Úterý 12. prosince 1922

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 178. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 12. prosince 1922.

1. Øeè posl. Hirsche (viz str. 1547 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Vorlage, mit der wir uns hier zu beschäftigen haben, behandelt die Auszahlung der Teuerungszulagen und Renten des Pensionsversicherungsgesetzes. Es handelt sich hier um das Gesetz vom 12. August 1921 über die Pensionsversicherung, durch welches die Ruhegenüsse durch Teuerungszulagen erhöht wurden. Begründet wurde das damalige Gesetz damit, daß die Ruhegenüsse als ungenügend angesehen wurden, auch nur die primitivsten Bedürfnisse der Pensionisten zu befriedigen, und es wurde gesagt, die wirtschaftlichen Verh ältnisse haben noch nicht jene Änderungen erfahren, durch welche diese Zulagen als überflüssig ggelten könnten. Darum beantragte die Regierung, daß die Wirkung des Gesetzes bis über den 31. Dezember d. J. verlängert werde.

Schon im Ausschuß hat sich gegenüber dieser Begründung ein sehr lebhafter Widerstand ergeben. Handelt es sich hier doch um die Bedürftigsten der Bedürftigen. Die Renten, die diese Pensionisten bekommen, sind wahrlich nichts weniger als ausreichend zur Befriedigung auch nur der notwendigsten und dringendsten Bedü rfnisse, und nunmehr soll der Regierung die Macht gegeben werden, in dem ihr günstig erscheinenden Augenblick diese Zuschläge zu den Renten aufzuheben. Dagegen müssen wir auf das energischeste unsere Stimme erheben. Wir können und dürfen der Regierung nicht diese Macht in die Hand geben, denn wir wissen ja, wie die Regierungsparteien die Verhältnisse in der Èechoslovakischen Republik beurteilen, und so würde sich wahrscheinlich kurz nach dem 31. Dezember die Situation so gestalten, daß man eben di ese 300 %igen Zuschläge zu der Rente aufhebt. Schon im Jahre 1921, als zum erstenmale der Antrag auf die 300 %igen Zuschläge eingebracht wurde, haben wir im Hause alle die Gründe vorgebracht, die dartun, daß die Rentenbemessung viel zu gering sei. Wir haben damals den Antrag auf Erhöhung um 400% gestellt. Doch wurde dieser Antrag abgelehnt. Nunmehr soll die Regierung, besser gesagt, der Minister für soziale Fürsorge ermächtigt werden, in jedem Augenblick diese Zuschläge zu beseitigen. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit dagegen.

Die Zuschläge zu den Renten werden durch das Umlageverfahren eingehoben. Wir müssen diesen Anlaß dazu benützen, darauf hinzuweisen, daß in der alten Anstalt ungeheuere Summen aus den Taschen der Angestellten angehäuft wurden. Die Beträge gingen in die Hunderte von Millionen. Bei dem Zusammenbruch zeigte es sich, daß nunmehr das angehäufte Geld vollständig wertlos geworden ist. Auch die Berechnungen, die für die Einhebung der Prämien maßgebend waren, sind durch den Krieg und die veränderten Verhältnisse vollständig über den Haufen geworfem worden. Die früheren Leistingen sind wertlos. Die Neuversicherten erhalten heute mehr als die Altversicherten. Man ist in Österreich von dem Kapitaldeckungsverfahren zu dem gemischten System übergegangen. Das erschien ja ungemein radikal, aber auch wir in der Èechoslovakischen Republik haben ja teilweise zum Umlageverfahren greifen müssen und die Erhöhung der Renten würde, umgelegt auf alle in Betracht kommenden Interessenten, wirklich gar keine besondere Rolle spielen. Der einzelne Industrielle verspürte diese kleinen Beträge überhaupt nicht. Und doch will man hier aus einer ganz bestimmten Absicht sparen, sparen gerade bei den allerärmsten.

Ich möchte den Anlaß auch dazu bennnützen, um in ein paar ganz kurzen Worten aufzuzeigen, daß unser Pensionsversicherungsgesetz endlich grundlegennd geändert werden muß. Damals, Ende des Jahres 1921, als ich hier in diesem hohen Hause sprach, hat der Berichterstatter in seinem Schlußworte vermerkt, daß eine ganze Reihe guter Anregungen gegeben worden sei, daß man diese Anregungen benützen und durchführen werde. Es ist jedoch nichts geschehen, wir haben das gleiche Gesetz, wie es nach dem Umsturz für die Èechoslovakei gemacht wurde. Ich möchte nur herausgreifen, daß bei den heutigen Verhältnissen die sogenannten Altversicherten und Altpensionisten sich heute in einer viel unangenehmeren und schlechtteren Situation mit ihrer Anwartschaft und mit ihren Renten befinden als die sogenannten Neuversicherten. Ganz besonders möchte ich darauf hinweisen, daß endlich einmal Rechnung getragen werden muß unserer Forderung bezüglich Einrechnung der Kriegsdienstjahre. Auch diesbezüglich sind hier im Hause Anträge ein gebrach worden. Kollege Klein hatte hier einen Antrag gestellt, mit welchem eine bestimmte Summe in das Budget eingestellt werden soll. Der Antrag ist damals abgelehnt worden. Wir sind der Meinung, daß die Rente unabhängig gemacht werden müßte von dem bescheidenen Gehalte des Anfängers, daß die Invaliden-, Witwenund Waisenrente schon nach einer geringeren Anzahl von Beitragsmonaten, vielleicht nach 24 Monaten, fällig sein müßte, daß die Höhe der Rente von der Dauer der Versicherung unabhängig gemacht werden müßte daß die Invalidenrente nach 420 Beitragsmonaten oder Vollendung des 65. Lebensjahres als Altersrente auszuzahlen wäre. Auch für die in Versorgung stehenden Kinder müßte diesen Rentnern ein Zuschuß etwa in der Höhe von 20% gewährt werden. Ein besonders wichtiger Punkt wäre der Ausbau der Stellenlosenversicherung durch die Pensionsanstalt. Ich möchte hiebei darauf verweisen, daß Deutschösterreich den Angestellten, die vom staatlichen Arbeitslosenamt ausgesteuert sind, die Arbeitslosenunterstützung während der ganzen Dauer der Arbeitslosigkeit fortbezahlt. Es müßte auch die Zeit in die Karenz eingerechnet werden, während welcher die Mitglieder Krankengeld beziehen. Vor allem aber müßte endlich, wenn die Pensionsversicherung segensreich für die Angestellten wirken soll, ein Staatszuschuß gewährt werden. Im § 13 des Gesetzes heißt es, daß ein Angestellter, der nach dem 50. Jahre heiratet, keinen Witwenanspruch hinterläßt. Es wäre wohl möglich zu bestimmen, daß nach einem fünfjährigen Zusammenleben auch bei einem 50jährigen die Witwe einen Anspruch auf die Rente erhalte. Interessant ist, daß § 21 des Gesetzes sagt, daß die Rente ruhe, wenn der Versicherte oder der Rentner eine mehr als einmonatige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Das ist gewiß eine Bestimmung, die raschest aus dem Gesetze zu eliminieren wäre. Auch diejenigen, die als Rentner im Ausland leben, haben nur dann einen Anspruch auf Rente, wenn die Verwaltungskommission der Pensionsanstalt zustimmt. Es gibt in diesem Fall nur eine Abfertigung mit der Hälfte des Kapitalswertes. Das ist eine sehr harte Bestimmung, die beseitigt werden müßte, zumindest durch Übergangsbestimmungen für die nächste Zeit. Wichtig aber wäre auch, daß Gegenseitigkeitsverträge mit anderen Staaten gemacht werden und endlich die Überführung unseres Guthabens aus Österreich erfolgt. Auch darüber ist wiederholt berichtet worden, wir können aber nicht erfahren, wieweit die Verhandlungen gediehen sind. Und doch kann die Anstalt zu einer ordentlichen Bilanz erst kommen, wenn wir endlich wissen, wie groß die Bestände sind, die wir aus Österreich herüber bekommen.

Ganz energisch aber müssen wir von dieser Stelle aus die Ausschreibung der Wahlen verlangen. Es ist ein ganz unmöglicher Zustand, daß diese Anstalt, die so ungeheuere Verantwortung hat, von einer Anzahl ernannter Personen geleitet wird. Wiederholt und nachdrückilichst haben wir die Forderung erhoben, daß die Wahlen endlich stattfinden. Es geschieht leider nichts in diesem Sinne; wir müssen die Verantwortung hiefür ablehnen und müssen dringlich und nachdrücklichst dem hohen Hause dies zur Kenntnis bringen und verlangen, daß die entscheidenden Faktoren in diesem Staate endlich alles vorbereiten, damit in diese Anstalten endlich auf Grund von Wahlen verantwortliche Leute einziehen. Wir haben eine ganze Reihe von Landesstellen, die heute nur von beamteten Leuten geführt werden, welche allerdings seinerzeit in die Landesstellen gewählt wurden, aber längst nicht mehr Angestellte sind, wobei, nebenbei gesagt, diese Leute längst das Recht verwirkt haben, verantwortungsvoll in den Landesstellen zu wirken. Die Machtverhältnisse innerhalb der Angestelltenschaft haben sich bedeutend verändert. Es fehlt in den Landesstellen die Verantwortung der freigewerkschäftlich organisierten Kollegenschaft. Ich möchte nebenbei ausdrücklich aussprechen, daß wir festhalten an den Landesstellen, daß wir aber unbedingt die Wahlen ausgeschrieben wissen wollen. In diesem Sinne haben wir dem hohen Hause einen Antrag unterbreitet. Wir wollen es hier aber auch aussprechen, daß wir die Autonomie dieser Anstalten gewahrt wissen wollen, wir sind der Auffassung, daß hier nur die Angestellten zu entscheiden haben und nicht die Unternehmer. Es hat in der Verwaltungs, kommission sehr große Aufregung gegeben, als ich den Herren Unternehmern erklärte, daß sie sich in unsere Angelegenheiten nicht einzumischen haben, daß die Wahlen lediglich Sache der Angestellten seien, daß die Unternehmer alle möglichen Machinationen vorbereiten, um uns das Recht auf Wahlen zu nehmen. Wir sind der Auffassung, daß bei allen Krankenversicherungsunternehmen, Krankenkassen und bei der kommenden Sozialversicherung die Voraussetzung der Entwicklung die Selbstverwaltung der Arbeitenden ist. Wir hoffen, daß es uns gelingen wird, hier vollständig zu reussieren, Wir brauchen wohl nicht erst hinzuzufügen, daß wir bei diesem Anlaß dringend verlangen müssen, daß endlich auch dieVersicherung für die übrigen Arbeitnehmer gemacht werde, daß wenigstens die Vorlage zur allgemeinen Sozialversicherung endlich das Licht der Welt in diesem hohen Hause erblicke.

Wir müssen die Vorlage in dieser Textierung ablehnen. Wir können der Regierung nicht konzedieren, daß sie im Verordnungswege in einem ihr geeignet scheinenden Zeitpunkt die 300%igen Zuschläge zu den Renten aufhebe. Wir müssen verlangen, daß dieser Passus aus der Vorlage eliminiert werde und wir fordern die ehebaldigste Ausschreibung der Wahlen, damit wir auf Grundlage der Wahlergebnisse daran gehen, das Pensionsgesetz, das Versicherungsgesetz von Grund auf neu zu gestalten. (Souhlas na levici.)

2. Øeè posl. Uhla (viz str. 1553 tìnopisecké zprávy):

Gohes Haus! Die Kriegsbeschädigten aller Kategorien befinden sich in den denkbar traurigsten Verhältnissen. Die gegenwärtige staatliche Fürsorge genügt nicht, von einer privaten kann man überhaupt nicht reden. Wie unsere Invalidenversorgung aussieht, zeigen uns einige Ziffern. Die volle Invalidenrente beträgt 2400 K. Diese Invalidenrente kann nur ein Invalider bekommen, der mindestens zu 85 Prozent arbeitsunfähig ist. Die volle Witwenrente beträgt 600, die Waisenrente 400 K jährlich. Kinderlose Witwen oder Gefährtinnen, deren Erwerbsfähigkeit nicht wenigstens um 30% gemindert ist, haben keinen Anspruch auf Witwenrente. Der Invalide, der mindestens 6000 K Jahreseinkommen hat, verliert überhaupt jeden Anspruch auf die Invalidenrente. Diese drei Bestimmungen zeigen so recht deutlich die Härten unseres Kriegsbeschädigtenfürsorgegesetzes. Das Gesetz ist ungenügend, entspricht nicht, fertigt die Kriegsbeschädigten lächerlich kleinen Renten und Beträgen ab. Die Regierung scheint gar nicht die Absicht und den Willen zu haben, die Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zu verbessern. Wenn sie das wirklich ernstlich wollte, so hätte sie nicht im Voranschlag für 1923 Kürzungen in einem Ausmaß vorgenommen, die viele Millionen betragen. Die Post "allgemeine Ausgaben" aus der hauptsächlich die Heilbehandlung und die Fürsorge für die amputierten Kriegsbeschädigten bestritten wird, ist allein um 21,950.000 Kronen gekürzt worden. So zeigt sich unsere Kriegsbeschädigtenfürsorge in einem ganz besonderen Licht. Himmelschreiend ist die Art, wie man die Kriegsbeschädigten auf dem Gebiete der Rentenbemessung behandelt. Kein Ausdruck ist stark genug, diese Art der Behandlung zu kennzeichnen; was hier geschieht, ist eine Brutalität, eine Niedertracht, wie sie nicht schlimmer sein kann. Schuld allein trägt die Regierung, die diese Zustände kennen muß, die aber aus Absicht oder wider Willen keine Abhilfe schafft.

Mit 1. Mai 1920 ist das Gesetz vom 20. Feber 1920, nach welchem den Kriegsbeschädigten die Renten zu bemessen sind, in Kraft getreten. Bis heute, nach 21 Jahren, warten viele Tausende auf die Bemessung ihrer Renten. Es ist bis heute noch keine Durchführungsverordnung zu diesem Gesetze erschienen, die Menschen geraten in die schlimmste Not. Aus den entferntesten Bezirken des ganzen Landes reiseni wöchentlich Hunderte und Hunderte von Kriegsbeschädigten nach Prag, werden bei der Liquidatur des Landesamtes vorstellig, in der Hoffnung, daß dann die Erledigung ihrer Rentenansprüche schneller gehen werde. Sie geben ihren letzten Heller, den letzten Bettelkreuzer für diese Reisen nach Prag aus. Und ähnlich wie in Böhmen wird es wahrscheinlich auch in Mähren und Schlesien sein. Wenn dann die armen Leute zur Liquidatur kommen, werden sie mit Versprechungen abgespeist, in vierzehn Tagen, drei Wochen werde ihr Ansuchen erledigt sein. Wie alle Zusagen, wird auch diese nicht eingehalten. Wir haben heute eine Unzahl von Kriegsbeschädigten, die Rentenrückstände bis zur Höhe von 3000 Kronen vom Staate zu fórdern haben. Der gr ößte Teil der Nachzahlung ist bis heute überhaupt nicht ausbezahlt. Die Zahlung der Unterhaltsbeiträge und der staatlichen Zuwendungen wurde rücksichtslos eingestellt. Die Leute sind plötzlich ohne jedes Einkommen gewesen und es ist unbegreiflich, wie diese Leute überhaupt existieren können. Sie fallen der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last. Wenn sich dann die Selbstmorde in ungeheuerer Zahl häufen, wenn die Leute aus Not und Elend zu Verbrechern werden, so ist das nicht zu verwundern.

Die administrative Erledigung ist oft unverständlich. Ich will hier ganz kurz einige Beispiele anführen. Einer Witwe wird der Unterhaltsbeitrag plötzlich eingestellt. Sie bekommt die Rente. Für ihre vier Kinder wird jedoch die Rente nicht angewiesen, sie muß nach Prag fahren, der Erfolg der Prager Fahrt ist, daß man den vier Kindern wohl die Rente von Dezember 1922 ab auszahlt, den Nachtrag jedoch für die sechsmonatige rückständige Rente nicht. Das ist eine ganz eigenartige Erledigung. Es ist doch klar, daß man gleichzeitig mit der Rentenbemessung für die Witwe auch die Rente für die Kinder hätte bemessen können. Esist das ein Mangel der Administrative. Dieser Mangel zeigt sich aber in hunderten und tausenden Fällen. Wenn man ernstlich wollte, könnte man diesen Mangel ohne weiters aus der Welt schaffen.

Ein anderer Fall. Eine Kriegswitwe hat bis Juli 1922 den Unterhaltsbeitrag bezogen. Im Jahre 1920 hat sie eine Zuschrift erhalten, in der ihr mitgggeteilt wird, daß zur Auszahlung der Rente alles in Ordnung ist. Mit diesem Schriftstück ging die Frau zur Bezirkshauptmannschaft. Der do rtige Beamte erklärte ihr, die Sache sei nun in Ordnung, sie brauche sich um nichts mehr zu kümmern. Die Frau geht ganz freudig bewegt nach Hause. Da sie nun an einem Augnleiden krankt, geht sie im heurigen Jahr zur Bezirksstelle in Brüx und ersucht um die Gewährung von Heilbehandlung. Dort wurde ihr bedeutet, daß für sie nichts gemacht werden kann, weil sie die Frist zur Geltendmachung ihrer Ansprüche versäumt hat. Die Frau ging zur Behörde, der Bezirkshauptmann erklärt ihr, sie brauche nichts zu machen, die Sache ist in Ordnung. Die Frau ist eine Èechin, der Beamte ist ein Èeche. Man kann sich in diesem Falle also nicht ausreden, daß sie sich sprachlich nicht verstanden haben. Seit vielen Monaten bekommt die Frau keinen Heller Geld, bis heute ist ihr weiteres Ansuchen, das sie im August dieses Jahres gestellt hat, seiner Erledigunggg noch nicht zugeführt worden. Die arme Frau steht mit ihren vier Kindern nackt dem Hunger und Elend preisgegeben da.

Eine Ortsgruppe der Kriegsbeschädigtenorganisation schildert uns folgenden Fall: Eine Hinterbliebene, im Jahre 1866 geboren, hat ihre drei Söhne im Felde verloren. Das Ansuchen um Vorfahrenrente wurde ordnungsgemäß eingebracht, aber mit der Begründung abgewiesen, daß die alte Frau noch erwerbsfähig ist. Gegen diesen Bescheid wurde am 21. Dezember 1921 der Rekurs eingebracht, bis heute ist er noch nicht erledigt. Die Frau lebt in den allermißlichsten Verhältnissen. Ein weiterer Fall: Ein Invalide, mit 100% Erwerbsunfähigkeit klassifiziert, bezieht eine Invalidenrente, ist aber meist bettlägerig. Am 21. November hat er um einen Vorschuß angesucht, rückwirkend bis zum 1. Mai 1920. Der Vorschuß ist ihmih bis heute noch nicht angewiesen worden, die Nachzahlung der Renten ebenfalls nicht.

Das sind nur einzelne Fälle. Derar Fälle sind aber zu Hunderten und Tausenden aufzuweisen, und ich bin überzeugt, Fälle, die noch viel schlimmer als die hier angeführten sind. Die schreiende Notlage der Kriegsbeschädigten verschlimmert sich durch die Wirtschaftskrise ins Ungemessene. Viele Kriegsbeschädigte waren froh, daß sie Arbeit und Verdienst gefunden hatten. Sie sind aber heute darum gekommen. Laut den Bestimmungen über die Sch lung oder Spitalsbehandlung bekommen ledige Kriegsbeschädigte während dieser Zeit keine Rente, die Familien der Verheirateten 50% der Rente. Nach der Entlassung gebührt die ursprünglich bezahlte Rente. In vielen Fällen müssen diese Rentner nun 8 bis 10 Monate auf die Wiederaufnahme der Rentenzahlunng warten. Die Folgen sind unbeschreiblich. Man kann sich auch lebhaft vorstellen, in welche Notage diese Leute geraten müssen. For Heilbehandlung der Kriegsbeschädigten wurden in dem Voranschlage für 1920 19,500.000 K eingestellt, für denselben Posten für das Jahr 1923 1,850.000 K. Diese Post ist also um volle 17,650.000 Kronen gekürzt worden. Die Regierung sagt wohl in den Erläuterungen zum Voranschlag, daß diese Kürzungen nur deswegen erfolgen, weil die Heilbehandlung aus den gesetzlichen Rentenggebühren gedeckt werde. Ließ schon die bisherige Heilbehandlung, trotzdem fast 20 Millionen jährlich zur Verfügung standen, viel zu wünschen übrig und hat sie viel Anlaß zu Beschwerden gegeben, so wird es in Zukun noch viel, viel schlimmer werden. Die Ansuchen um Heilbehandlung werden in einem Schneckentempo erledigt. Die Erledigung der Gesuche läßt vvier bis fünf Monate auf sich warten. Gerade hier wäre aber eine schnelle und exakte Erledigung besonders am Platze, Trotz allen Bemühungen der Kriegsbeschädigten-Organisationen, eine durchgreifende Verbesserung zu erreichen, wurde diese noch nicht erzielt. Wie aus einer Mitteilung der Invalidenorganisation hervorgeht, wurde in einer Reihe von Fällen die Behandlung im Sanatorium Frankensteiin bur ca 60% vom Landesamt gedeckt, die restlichen 40 % mußten die Kriegsbeschädigten aus eigenen Mitteln tragen. Lungenkranke Kriegsbeschädigte, denen Heilbehandl ng bewilligt war, wurden, weil in den dazu bestimmten Anstalten kein Platz war, anderswo untergggebracht, eine beträchiche Zahl in den Baracken in Pardubitz, trotzdem die dortige Verwaltung selbst aufmerksam machte, daßsich diese Baracken zur Unterbringung und Ausheilung Lungenkraner nicht eignen. Auf dem Verbandstage der Kriegsbeschädigten in Karlsbad wurde öffentlich konstatiert, daß die dort Untergebrachten den Einflüssen der Witterung schutzlos preisggegeben sind. Die Baracken sind alt und lassen Wind, Regen und Schnee freien Zutritt. Die dort untergebrachten Lungenkranlen haben im Winter keine Winterdecken, sondern nur leichte Sommerdecken zur Verfügung. (Hört! Hört!) Die Menage ist unsauber. Im Garnisonsspital Reichenberg wurde den Lungenkranken der Ausgang verweigert. Es bestehen viel zu wenig Heilanstalten. Man sollte an die Errichtung von Lungenheilstätten schreiten. Für Heilbehandlung der Witwen, Waisen und Vorfahren geschieht überhaupt nichts, trotz der niedrigen Bemessung der Rente. Die Fürsorge für amputierte Kriegsbeschädigte ist ebenfalls unr aller Kritik. Für diese Zwecke ist für das Jahre 1923 ebenfalls eine Million weniger veranschlagt. Der Betrag für charitative Fürsorge, der im Jahre 1920 11,600.000 Kronen betragen hat, ist um 3,300.000 Kronen gekürzt. Die Begründung lautet: Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Sinken der Preise der Bedarfsartikel und Lebensmittel. Hier kommt zum Schaden noch der Spott. Wo isti eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu merken? Wo ist eine ausgiebige Verbilligung der Lebensmittel und Bedarfsartikel zu bemerken? Diese Ansicht der Regierung können wir nicht teilen, weil ihr eben alle Tatsachen widersprechen. Wir sehen nur, daß die Krise weiter andauert, die Betriebsstillegung immer und immer noch zunimmt, die Zahl der Arbeitslosen immer anwächst. Ein Anzeichen einer Besserung ist bis heute nirgends zu merken. Die Darlehensansuchen der Kriegsbeschädigten werden nicht im entsprechenden Ausmaß bewilligt. Es werden oft so geringe Beträge bewilligt, daß die Kriegsbeschädigten den Zweck sich eine Existenz zu sichern, gar nicht erreichen können.

Bei den verschiedenen Titeln, wie Renten, Heilbehandlung, Fürsorge für Ampueierte, hat man die Beiträge verringert, bei dem Kapitel sozialärztliche Untersuchung jedoch hat man das Gegenteil gemacht. Diese Post wurde um 720.000 Kronen erhöht. Der Zweck dieser Erhöhung liegt ja klar auf der Hand. Man denkt hier unwillkürlich an die berühmten Musterungskommissionen des Krieges. Es handelt sich hier darum, die Sichtung der Kriegsbeschädigten wirklich wirkungsvoll zu gestalten. Der Prozen tsatz der Erwerbsunfähigkeit soll herabgedrückt werden, Ersparungen an Unterstützungen sollen gemacht werden, Kriegsbeschädigte sollen um ihre Ansprüche geprellt werden. Die Streichung der Gebühren soll Millionen betragen. Die Klassifizierung der Tugerkulösen fordert ebenfalls zur Kritik heraus. Wenn sie schon anerkannt werden, so wird die Erwerbsunfähigkeit so niedrig angesetzt, daß entweder keine oder keine nennenswerte Rente zugesprochen wird. Die Ämter für Kriegsbeschädigtenfürsorge leiden in gewissen Ressorts und Abteilungen an einem großen Mangel an geeigneten Beamten. Hier ist eine Abhilfe dringend geboten. Zehntausende warten auf Zuerkennung ihrer Rente, fast 300.000 Kriegsbeschädigte warten auf die Bemessung ihrer Nachzahlung. Es ist das ein beschämender Zustand.

Die Regierungsvorlage, die uns vorliegt, will nur einen 50%igen Zuschlag bis auf weiteres den Kriegsbeschädigten geben. Mit der Bewilligung des Zuschlages sind wir einverstanden. Womit wir uns aber nicht einverstanden erklären können, das ist die Fassung des § 1, die die Neuregelung des Zuschlages der Regierung auf dem Verordnungswege einräumt. Hier wird also der Regierung ein Recht gegeben, ein Gesetz ganz einfach nach Belieben und willkürlich zu ändern oder es gar ganz aufzuheben. Wir beantragen die Streichung dieser Bestimmung und erwarten, daß das Haus auch einsieht, daß diese Fassung des Gesetzes nicht am Platze ist.

Es ist eine Novellierung des Gesetzes für Kriegsbeschädigtenfürsorge notwendig. Die Zahl der Kriegsbeschädigten verringert sich ständig. Die dadurch ersparten Summen könnten man zur Erhöhung der Renten verwenden. Alle von den Kriegsbeschädirgenorganisationen eingebrachten Eingaben, die auf eine Verbesserung der Kriegsbeschädigtenfürsorge hinzielen, sind aber bis jetzt vom Ministerium gar nicht beachtet worden. Es wäre zu wünschen, daß auch in den Kreisen der Majoritätsparteien und besonders bei der Regierung die Einsicht platzgreife, daß die Kriegsbeschädiggtenfürsorge ungenügend ist, daß die Renten eine wirklich entsprechende Erhöhung gebieterisch verlangen. (Souhlas na levici.)

3. Øeè posl. Kostky (viz 1567 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wir stehen hier vor der Liquidierung eines Teiles der Zwangswirtschaft, der uns bis zum heutigen Tage übrig geblieben ist. Es ist ja ganz zweifellos, daß heute jeder davon überzeugt ist, daß durch diese Zwangswirtschaft nur Schaden verursacht wurde. Der Schade, der gerade die Baumwollindustrie trifft, ist nicht gering. Denn wenn man hier aus dem Regierungsentwurfe liest, daß der ursprüngliche Verlust allein mit 260 Millionen Kronen angenommen ist, wenn auch dieser Verlust heute auf den Betrag von 145 Millionen Kronen herabgemindert erscheint, so ist das immer noch genug und kann einen großen Teil dieser stark bedrängten Industrie heute noch in weitere Schwierigkeiten bringen. Wir müssen wohl feststellen, wo eigentlich das Verschulden gelegen ist, daß die Verluste so groß geworden sind. Und da muß man behaupten, daß die Regierungsorgane, welche seinerzeit für diesen Teil der Zwangswirtschaft verantwortlich waren, den größten Teil der Schuld zu tragen haben. Denn es ist, um hier nur ganz kurz die Entwicklung zu skizzieren, zu bemerken, daß ja im Jahre 1920 festgesetzt wurde, es solle das vorhandene Quantum zu Originalpreisen übernommen werden. Es wurden 6.8 Millionen kg den Spinnern und 4.8 Millionen kg den Garnverbrauchern, also den Webern, über wiesen. Ungefähr 80% der Beteiligten haben ja ihre Verpflichtungen erfüllt. Unter der kleinen Industrie ist großer Widerstand gegen die zwangsmäßige Durchführung des ganzen Gesetzes entstanden und so viel Verbitterung in dem ganzen Industriezweig ngehäuft worden, daß man heute noch viel besser täte, durch einen kühnen gesetzgeberischen Federstrich die ganze Sache aus der Welt, als weitere Zwangsliquidaturen und Zwangsbestimmungen für die Industrie zu schaffen.

Wenn wir die Sache weiter verfolgen, so finden wir ja, daß Reserven von den Beteiligten gesichert worden sind, u. zw. waren diese Reserven einmal das Genossenschaftsvermögen mit 17 Millionen, ein kleiner Reservefond von ungefähr 3 Millionen, weiter die dreifache Haftung der Genossenschaftmitglieder mit ca. 30 Millionen und darüber hinaus noch eine Deckung durch die Verlustakzepte für 100 Millionen Kronen. Wie ist nun eigentlich der große Endverlust entstanden? Von Seite der verantwortlichen Regierungsorgane - u. zw. trifft das die bereits abgetretenen Regierungsorgane ist der Fehler begangen worden, daß eigentlich eine Spekulation mit Ware versucht wurde, wozu Regierungsstellen niemals geeignet sein werden. Dem früheren Handelsminister ist ja das Anbot gemacht worden, ihm die Ware, die mmit 120 angekauft war, zu 80 abzunehmen. Aber die Verzögerung dieser ganzen Aktion hat es dahin gebracht, daß die Verluste immer größer und größer wurden und daß man zu uter Letzt bei Bezahlungdieser Verluste auch auf Kreise greifen mußte, die eigentlich an den Vorteilen des ganzen Geschäftes nur ganz minimal beteiligt waren. Beii einem ursprünglichen Rest von 900.000 kg, ist - das gibt einen kleinen Begriff zweifellos durch die Verzögerung in der Abwicklung des ganzen Geschäftes ein Verlust von rund 45 Millionen Kronen entstanden, der nun zu decken wäre. Denn man hätte die Ware mit 70-80 verkaufen können, die von den beteiligten Stellen mit 120 angekauft, war. Der Verlust pro kg wäre dann verhäl nismäßig nur gering gewesen gegen heute, wo wir bei einem Unterschied von 120 Einkaufspreis und 2021 Verkaufspreis auch bei nur 250.000 kg immer noch einen Verlustunterschied von 25 Millionen zu decken haben.

Es kommt nun eine zweite Sache dazu, welche man hier in diesem Hause nicht so ohne weiters übersehen sollte: Es wurden ja seinerzeit die Akzepte gegeben, die von den Spinnern und anderen Beteiligten das waren die Banken und endlich von der Regierung garantiert waren. Als es zur Bezahlung kommen sollte, war es nicht möglich, die erstbeteiligten heranzuziehen, auch die Regierung zögerte mit der Einlösung und so mußte man endlich an das Bankamt herantreten; dieses stellte ca. 2 Millionen Dollars zur erfügung. Nun entsteht die große Frage, ob nicht für die Beteiligten auch wiederum ein Strick gedreht werden kann daraus, daß das Bankamt behauptet, es könnte diese Dollars, die es zur Verfügung gestellt hat, heute nur zum Kurse von 31 sich bezahlen lassen, während doch zweifellos ein Teil dieses Goldvorrates seinerzeit vorhanden war und seinerzeit nur als solcher tatsächlich zur Begleichung der Akzepte zur Verfügung gestellt worden ist. Wenn also im gegenwärtigen Zeitpunkte die Beteiligten imstande sind, dem Kreditgeber, also dem Bankamt, der Devisenzentrale, das Gold wieder zur Verfügung zu stellen, so müßte in diesem Falle ja ein vollkommener Ausgleich geschaffen sein, denn die betreffenden Stellen haben den Goldwert zurückbekommen und sie haben eigentlich nur, sagen wir den Verdienstentgang, die Valutagewinne, der Industrie überlassen. Es geht wohl nicht an, daß hier auch der Staat oder das Devisenamt - ob es zum großen Teil die zwei Millionen Dollars sind, kann ich hier nichtüberblicken es war aber zweifellos ein Großteil davon im Besitze der Devisenzentrale, sonst hätte sie eine derartige Deckung nicht vornehmen können - das heute der Industrie als Schadensbetrag anrechnen, und es müßte die Regierung dafürSorge tragen, daßman hier der Industrie, den Beteiligten - und das sind nicht allein Großindustrielle, sondern auch mittlere und kleinere Industrielle - irgendwie zu Hilfe kommt. Man hat sogar in gewissen Gebieten im Adlergebirge hörte ich davon - einzelnen Beteiligten mit dem Zwangsverkauf ihrer Betriebe, mit dem Zwangsverkauf von Häusern gedroht, wenn sie nicht die Verpflichtungen der Genossenschaft gegenüber, bzw. dem Zwangsliquidator gegenüber erfüllen können. Hier könnte sich also zweifellos für die Devisenzentrale, wenn sie damals die 2 MillionenDollarsvollständig zurVerfügung hätte, ein Gewinn von 60 Millionen Kronen ergeben, den dürfte sie aber der Industrie nicht in Anrechnung bringen.

Wir müssen hier wohl wiederholt darauf hinweisen, daß die heutige Zeit auch aus anderen Gründen durchaus nicht geeignet ist, derartige Zwangsgesetze zu dulden. Denn nehmen wir nur eine kleine Industrie, von der ich hier eine Äußerung habe, die Stickerei-, Spitzen- und Gardinenfabrikation, die ja gewiß hier auch mit herangezogen wird, so finden wir ganz trostlose Ziffern. Es ist das ein Beispiel aus der Graslitzer Industrie, ein kleiner Beweis dafür, daß diese Industrie heute nicht in der Lage ist, irgend eine Zwangsliquidatur auszuhalten. Dasselbe wird auch bezüglich der übrigen Baumwollindustrie im großen und kleinen gelten. Denn die ganze Baumwollindustrie ist heute nach ganz sicheren Daten höchstens mit 25% in Beschäftigung und diese bröckelt heute noch von Tagg zu Tag ab. Wir haben 75% teils ganz beschäftigungslos, teils nur noch von Tag zu Tag weitergeschleppt. Ich glaube, der Prozentsatz ist in den letzten Tagen nicht kleiner geworden, sondern bedeutend in die Höhe gegangen. Es sind ja die Redewendungen von dem langsamen Abbröckeln der Industriekrise, welche wir in der letzten Zeit gehört haben, leider durch Tatsachen in keiner Weise zu belegen und es wäre sehr notwendig, daß die Regierungsstellen, welche in öffentlichen Kundgebungen, im Senat insbesondere durch den Herrn Finanzminister, und auch an anderen Orten von einem Nachlassen der Industriekrise gesprochen haben, uns hier im Hause Dokumente darüber vorlegen, welche klare Beweise eines derartigen Nachlassen der Industriekrise geben. Heute werden Betriebe gesperrt, es werden Arbeiter vollständig entlassen, aber von Einstellungen von Arbeitern in irgend welchen Industrien habe ich in der iletzten Zeit nichts igehört. Auch in der so oft besprochenen Gablonzer Industrie die hängt mit dem Thema nicht zusammen und ich erwähne sie nur als weiteres Beispiel - wird zwar unendlich viel mit dem Auslande korrespondiert, aber Ergebnisse dieser Korrespondenz, d. h. Abschlüsse, sind bis zum heutigen Tage, soviel mir bekannt ist, nicht erfolgt. Wir können besonders beobachten, aß die Industriekrise die Textilgewerbe am allerschwersten trifft und daß die Baumwollindustrie heute nicht imstande ist, irgend welche Zwangsliquidaturen durchzuführen. Wir haben zwar hier im Gesetzentwurf Erleichterungen enthaltrn und es sind Bestimmungen darin, die, wie § 5, einzelne Fälle aus dem Gesetze ausscheiden, daß der Beirat auch auf die Industriekrise Rücksicht nehmen soll, u. s. w. Aber man weiß ja, wie das seitens der Finanzverwaltung gehandhabt wird. Man wird hier vielleicht davon sprechen, Versprechungen abggeben, eines schönen Tages aber wird trotzdem der Zwang ausgeübt werden. Ich weiß ja, daß man heute soweit geht - ich habe es in der vorigen Woche erlebt - daß man selbst den Notschrei der Bevölkerung nicht mehr zulassen will. Ich protestiere an dieser Stelle gegen eine derartige politische Verwaltung. Es werden heute Steuerdemonstrationsversammlungen, also Versammlungen auch über Zwangsliquidaturen, denn es handelt sich dabei um zwangsweise Eintreibung der Steuern, weil der Gewerbetreibende freiwillig nichts mehr bezahlen kann, weil er zum größten Teile kein Vermögen mehr hat, es werden Versammlungen, die dagegen protestieren wollen, mit der Gendarmerie auseinandergesprengt, sie werdeni verboten. Die politischen Behörden haben in Neustadt a. d. Tafelfichte, wo ruhige hartbedrängte Gewerbetreibende dieses Gebietes, die indirekt auch in der Textilindustrie zum Teil beschäftigt sind, weil sie für die Textilarbeiter Waren zu liefern haben, protestierten, einfach die Plakate herunterreißen lassen, während sich die Demonstrationsversammlung, die wir hinterher trotz dem Verbote abgehalten haben, in sehr ruhigen Formen abgewickelt hat. Es müßte hier die Steuerbehörde in jeder Beziehung dem Industriellen, den Gewerbetreibenden, dem Händler, entgegenkommen. Ich finde es aber nicht als Entgegenkommen, wenn wir uns heute hier zusammensetzen und eine Zwangsliquidatur für irgendwelche Verluste wollen, welche eigentlich aus dem Verschulden der Reierung hervorgehen, eine Zwangsliquidatur, welche der Industrie und dem Gewerbe diese Verluste auflasten. Es werden sich daraus wieder allerlei Schwierigkeiten ergeben, Zwangspfändungen werden ausgeübt und durchgeführt werden und es ist unmöglich, in dieser Art und Weise der Bevölkerung klar zu machen, daß man in Regierungskreisen sich wirklich vollkommen bewußt ist, daß wir heute in gewerblicher Beziehung auf einem Scheidewege angekommen sind, wo es nicht mehr weiter geht, wo ein Entgegenkommen von den Regierungsstellen, aber nicht mehr Zwang verlangt werden muß.

Ich möchte hier auch eine Aufklärung von dem Herrn Referenten darüber wünschen, daß, soviel mir bekannt ist, in dem Motivenbericht von "Feinden der Republik" die Rede ist. Man sucht dem Gesetze ein Mäntelchen umzuhängen. Es wird hier davon gesprochen, daß Einzelne nicht in der Lage sind, dieses Gesetz zu erfüllen, und diese werden als Feinde der Republik hingestellt. Ich weiß nicht, ob der Herr Referent darunter die Firma Melich meint, die seinerzeit, vor einem Jahr, in der Bauwollindustrie sehr beteiligt war und deren Zusammenbruch sicherlich mit dazu beigetragen hat, die Zwangsliquidatur bei der Baumwolle einzuführen. Es sind dieser Firma andere Firmen nachgefolgt und ich möchte die Dokumente hier im Hause doch et as näher betrachten können, warum man denjenigen, welche heute nicht in der Lage sind, etwas zu erfüllen, was die Zwangsliquidatur von ihm verlangt, deshalb als Feind der Republik bezeichnen kann.

Ich betrachte die Durchführung dieses Gesetzentwurfes als ganz unmöglich und es wäre der heutigen Zeit entsprechend, wenn die Durchführung hier im Hause gestundet würde. Ich glaube nicht, daß die Herren von der Majorität einem solchen Antrage von vornherein zustimmen werden. Daher möchte ich jedenfalls die Forderung stellen, daß Sie dem zweiten Antrag, einem Resolutionsantrag, zustimmen, den wir zu diesem Gesetze gestellt haben, in welchem die Regierung aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, daß die von der Devisenzentrale seinerzeit zur Deckung der fälligen Dollarakzepte vorgestreckten ca. 2 Millionen Dollars von den Beteiligten der Baumwollindustrie in Dollars zurückgezahlt werden können. Der entgangene Valutagewinn, der hier aus dem Unterschiede des Dollarstandes zur Zeit der Bezahlung der Akzepte, bzw. aus dem Mittelkursstand und heute sich ergibt, also 80, bzw. 30 und 31, darf nicht von der beteiligten Baumwollindustrie eingefordert werden. Das wäre das geringste Entgegenkommen, das die Industrie im gegenwärtigen Zeitpunkte von unserem Finanzamt verlangen könnte. Darum ersuche ich die Herren von der Majorität, zum Beweise, daß sie die Notlage der Industrie würdigen, dieser Resolution zuzustimmen. (Souhlas na levici.)

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