am Platze, ja, man muß sagen, daß es gerade durch diesen Hinweis klar ist, daß - wenn der Herr Referent im Namen der Majorität des Ausschusses hier gesprochen hat und deren Gedanken hier zum Ausdruck gebracht hat - diese Majorität sich in einem fundamentalen Irrtum befindet.

Das Recht ist im allgemeinen der Regulator des Egoismus. Je nach der Intensität, in welcher der Egoismus des Einzelnen auftritt und nach den durch diesen Egoismus gefährdeten Interessen richten sich auch die Zwangsmittel, mit welchen der Egoismus zurückgedämmt wird. Der Egoismus des Einzelnen kann sich gegen Einzelpersonen und gegen Einzelinteressen richten, er kann sich aber auch gegen Gemeininteressen richten. Das Handelsgesetzbuch, welches der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses heranzieht, regelt durchaus nur den Zusammenstoß des Egoismus Einzelner, welcher auch wiederum nur Einzelinteressen gefährden kann. Soweit es sich um die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes handelt, so kennen wir unlautere Wettbewerbshandlungen, welche sich gegen bestimmte Konkurrenten richten und nur die Interessen dieser bestimmten einzelnen Konkurrenten gefährden. Wir kennen aber auch unlautere Wettbewerbshandlungen, welche sich nicht oder nicht in erster Linie gegen Einzelinteressen ric ten, sondern gegen die Interessen der Gesamtheit. Ein klassisches Beispiel dieser Art gemeingefährlichen unlauteren Wettbewerbes sind alle Arten von Fälschungen von Lebensmitteln. Auf diese Fälle des unlauteren Wettbewerbes hat das Lebensmittelgesetz reagiert, und zwar mit einer ungeheueren Schärfe, so scharf, daß man in gewissen Fällen sich versucht fühlt zu sagen, daß trotzdem das Interesse, welches hier gewahrt werden soll, ein sehr wichtiges ist, das Gesetz etwas zu scharf ins Zeug geht.

Im Lebensmittelgesetz haben wir eine Übertretung statuiert, welche mit den strafbaren Handlungen im Sinne des vorliegenden Gesetzes sehr nahe verwandt ist. Es ist dies die Übertretung der falschen Qualitätsbezeichnung einer Ware. Die falsche Herkunftsbezeichnung einer Ware kann unter Umständen auch eine falsche Qualitätsbezeichnung beinhalten, wird es sogar in den meisten Fällen sein. Während sich aber das Lebensmittelgesetz, wie schon der Name sagt, nur auf Leben smittel bezieht, bezieht sich dieses Gesetz auf die falsche Herkunfts-, bezw. Qualitätsbezeichnung von Waren überhaupt. Und nun gehen wir zurück zum Lebensmittelgesetz! Es ist das analoge, ja das durchaus gleiche Interesse, welches durch das Lebensmittelgesetz und welches durch das Gesetz geschützt werden soll, das heute in Verhandlung steht. Und zwar ist es das Gemeininteresse, das Interesse der Gesellschaft, wobei natürlich in zweiter Reihe auch das Interesse eines Einzelnen mitlaufen kann. Aber das schutzbedürftigere Interesse ist zweifellos das Interesse der Allgemeinheit.

In dem Motivenberichte zum Lebensmittelgesetz ist dieser Gedanke mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: "Dem Gesetze liegt die Absicht zugrunde, im Interesse der Konsumenten zu wirken und zugleich das ausgiebigste Schutzmittel des soliden Handelsund Gewerbsmannes gegen das Umsichgreifen des unlauteren Wettbewerbes zu schaffen. In erster Reihe steht also das Interesse des Konsumenten, das Interesse der Allgemeinheit."

Nun hat selbstverständlich ein Jurist, und das hätte ich vom Herrn Referenten des Rechts- und Verfassungsausschusses erwartet - aus dieser Tatsache, aus dem Gedanken, welches Interesse geschützt wird, seine Folgerungen zu ziehen. Wenn es sich um strafbare Handlungen handelt, so werden die Gemeininteressen in der Weise geschützt, daß das Anklagerecht und gleichzeitig die Anklagepflicht dem öffentlichen Ankläger zugeteilt wird, wo hingegen ein Privatinteresse vorliegt, aber immerhin so kräftig ist, daß es durch strafrechtliche Normen geschützt werden muß, so sagt der Gesetzgeber: Das Privatinteresse ist nicht so schutzbedürftig, daß der öffentliche Ankläger ex offo einzuschreiten hat, sondern es wird jedem einzelnen Geschädigten überlassen, sich durch Privatanklage zur Wehr zu setzen. Das Lebensmittelgesetz hat erklärt, der Konsument, die Allgemeinheit ist zu schützen. Er hat darum die logische, selbstverständliche Konsequenz gezogen, daß die Delikte gegen das Lebensmittelgesetz als sogenannte offiziose Delikte vom Staatsanwalt verfolgt werden. In dem vorliegenden Gesetze finden wir im Motivenbericht die Anmerkung, daß alle ausländischen Gesetzgebungen, welche sich auf dieselben Konventionen stützen, aus welchen der vorliegende Gesetzentwurf erwachsen ist, das offiziose Verfahren eingeführt haben, d. h. daß sie die Verfolgung nicht der Privatinitiative überlassen, sondern ausschließlich dem Staatsanwalt. Trotzdem u. zw. ohne jede weitere Begründung - denn eine solche wäre sehr schwer gefallen - heißt es im Motivenbericht, hat die Regierung in der Èechoslovakei diesen Schutz der Privatinitiative anvertraut und hat aus den Verletzungen des Gesetzes ein Privatanklagedelikt gemacht, wobei noch eine besondere Sorte von Privatanklageberechtigten geschaffen wurde; gerade diese besondere Sorte ist geeignet, das besondere Mißtrauen zu erregen und es gleichzeitig begreiflich erscheinen zu lassen, warum die Motive nicht ausgesprochen wurden. Es ist nämlich nicht nur ein geschädigter Privater berechtigt einzuschreiten - hingegen nicht berechtigt ein Vertreter der Gesamtheit einzuschreiten - sondern berechtigt einzuschreiten ist auch unter Umständen ein Verein, der zur Wahrung bestimmter wirtschaftlicher Interessen bestimmt ist. Ich glaube, und das braucht man nicht weiter auszuführen, man biegt jedenfalls auch hier das Prinzip ab und verwässert, verballhornt es derart, daß der Zweckgedanke vollständig verloren geht. Der vorliegende Gesetzentwurf hat aus dem Schutz des Gemeininteresses den Schutz des Profitinteresses einer Einzelperson sowie einer Gruppe von Einzelpersonen gemacht. Während die Konventionen, auf die wir uns stützen, von dem Gesichtspunkt ausgehen, daß das Gemeininteresse zu schützen ist, und im Sinne dieser Gedanken der Konventionen auch alle ausländischen Gesetzgebungen erklärt haben, daß es sich hier um ein offizioses Delikt handelt, haben wir hier nichts anderes zu tun, als das Privatinteresse zu schützen. Wir vergessen daran, daß durch das Gesetz die Gemeininteressen zu schützen sind, wir schützen ausschließlich nur das Profitinteresse der Einzelnen oder gewisser Personengesamtheiten, welche gleiche wirtschaftliche Interessen haben.

Als Vertreter der Arbeiterschaft interessieren uns speziell aber auch noch andere Bestimmun gen des Gesetzes. Wenn wir eine Vorschrift - sei es eine strafrechtliche, sei es eine zivilrechtliche, aber insbesondere eine strafrechtliche - betrachten, müssen wir uns immer sagen: Von wem wird der Egoismus mobilisiert, wer hat etwas davon, wenn er das Gesetz übertritt? Gegen diesen muß sich die Schärfe des Gesetzes richten. Im vorliegenden Falle, genau so wie bei den Wuchervorschriften müßte sich die Schärfe des Gesetzes gegen den Unternehmer richten, unter keinen Umständen aber gegen den Angestellten. Und genau so, wie wir es bei dem Gesetz über den Kriegswucher erlebt haben, daß Angestellte wegen Kriegswucher bestraft wurden, obwohl sie über Befehl und im Auftrag ihres Dienstgebers gehandelt haben, weil das Gericht nicht annahm, daß es sich um unwiderstehlichen Zwang gehandelt hat, genau so werden nach diesem Gesetz Angestellte bestraft werden, wenn sie im Interesse und über Auftrage des Dienstgebers handeln werden. Wir haben infolgedessen in dieser Angelegenheit einen Antrag eingebracht, welcher mit einem Schlage das Privatanklagedelikt abschafft und außesdem die Angestellten schützt. Das Gesetz enthält im § 17 die Bestimmung, daß der Angestellte zivilrechtlich dann nicht haftet, wenn er über Weisung des Dienstgebers die Tat begangen hat, aus welcher der Schadenersatzanspruch entstanden ist. Es ist hingegen, und das ist ganz auffallend, in den Bestimmungen strafrechtlicher Art nicht einmal diese Einschränkung gemacht, so daß man daraus als Jurist schließen kann und schließen muß, daß es in strafrechtlicher Beziehung, bei denselben unhaltbaren Verhältnissen bleibt, welche wir in der Praxis des Kriegswuchergesetzes mitgemacht haben. Aber auch zivilrechtlich bleibt noch immer genug übrig. Zunächst ist es ja ungeheuer schwer für den Angestellten, seinen Dienstgeber einzutunken, ihn einfach vor Gericht zu beschuldigen, er habe den Auftrag gegeben; ein Jurist weiß ganz gut, wie man sich auch hier helfen kann, um den Bediensteten nicht in diese unangenehme Situation zu versetzen. Man nennt das Mittel die Umkehrung der Beweislast, wie wir sie in allen Haftpflichtgesetzen, im Automobilhaftpflichtgesetz, im Eisenbahnhaftpflichtgesetz haben. Es kann ja darüber gesprochen werden, daß man den Angestellten haftbar macht, wenn man ihm nachweist, daß er die Tat ohne Wissen seines Dienstgebers begangen hat. So läßt sich die Sache machen. Aber so wie es im vorliegenden Gesetzentwurf textiert ist, bedeutet das eine schwere Haftung des Angestellten strafrechtlich ganz zweifellos, aber auch zivilrechtlich.

Nun heißt es im § 17 noch, die Klage, die unzulässige Bezei chnung zu entfernen oder den Zustand zu beseitigen, welcher dem Gesetze widerspricht, könne "auch" gerichtet werden gegen den Dienstgeber, wenn die Tat begangen wurde durch einen Bediensteten oder Bevollmächtigten. Aus dem "auch" folgt, daß selbst der Gesetzgeber ausdrücklich sagt: Gegen den Bediensteten kann man klagen. Es handelt sich hier nur darum, wird man einwenden, daß der unzulässige Zustand beseitigt, wieder gutgemacht werden soll. Aber wenn man klagt oder geklagt wird und verurteilt wird, so muß man auch die Kosten, bezahlen; das bedeutet also, daß der Angestellte in diesem Falle auch zum Ersatz der Prozeßkosten verurteilt werden kann, da ja das Gesetz hiezu direkt auffordert. Das wäre das, was uns als Vertreter der Arbeiterschaft an diesem Entwurf interessieren muß.

Nun noch ein kleines pikantes Detail, bei dem ich erwartet hätte, daß der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses wenigstens ein Wort darüber gesagt hätte, denn es ist etwas rein Juristisches. Es heißt im § 16: Darüber, ob ein Schade entstanden ist, und über seine Höhe entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen. Wenn man einem Juristen das Wort "freies Ermessen" sagt, so muß er mindestens staunen, daß ein Gericht, nicht etwa nach freier Beweiswürdigung, sondern nach freiem Ermessen - das ist ein großer Unterschied, volné uvážení heißt freies Ermessen - entscheiden soll. Nach freiem Ermessen entscheiden die Verwaltungsbehörden, leider. Wir haben damit gerade genug zu tun und mitzumachen. Aber daß Gerichte nach freiem Ermessen entscheiden, das ist denn doch etwas Unerhörtes. Wann man damit sagen wollte "freie Beweiswürdigung", dann war es nicht nötig, denn das steht in der Zivilprozeßordnung, dann brauchten wir überhaupt nichts darüber zu sagen, denn die freie Beweiswürdigung steht nach der Zivilprozeßordnung den Gerichten ohnehin zu. Superfluum nocet, besonders in diesem Falle. Wenn die Gerichte nicht nach der Zivilprozeßordnung, sondern nach freiem Ermessen entscheiden sollen, so bedeutet das die Aufforderung zur blanken Willkür. Denn wir wissen, was "freies Ermessen" im Verwaltungsverfahren heißt; es heißt, daß wir von der Willkür, wenigstens von der Gefahr der Willkür nicht sehr weit entfernt sind.

Wir haben einige Anträge eingebracht, mit welchen wir die Mängel des Gesetzes zu beheben trachten. Vor allem sind für uns von besonderer Wichtigkeit jene Anträge, welche sich damit beschäftigen, die strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortung des Bediensteten, der doch im Dienste und über Auftrag und unter dem Zwange des Dienstgebers handelt, auszuschließen. Wir erwarten insbesondere von jenen Parteien, welche die Arbeiterschaft vertreten, daß sie diesen Abänderungsanträgen ihre Zustimmung erteilen werden. (Souhlas a potlesk na levici.)


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